Lebensweise. Gefährlichkeit. Hochachtungszoll der Jndianer. Scheu vor Menschenwitterung.
ganzer Mann ist, im rechten Augenblick eine tödtende Kugel ihm zusenden kann! Der rasende Bär umarmt ihn, sobald er ihn eingeholt hat, und zerpreßt ihm die Rippen im Leibe oder zerreißt ihm mit einem einzigen Tatzenschlage den ganzen Leib. Pallifer, welcher glücklich genug war, fünf von diesen furchtbaren Geschöpfen zu tödten, ohne mit ihren Zähnen oder Klauen Bekanntschaft zu machen, be- stätigt die Erzählung der Jndianer von der Wuth dieser Thiere und giebt eine Beschreibung der gefährlichen Jagden, von denen schließlich eine fast regelmäßig den Tod des Jägers herbeiführt; denn die Lebenszähigkeit des Ungeheuers ist ebenso groß, wie seine Kraft, und jede nicht augenblicklich tödtende Wunde, welche es erhält, ist für den Jäger weit gefährlicher, als für das Raubthier. Es vergißt dann jede Rücksicht und lechzt blos noch nach Rache.
Aus allen diesen Gründen erringt der Jäger, welcher sich erwiesenermaßen mit Ephraim ge- messen hat, die Bewunderung und Hochschätzung aller Männer, welche von ihm hören, der Weißen ebensowohl, wie der Jndianer, unter denen die Erlegung des Bären geradezu als das erste Mannes- werk gepriesen wird. Unter allen Stämmen der Rothhäute im Norden Amerikas verleiht der Besitz eines Halsbandes aus Bärenklanen und Zähnen seinem Träger eine Hochachtung, wie sie bei uns kaum ein Fürst oder siegreicher Feldherr genießen kann. Nur derjenige Wilde darf die Bären- kette tragen, der sie sich selbst und durch eigne Kraft erworben. Sie ist ein Ordensschmuck, wie es keinen zweiten giebt, nicht ein Anerkennungszeichen für Das, was Einer hätte thun können, sondern ein solches für Das, was der Mann gethan hat. Selbst mit dem sonst so tief gehaßten Weißen be- freundet sich der Jndianer, wenn er gewißlich weiß, daß das Bleichgesicht ruhmvoll einen Kampf mit dem gewaltigen Urfeind bestanden hat. Auch die Leiche des von den Rothhäuten getödteten Bären wird mit der größten Ehrfurcht behandelt; denn die schlichten Menschen sehen in dem gewaltigen Geschöpfe kein gemeines, gewöhnliches Thier, wie wir überklugen Weißen, sondern vielmehr ein gleichsam übernatürliches Wesen, dessen entseeltem Leibe sie noch die nöthige Ehre geben zu müssen glauben. Wir dürfen hier von einer Schilderung der indianischen Todtenopfer vor der Leiche des Bären absehen, weil ich mir eine solche für die Beschreibung des Baribal, dessen Leichnam die gleiche Behandlung zu Theil wird, vorbehalten habe. Nur Eins wollen wir hier hervorheben: die merkwürdige Uebereinstimmung der Anschauung bei Jndianern und Sibiriern, rücksichtlich des Bären.
Merkwürdig ist, daß das Ungeheuer, welches auf den Menschen, den es sieht, dreist losgeht, um ihn zu vernichten, vor der Witterung desselben augenblicklich die Flucht ergreift. Dies wird als Thatsache von den meisten Jägern behauptet, und man kennt sogar Beispiele, wo ein unbewaffneter Mann diese unerklärliche Furchtsamkeit des Bären benutzte und ihm dadurch entrann, daß er nach einem Orte hinlief, von welchem aus der Luftzug dem Bären seine Witterung zuführen mußte. Sobald der Bär den fremdartigen Geruch verspürte, hielt er an, setzte sich auf die Hinterbeine, stutzte und machte sich endlich furchtsam auf und davon. Jn ebendemselben Grade, wie er die Witterung des Menschen scheut, fürchten alle Thiere die seinige. Die Hausthiere geberden sich genau so, wie wenn ihnen die Ausdünstung von einem Löwen oder Tiger wahrnehmbar wird, und selbst das todte Thier, ja blos sein Fell flößt ihnen noch gewaltigen Schreck ein. Einzelne Jäger behaupten, daß auch die sonst so gefräßigen Hundearten Amerikas, welche so leicht keine andere Leiche verschonen, ihre Achtung vor dem Bären bezeugen und sich nicht über seinen Leichnam hermachen: doch dürfte Dies wohl auf einem Jrrthum beruhen und höchstens von zufälliger Abwesenheit derartiger Thiere zeugen.
Jn den jüngeren Jahren ist auch der Grislibär ein allerliebstes, gemüthliches, nettes Thierchen. Sein Fell ist so fein und schön, trotz seiner Länge und Dicke, und so schmuck von Farbe, daß es den kleinen Kerl sehr ziert. Nach seinem Tode wird es mit Recht als ganz vorzügliches Pelzwerk geschätzt. Wenn man einen ganz jungen grauen Bär einfängt, kann er leidlich gezähmt werden; doch selbst gezähmte bleiben immerhin höchst zweifelhafte Gefährten des Menschen. Palliser, welcher einen Grislibär gefangen und mit nach Europa gebracht hatte, erzählt, daß sein Gefangener auf der Heimreise unbedingt der gemüthlichste Gesell des ganzen Schiffes gewesen sei. Er aß, trank und spielte mit den Matrosen und erheiterte alle Reisenden, sodaß der Kapitän des Schiffes später
Lebensweiſe. Gefährlichkeit. Hochachtungszoll der Jndianer. Scheu vor Menſchenwitterung.
ganzer Mann iſt, im rechten Augenblick eine tödtende Kugel ihm zuſenden kann! Der raſende Bär umarmt ihn, ſobald er ihn eingeholt hat, und zerpreßt ihm die Rippen im Leibe oder zerreißt ihm mit einem einzigen Tatzenſchlage den ganzen Leib. Pallifer, welcher glücklich genug war, fünf von dieſen furchtbaren Geſchöpfen zu tödten, ohne mit ihren Zähnen oder Klauen Bekanntſchaft zu machen, be- ſtätigt die Erzählung der Jndianer von der Wuth dieſer Thiere und giebt eine Beſchreibung der gefährlichen Jagden, von denen ſchließlich eine faſt regelmäßig den Tod des Jägers herbeiführt; denn die Lebenszähigkeit des Ungeheuers iſt ebenſo groß, wie ſeine Kraft, und jede nicht augenblicklich tödtende Wunde, welche es erhält, iſt für den Jäger weit gefährlicher, als für das Raubthier. Es vergißt dann jede Rückſicht und lechzt blos noch nach Rache.
Aus allen dieſen Gründen erringt der Jäger, welcher ſich erwieſenermaßen mit Ephraim ge- meſſen hat, die Bewunderung und Hochſchätzung aller Männer, welche von ihm hören, der Weißen ebenſowohl, wie der Jndianer, unter denen die Erlegung des Bären geradezu als das erſte Mannes- werk geprieſen wird. Unter allen Stämmen der Rothhäute im Norden Amerikas verleiht der Beſitz eines Halsbandes aus Bärenklanen und Zähnen ſeinem Träger eine Hochachtung, wie ſie bei uns kaum ein Fürſt oder ſiegreicher Feldherr genießen kann. Nur derjenige Wilde darf die Bären- kette tragen, der ſie ſich ſelbſt und durch eigne Kraft erworben. Sie iſt ein Ordensſchmuck, wie es keinen zweiten giebt, nicht ein Anerkennungszeichen für Das, was Einer hätte thun können, ſondern ein ſolches für Das, was der Mann gethan hat. Selbſt mit dem ſonſt ſo tief gehaßten Weißen be- freundet ſich der Jndianer, wenn er gewißlich weiß, daß das Bleichgeſicht ruhmvoll einen Kampf mit dem gewaltigen Urfeind beſtanden hat. Auch die Leiche des von den Rothhäuten getödteten Bären wird mit der größten Ehrfurcht behandelt; denn die ſchlichten Menſchen ſehen in dem gewaltigen Geſchöpfe kein gemeines, gewöhnliches Thier, wie wir überklugen Weißen, ſondern vielmehr ein gleichſam übernatürliches Weſen, deſſen entſeeltem Leibe ſie noch die nöthige Ehre geben zu müſſen glauben. Wir dürfen hier von einer Schilderung der indianiſchen Todtenopfer vor der Leiche des Bären abſehen, weil ich mir eine ſolche für die Beſchreibung des Baribal, deſſen Leichnam die gleiche Behandlung zu Theil wird, vorbehalten habe. Nur Eins wollen wir hier hervorheben: die merkwürdige Uebereinſtimmung der Anſchauung bei Jndianern und Sibiriern, rückſichtlich des Bären.
Merkwürdig iſt, daß das Ungeheuer, welches auf den Menſchen, den es ſieht, dreiſt losgeht, um ihn zu vernichten, vor der Witterung deſſelben augenblicklich die Flucht ergreift. Dies wird als Thatſache von den meiſten Jägern behauptet, und man kennt ſogar Beiſpiele, wo ein unbewaffneter Mann dieſe unerklärliche Furchtſamkeit des Bären benutzte und ihm dadurch entrann, daß er nach einem Orte hinlief, von welchem aus der Luftzug dem Bären ſeine Witterung zuführen mußte. Sobald der Bär den fremdartigen Geruch verſpürte, hielt er an, ſetzte ſich auf die Hinterbeine, ſtutzte und machte ſich endlich furchtſam auf und davon. Jn ebendemſelben Grade, wie er die Witterung des Menſchen ſcheut, fürchten alle Thiere die ſeinige. Die Hausthiere geberden ſich genau ſo, wie wenn ihnen die Ausdünſtung von einem Löwen oder Tiger wahrnehmbar wird, und ſelbſt das todte Thier, ja blos ſein Fell flößt ihnen noch gewaltigen Schreck ein. Einzelne Jäger behaupten, daß auch die ſonſt ſo gefräßigen Hundearten Amerikas, welche ſo leicht keine andere Leiche verſchonen, ihre Achtung vor dem Bären bezeugen und ſich nicht über ſeinen Leichnam hermachen: doch dürfte Dies wohl auf einem Jrrthum beruhen und höchſtens von zufälliger Abweſenheit derartiger Thiere zeugen.
Jn den jüngeren Jahren iſt auch der Grislibär ein allerliebſtes, gemüthliches, nettes Thierchen. Sein Fell iſt ſo fein und ſchön, trotz ſeiner Länge und Dicke, und ſo ſchmuck von Farbe, daß es den kleinen Kerl ſehr ziert. Nach ſeinem Tode wird es mit Recht als ganz vorzügliches Pelzwerk geſchätzt. Wenn man einen ganz jungen grauen Bär einfängt, kann er leidlich gezähmt werden; doch ſelbſt gezähmte bleiben immerhin höchſt zweifelhafte Gefährten des Menſchen. Palliſer, welcher einen Grislibär gefangen und mit nach Europa gebracht hatte, erzählt, daß ſein Gefangener auf der Heimreiſe unbedingt der gemüthlichſte Geſell des ganzen Schiffes geweſen ſei. Er aß, trank und ſpielte mit den Matroſen und erheiterte alle Reiſenden, ſodaß der Kapitän des Schiffes ſpäter
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ganzer Mann iſt, im rechten Augenblick eine tödtende Kugel ihm zuſenden kann! Der raſende Bär
umarmt ihn, ſobald er ihn eingeholt hat, und zerpreßt ihm die Rippen im Leibe oder zerreißt ihm mit
einem einzigen Tatzenſchlage den ganzen Leib. Pallifer, welcher glücklich genug war, fünf von dieſen
furchtbaren Geſchöpfen zu tödten, ohne mit ihren Zähnen oder Klauen Bekanntſchaft zu machen, be-
ſtätigt die Erzählung der Jndianer von der Wuth dieſer Thiere und giebt eine Beſchreibung der
gefährlichen Jagden, von denen ſchließlich eine faſt regelmäßig den Tod des Jägers herbeiführt; denn
die Lebenszähigkeit des Ungeheuers iſt ebenſo groß, wie ſeine Kraft, und jede nicht augenblicklich
tödtende Wunde, welche es erhält, iſt für den Jäger weit gefährlicher, als für das Raubthier. Es
vergißt dann jede Rückſicht und lechzt blos noch nach Rache.
Aus allen dieſen Gründen erringt der Jäger, welcher ſich erwieſenermaßen mit Ephraim ge-
meſſen hat, die Bewunderung und Hochſchätzung aller Männer, welche von ihm hören, der Weißen
ebenſowohl, wie der Jndianer, unter denen die Erlegung des Bären geradezu als das erſte Mannes-
werk geprieſen wird. Unter allen Stämmen der Rothhäute im Norden Amerikas verleiht der
Beſitz eines Halsbandes aus Bärenklanen und Zähnen ſeinem Träger eine Hochachtung, wie ſie bei
uns kaum ein Fürſt oder ſiegreicher Feldherr genießen kann. Nur derjenige Wilde darf die Bären-
kette tragen, der ſie ſich ſelbſt und durch eigne Kraft erworben. Sie iſt ein Ordensſchmuck, wie es
keinen zweiten giebt, nicht ein Anerkennungszeichen für Das, was Einer hätte thun können, ſondern
ein ſolches für Das, was der Mann gethan hat. Selbſt mit dem ſonſt ſo tief gehaßten Weißen be-
freundet ſich der Jndianer, wenn er gewißlich weiß, daß das Bleichgeſicht ruhmvoll einen Kampf mit
dem gewaltigen Urfeind beſtanden hat. Auch die Leiche des von den Rothhäuten getödteten Bären
wird mit der größten Ehrfurcht behandelt; denn die ſchlichten Menſchen ſehen in dem gewaltigen
Geſchöpfe kein gemeines, gewöhnliches Thier, wie wir überklugen Weißen, ſondern vielmehr ein
gleichſam übernatürliches Weſen, deſſen entſeeltem Leibe ſie noch die nöthige Ehre geben zu müſſen
glauben. Wir dürfen hier von einer Schilderung der indianiſchen Todtenopfer vor der Leiche des
Bären abſehen, weil ich mir eine ſolche für die Beſchreibung des Baribal, deſſen Leichnam die
gleiche Behandlung zu Theil wird, vorbehalten habe. Nur Eins wollen wir hier hervorheben: die
merkwürdige Uebereinſtimmung der Anſchauung bei Jndianern und Sibiriern, rückſichtlich des Bären.
Merkwürdig iſt, daß das Ungeheuer, welches auf den Menſchen, den es ſieht, dreiſt losgeht, um
ihn zu vernichten, vor der Witterung deſſelben augenblicklich die Flucht ergreift. Dies wird als
Thatſache von den meiſten Jägern behauptet, und man kennt ſogar Beiſpiele, wo ein unbewaffneter
Mann dieſe unerklärliche Furchtſamkeit des Bären benutzte und ihm dadurch entrann, daß er nach einem
Orte hinlief, von welchem aus der Luftzug dem Bären ſeine Witterung zuführen mußte. Sobald
der Bär den fremdartigen Geruch verſpürte, hielt er an, ſetzte ſich auf die Hinterbeine, ſtutzte und
machte ſich endlich furchtſam auf und davon. Jn ebendemſelben Grade, wie er die Witterung des
Menſchen ſcheut, fürchten alle Thiere die ſeinige. Die Hausthiere geberden ſich genau ſo, wie wenn
ihnen die Ausdünſtung von einem Löwen oder Tiger wahrnehmbar wird, und ſelbſt das todte Thier,
ja blos ſein Fell flößt ihnen noch gewaltigen Schreck ein. Einzelne Jäger behaupten, daß auch die
ſonſt ſo gefräßigen Hundearten Amerikas, welche ſo leicht keine andere Leiche verſchonen, ihre Achtung
vor dem Bären bezeugen und ſich nicht über ſeinen Leichnam hermachen: doch dürfte Dies wohl auf
einem Jrrthum beruhen und höchſtens von zufälliger Abweſenheit derartiger Thiere zeugen.
Jn den jüngeren Jahren iſt auch der Grislibär ein allerliebſtes, gemüthliches, nettes Thierchen.
Sein Fell iſt ſo fein und ſchön, trotz ſeiner Länge und Dicke, und ſo ſchmuck von Farbe, daß es
den kleinen Kerl ſehr ziert. Nach ſeinem Tode wird es mit Recht als ganz vorzügliches Pelzwerk
geſchätzt. Wenn man einen ganz jungen grauen Bär einfängt, kann er leidlich gezähmt werden; doch
ſelbſt gezähmte bleiben immerhin höchſt zweifelhafte Gefährten des Menſchen. Palliſer, welcher
einen Grislibär gefangen und mit nach Europa gebracht hatte, erzählt, daß ſein Gefangener auf
der Heimreiſe unbedingt der gemüthlichſte Geſell des ganzen Schiffes geweſen ſei. Er aß, trank
und ſpielte mit den Matroſen und erheiterte alle Reiſenden, ſodaß der Kapitän des Schiffes ſpäter
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/677>, abgerufen am 16.02.2025.
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