"Am 4. Mai lieferten einige Neger, welche in meinem Auftrage jagten, einen jungen, lebenden Gorilla ein. Jch kann unmöglich die Aufregung beschreiben, welche mich erfaßte, als man das kleine Scheusal in das Dorf brachte. Alle die Beschwerden und Entbehrungen, welche ich in Afrika aus- gehalten hatte, waren in einem Augenblick vergessen."
"Der Affe war ein kleiner, etwa 2 bis 3 Jahr alter Gesell, 21/2 Fuß hoch, aber so wüthend und halsstarrig, als nur einer seiner erwachsenen Genossen hätte sein können. Meine Jäger, die ich am liebsten an das Herz gedrückt hätte, fingen ihn in dem Lande zwischen dem Rembo und dem Vor- gebirge St. Katharina. Nach ihrem Bericht gingen sie zu Fünft nahe einer Ortschaft an der Küste lautlos durch den Wald und hörten da ein Geknurre, welches sie sofort als den Ruf eines jungen Gorilla nach seiner Mutter erkannten. Der Wald war still; es war ungefähr Mittag. Sie beschlossen sofort, dem Schrei zu folgen. Mit den Gewehren in der Hand schlichen die Braven vorwärts nach einem düstern Dickicht des Waldes, wo sich das Thier aufhalten mußte. Sie wußten, daß die Mutter in der Nähe sein würde, und erwarteten, daß auch das gefürchtete Männchen nicht weit sein möchte; allein, wohl wissend, welche Freude sie mir bereiten würden, beschlossen sie, Alles auf das Spiel zu setzen, um wo möglich das Junge lebend zu erhalten. Beim Näherkommen hatten sie einen selbst den Negern seltenen Anblick. Das Junge saß einige Schritte entfernt von seiner Mutter auf dem Grunde und beschäftigte sich, Beeren zu pflücken. Die Alte schmauste von denselben Früchten. Meine Jäger machten sich augenblicklich zum Feuern fertig, -- und nicht zu spät! -- denn das alte Weibchen erblickte sie, als sie ihre Gewehre erhoben. Glücklicher Weise tödteten sie die besorgte Alte mit dem ersten Schusse. Das Junge, erschreckt durch den Knall der Gewehre, rannte zu seiner Mutter, hing sich an sie, umarmte ihren Leib und versteckte sein Gesicht. Die Jäger eilten augenblicklich zu Beiden hin; das hierdurch aufmerksam gemachte Junge verließ aber sofort seine Mutter, lief zu einem schmalen Baum und kletterte an ihm mit großer Behendigkeit empor, dann setzte es sich und brüllte wüthend auf seine Verfolger herunter. Doch die Leute ließen sich nicht verblüffen. Nicht ein Einziger fürchtete sich, von dem kleinen, wüthenden Vieh gebissen zu werden. Man wollte das seltene Wild nicht schießen und hieb deshalb den Baum um. Als es fiel, deckte man schnell ein Kleid über seinen Kopf und konnte es so geblendet leichter fesseln. Doch der kleine Kerl, seinem Alter nach nur ein unerwachsenes Kind, war bereits erstaunenswürdig kräftig und nichts weniger als gutartig, so daß die Leute nicht im Stande waren, ihn zu führen. Augenblicklich stürzte er sich auf sie, und sie waren endlich genöthigt, seinen Hals in eine Holzgabel zu stecken, welche vorn verschlossen wurde und nun ihnen als Zwangsmittel dienen mußte. So kam der Gorilla in das Dorf. Eine ungeheure Auf- regung bemächtigte sich hier der Gemüther. Als der Gefangene aus dem Boot gehoben wurde, in welchem er einen Theil seines Weges zurückgelegt hatte, brüllte und bellte er und schaute aus seinen bösen Augen wild um sich, gleichsam versichernd, daß er sich gewiß rächen werde, sobald er könne. Jch sah, daß die Gabel seinen Nacken verwundet hatte, und ließ deshalb augenblicklich einen Käfig für ihn machen. Nach zwei Stunden hatten wir ein festes Bambushaus für ihn gebaut mit sicheren Stäben, durch welche wir ihn nun beobachten konnten. Es war ein junges Männchen, jedenfalls nicht älter als drei Jahre, doch erwachsen genug, um seinen Weg allein zu gehen, und für sein Alter mit einer merkwürdigen Kraft ausgerüstet. Gesicht und Hände waren schwarz, die Augen aber noch nicht so tief eingesunken, als bei den alten. Das Haar der Brauen und des Armes, welches röthlich- braun aussah, begann sich eben zu erheben; die Oberlippe war mit kurzen Haaren bedeckt, die untere mit einem kleinen Barte, die Augenlider waren fein und dünn, die Augenbrauen etwa drei Viertel Zoll lang; ein eisgraues Haar, welches in der Nähe der Arme dunkelte und am Steiß vollständig weiß erschien, bedeckte seinen Nacken; Brust und Bauch waren dünner behaart, die Arme länger."
"Nachdem ich den kleinen Burschen glücklich in seinen Käfig gelockt hatte, nahte ich mich, um ihm einige ermunternde Worte zu sagen. Er stand in der fernsten Ecke; so wie ich mich aber näherte, bellte er auf und machte einen wüthenden Satz nach mir. Obgleich ich mich so schnell zurück- zog, als ich konnte, erwischte er doch noch meine Beinkleider, zerriß sie und zog sich augenblicklich
Lebensweiſe. Du Chaillu’s Schilderung.
„Am 4. Mai lieferten einige Neger, welche in meinem Auftrage jagten, einen jungen, lebenden Gorilla ein. Jch kann unmöglich die Aufregung beſchreiben, welche mich erfaßte, als man das kleine Scheuſal in das Dorf brachte. Alle die Beſchwerden und Entbehrungen, welche ich in Afrika aus- gehalten hatte, waren in einem Augenblick vergeſſen.‟
„Der Affe war ein kleiner, etwa 2 bis 3 Jahr alter Geſell, 2½ Fuß hoch, aber ſo wüthend und halsſtarrig, als nur einer ſeiner erwachſenen Genoſſen hätte ſein können. Meine Jäger, die ich am liebſten an das Herz gedrückt hätte, fingen ihn in dem Lande zwiſchen dem Rembo und dem Vor- gebirge St. Katharina. Nach ihrem Bericht gingen ſie zu Fünft nahe einer Ortſchaft an der Küſte lautlos durch den Wald und hörten da ein Geknurre, welches ſie ſofort als den Ruf eines jungen Gorilla nach ſeiner Mutter erkannten. Der Wald war ſtill; es war ungefähr Mittag. Sie beſchloſſen ſofort, dem Schrei zu folgen. Mit den Gewehren in der Hand ſchlichen die Braven vorwärts nach einem düſtern Dickicht des Waldes, wo ſich das Thier aufhalten mußte. Sie wußten, daß die Mutter in der Nähe ſein würde, und erwarteten, daß auch das gefürchtete Männchen nicht weit ſein möchte; allein, wohl wiſſend, welche Freude ſie mir bereiten würden, beſchloſſen ſie, Alles auf das Spiel zu ſetzen, um wo möglich das Junge lebend zu erhalten. Beim Näherkommen hatten ſie einen ſelbſt den Negern ſeltenen Anblick. Das Junge ſaß einige Schritte entfernt von ſeiner Mutter auf dem Grunde und beſchäftigte ſich, Beeren zu pflücken. Die Alte ſchmauſte von denſelben Früchten. Meine Jäger machten ſich augenblicklich zum Feuern fertig, — und nicht zu ſpät! — denn das alte Weibchen erblickte ſie, als ſie ihre Gewehre erhoben. Glücklicher Weiſe tödteten ſie die beſorgte Alte mit dem erſten Schuſſe. Das Junge, erſchreckt durch den Knall der Gewehre, rannte zu ſeiner Mutter, hing ſich an ſie, umarmte ihren Leib und verſteckte ſein Geſicht. Die Jäger eilten augenblicklich zu Beiden hin; das hierdurch aufmerkſam gemachte Junge verließ aber ſofort ſeine Mutter, lief zu einem ſchmalen Baum und kletterte an ihm mit großer Behendigkeit empor, dann ſetzte es ſich und brüllte wüthend auf ſeine Verfolger herunter. Doch die Leute ließen ſich nicht verblüffen. Nicht ein Einziger fürchtete ſich, von dem kleinen, wüthenden Vieh gebiſſen zu werden. Man wollte das ſeltene Wild nicht ſchießen und hieb deshalb den Baum um. Als es fiel, deckte man ſchnell ein Kleid über ſeinen Kopf und konnte es ſo geblendet leichter feſſeln. Doch der kleine Kerl, ſeinem Alter nach nur ein unerwachſenes Kind, war bereits erſtaunenswürdig kräftig und nichts weniger als gutartig, ſo daß die Leute nicht im Stande waren, ihn zu führen. Augenblicklich ſtürzte er ſich auf ſie, und ſie waren endlich genöthigt, ſeinen Hals in eine Holzgabel zu ſtecken, welche vorn verſchloſſen wurde und nun ihnen als Zwangsmittel dienen mußte. So kam der Gorilla in das Dorf. Eine ungeheure Auf- regung bemächtigte ſich hier der Gemüther. Als der Gefangene aus dem Boot gehoben wurde, in welchem er einen Theil ſeines Weges zurückgelegt hatte, brüllte und bellte er und ſchaute aus ſeinen böſen Augen wild um ſich, gleichſam verſichernd, daß er ſich gewiß rächen werde, ſobald er könne. Jch ſah, daß die Gabel ſeinen Nacken verwundet hatte, und ließ deshalb augenblicklich einen Käfig für ihn machen. Nach zwei Stunden hatten wir ein feſtes Bambushaus für ihn gebaut mit ſicheren Stäben, durch welche wir ihn nun beobachten konnten. Es war ein junges Männchen, jedenfalls nicht älter als drei Jahre, doch erwachſen genug, um ſeinen Weg allein zu gehen, und für ſein Alter mit einer merkwürdigen Kraft ausgerüſtet. Geſicht und Hände waren ſchwarz, die Augen aber noch nicht ſo tief eingeſunken, als bei den alten. Das Haar der Brauen und des Armes, welches röthlich- braun ausſah, begann ſich eben zu erheben; die Oberlippe war mit kurzen Haaren bedeckt, die untere mit einem kleinen Barte, die Augenlider waren fein und dünn, die Augenbrauen etwa drei Viertel Zoll lang; ein eisgraues Haar, welches in der Nähe der Arme dunkelte und am Steiß vollſtändig weiß erſchien, bedeckte ſeinen Nacken; Bruſt und Bauch waren dünner behaart, die Arme länger.‟
„Nachdem ich den kleinen Burſchen glücklich in ſeinen Käfig gelockt hatte, nahte ich mich, um ihm einige ermunternde Worte zu ſagen. Er ſtand in der fernſten Ecke; ſo wie ich mich aber näherte, bellte er auf und machte einen wüthenden Satz nach mir. Obgleich ich mich ſo ſchnell zurück- zog, als ich konnte, erwiſchte er doch noch meine Beinkleider, zerriß ſie und zog ſich augenblicklich
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[21/0071]
Lebensweiſe. Du Chaillu’s Schilderung.
„Am 4. Mai lieferten einige Neger, welche in meinem Auftrage jagten, einen jungen, lebenden
Gorilla ein. Jch kann unmöglich die Aufregung beſchreiben, welche mich erfaßte, als man das kleine
Scheuſal in das Dorf brachte. Alle die Beſchwerden und Entbehrungen, welche ich in Afrika aus-
gehalten hatte, waren in einem Augenblick vergeſſen.‟
„Der Affe war ein kleiner, etwa 2 bis 3 Jahr alter Geſell, 2½ Fuß hoch, aber ſo wüthend
und halsſtarrig, als nur einer ſeiner erwachſenen Genoſſen hätte ſein können. Meine Jäger, die ich
am liebſten an das Herz gedrückt hätte, fingen ihn in dem Lande zwiſchen dem Rembo und dem Vor-
gebirge St. Katharina. Nach ihrem Bericht gingen ſie zu Fünft nahe einer Ortſchaft an der Küſte
lautlos durch den Wald und hörten da ein Geknurre, welches ſie ſofort als den Ruf eines jungen
Gorilla nach ſeiner Mutter erkannten. Der Wald war ſtill; es war ungefähr Mittag. Sie beſchloſſen
ſofort, dem Schrei zu folgen. Mit den Gewehren in der Hand ſchlichen die Braven vorwärts nach
einem düſtern Dickicht des Waldes, wo ſich das Thier aufhalten mußte. Sie wußten, daß die Mutter
in der Nähe ſein würde, und erwarteten, daß auch das gefürchtete Männchen nicht weit ſein möchte;
allein, wohl wiſſend, welche Freude ſie mir bereiten würden, beſchloſſen ſie, Alles auf das Spiel zu
ſetzen, um wo möglich das Junge lebend zu erhalten. Beim Näherkommen hatten ſie einen ſelbſt den
Negern ſeltenen Anblick. Das Junge ſaß einige Schritte entfernt von ſeiner Mutter auf dem Grunde
und beſchäftigte ſich, Beeren zu pflücken. Die Alte ſchmauſte von denſelben Früchten. Meine Jäger
machten ſich augenblicklich zum Feuern fertig, — und nicht zu ſpät! — denn das alte Weibchen
erblickte ſie, als ſie ihre Gewehre erhoben. Glücklicher Weiſe tödteten ſie die beſorgte Alte mit dem
erſten Schuſſe. Das Junge, erſchreckt durch den Knall der Gewehre, rannte zu ſeiner Mutter, hing
ſich an ſie, umarmte ihren Leib und verſteckte ſein Geſicht. Die Jäger eilten augenblicklich zu Beiden
hin; das hierdurch aufmerkſam gemachte Junge verließ aber ſofort ſeine Mutter, lief zu einem
ſchmalen Baum und kletterte an ihm mit großer Behendigkeit empor, dann ſetzte es ſich und brüllte
wüthend auf ſeine Verfolger herunter. Doch die Leute ließen ſich nicht verblüffen. Nicht ein Einziger
fürchtete ſich, von dem kleinen, wüthenden Vieh gebiſſen zu werden. Man wollte das ſeltene Wild
nicht ſchießen und hieb deshalb den Baum um. Als es fiel, deckte man ſchnell ein Kleid über ſeinen
Kopf und konnte es ſo geblendet leichter feſſeln. Doch der kleine Kerl, ſeinem Alter nach nur ein
unerwachſenes Kind, war bereits erſtaunenswürdig kräftig und nichts weniger als gutartig, ſo daß
die Leute nicht im Stande waren, ihn zu führen. Augenblicklich ſtürzte er ſich auf ſie, und ſie waren
endlich genöthigt, ſeinen Hals in eine Holzgabel zu ſtecken, welche vorn verſchloſſen wurde und nun
ihnen als Zwangsmittel dienen mußte. So kam der Gorilla in das Dorf. Eine ungeheure Auf-
regung bemächtigte ſich hier der Gemüther. Als der Gefangene aus dem Boot gehoben wurde, in
welchem er einen Theil ſeines Weges zurückgelegt hatte, brüllte und bellte er und ſchaute aus ſeinen
böſen Augen wild um ſich, gleichſam verſichernd, daß er ſich gewiß rächen werde, ſobald er könne.
Jch ſah, daß die Gabel ſeinen Nacken verwundet hatte, und ließ deshalb augenblicklich einen Käfig
für ihn machen. Nach zwei Stunden hatten wir ein feſtes Bambushaus für ihn gebaut mit ſicheren
Stäben, durch welche wir ihn nun beobachten konnten. Es war ein junges Männchen, jedenfalls
nicht älter als drei Jahre, doch erwachſen genug, um ſeinen Weg allein zu gehen, und für ſein Alter
mit einer merkwürdigen Kraft ausgerüſtet. Geſicht und Hände waren ſchwarz, die Augen aber noch
nicht ſo tief eingeſunken, als bei den alten. Das Haar der Brauen und des Armes, welches röthlich-
braun ausſah, begann ſich eben zu erheben; die Oberlippe war mit kurzen Haaren bedeckt, die untere
mit einem kleinen Barte, die Augenlider waren fein und dünn, die Augenbrauen etwa drei Viertel Zoll
lang; ein eisgraues Haar, welches in der Nähe der Arme dunkelte und am Steiß vollſtändig weiß
erſchien, bedeckte ſeinen Nacken; Bruſt und Bauch waren dünner behaart, die Arme länger.‟
„Nachdem ich den kleinen Burſchen glücklich in ſeinen Käfig gelockt hatte, nahte ich mich, um
ihm einige ermunternde Worte zu ſagen. Er ſtand in der fernſten Ecke; ſo wie ich mich aber
näherte, bellte er auf und machte einen wüthenden Satz nach mir. Obgleich ich mich ſo ſchnell zurück-
zog, als ich konnte, erwiſchte er doch noch meine Beinkleider, zerriß ſie und zog ſich augenblicklich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/71>, abgerufen am 22.11.2024.
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