"Da nun die Winterkälte vor der Thür war und ich meine Coatis nicht im Stalle halten konnte, war ich unentschieden, was ich machen sollte, bis ein neuer Fall mich aus der Unentschlossenheit riß. Das Männchen nämlich mißbrauchte eines Tages die Freiheit, welche man ihm von Zeit zu Zeit ge- währte, und entfloh. Mein Bedienter fand es am Ufer des Sees, gerade damit beschäftigt, die Kiesel umzuwenden. Bei seiner Ankunft sprang der Coati zur Seite und stieß sein gewöhnliches ärgerliches Zwitschern aus. Man war gewöhnt, die Coatis immer am Schwanze zu fangen, weil sie diesen gerade in die Höhe tragen und, wenn man sie dann mit ausgestrecktem Arme trägt, nicht im Stande sind, sich aufzurichten. So gab man ihnen keine Gelegenheit, ihre Krallen und Zehen zu benutzen, und wenn man sie nachher wieder auf den Boden setzte, zeigten sie gewöhnlich gar keinen Groll. Mein Bedienter, welcher unsern Flüchtling auf dieselbe Weise gepackt hatte, hielt ihn aber dieses Mal nicht weit genug von seinem Körper ab, und es gelang dem Thiere, diesen zu erreichen und sich emporzu- heben. Jetzt zeigte es einen großen Zorn. Gegen seine Gewohnheit ließ es sich nicht in den Armen seines Wärters tragen, sondern befreite sich mit Lebhaftigkeit und grub ihm die scharfen Zähne in den Hals ein, wodurch er ihm zwei schreckliche Wunden beibrachte. Einen Augenblick nachher schien es diese That zu bereuen und ließ sich ruhig wegtragen. Ein so großer Unfall brachte mich zu dem Ent- schluß, mich der Thiere zu entledigen, und da ich nicht wußte, wie ich sie an einen zoologischen Garten gelangen lassen konnte, beschloß ich ihren Tod."
"Aus dem Angegebenen geht die große Beweglichkeit ihres geistigen Wesens hervor. Sie liebten es, sich in der Wonne der Liebkosung zu verlieren, aber sie beschränkten sich darauf, dieselbe zu empfangen, und sie wußten sie nicht anders zurückzugeben, als daß sie den Leuten plump auf Rücken und Schulter sprangen, mehr zum Zeitvertreib, als aus Freundschaft." --
Meines Wissens hat man die Nasenbären noch nirgends bei uns zur Fortpflanzung gebracht. "Auch in Paraguay," sagt Reugger, "ist kein Beispiel bekannt, daß sich der Coati in der Gefangen- schaft begattet hätte, obgleich man beide Geschlechter viele Jahre neben einander gehalten und ihnen möglichste Freiheit gegeben hatte."
Manche ertragen die Gefangenschaft viele Jahre hindurch bei bestem Wohlsein, andere gehen ein, ohne daß man eigentlich einen Grund anzugeben wüßte. Jn der Freiheit mögen sie, einer Schätzung Reuggers zu Folge, zehn bis funfzehn Jahre alt werden.
Es ist noch nicht allzulange her, daß ein Thierführer in der Stadt Paris mit Fug und Recht erklären konnte, er zeige ein den Naturforschern noch unbekanntes Thier, welches er aus Amerika erhalten habe. Und um dieselbe Zeit, -- im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts, -- kam das- selbe Thier auch nach London und beschäftigte die Naturforscher dort ebenso eifrig, wie in Paris. Dieses räthselhafte Geschöpf war ein Wickelbär, welcher damals wirklich so gut als noch nicht be- kannt war. Oken glaubt zwar, daß schon Hernandez den Wickelbären meint, wenn er von seinem Baumwiesel oder "Quauh-Tenzo" spricht; doch sind die Angaben zu dürftig, als daß wir sie mit Sicherheit benutzen könnten. Erst Alexander von Humboldt hat uns genanere Nachrichten gegeben. Vor ihm hat kein Thier den Naturforschern soviel Schwierigkeiten verursacht, als gerade unser Wickelbär. Einige sahen ihn als einen Lemur an und nannten ihn deshalb Lemur flavus; Andere glaubten in ihm, das von den Halbaffen gänzlich abweichende Gebiß beachtend, eine Schleichkatze zu erblicken und reihten ihn daher unter diesen ein unter dem Namen mejikanisches Wiesel (Viverra caudivolvula); doch wollte auch hier der Wickelschwanz nicht recht passen und noch weniger das Gebiß, welches sich namentlich durch die stumpfen Kanzähne auszeichnet und auf gemischte Nahrung deutet. Zuletzt stellte man ihn mit einem andern, nicht minder eigenthümlichen Geschöpf, zu den Bären.
Der Wickelbär, Kinnkaju, Manaviri oder Cuchumbi, wie das Thier in seiner Heimat, dem nördlichen Brasilien, genannt wird, gilt mit Recht als Vertreter einer besondern Sippe (Cercoleptes).
Schilderung gefangener Coatis von Sauſſure.
„Da nun die Winterkälte vor der Thür war und ich meine Coatis nicht im Stalle halten konnte, war ich unentſchieden, was ich machen ſollte, bis ein neuer Fall mich aus der Unentſchloſſenheit riß. Das Männchen nämlich mißbrauchte eines Tages die Freiheit, welche man ihm von Zeit zu Zeit ge- währte, und entfloh. Mein Bedienter fand es am Ufer des Sees, gerade damit beſchäftigt, die Kieſel umzuwenden. Bei ſeiner Ankunft ſprang der Coati zur Seite und ſtieß ſein gewöhnliches ärgerliches Zwitſchern aus. Man war gewöhnt, die Coatis immer am Schwanze zu fangen, weil ſie dieſen gerade in die Höhe tragen und, wenn man ſie dann mit ausgeſtrecktem Arme trägt, nicht im Stande ſind, ſich aufzurichten. So gab man ihnen keine Gelegenheit, ihre Krallen und Zehen zu benutzen, und wenn man ſie nachher wieder auf den Boden ſetzte, zeigten ſie gewöhnlich gar keinen Groll. Mein Bedienter, welcher unſern Flüchtling auf dieſelbe Weiſe gepackt hatte, hielt ihn aber dieſes Mal nicht weit genug von ſeinem Körper ab, und es gelang dem Thiere, dieſen zu erreichen und ſich emporzu- heben. Jetzt zeigte es einen großen Zorn. Gegen ſeine Gewohnheit ließ es ſich nicht in den Armen ſeines Wärters tragen, ſondern befreite ſich mit Lebhaftigkeit und grub ihm die ſcharfen Zähne in den Hals ein, wodurch er ihm zwei ſchreckliche Wunden beibrachte. Einen Augenblick nachher ſchien es dieſe That zu bereuen und ließ ſich ruhig wegtragen. Ein ſo großer Unfall brachte mich zu dem Ent- ſchluß, mich der Thiere zu entledigen, und da ich nicht wußte, wie ich ſie an einen zoologiſchen Garten gelangen laſſen konnte, beſchloß ich ihren Tod.‟
„Aus dem Angegebenen geht die große Beweglichkeit ihres geiſtigen Weſens hervor. Sie liebten es, ſich in der Wonne der Liebkoſung zu verlieren, aber ſie beſchränkten ſich darauf, dieſelbe zu empfangen, und ſie wußten ſie nicht anders zurückzugeben, als daß ſie den Leuten plump auf Rücken und Schulter ſprangen, mehr zum Zeitvertreib, als aus Freundſchaft.‟ —
Meines Wiſſens hat man die Naſenbären noch nirgends bei uns zur Fortpflanzung gebracht. „Auch in Paraguay,‟ ſagt Reugger, „iſt kein Beiſpiel bekannt, daß ſich der Coati in der Gefangen- ſchaft begattet hätte, obgleich man beide Geſchlechter viele Jahre neben einander gehalten und ihnen möglichſte Freiheit gegeben hatte.‟
Manche ertragen die Gefangenſchaft viele Jahre hindurch bei beſtem Wohlſein, andere gehen ein, ohne daß man eigentlich einen Grund anzugeben wüßte. Jn der Freiheit mögen ſie, einer Schätzung Reuggers zu Folge, zehn bis funfzehn Jahre alt werden.
Es iſt noch nicht allzulange her, daß ein Thierführer in der Stadt Paris mit Fug und Recht erklären konnte, er zeige ein den Naturforſchern noch unbekanntes Thier, welches er aus Amerika erhalten habe. Und um dieſelbe Zeit, — im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts, — kam das- ſelbe Thier auch nach London und beſchäftigte die Naturforſcher dort ebenſo eifrig, wie in Paris. Dieſes räthſelhafte Geſchöpf war ein Wickelbär, welcher damals wirklich ſo gut als noch nicht be- kannt war. Oken glaubt zwar, daß ſchon Hernandez den Wickelbären meint, wenn er von ſeinem Baumwieſel oder „Quauh-Tenzo‟ ſpricht; doch ſind die Angaben zu dürftig, als daß wir ſie mit Sicherheit benutzen könnten. Erſt Alexander von Humboldt hat uns genanere Nachrichten gegeben. Vor ihm hat kein Thier den Naturforſchern ſoviel Schwierigkeiten verurſacht, als gerade unſer Wickelbär. Einige ſahen ihn als einen Lemur an und nannten ihn deshalb Lemur flavus; Andere glaubten in ihm, das von den Halbaffen gänzlich abweichende Gebiß beachtend, eine Schleichkatze zu erblicken und reihten ihn daher unter dieſen ein unter dem Namen mejikaniſches Wieſel (Viverra caudivolvula); doch wollte auch hier der Wickelſchwanz nicht recht paſſen und noch weniger das Gebiß, welches ſich namentlich durch die ſtumpfen Kanzähne auszeichnet und auf gemiſchte Nahrung deutet. Zuletzt ſtellte man ihn mit einem andern, nicht minder eigenthümlichen Geſchöpf, zu den Bären.
Der Wickelbär, Kinnkaju, Manaviri oder Cuchumbi, wie das Thier in ſeiner Heimat, dem nördlichen Braſilien, genannt wird, gilt mit Recht als Vertreter einer beſondern Sippe (Cercoleptes).
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Das Männchen nämlich mißbrauchte eines Tages die Freiheit, welche man ihm von Zeit zu Zeit ge-
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umzuwenden. Bei ſeiner Ankunft ſprang der Coati zur Seite und ſtieß ſein gewöhnliches ärgerliches
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gerade in die Höhe tragen und, wenn man ſie dann mit ausgeſtrecktem Arme trägt, nicht im Stande
ſind, ſich aufzurichten. So gab man ihnen keine Gelegenheit, ihre Krallen und Zehen zu benutzen,
und wenn man ſie nachher wieder auf den Boden ſetzte, zeigten ſie gewöhnlich gar keinen Groll. Mein
Bedienter, welcher unſern Flüchtling auf dieſelbe Weiſe gepackt hatte, hielt ihn aber dieſes Mal nicht
weit genug von ſeinem Körper ab, und es gelang dem Thiere, dieſen zu erreichen und ſich emporzu-
heben. Jetzt zeigte es einen großen Zorn. Gegen ſeine Gewohnheit ließ es ſich nicht in den Armen
ſeines Wärters tragen, ſondern befreite ſich mit Lebhaftigkeit und grub ihm die ſcharfen Zähne in den
Hals ein, wodurch er ihm zwei ſchreckliche Wunden beibrachte. Einen Augenblick nachher ſchien es
dieſe That zu bereuen und ließ ſich ruhig wegtragen. Ein ſo großer Unfall brachte mich zu dem Ent-
ſchluß, mich der Thiere zu entledigen, und da ich nicht wußte, wie ich ſie an einen zoologiſchen Garten
gelangen laſſen konnte, beſchloß ich ihren Tod.‟
„Aus dem Angegebenen geht die große Beweglichkeit ihres geiſtigen Weſens hervor. Sie liebten
es, ſich in der Wonne der Liebkoſung zu verlieren, aber ſie beſchränkten ſich darauf, dieſelbe zu
empfangen, und ſie wußten ſie nicht anders zurückzugeben, als daß ſie den Leuten plump auf Rücken
und Schulter ſprangen, mehr zum Zeitvertreib, als aus Freundſchaft.‟ —
Meines Wiſſens hat man die Naſenbären noch nirgends bei uns zur Fortpflanzung gebracht.
„Auch in Paraguay,‟ ſagt Reugger, „iſt kein Beiſpiel bekannt, daß ſich der Coati in der Gefangen-
ſchaft begattet hätte, obgleich man beide Geſchlechter viele Jahre neben einander gehalten und ihnen
möglichſte Freiheit gegeben hatte.‟
Manche ertragen die Gefangenſchaft viele Jahre hindurch bei beſtem Wohlſein, andere gehen
ein, ohne daß man eigentlich einen Grund anzugeben wüßte. Jn der Freiheit mögen ſie, einer
Schätzung Reuggers zu Folge, zehn bis funfzehn Jahre alt werden.
Es iſt noch nicht allzulange her, daß ein Thierführer in der Stadt Paris mit Fug und Recht
erklären konnte, er zeige ein den Naturforſchern noch unbekanntes Thier, welches er aus Amerika
erhalten habe. Und um dieſelbe Zeit, — im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts, — kam das-
ſelbe Thier auch nach London und beſchäftigte die Naturforſcher dort ebenſo eifrig, wie in Paris.
Dieſes räthſelhafte Geſchöpf war ein Wickelbär, welcher damals wirklich ſo gut als noch nicht be-
kannt war. Oken glaubt zwar, daß ſchon Hernandez den Wickelbären meint, wenn er von ſeinem
Baumwieſel oder „Quauh-Tenzo‟ ſpricht; doch ſind die Angaben zu dürftig, als daß wir ſie
mit Sicherheit benutzen könnten. Erſt Alexander von Humboldt hat uns genanere Nachrichten
gegeben. Vor ihm hat kein Thier den Naturforſchern ſoviel Schwierigkeiten verurſacht, als gerade unſer
Wickelbär. Einige ſahen ihn als einen Lemur an und nannten ihn deshalb Lemur flavus; Andere
glaubten in ihm, das von den Halbaffen gänzlich abweichende Gebiß beachtend, eine Schleichkatze
zu erblicken und reihten ihn daher unter dieſen ein unter dem Namen mejikaniſches Wieſel
(Viverra caudivolvula); doch wollte auch hier der Wickelſchwanz nicht recht paſſen und noch weniger
das Gebiß, welches ſich namentlich durch die ſtumpfen Kanzähne auszeichnet und auf gemiſchte
Nahrung deutet. Zuletzt ſtellte man ihn mit einem andern, nicht minder eigenthümlichen Geſchöpf,
zu den Bären.
Der Wickelbär, Kinnkaju, Manaviri oder Cuchumbi, wie das Thier in ſeiner Heimat, dem
nördlichen Braſilien, genannt wird, gilt mit Recht als Vertreter einer beſondern Sippe (Cercoleptes).
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/717>, abgerufen am 24.11.2024.
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