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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Seine Jagden. Kampf mit Ottern.
spärlich, daß zwei seiner Jungen aus Mangel an Milch verhungerten. Hohen Muth zeigte er auch
gegen gefährliche Thiere. So ließ ich auf einmal acht tüchtige Hamster in seine Kiste, und das sind
bekanntlich bitterböfe Thiere, mit denen nicht zu spaßen ist. Kaum hatte er die neuen Gäste gerochen,
als er zornig seine Stacheln sträubte und, die Nase tief am Boden hinziehend, einen Angriff auf den
nächsten unternahm. Dabei ließ er ein eignes Trommeln, gleichsam den Schlachtmarsch, ertönen, und
seine gesträubten Kopfstacheln bildeten zum Schutz und Trutz einen Helm. Was half es dem Hamster,
daß er fauchend auf den Jgel biß; er verwundete sich nur den Rachen an den Stacheln, so daß er
von Blut triefte, und bekam dabei soviel Stöße vom Stachelhelm in die Rippen und soviel Bisse in
die Beine, daß er erlegen wäre, wenn ich ihn nicht entfernt hätte. Nun wandte sich der Stachelheld
auch gegen die anderen Feinde und bearbeitete sie ebenso kräftig, bis ich sie entfernte."

"Doch wir gehen zur Hauptsache über und folgen unserm Helden zum Ottern kampfe. Staunend
über seine Thaten, müssen wir zugestehen, daß wir nicht den Muth haben, ihm es nachzuthun. Am
30. August ließ ich um 101/2 Ubr eine große Kreuzotter in die Kiste des Jgels, während er seine
Jungen ruhig säugte. Jch hatte mich im voraus davon überzeugt, daß diese Otter an Gift keinen
Mangel litt, da sie zwei Tage vorher eine Maus sehr schnell getödtet hatte. Der Jgel roch sie sehr
bald (er folgt nie dem Gesicht, sondern immer dem Geruch), erhob sich von seinem Lager, tappte un-
behutsam bei ihr herum, beroch sie, weil sie ausgestreckt dalag, vom Schwanze bis zum Kopfe und
beschnupperte vorzüglich den Rachen. Sie begann zu zischen und biß ihn mehrmals in die Schnauze
und in die Lippen. Ganz zufrieden mit dieser Begegnung, ihrer Ohnmacht spottend, leckte er sich,
ohne zu weichen, behaglich die Wunde und bekam dabei einen derben Biß in die herausgestreckte
Zunge! Ohne sich beirren zu lassen, fuhr er fort, das wüthende und immer wieder beißende Thier zu
beschnuppern, berührte sie auch öfter mit der Zunge, aber ohne anzubeißen. Endlich packte er schnell
ihren Kopf, zermalmte ihn, trotz ihres Sträubens, sammt Giftzähnen und Giftdrüsen zwischen seinen
Zähnen und fraß dann weiter bis zur Mitte des Leibes. Jetzt hörte er auf und lagerte sich wieder zu
seinen Jungen, die er säugte. Abends fraß er das noch Uebrige und eine junge, frischgeborne Kreuz-
otter. Am folgenden Tage fraß er wieder drei frischgeborne Ottern und befand sich nebst seinen
Jungen sehr wohl. Auch war an den Wunden weder eine Geschwulst, noch sonst Derartiges
zu sehen."

"Am 1. September ging es wieder zur Schlacht. Er näherte sich, wie früher, der Otter, be-
schnupperte sie und bekam einen guten Theil Bisse ins Gesicht, in die Borsten und Stacheln. Während
er so schnupperte und sich die Bisse wohlschmecken ließ, besann sich die Otter, die sich bis jetzt ver-
geblich bemüht und auch tüchtig an seinen Stacheln gestochen hatte, und suchte sich aus dem Staube
zu machen. Sie kroch in der Kiste umher, der Jgel folgte ihr schnuppernd nach und erhielt, so oft
er ihrem Kopfe nahe kam, tüchtige Bisse. Endlich hatte er sie in der Ecke, wo seine Jungen lagen,
ganz in der Enge; sie sperrte den Rachen mit gehobenen Giftzähnen weit auf, er wich nicht zurück, sie
fuhr zu und biß so heftig in seine Oberlippe, daß sie eine Zeitlang hängen blieb. Er schüttelte sie ab,
sie kroch weg, er wieder nach, und dabei bekam er wieder einige Bisse. Dies hatte wohl zwölf Minuten
gedauert; ich hatte zehn Bisse gezählt, die er in die Schnauze erhalten, und zwanzig, welche seine
Borsten oder die Luft getroffen hatten. Jhr Rachen, von den Stacheln verletzt, war vom Blute ge-
röthet. Er faßte jetzt ihren Kopf mit den Zähnen, aber sie riß sich wieder los und kroch weg. Jch
hob sie nun am Schwanze heraus, packte sie hinter dem Kopfe und sah, da sie sogleich den Rachen
aufsperrte, um mich zu beißen, daß ihre Giftzähne noch in gutem Stande waren. Als ich sie wieder
hineingeworfen, ergriff er ihren Kopf nochmals mit den Zähnen, zerknirschte ihn und fraß ihn dann
langsam, ohne sich viel um ihr Krümmen und Winden zu kümmern, auf, worauf er zu seinen
Jungen eilte und sie säugte. Alte und Junge blieben gesund, und keine Spuren von üblen Folgen
waren zu sehen."

"Seitdem hat der Jgel oftmals mit demselben Erfolge gekämpft, und immer zeigte es sich, daß
er den Kopf jedesmal zuerst zermalmte, während er Dies bei giftlofen Schlangen ganz und gar nicht

Seine Jagden. Kampf mit Ottern.
ſpärlich, daß zwei ſeiner Jungen aus Mangel an Milch verhungerten. Hohen Muth zeigte er auch
gegen gefährliche Thiere. So ließ ich auf einmal acht tüchtige Hamſter in ſeine Kiſte, und das ſind
bekanntlich bitterböfe Thiere, mit denen nicht zu ſpaßen iſt. Kaum hatte er die neuen Gäſte gerochen,
als er zornig ſeine Stacheln ſträubte und, die Naſe tief am Boden hinziehend, einen Angriff auf den
nächſten unternahm. Dabei ließ er ein eignes Trommeln, gleichſam den Schlachtmarſch, ertönen, und
ſeine geſträubten Kopfſtacheln bildeten zum Schutz und Trutz einen Helm. Was half es dem Hamſter,
daß er fauchend auf den Jgel biß; er verwundete ſich nur den Rachen an den Stacheln, ſo daß er
von Blut triefte, und bekam dabei ſoviel Stöße vom Stachelhelm in die Rippen und ſoviel Biſſe in
die Beine, daß er erlegen wäre, wenn ich ihn nicht entfernt hätte. Nun wandte ſich der Stachelheld
auch gegen die anderen Feinde und bearbeitete ſie ebenſo kräftig, bis ich ſie entfernte.‟

„Doch wir gehen zur Hauptſache über und folgen unſerm Helden zum Ottern kampfe. Staunend
über ſeine Thaten, müſſen wir zugeſtehen, daß wir nicht den Muth haben, ihm es nachzuthun. Am
30. Auguſt ließ ich um 10½ Ubr eine große Kreuzotter in die Kiſte des Jgels, während er ſeine
Jungen ruhig ſäugte. Jch hatte mich im voraus davon überzeugt, daß dieſe Otter an Gift keinen
Mangel litt, da ſie zwei Tage vorher eine Maus ſehr ſchnell getödtet hatte. Der Jgel roch ſie ſehr
bald (er folgt nie dem Geſicht, ſondern immer dem Geruch), erhob ſich von ſeinem Lager, tappte un-
behutſam bei ihr herum, beroch ſie, weil ſie ausgeſtreckt dalag, vom Schwanze bis zum Kopfe und
beſchnupperte vorzüglich den Rachen. Sie begann zu ziſchen und biß ihn mehrmals in die Schnauze
und in die Lippen. Ganz zufrieden mit dieſer Begegnung, ihrer Ohnmacht ſpottend, leckte er ſich,
ohne zu weichen, behaglich die Wunde und bekam dabei einen derben Biß in die herausgeſtreckte
Zunge! Ohne ſich beirren zu laſſen, fuhr er fort, das wüthende und immer wieder beißende Thier zu
beſchnuppern, berührte ſie auch öfter mit der Zunge, aber ohne anzubeißen. Endlich packte er ſchnell
ihren Kopf, zermalmte ihn, trotz ihres Sträubens, ſammt Giftzähnen und Giftdrüſen zwiſchen ſeinen
Zähnen und fraß dann weiter bis zur Mitte des Leibes. Jetzt hörte er auf und lagerte ſich wieder zu
ſeinen Jungen, die er ſäugte. Abends fraß er das noch Uebrige und eine junge, friſchgeborne Kreuz-
otter. Am folgenden Tage fraß er wieder drei friſchgeborne Ottern und befand ſich nebſt ſeinen
Jungen ſehr wohl. Auch war an den Wunden weder eine Geſchwulſt, noch ſonſt Derartiges
zu ſehen.‟

„Am 1. September ging es wieder zur Schlacht. Er näherte ſich, wie früher, der Otter, be-
ſchnupperte ſie und bekam einen guten Theil Biſſe ins Geſicht, in die Borſten und Stacheln. Während
er ſo ſchnupperte und ſich die Biſſe wohlſchmecken ließ, beſann ſich die Otter, die ſich bis jetzt ver-
geblich bemüht und auch tüchtig an ſeinen Stacheln geſtochen hatte, und ſuchte ſich aus dem Staube
zu machen. Sie kroch in der Kiſte umher, der Jgel folgte ihr ſchnuppernd nach und erhielt, ſo oft
er ihrem Kopfe nahe kam, tüchtige Biſſe. Endlich hatte er ſie in der Ecke, wo ſeine Jungen lagen,
ganz in der Enge; ſie ſperrte den Rachen mit gehobenen Giftzähnen weit auf, er wich nicht zurück, ſie
fuhr zu und biß ſo heftig in ſeine Oberlippe, daß ſie eine Zeitlang hängen blieb. Er ſchüttelte ſie ab,
ſie kroch weg, er wieder nach, und dabei bekam er wieder einige Biſſe. Dies hatte wohl zwölf Minuten
gedauert; ich hatte zehn Biſſe gezählt, die er in die Schnauze erhalten, und zwanzig, welche ſeine
Borſten oder die Luft getroffen hatten. Jhr Rachen, von den Stacheln verletzt, war vom Blute ge-
röthet. Er faßte jetzt ihren Kopf mit den Zähnen, aber ſie riß ſich wieder los und kroch weg. Jch
hob ſie nun am Schwanze heraus, packte ſie hinter dem Kopfe und ſah, da ſie ſogleich den Rachen
aufſperrte, um mich zu beißen, daß ihre Giftzähne noch in gutem Stande waren. Als ich ſie wieder
hineingeworfen, ergriff er ihren Kopf nochmals mit den Zähnen, zerknirſchte ihn und fraß ihn dann
langſam, ohne ſich viel um ihr Krümmen und Winden zu kümmern, auf, worauf er zu ſeinen
Jungen eilte und ſie ſäugte. Alte und Junge blieben geſund, und keine Spuren von üblen Folgen
waren zu ſehen.‟

„Seitdem hat der Jgel oftmals mit demſelben Erfolge gekämpft, und immer zeigte es ſich, daß
er den Kopf jedesmal zuerſt zermalmte, während er Dies bei giftlofen Schlangen ganz und gar nicht

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[653/0731] Seine Jagden. Kampf mit Ottern. ſpärlich, daß zwei ſeiner Jungen aus Mangel an Milch verhungerten. Hohen Muth zeigte er auch gegen gefährliche Thiere. So ließ ich auf einmal acht tüchtige Hamſter in ſeine Kiſte, und das ſind bekanntlich bitterböfe Thiere, mit denen nicht zu ſpaßen iſt. Kaum hatte er die neuen Gäſte gerochen, als er zornig ſeine Stacheln ſträubte und, die Naſe tief am Boden hinziehend, einen Angriff auf den nächſten unternahm. Dabei ließ er ein eignes Trommeln, gleichſam den Schlachtmarſch, ertönen, und ſeine geſträubten Kopfſtacheln bildeten zum Schutz und Trutz einen Helm. Was half es dem Hamſter, daß er fauchend auf den Jgel biß; er verwundete ſich nur den Rachen an den Stacheln, ſo daß er von Blut triefte, und bekam dabei ſoviel Stöße vom Stachelhelm in die Rippen und ſoviel Biſſe in die Beine, daß er erlegen wäre, wenn ich ihn nicht entfernt hätte. Nun wandte ſich der Stachelheld auch gegen die anderen Feinde und bearbeitete ſie ebenſo kräftig, bis ich ſie entfernte.‟ „Doch wir gehen zur Hauptſache über und folgen unſerm Helden zum Ottern kampfe. Staunend über ſeine Thaten, müſſen wir zugeſtehen, daß wir nicht den Muth haben, ihm es nachzuthun. Am 30. Auguſt ließ ich um 10½ Ubr eine große Kreuzotter in die Kiſte des Jgels, während er ſeine Jungen ruhig ſäugte. Jch hatte mich im voraus davon überzeugt, daß dieſe Otter an Gift keinen Mangel litt, da ſie zwei Tage vorher eine Maus ſehr ſchnell getödtet hatte. Der Jgel roch ſie ſehr bald (er folgt nie dem Geſicht, ſondern immer dem Geruch), erhob ſich von ſeinem Lager, tappte un- behutſam bei ihr herum, beroch ſie, weil ſie ausgeſtreckt dalag, vom Schwanze bis zum Kopfe und beſchnupperte vorzüglich den Rachen. Sie begann zu ziſchen und biß ihn mehrmals in die Schnauze und in die Lippen. Ganz zufrieden mit dieſer Begegnung, ihrer Ohnmacht ſpottend, leckte er ſich, ohne zu weichen, behaglich die Wunde und bekam dabei einen derben Biß in die herausgeſtreckte Zunge! Ohne ſich beirren zu laſſen, fuhr er fort, das wüthende und immer wieder beißende Thier zu beſchnuppern, berührte ſie auch öfter mit der Zunge, aber ohne anzubeißen. Endlich packte er ſchnell ihren Kopf, zermalmte ihn, trotz ihres Sträubens, ſammt Giftzähnen und Giftdrüſen zwiſchen ſeinen Zähnen und fraß dann weiter bis zur Mitte des Leibes. Jetzt hörte er auf und lagerte ſich wieder zu ſeinen Jungen, die er ſäugte. Abends fraß er das noch Uebrige und eine junge, friſchgeborne Kreuz- otter. Am folgenden Tage fraß er wieder drei friſchgeborne Ottern und befand ſich nebſt ſeinen Jungen ſehr wohl. Auch war an den Wunden weder eine Geſchwulſt, noch ſonſt Derartiges zu ſehen.‟ „Am 1. September ging es wieder zur Schlacht. Er näherte ſich, wie früher, der Otter, be- ſchnupperte ſie und bekam einen guten Theil Biſſe ins Geſicht, in die Borſten und Stacheln. Während er ſo ſchnupperte und ſich die Biſſe wohlſchmecken ließ, beſann ſich die Otter, die ſich bis jetzt ver- geblich bemüht und auch tüchtig an ſeinen Stacheln geſtochen hatte, und ſuchte ſich aus dem Staube zu machen. Sie kroch in der Kiſte umher, der Jgel folgte ihr ſchnuppernd nach und erhielt, ſo oft er ihrem Kopfe nahe kam, tüchtige Biſſe. Endlich hatte er ſie in der Ecke, wo ſeine Jungen lagen, ganz in der Enge; ſie ſperrte den Rachen mit gehobenen Giftzähnen weit auf, er wich nicht zurück, ſie fuhr zu und biß ſo heftig in ſeine Oberlippe, daß ſie eine Zeitlang hängen blieb. Er ſchüttelte ſie ab, ſie kroch weg, er wieder nach, und dabei bekam er wieder einige Biſſe. Dies hatte wohl zwölf Minuten gedauert; ich hatte zehn Biſſe gezählt, die er in die Schnauze erhalten, und zwanzig, welche ſeine Borſten oder die Luft getroffen hatten. Jhr Rachen, von den Stacheln verletzt, war vom Blute ge- röthet. Er faßte jetzt ihren Kopf mit den Zähnen, aber ſie riß ſich wieder los und kroch weg. Jch hob ſie nun am Schwanze heraus, packte ſie hinter dem Kopfe und ſah, da ſie ſogleich den Rachen aufſperrte, um mich zu beißen, daß ihre Giftzähne noch in gutem Stande waren. Als ich ſie wieder hineingeworfen, ergriff er ihren Kopf nochmals mit den Zähnen, zerknirſchte ihn und fraß ihn dann langſam, ohne ſich viel um ihr Krümmen und Winden zu kümmern, auf, worauf er zu ſeinen Jungen eilte und ſie ſäugte. Alte und Junge blieben geſund, und keine Spuren von üblen Folgen waren zu ſehen.‟ „Seitdem hat der Jgel oftmals mit demſelben Erfolge gekämpft, und immer zeigte es ſich, daß er den Kopf jedesmal zuerſt zermalmte, während er Dies bei giftlofen Schlangen ganz und gar nicht

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/731>, abgerufen am 24.11.2024.