ginnt. Jn der Gefangenschaft kann man die Maulwürfe nicht erhalten, weil man ihrer großen Ge- fräßigkeit nicht Genüge zu leisten vermag.
Unser gewöhnlicher Maul- oder Mullwurf (Talpa europaea) ist der Vertreter der ersten Sippe dieser Familie. Er ist ein so ausgezeichnetes Thier, daß er auch von dem Unkundigsten leicht erkannt werden muß. Der kurze, dicke, walzenförmige Körper, der Mangel äußerer Ohren, die nur schwer zu entdeckenden, sehr kleinen Augen und der kurze Schwanz, die rüsselförmige Nase und die gewaltigen Grabfüße sind Merkmale, welche vereinigt bei keinem andern Geschöpfe mehr vorkommen und den Maulwurf sehr auszeichnen. Dazu kommt nun noch, daß er sich namentlich den Landbe- wohnern oft in recht unangenehmer Weise aufdrängt und deshalb selbst unter den Bauern genauere Beobachter gefunden hat. Ja, man darf sogar sagen, daß viele Landleute den Maulwurf und seine Sitten besser kennen, als mancher Naturforscher.
[Abbildung]
Der Maul- oder Mullwurf (Talpa europaea).
Nach der oben mitgetheilten Familienbeschreibung können wir seine Eigenthümlichkeiten mit wenigen Worten schildern. Von der Leibeswalze stehen die sehr kurzen Beine ziemlich wagerecht ab; die Vorderbeine sind so kurz, daß der Bauch des Thieres vollständig auf dem Boden liegt. Die sehr breite, handförmige Pfote kehrt die Fläche, welche bei anderen Thieren die innere ist, immer nach außen und rückwärts. Unter den ganz kurzen Zehen ist die mittelste am längsten, die äußeren aber verkürzen sich allmählich und sind fast vollständig mit einander durch Spannhäute verbunden, ja beinah ver- wachsen. Breite, stark abgeplattete und stumpfschneidige Krallen bewehren sie. An den schwachen und kurzen Hinterfüßen sind die Zehen getrennt und die Krallen spitz und schwach. Die Augen haben 1/8 Linie im Durchmesser, d. h., sie sind etwa von der Größe eines Mohnkernes. Sie liegen in der Mitte zwischen der Rüsselspitze und den Ohren und sind vollkommen von dem Kopfhaar überdeckt, haben aber Lider und können von dem Thiere willkürlich hervorgedrückt und zurückgezogen, also be- nutzt werden. Die Ohren sind klein und haben keine äußeren Ohrmuscheln, sondern sind außen blos von einem kurzen Hautrande umgeben, welcher ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und be- liebig zur Oeffnung und Schließung des Gehörganges gebraucht werden kann. Die Behaarung ist überall sehr dicht, kurz und weich, sammtartig; auch die glänzenden Schnurren und Augenborsten sind
ginnt. Jn der Gefangenſchaft kann man die Maulwürfe nicht erhalten, weil man ihrer großen Ge- fräßigkeit nicht Genüge zu leiſten vermag.
Unſer gewöhnlicher Maul- oder Mullwurf (Talpa europaea) iſt der Vertreter der erſten Sippe dieſer Familie. Er iſt ein ſo ausgezeichnetes Thier, daß er auch von dem Unkundigſten leicht erkannt werden muß. Der kurze, dicke, walzenförmige Körper, der Mangel äußerer Ohren, die nur ſchwer zu entdeckenden, ſehr kleinen Augen und der kurze Schwanz, die rüſſelförmige Naſe und die gewaltigen Grabfüße ſind Merkmale, welche vereinigt bei keinem andern Geſchöpfe mehr vorkommen und den Maulwurf ſehr auszeichnen. Dazu kommt nun noch, daß er ſich namentlich den Landbe- wohnern oft in recht unangenehmer Weiſe aufdrängt und deshalb ſelbſt unter den Bauern genauere Beobachter gefunden hat. Ja, man darf ſogar ſagen, daß viele Landleute den Maulwurf und ſeine Sitten beſſer kennen, als mancher Naturforſcher.
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Der Maul- oder Mullwurf (Talpa europaea).
Nach der oben mitgetheilten Familienbeſchreibung können wir ſeine Eigenthümlichkeiten mit wenigen Worten ſchildern. Von der Leibeswalze ſtehen die ſehr kurzen Beine ziemlich wagerecht ab; die Vorderbeine ſind ſo kurz, daß der Bauch des Thieres vollſtändig auf dem Boden liegt. Die ſehr breite, handförmige Pfote kehrt die Fläche, welche bei anderen Thieren die innere iſt, immer nach außen und rückwärts. Unter den ganz kurzen Zehen iſt die mittelſte am längſten, die äußeren aber verkürzen ſich allmählich und ſind faſt vollſtändig mit einander durch Spannhäute verbunden, ja beinah ver- wachſen. Breite, ſtark abgeplattete und ſtumpfſchneidige Krallen bewehren ſie. An den ſchwachen und kurzen Hinterfüßen ſind die Zehen getrennt und die Krallen ſpitz und ſchwach. Die Augen haben ⅛ Linie im Durchmeſſer, d. h., ſie ſind etwa von der Größe eines Mohnkernes. Sie liegen in der Mitte zwiſchen der Rüſſelſpitze und den Ohren und ſind vollkommen von dem Kopfhaar überdeckt, haben aber Lider und können von dem Thiere willkürlich hervorgedrückt und zurückgezogen, alſo be- nutzt werden. Die Ohren ſind klein und haben keine äußeren Ohrmuſcheln, ſondern ſind außen blos von einem kurzen Hautrande umgeben, welcher ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und be- liebig zur Oeffnung und Schließung des Gehörganges gebraucht werden kann. Die Behaarung iſt überall ſehr dicht, kurz und weich, ſammtartig; auch die glänzenden Schnurren und Augenborſten ſind
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Ausrüſtung. Heimat. Wohnung. Nahrung. Sinneswerkzeuge.
ginnt. Jn der Gefangenſchaft kann man die Maulwürfe nicht erhalten, weil man ihrer großen Ge-
fräßigkeit nicht Genüge zu leiſten vermag.
Unſer gewöhnlicher Maul- oder Mullwurf (Talpa europaea) iſt der Vertreter der erſten
Sippe dieſer Familie. Er iſt ein ſo ausgezeichnetes Thier, daß er auch von dem Unkundigſten leicht
erkannt werden muß. Der kurze, dicke, walzenförmige Körper, der Mangel äußerer Ohren, die
nur ſchwer zu entdeckenden, ſehr kleinen Augen und der kurze Schwanz, die rüſſelförmige Naſe und die
gewaltigen Grabfüße ſind Merkmale, welche vereinigt bei keinem andern Geſchöpfe mehr vorkommen
und den Maulwurf ſehr auszeichnen. Dazu kommt nun noch, daß er ſich namentlich den Landbe-
wohnern oft in recht unangenehmer Weiſe aufdrängt und deshalb ſelbſt unter den Bauern genauere
Beobachter gefunden hat. Ja, man darf ſogar ſagen, daß viele Landleute den Maulwurf und ſeine
Sitten beſſer kennen, als mancher Naturforſcher.
[Abbildung Der Maul- oder Mullwurf (Talpa europaea).]
Nach der oben mitgetheilten Familienbeſchreibung können wir ſeine Eigenthümlichkeiten mit
wenigen Worten ſchildern. Von der Leibeswalze ſtehen die ſehr kurzen Beine ziemlich wagerecht ab;
die Vorderbeine ſind ſo kurz, daß der Bauch des Thieres vollſtändig auf dem Boden liegt. Die ſehr
breite, handförmige Pfote kehrt die Fläche, welche bei anderen Thieren die innere iſt, immer nach außen
und rückwärts. Unter den ganz kurzen Zehen iſt die mittelſte am längſten, die äußeren aber verkürzen
ſich allmählich und ſind faſt vollſtändig mit einander durch Spannhäute verbunden, ja beinah ver-
wachſen. Breite, ſtark abgeplattete und ſtumpfſchneidige Krallen bewehren ſie. An den ſchwachen und
kurzen Hinterfüßen ſind die Zehen getrennt und die Krallen ſpitz und ſchwach. Die Augen haben
⅛ Linie im Durchmeſſer, d. h., ſie ſind etwa von der Größe eines Mohnkernes. Sie liegen in der
Mitte zwiſchen der Rüſſelſpitze und den Ohren und ſind vollkommen von dem Kopfhaar überdeckt,
haben aber Lider und können von dem Thiere willkürlich hervorgedrückt und zurückgezogen, alſo be-
nutzt werden. Die Ohren ſind klein und haben keine äußeren Ohrmuſcheln, ſondern ſind außen blos
von einem kurzen Hautrande umgeben, welcher ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und be-
liebig zur Oeffnung und Schließung des Gehörganges gebraucht werden kann. Die Behaarung iſt
überall ſehr dicht, kurz und weich, ſammtartig; auch die glänzenden Schnurren und Augenborſten ſind
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/761>, abgerufen am 24.11.2024.
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