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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Spitzmäuse. -- Wasserspitzmaus.
Perlen überdeckt. Diese Perlen sind Bläschen, welche sich aus der von den dichten Haaren zurückge-
haltenen Luft bilden. Gerade diese gestaute Luftschicht über dem Körper scheint ihr Fellchen immer
trocken zu halten.

Wenn man sich an einem Teiche gut versteckt und hier Wasserspitzmäuse beobachtet, welche nicht
beunruhigt worden sind, kann man ihr Treiben recht hübsch wahrnehmen. Schon früh vor oder gleich
nach Sonnenaufgang sieht man sie zum Vorschein kommen und im Teiche herumschwimmen. Dabei halten
sie oft inne und legen sich platt auf das Wasser hin oder schaneu halben Leibes aus demselben hervor,
so daß ihre weiße Kehle sichtbar wird. Beim Schwimmen rudern sie mit den Hinterfüßen so stark, daß
man nach der Bewegung des Wassers ein weit größeres Thier vermuthen möchte; beim Ausruhen sehen
sie sich überall um und stürzen sich, so wie sie eine Gefahr ahnen, pfeilschnell in das Wasser, so
geschwind, daß der Jäger welcher sie erlegen will, sehr nahe sein muß, wenn sie der Hagel seines Ge-
wehres erreichen soll; denn wie manche Steißfüße stürzen sie sich in dem Augenblick in die Tiefe, in
welchem sie den Rauch aus dem Gewehre wahrnehmen, und entkommen so wirklich noch dem ihnen zu-
gedachten Tode. Jn früheren Zeiten, wo man noch keine Schlagschlösser an den Gewehren hatte, hielt
es sehr schwer, Wasserspitzmäuse zu erlegen: sie waren verschwunden, sowie das Feuer auf der Pfanne
aufblitzte. Selten bleibt die kleine Taucherin lange auf dem Grunde des Wassers, gewöhnlich kommt
sie bald wieder auf die Oberfläche herauf. Hier ist ihr Wirkungskreis, hier sieht man sie an einsamen,
stillen Orten den ganzen Tag über in Bewegung. Sie schwimmt nicht nur an den Ufern, sondern
auch in der Mitte des Teiches herum, oft von einer Seite zur andern und ruht gern auf einem in das
Wasser hängenden Baumstumpf oder auf einem darin schwimmenden Holze aus. Zuweilen springt sie
aus dem Wasser in die Höhe, um ein vorüberfliegendes Kerbthier zu fangen, und stürzt sich Kopf unterst
wieder hinein. Dabei ist ihr Fellchen immer glatt und trocken, und die Tropfen laufen ihr, sowie sie
wieder auf die Oberfläche kommt, vom Felle ab, wie Wasser, welches man auf Wachstafft gießt. Jm
kranken Zustande verliert sich diese Eigenschaft des Pelzes: die Haare werden durchaus naß und die
Feuchtigkeit dringt bis auf die Haut; dann aber geht die Wasserspitzmaus auch sehr bald zu Grunde.

Das volle Leben des schmucken Thieres zeigt sich am besten bei ihrer Paarung und Begattung,
welche zum erstenmal im Jahre im April oder Mai vor sich zu gehen pflegt. Unter beständigem Ge-
schrei, welches fast wie "Sisisi" klingt und, wenn es von mehreren ausgestoßen wird, ein wahres Ge-
schwirr genannt werden kann, verfolgt das Männchen das Weibchen. Letzteres kommt aus seinem
Versteck herausgeschwommen, hebt den Kopf und die Brust aus dem Wasser empor und sieht sich nach
allen Seiten um. Das Männchen, welches den Gegenstand seiner Sehnsucht unzweifelhaft schon ge-
sucht hat, zeigt sich jetzt ebenfalls auf dem freien Wasserspiegel und schwimmt, so wie es die Verlorene
wieder entdeckt hat, eilig auf sie zu. Dem Weibchen ist es aber noch nicht gelegen, die ihm zugedachten
Liebkofungen anzunehmen. Es läßt zwar das Männchen ganz nahe an sich heran kommen, doch ehe es
erreicht ist, taucht es plötzlich unter und entweicht weit, indem es auf dem Grunde des Teiches eine
Strecke fortläuft und an einer ganz andern Stelle wieder emporkommt. Doch das Männchen hat
Dies bemerkt und eilt von neuem dem Orte zu, an welchem sich seine Geliebte befindet. Schon glaubt
es, am Ziele zu sein, da verschwindet das Weibchen wieder und kommt abermals anderswo zum Vor-
schein. So geht das Spiel Viertelstunden lang fort, bis sich endlich das Weibchen dem Willen des
Männchens ergiebt. Dabei vergißt keines der beiden Gatten, ein etwa vorüberschwimmendes Kerbthier
oder einen sonstigen Nahrungsgegenstand aufzunehmen, und nicht selten werden bei dieser Liebes-
neckerei auch alle Gänge am Ufer mit besucht.

Jm Verhältniß zu ihrer Größe sind die Wasserspitzmäuse wahrhaft furchtbare Raubthiere. Sie
verzehren nicht blos Kerfe aller Arten, zumal solche, welche im Wasser leben, Würmer, kleine Weich-
thiere, Krebse und dergleichen, sondern auch Lurche, Fische, Vögel und kleine Säugethiere. Die harm-
lose Maus, welcher sie in ihren Löchern begegnen, ist verloren; die vor kurzem ausgeflogene Bachstelze,
welche sich unvorsichtig zu nahe an das Wasser wagt, wird plötzlich mit derselben Gier überfallen,
mit welcher sich ein Luchs auf ein Reh stürzt, und in wenigen Minuten abgewürgt; der Frosch,

Die Raubthiere. Spitzmäuſe. — Waſſerſpitzmaus.
Perlen überdeckt. Dieſe Perlen ſind Bläschen, welche ſich aus der von den dichten Haaren zurückge-
haltenen Luft bilden. Gerade dieſe geſtaute Luftſchicht über dem Körper ſcheint ihr Fellchen immer
trocken zu halten.

Wenn man ſich an einem Teiche gut verſteckt und hier Waſſerſpitzmäuſe beobachtet, welche nicht
beunruhigt worden ſind, kann man ihr Treiben recht hübſch wahrnehmen. Schon früh vor oder gleich
nach Sonnenaufgang ſieht man ſie zum Vorſchein kommen und im Teiche herumſchwimmen. Dabei halten
ſie oft inne und legen ſich platt auf das Waſſer hin oder ſchaneu halben Leibes aus demſelben hervor,
ſo daß ihre weiße Kehle ſichtbar wird. Beim Schwimmen rudern ſie mit den Hinterfüßen ſo ſtark, daß
man nach der Bewegung des Waſſers ein weit größeres Thier vermuthen möchte; beim Ausruhen ſehen
ſie ſich überall um und ſtürzen ſich, ſo wie ſie eine Gefahr ahnen, pfeilſchnell in das Waſſer, ſo
geſchwind, daß der Jäger welcher ſie erlegen will, ſehr nahe ſein muß, wenn ſie der Hagel ſeines Ge-
wehres erreichen ſoll; denn wie manche Steißfüße ſtürzen ſie ſich in dem Augenblick in die Tiefe, in
welchem ſie den Rauch aus dem Gewehre wahrnehmen, und entkommen ſo wirklich noch dem ihnen zu-
gedachten Tode. Jn früheren Zeiten, wo man noch keine Schlagſchlöſſer an den Gewehren hatte, hielt
es ſehr ſchwer, Waſſerſpitzmäuſe zu erlegen: ſie waren verſchwunden, ſowie das Feuer auf der Pfanne
aufblitzte. Selten bleibt die kleine Taucherin lange auf dem Grunde des Waſſers, gewöhnlich kommt
ſie bald wieder auf die Oberfläche herauf. Hier iſt ihr Wirkungskreis, hier ſieht man ſie an einſamen,
ſtillen Orten den ganzen Tag über in Bewegung. Sie ſchwimmt nicht nur an den Ufern, ſondern
auch in der Mitte des Teiches herum, oft von einer Seite zur andern und ruht gern auf einem in das
Waſſer hängenden Baumſtumpf oder auf einem darin ſchwimmenden Holze aus. Zuweilen ſpringt ſie
aus dem Waſſer in die Höhe, um ein vorüberfliegendes Kerbthier zu fangen, und ſtürzt ſich Kopf unterſt
wieder hinein. Dabei iſt ihr Fellchen immer glatt und trocken, und die Tropfen laufen ihr, ſowie ſie
wieder auf die Oberfläche kommt, vom Felle ab, wie Waſſer, welches man auf Wachstafft gießt. Jm
kranken Zuſtande verliert ſich dieſe Eigenſchaft des Pelzes: die Haare werden durchaus naß und die
Feuchtigkeit dringt bis auf die Haut; dann aber geht die Waſſerſpitzmaus auch ſehr bald zu Grunde.

Das volle Leben des ſchmucken Thieres zeigt ſich am beſten bei ihrer Paarung und Begattung,
welche zum erſtenmal im Jahre im April oder Mai vor ſich zu gehen pflegt. Unter beſtändigem Ge-
ſchrei, welches faſt wie „Siſiſi‟ klingt und, wenn es von mehreren ausgeſtoßen wird, ein wahres Ge-
ſchwirr genannt werden kann, verfolgt das Männchen das Weibchen. Letzteres kommt aus ſeinem
Verſteck herausgeſchwommen, hebt den Kopf und die Bruſt aus dem Waſſer empor und ſieht ſich nach
allen Seiten um. Das Männchen, welches den Gegenſtand ſeiner Sehnſucht unzweifelhaft ſchon ge-
ſucht hat, zeigt ſich jetzt ebenfalls auf dem freien Waſſerſpiegel und ſchwimmt, ſo wie es die Verlorene
wieder entdeckt hat, eilig auf ſie zu. Dem Weibchen iſt es aber noch nicht gelegen, die ihm zugedachten
Liebkofungen anzunehmen. Es läßt zwar das Männchen ganz nahe an ſich heran kommen, doch ehe es
erreicht iſt, taucht es plötzlich unter und entweicht weit, indem es auf dem Grunde des Teiches eine
Strecke fortläuft und an einer ganz andern Stelle wieder emporkommt. Doch das Männchen hat
Dies bemerkt und eilt von neuem dem Orte zu, an welchem ſich ſeine Geliebte befindet. Schon glaubt
es, am Ziele zu ſein, da verſchwindet das Weibchen wieder und kommt abermals anderswo zum Vor-
ſchein. So geht das Spiel Viertelſtunden lang fort, bis ſich endlich das Weibchen dem Willen des
Männchens ergiebt. Dabei vergißt keines der beiden Gatten, ein etwa vorüberſchwimmendes Kerbthier
oder einen ſonſtigen Nahrungsgegenſtand aufzunehmen, und nicht ſelten werden bei dieſer Liebes-
neckerei auch alle Gänge am Ufer mit beſucht.

Jm Verhältniß zu ihrer Größe ſind die Waſſerſpitzmäuſe wahrhaft furchtbare Raubthiere. Sie
verzehren nicht blos Kerfe aller Arten, zumal ſolche, welche im Waſſer leben, Würmer, kleine Weich-
thiere, Krebſe und dergleichen, ſondern auch Lurche, Fiſche, Vögel und kleine Säugethiere. Die harm-
loſe Maus, welcher ſie in ihren Löchern begegnen, iſt verloren; die vor kurzem ausgeflogene Bachſtelze,
welche ſich unvorſichtig zu nahe an das Waſſer wagt, wird plötzlich mit derſelben Gier überfallen,
mit welcher ſich ein Luchs auf ein Reh ſtürzt, und in wenigen Minuten abgewürgt; der Froſch,

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[676/0754] Die Raubthiere. Spitzmäuſe. — Waſſerſpitzmaus. Perlen überdeckt. Dieſe Perlen ſind Bläschen, welche ſich aus der von den dichten Haaren zurückge- haltenen Luft bilden. Gerade dieſe geſtaute Luftſchicht über dem Körper ſcheint ihr Fellchen immer trocken zu halten. Wenn man ſich an einem Teiche gut verſteckt und hier Waſſerſpitzmäuſe beobachtet, welche nicht beunruhigt worden ſind, kann man ihr Treiben recht hübſch wahrnehmen. Schon früh vor oder gleich nach Sonnenaufgang ſieht man ſie zum Vorſchein kommen und im Teiche herumſchwimmen. Dabei halten ſie oft inne und legen ſich platt auf das Waſſer hin oder ſchaneu halben Leibes aus demſelben hervor, ſo daß ihre weiße Kehle ſichtbar wird. Beim Schwimmen rudern ſie mit den Hinterfüßen ſo ſtark, daß man nach der Bewegung des Waſſers ein weit größeres Thier vermuthen möchte; beim Ausruhen ſehen ſie ſich überall um und ſtürzen ſich, ſo wie ſie eine Gefahr ahnen, pfeilſchnell in das Waſſer, ſo geſchwind, daß der Jäger welcher ſie erlegen will, ſehr nahe ſein muß, wenn ſie der Hagel ſeines Ge- wehres erreichen ſoll; denn wie manche Steißfüße ſtürzen ſie ſich in dem Augenblick in die Tiefe, in welchem ſie den Rauch aus dem Gewehre wahrnehmen, und entkommen ſo wirklich noch dem ihnen zu- gedachten Tode. Jn früheren Zeiten, wo man noch keine Schlagſchlöſſer an den Gewehren hatte, hielt es ſehr ſchwer, Waſſerſpitzmäuſe zu erlegen: ſie waren verſchwunden, ſowie das Feuer auf der Pfanne aufblitzte. Selten bleibt die kleine Taucherin lange auf dem Grunde des Waſſers, gewöhnlich kommt ſie bald wieder auf die Oberfläche herauf. Hier iſt ihr Wirkungskreis, hier ſieht man ſie an einſamen, ſtillen Orten den ganzen Tag über in Bewegung. Sie ſchwimmt nicht nur an den Ufern, ſondern auch in der Mitte des Teiches herum, oft von einer Seite zur andern und ruht gern auf einem in das Waſſer hängenden Baumſtumpf oder auf einem darin ſchwimmenden Holze aus. Zuweilen ſpringt ſie aus dem Waſſer in die Höhe, um ein vorüberfliegendes Kerbthier zu fangen, und ſtürzt ſich Kopf unterſt wieder hinein. Dabei iſt ihr Fellchen immer glatt und trocken, und die Tropfen laufen ihr, ſowie ſie wieder auf die Oberfläche kommt, vom Felle ab, wie Waſſer, welches man auf Wachstafft gießt. Jm kranken Zuſtande verliert ſich dieſe Eigenſchaft des Pelzes: die Haare werden durchaus naß und die Feuchtigkeit dringt bis auf die Haut; dann aber geht die Waſſerſpitzmaus auch ſehr bald zu Grunde. Das volle Leben des ſchmucken Thieres zeigt ſich am beſten bei ihrer Paarung und Begattung, welche zum erſtenmal im Jahre im April oder Mai vor ſich zu gehen pflegt. Unter beſtändigem Ge- ſchrei, welches faſt wie „Siſiſi‟ klingt und, wenn es von mehreren ausgeſtoßen wird, ein wahres Ge- ſchwirr genannt werden kann, verfolgt das Männchen das Weibchen. Letzteres kommt aus ſeinem Verſteck herausgeſchwommen, hebt den Kopf und die Bruſt aus dem Waſſer empor und ſieht ſich nach allen Seiten um. Das Männchen, welches den Gegenſtand ſeiner Sehnſucht unzweifelhaft ſchon ge- ſucht hat, zeigt ſich jetzt ebenfalls auf dem freien Waſſerſpiegel und ſchwimmt, ſo wie es die Verlorene wieder entdeckt hat, eilig auf ſie zu. Dem Weibchen iſt es aber noch nicht gelegen, die ihm zugedachten Liebkofungen anzunehmen. Es läßt zwar das Männchen ganz nahe an ſich heran kommen, doch ehe es erreicht iſt, taucht es plötzlich unter und entweicht weit, indem es auf dem Grunde des Teiches eine Strecke fortläuft und an einer ganz andern Stelle wieder emporkommt. Doch das Männchen hat Dies bemerkt und eilt von neuem dem Orte zu, an welchem ſich ſeine Geliebte befindet. Schon glaubt es, am Ziele zu ſein, da verſchwindet das Weibchen wieder und kommt abermals anderswo zum Vor- ſchein. So geht das Spiel Viertelſtunden lang fort, bis ſich endlich das Weibchen dem Willen des Männchens ergiebt. Dabei vergißt keines der beiden Gatten, ein etwa vorüberſchwimmendes Kerbthier oder einen ſonſtigen Nahrungsgegenſtand aufzunehmen, und nicht ſelten werden bei dieſer Liebes- neckerei auch alle Gänge am Ufer mit beſucht. Jm Verhältniß zu ihrer Größe ſind die Waſſerſpitzmäuſe wahrhaft furchtbare Raubthiere. Sie verzehren nicht blos Kerfe aller Arten, zumal ſolche, welche im Waſſer leben, Würmer, kleine Weich- thiere, Krebſe und dergleichen, ſondern auch Lurche, Fiſche, Vögel und kleine Säugethiere. Die harm- loſe Maus, welcher ſie in ihren Löchern begegnen, iſt verloren; die vor kurzem ausgeflogene Bachſtelze, welche ſich unvorſichtig zu nahe an das Waſſer wagt, wird plötzlich mit derſelben Gier überfallen, mit welcher ſich ein Luchs auf ein Reh ſtürzt, und in wenigen Minuten abgewürgt; der Froſch,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/754>, abgerufen am 24.11.2024.