wird, wirft er sich augenblicklich auf alle Viere und humpelt nun mit seltsamen Sprüngen, jedoch ziemlich rasch, davon. Beim aufrechten Gange ist er nicht im Stande, wie der Mensch die Ferse vom Boden zu erheben, sondern tritt gleichsam stampfend mit der ganzen Sohlenfläche oder vielmehr mit den Knöchelseiten der Hände und Füße auf, wodurch diese Außenseiten der Hände schwielig werden. Wenn er ruht, nimmt er eine sitzende Stellung an, die Nacht aber verbringt er, wie der Gorilla und asiatische Waldmensch, in Nestern, welche er sich aus den zusammengebogenen Zwei- gen der Bäume bereitet und mit abgebrochenen Aesten und blätterreichen Zweigen auspolstert. Diese Nester sah Savage gewöhnlich in einer Höhe von 20 bis 30 Fuß über dem Grunde. Er bemerkte selten zwei auf einem Baume, nur ein einziges Mal fünf, niemals aber eine solche Menge zusammen, welche berechtigen könnte, von einem Affendorfe zu sprechen, wie früher so oft geschehen ist.
Der Schimpanse nährt sich fast von denselben Pflanzen, wie der Gorilla. Früchte, Nüsse und Wurzeln sind wohl die Hauptnahrung. Zuweilen besucht er die Bauanen und andere Frucht- bäume, welche die Neger zwischen ihren Maisfeldern anpflanzen. Das Aufsuchen der Nahrung bestimmt die Thiere zu häufigem Wechsel ihres Aufenthalts. Verlassene Negerdörfer, in denen die Papaya in großer Menge wächst, sind Lieblingsorte für sie, so lange es dort Nahrung giebt; wenn diese aber aufgezehrt ist, unternehmen sie Wanderungen von größerer oder geringerer Ausdehnung. Auch ihre Gesellschaften werden immer von dem stärksten Männchen geführt und geleitet; die Wach- samkeit desselben ist eben so groß, als seine Stärke. Man versichert, daß ein erwachsenes Männchen des Schimpanse im Stande sei, Aeste abzubrechen, welche zwei Männer kaum beugen können. Ja, die Neger behaupten, daß ein Schimpanse kräftig genug sei, zehn Männern Widerstand zu leisten. Doch sagen sie auch, daß der Schimpanse niemals ungereizt angreife, sondern sich stets auf seine Vertheidigung beschränke. Bei Gefahr stößt der Leitaffe einen Schrei aus, welcher dem Angstruf eines in Todesgefahr schwebenden Menschen ähnelt, die übrigen erklettern schnell die Gipfel der Bäume und lassen ihre Laute hören, welche an das Hundegebell erinnern. Erst dann, wenn der Jäger einen Affen der Herde getödtet hat, gehen die Männchen auf den Jäger los, welcher unter- liegt, falls die Zahl seiner Angreifer groß ist. Man sagt, daß derselbe sich retten könne, wenn er den Angreifern Stücke seiner Kleidung oder auch seine Waffen überlasse, die dann von den erbosten Thieren mit Wuth in Stücke zerrissen und zerbrochen würden. Bei jenen Angriffen oder der Ver- theidigung bedienen sich die Affen hauptsächlich ihres Gebisses und ihrer Hände, obwohl noch immer berichtet wird, daß sie Stöcke, Nüsse, Steine u. dergl. zur Vertheidigung zu benutzen wüßten. Uebri- gens ist schon um deshalb schwer zu glauben, daß sie Stöcke oder Keulen in unserer Weise zum Kampfe benutzen, weil ihr schwankender Gang auf zwei Hinterbeinen eine freie Benutzung nicht ge- stattet; aller Wahrscheinlichkeit nach würde jeder aufrechtstehende Affe durch die Kraft der zu einem ordentlichen Schlage erforderlichen Armbewegung aus dem Gleichgewichte gebracht und zu Boden gerissen werden.
Sehr groß ist die gegenseitige Anhänglichkeit der Mitglieder einer Herde. Die Männchen lieben die Weibchen und diese ihre Kinder außerordentlich, und die Stärkeren vertheidigen stets die Schwächeren. Jn der geschlechtlichen Liebe sollen sich die Schimpanses weit weniger abschreckend zeigen, als andere Affen, namentlich die Paviane. Man spricht sogar von gewisser Sittsamkeit, welche sie beweisen. Es ist wiederholt erzählt worden, daß die männlichen Schimpanses an weiblichen Menschen Gefallen finden; sie sollen zuweilen junge Negerinnen gewaltsam mit sich fort- führen, jahrelang in dem Walde bei sich behalten, sie sorgsam bewachen und ihnen durch ihre rohe Zärtlichkeit sehr lästig fallen; ich brauche wohl kaum zu sagen, daß solche Erzählungen noch sehr der Bestätigung bedürfen. Es wäre übrigens sehr merkwürdig, wenn die Affen ihre Verwandtschaft mit dem Menschen ebenso ahnten, als die Neger sich ihrerseits als Vettern des Orangs fühlen. Diese erblicken in dem Schimpanse die Mitglieder eines eigenen Menschenstammes, welcher aber wegen seiner schlechten Aufführung von der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen wurde und durch die Be- harrlichkeit in seinen schlechten Sitten nach und nach zu dem Zustande herabsank, in welchem er jetzt
Lebensweiſe; Nahrung.
wird, wirft er ſich augenblicklich auf alle Viere und humpelt nun mit ſeltſamen Sprüngen, jedoch ziemlich raſch, davon. Beim aufrechten Gange iſt er nicht im Stande, wie der Menſch die Ferſe vom Boden zu erheben, ſondern tritt gleichſam ſtampfend mit der ganzen Sohlenfläche oder vielmehr mit den Knöchelſeiten der Hände und Füße auf, wodurch dieſe Außenſeiten der Hände ſchwielig werden. Wenn er ruht, nimmt er eine ſitzende Stellung an, die Nacht aber verbringt er, wie der Gorilla und aſiatiſche Waldmenſch, in Neſtern, welche er ſich aus den zuſammengebogenen Zwei- gen der Bäume bereitet und mit abgebrochenen Aeſten und blätterreichen Zweigen auspolſtert. Dieſe Neſter ſah Savage gewöhnlich in einer Höhe von 20 bis 30 Fuß über dem Grunde. Er bemerkte ſelten zwei auf einem Baume, nur ein einziges Mal fünf, niemals aber eine ſolche Menge zuſammen, welche berechtigen könnte, von einem Affendorfe zu ſprechen, wie früher ſo oft geſchehen iſt.
Der Schimpanſe nährt ſich faſt von denſelben Pflanzen, wie der Gorilla. Früchte, Nüſſe und Wurzeln ſind wohl die Hauptnahrung. Zuweilen beſucht er die Bauanen und andere Frucht- bäume, welche die Neger zwiſchen ihren Maisfeldern anpflanzen. Das Aufſuchen der Nahrung beſtimmt die Thiere zu häufigem Wechſel ihres Aufenthalts. Verlaſſene Negerdörfer, in denen die Papaya in großer Menge wächſt, ſind Lieblingsorte für ſie, ſo lange es dort Nahrung giebt; wenn dieſe aber aufgezehrt iſt, unternehmen ſie Wanderungen von größerer oder geringerer Ausdehnung. Auch ihre Geſellſchaften werden immer von dem ſtärkſten Männchen geführt und geleitet; die Wach- ſamkeit deſſelben iſt eben ſo groß, als ſeine Stärke. Man verſichert, daß ein erwachſenes Männchen des Schimpanſe im Stande ſei, Aeſte abzubrechen, welche zwei Männer kaum beugen können. Ja, die Neger behaupten, daß ein Schimpanſe kräftig genug ſei, zehn Männern Widerſtand zu leiſten. Doch ſagen ſie auch, daß der Schimpanſe niemals ungereizt angreife, ſondern ſich ſtets auf ſeine Vertheidigung beſchränke. Bei Gefahr ſtößt der Leitaffe einen Schrei aus, welcher dem Angſtruf eines in Todesgefahr ſchwebenden Menſchen ähnelt, die übrigen erklettern ſchnell die Gipfel der Bäume und laſſen ihre Laute hören, welche an das Hundegebell erinnern. Erſt dann, wenn der Jäger einen Affen der Herde getödtet hat, gehen die Männchen auf den Jäger los, welcher unter- liegt, falls die Zahl ſeiner Angreifer groß iſt. Man ſagt, daß derſelbe ſich retten könne, wenn er den Angreifern Stücke ſeiner Kleidung oder auch ſeine Waffen überlaſſe, die dann von den erboſten Thieren mit Wuth in Stücke zerriſſen und zerbrochen würden. Bei jenen Angriffen oder der Ver- theidigung bedienen ſich die Affen hauptſächlich ihres Gebiſſes und ihrer Hände, obwohl noch immer berichtet wird, daß ſie Stöcke, Nüſſe, Steine u. dergl. zur Vertheidigung zu benutzen wüßten. Uebri- gens iſt ſchon um deshalb ſchwer zu glauben, daß ſie Stöcke oder Keulen in unſerer Weiſe zum Kampfe benutzen, weil ihr ſchwankender Gang auf zwei Hinterbeinen eine freie Benutzung nicht ge- ſtattet; aller Wahrſcheinlichkeit nach würde jeder aufrechtſtehende Affe durch die Kraft der zu einem ordentlichen Schlage erforderlichen Armbewegung aus dem Gleichgewichte gebracht und zu Boden geriſſen werden.
Sehr groß iſt die gegenſeitige Anhänglichkeit der Mitglieder einer Herde. Die Männchen lieben die Weibchen und dieſe ihre Kinder außerordentlich, und die Stärkeren vertheidigen ſtets die Schwächeren. Jn der geſchlechtlichen Liebe ſollen ſich die Schimpanſes weit weniger abſchreckend zeigen, als andere Affen, namentlich die Paviane. Man ſpricht ſogar von gewiſſer Sittſamkeit, welche ſie beweiſen. Es iſt wiederholt erzählt worden, daß die männlichen Schimpanſes an weiblichen Menſchen Gefallen finden; ſie ſollen zuweilen junge Negerinnen gewaltſam mit ſich fort- führen, jahrelang in dem Walde bei ſich behalten, ſie ſorgſam bewachen und ihnen durch ihre rohe Zärtlichkeit ſehr läſtig fallen; ich brauche wohl kaum zu ſagen, daß ſolche Erzählungen noch ſehr der Beſtätigung bedürfen. Es wäre übrigens ſehr merkwürdig, wenn die Affen ihre Verwandtſchaft mit dem Menſchen ebenſo ahnten, als die Neger ſich ihrerſeits als Vettern des Orangs fühlen. Dieſe erblicken in dem Schimpanſe die Mitglieder eines eigenen Menſchenſtammes, welcher aber wegen ſeiner ſchlechten Aufführung von der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen wurde und durch die Be- harrlichkeit in ſeinen ſchlechten Sitten nach und nach zu dem Zuſtande herabſank, in welchem er jetzt
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0075"n="25"/><fwplace="top"type="header">Lebensweiſe; Nahrung.</fw><lb/>
wird, wirft er ſich augenblicklich auf alle Viere und humpelt nun mit ſeltſamen Sprüngen, jedoch<lb/>
ziemlich raſch, davon. Beim aufrechten Gange iſt er nicht im Stande, wie der Menſch die Ferſe<lb/>
vom Boden zu erheben, ſondern tritt gleichſam ſtampfend mit der ganzen Sohlenfläche oder vielmehr<lb/>
mit den Knöchelſeiten der Hände und Füße auf, wodurch dieſe Außenſeiten der Hände ſchwielig<lb/>
werden. Wenn er ruht, nimmt er eine ſitzende Stellung an, die Nacht aber verbringt er, wie der<lb/><hirendition="#g">Gorilla</hi> und aſiatiſche <hirendition="#g">Waldmenſch,</hi> in Neſtern, welche er ſich aus den zuſammengebogenen Zwei-<lb/>
gen der Bäume bereitet und mit abgebrochenen Aeſten und blätterreichen Zweigen auspolſtert. Dieſe<lb/>
Neſter ſah <hirendition="#g">Savage</hi> gewöhnlich in einer Höhe von 20 bis 30 Fuß über dem Grunde. Er bemerkte<lb/>ſelten zwei auf einem Baume, nur ein einziges Mal fünf, niemals aber eine ſolche Menge zuſammen,<lb/>
welche berechtigen könnte, von einem Affendorfe zu ſprechen, wie früher ſo oft geſchehen iſt.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Schimpanſe</hi> nährt ſich faſt von denſelben Pflanzen, wie der <hirendition="#g">Gorilla.</hi> Früchte, Nüſſe<lb/>
und Wurzeln ſind wohl die Hauptnahrung. Zuweilen beſucht er die <hirendition="#g">Bauanen</hi> und andere Frucht-<lb/>
bäume, welche die Neger zwiſchen ihren Maisfeldern anpflanzen. Das Aufſuchen der Nahrung<lb/>
beſtimmt die Thiere zu häufigem Wechſel ihres Aufenthalts. Verlaſſene Negerdörfer, in denen die<lb/><hirendition="#g">Papaya</hi> in großer Menge wächſt, ſind Lieblingsorte für ſie, ſo lange es dort Nahrung giebt; wenn<lb/>
dieſe aber aufgezehrt iſt, unternehmen ſie Wanderungen von größerer oder geringerer Ausdehnung.<lb/>
Auch ihre Geſellſchaften werden immer von dem ſtärkſten Männchen geführt und geleitet; die Wach-<lb/>ſamkeit deſſelben iſt eben ſo groß, als ſeine Stärke. Man verſichert, daß ein erwachſenes Männchen<lb/>
des <hirendition="#g">Schimpanſe</hi> im Stande ſei, Aeſte abzubrechen, welche zwei Männer kaum beugen können.<lb/>
Ja, die Neger behaupten, daß ein <hirendition="#g">Schimpanſe</hi> kräftig genug ſei, zehn Männern Widerſtand zu<lb/>
leiſten. Doch ſagen ſie auch, daß der <hirendition="#g">Schimpanſe</hi> niemals ungereizt angreife, ſondern ſich ſtets<lb/>
auf ſeine Vertheidigung beſchränke. Bei Gefahr ſtößt der Leitaffe einen Schrei aus, welcher dem<lb/>
Angſtruf eines in Todesgefahr ſchwebenden Menſchen ähnelt, die übrigen erklettern ſchnell die Gipfel<lb/>
der Bäume und laſſen ihre Laute hören, welche an das Hundegebell erinnern. Erſt dann, wenn der<lb/>
Jäger einen Affen der Herde getödtet hat, gehen die Männchen auf den Jäger los, welcher unter-<lb/>
liegt, falls die Zahl ſeiner Angreifer groß iſt. Man ſagt, daß derſelbe ſich retten könne, wenn er<lb/>
den Angreifern Stücke ſeiner Kleidung oder auch ſeine Waffen überlaſſe, die dann von den erboſten<lb/>
Thieren mit Wuth in Stücke zerriſſen und zerbrochen würden. Bei jenen Angriffen oder der Ver-<lb/>
theidigung bedienen ſich die Affen hauptſächlich ihres Gebiſſes und ihrer Hände, obwohl noch immer<lb/>
berichtet wird, daß ſie Stöcke, Nüſſe, Steine u. dergl. zur Vertheidigung zu benutzen wüßten. Uebri-<lb/>
gens iſt ſchon um deshalb ſchwer zu glauben, daß ſie Stöcke oder Keulen in unſerer Weiſe zum<lb/>
Kampfe benutzen, weil ihr ſchwankender Gang auf zwei Hinterbeinen eine freie Benutzung nicht ge-<lb/>ſtattet; aller Wahrſcheinlichkeit nach würde jeder aufrechtſtehende Affe durch die Kraft der zu einem<lb/>
ordentlichen Schlage erforderlichen Armbewegung aus dem Gleichgewichte gebracht und zu Boden<lb/>
geriſſen werden.</p><lb/><p>Sehr groß iſt die gegenſeitige Anhänglichkeit der Mitglieder einer Herde. Die Männchen lieben<lb/>
die Weibchen und dieſe ihre Kinder außerordentlich, und die Stärkeren vertheidigen ſtets die<lb/>
Schwächeren. Jn der geſchlechtlichen Liebe ſollen ſich die <hirendition="#g">Schimpanſes</hi> weit weniger abſchreckend<lb/>
zeigen, als andere Affen, namentlich die <hirendition="#g">Paviane.</hi> Man ſpricht ſogar von gewiſſer Sittſamkeit,<lb/>
welche ſie beweiſen. Es iſt wiederholt erzählt worden, daß die männlichen <hirendition="#g">Schimpanſes</hi> an<lb/>
weiblichen Menſchen Gefallen finden; ſie ſollen zuweilen junge Negerinnen gewaltſam mit ſich fort-<lb/>
führen, jahrelang in dem Walde bei ſich behalten, ſie ſorgſam bewachen und ihnen durch ihre rohe<lb/>
Zärtlichkeit ſehr läſtig fallen; ich brauche wohl kaum zu ſagen, daß ſolche Erzählungen noch ſehr der<lb/>
Beſtätigung bedürfen. Es wäre übrigens ſehr merkwürdig, wenn die Affen ihre Verwandtſchaft mit<lb/>
dem Menſchen ebenſo ahnten, als die Neger ſich ihrerſeits als Vettern des Orangs fühlen. Dieſe<lb/>
erblicken in dem <hirendition="#g">Schimpanſe</hi> die Mitglieder eines eigenen Menſchenſtammes, welcher aber wegen<lb/>ſeiner ſchlechten Aufführung von der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen wurde und durch die Be-<lb/>
harrlichkeit in ſeinen ſchlechten Sitten nach und nach zu dem Zuſtande herabſank, in welchem er jetzt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[25/0075]
Lebensweiſe; Nahrung.
wird, wirft er ſich augenblicklich auf alle Viere und humpelt nun mit ſeltſamen Sprüngen, jedoch
ziemlich raſch, davon. Beim aufrechten Gange iſt er nicht im Stande, wie der Menſch die Ferſe
vom Boden zu erheben, ſondern tritt gleichſam ſtampfend mit der ganzen Sohlenfläche oder vielmehr
mit den Knöchelſeiten der Hände und Füße auf, wodurch dieſe Außenſeiten der Hände ſchwielig
werden. Wenn er ruht, nimmt er eine ſitzende Stellung an, die Nacht aber verbringt er, wie der
Gorilla und aſiatiſche Waldmenſch, in Neſtern, welche er ſich aus den zuſammengebogenen Zwei-
gen der Bäume bereitet und mit abgebrochenen Aeſten und blätterreichen Zweigen auspolſtert. Dieſe
Neſter ſah Savage gewöhnlich in einer Höhe von 20 bis 30 Fuß über dem Grunde. Er bemerkte
ſelten zwei auf einem Baume, nur ein einziges Mal fünf, niemals aber eine ſolche Menge zuſammen,
welche berechtigen könnte, von einem Affendorfe zu ſprechen, wie früher ſo oft geſchehen iſt.
Der Schimpanſe nährt ſich faſt von denſelben Pflanzen, wie der Gorilla. Früchte, Nüſſe
und Wurzeln ſind wohl die Hauptnahrung. Zuweilen beſucht er die Bauanen und andere Frucht-
bäume, welche die Neger zwiſchen ihren Maisfeldern anpflanzen. Das Aufſuchen der Nahrung
beſtimmt die Thiere zu häufigem Wechſel ihres Aufenthalts. Verlaſſene Negerdörfer, in denen die
Papaya in großer Menge wächſt, ſind Lieblingsorte für ſie, ſo lange es dort Nahrung giebt; wenn
dieſe aber aufgezehrt iſt, unternehmen ſie Wanderungen von größerer oder geringerer Ausdehnung.
Auch ihre Geſellſchaften werden immer von dem ſtärkſten Männchen geführt und geleitet; die Wach-
ſamkeit deſſelben iſt eben ſo groß, als ſeine Stärke. Man verſichert, daß ein erwachſenes Männchen
des Schimpanſe im Stande ſei, Aeſte abzubrechen, welche zwei Männer kaum beugen können.
Ja, die Neger behaupten, daß ein Schimpanſe kräftig genug ſei, zehn Männern Widerſtand zu
leiſten. Doch ſagen ſie auch, daß der Schimpanſe niemals ungereizt angreife, ſondern ſich ſtets
auf ſeine Vertheidigung beſchränke. Bei Gefahr ſtößt der Leitaffe einen Schrei aus, welcher dem
Angſtruf eines in Todesgefahr ſchwebenden Menſchen ähnelt, die übrigen erklettern ſchnell die Gipfel
der Bäume und laſſen ihre Laute hören, welche an das Hundegebell erinnern. Erſt dann, wenn der
Jäger einen Affen der Herde getödtet hat, gehen die Männchen auf den Jäger los, welcher unter-
liegt, falls die Zahl ſeiner Angreifer groß iſt. Man ſagt, daß derſelbe ſich retten könne, wenn er
den Angreifern Stücke ſeiner Kleidung oder auch ſeine Waffen überlaſſe, die dann von den erboſten
Thieren mit Wuth in Stücke zerriſſen und zerbrochen würden. Bei jenen Angriffen oder der Ver-
theidigung bedienen ſich die Affen hauptſächlich ihres Gebiſſes und ihrer Hände, obwohl noch immer
berichtet wird, daß ſie Stöcke, Nüſſe, Steine u. dergl. zur Vertheidigung zu benutzen wüßten. Uebri-
gens iſt ſchon um deshalb ſchwer zu glauben, daß ſie Stöcke oder Keulen in unſerer Weiſe zum
Kampfe benutzen, weil ihr ſchwankender Gang auf zwei Hinterbeinen eine freie Benutzung nicht ge-
ſtattet; aller Wahrſcheinlichkeit nach würde jeder aufrechtſtehende Affe durch die Kraft der zu einem
ordentlichen Schlage erforderlichen Armbewegung aus dem Gleichgewichte gebracht und zu Boden
geriſſen werden.
Sehr groß iſt die gegenſeitige Anhänglichkeit der Mitglieder einer Herde. Die Männchen lieben
die Weibchen und dieſe ihre Kinder außerordentlich, und die Stärkeren vertheidigen ſtets die
Schwächeren. Jn der geſchlechtlichen Liebe ſollen ſich die Schimpanſes weit weniger abſchreckend
zeigen, als andere Affen, namentlich die Paviane. Man ſpricht ſogar von gewiſſer Sittſamkeit,
welche ſie beweiſen. Es iſt wiederholt erzählt worden, daß die männlichen Schimpanſes an
weiblichen Menſchen Gefallen finden; ſie ſollen zuweilen junge Negerinnen gewaltſam mit ſich fort-
führen, jahrelang in dem Walde bei ſich behalten, ſie ſorgſam bewachen und ihnen durch ihre rohe
Zärtlichkeit ſehr läſtig fallen; ich brauche wohl kaum zu ſagen, daß ſolche Erzählungen noch ſehr der
Beſtätigung bedürfen. Es wäre übrigens ſehr merkwürdig, wenn die Affen ihre Verwandtſchaft mit
dem Menſchen ebenſo ahnten, als die Neger ſich ihrerſeits als Vettern des Orangs fühlen. Dieſe
erblicken in dem Schimpanſe die Mitglieder eines eigenen Menſchenſtammes, welcher aber wegen
ſeiner ſchlechten Aufführung von der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen wurde und durch die Be-
harrlichkeit in ſeinen ſchlechten Sitten nach und nach zu dem Zuſtande herabſank, in welchem er jetzt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/75>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.