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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen. Waldmenschen. -- Gorilla.
Jäger mit seinen Zähnen, obgleich diese nicht hierzu, sondern, wie ein amerikanisches Blatt bemerkt,
vielmehr zum anständigen Gebrauch eines grasfressenden Thieres bestimmt sind. Es darf uns daher
nicht wundern, wenn Der, welcher einen Gorilla erschlug, unter seinem Volk als der größte Held
angesehen wird; wir dürfen es aber auch keinem Neger verargen, wenn er taub bleibt gegen die Ver-
sprechungen eines Europäers, der ihm einen lebenden Gorilla gern mit Geld aufwiegen würde.

Jn dieser wirklich beispiellosen Furchtbarkeit des gewaltigen Affen ist noch etwas Anderes be-
gründet: die Unkenntniß nämlich, welche wir über seine Lebensweise und seine Sitten besitzen. Nur
sehr spärliche Nachrichten hierüber sind uns zugekommen, sie genügen noch lange nicht, um uns ein
vollständiges Bild des Thieres zu geben. Man sagt, daß er auf der Erde auf allen Vieren gehe,
zuweilen aber zum aufrechten Gange eine Keule benutze; man erzählt, daß er, wie die Elfenbeinjäger,
die Zähne aus dem Gerippe eines Elefanten bräche und sie lange Zeit mit sich herum trüge, gleich-
sam als Keule; man berichtet, daß er vortrefflich klettere und den größten Theil seines Lebens auf
Bäumen zubringe, sich auch dort, wie die andern Orangaffen, aus zusammengebogenen Zweigen eine
Hütte ohne Dach errichte; ja, man behauptet sogar, daß er seine Todten begrabe u. dergl. mehr; allein
wir wissen durchaus noch nicht, wieviel Wahres daran ist. Die Reisenden sind so ziemlich einstimmig
in Folgendem: Der Gorilla lebt weniger in Gesellschaften, als vielmehr in Familien, welche aus
dem Männchen, dem Weibchen und einem oder zwei Jungen bestehen. Am häusigsten sieht man ihn
in den Monaten September, Oktober und November, nachdem die Reger ihre Ernte eingebracht
haben und in ihre Dörfer zurückgekehrt sind. Dann kommt der Affe, welcher den Menschen, den er
haßt, dennoch meidet, näher an die Dörfer heran, als sonst, wo er sich in dem tieferen Walde aufhält.
Gewöhnlich sieht man den Gorilla auf einem Baumaste sitzen, den Rücken an den Stamm gelehnt,
und hiervon kommt es, daß ihm die Haare an der betreffenden Stelle abgerieben sind. Während seiner
Ruhe kaut er langsam und gedankenlos an Früchten, wie wir Solches auch häufig bei Pavianen
sehen. Wenn die Familie aufgeschreckt wird, bringt das Weibchen sein Junges in Sicherheit, der
männliche Affe aber stellt sich zur Vertheidigung und bricht in in ein Siegesgeheul aus, wenn er sein
Opfer mit teuflischer Lust zerfleischt hat. Das Weibchen vertheidigt ihre Nachkommenschaft mit Auf-
opferung ihres Lebens. Eine Familie wurde von Jägern überrascht: die Mutter rettete das eine
ihrer Jungen, indem sie es nach einem entfernten Baume trug, das andere suchte zu flüchten, wurde
jedoch gestellt. Wüthend stürzte jetzt die Alte herbei, nahm ihren Sprößling auf den Arm und ging
auf die Jäger los. Diese rückten ihr mit den Gewehren auf den Leib und zielten auf sie; da erhob
sie flehend den Arm, als wollte sie die tödliche Kugel abwehren; die Kugel drang ihr aber in das Herz,
und sie verendete. Das Junge kam somit in die Gewalt seiner Feinde. Außer diesem hat man noch
andere Gorilla gefangen, doch haben dieselben niemals lange in der Gefangenschaft gelebt, und kein
einziger ist noch lebend nach Europa herübergekommen.

Die Eingeborenen glauben, daß diese große Affen wirkliche Menschen feien, und bles thäten,
als wären sie so wüthend und dumm, weil sie fürchteten, zu Sklaven gemacht und zur Arbeit an-
gehalten zu werden; denn das ist eine Sache, welche für einen ächten Afrikaner wohl das Schreck-
lichste sein dürfte. Außerdem wähnen sie, daß die Seelen ihrer abgeschiedenen Könige in dem Leibe
des Gorilla Wohnung nähmen, und daß dieser daher hauptsächlich aus alter, lieber Gewohnheit
seine früheren Unterthanen hasse und peinige!

Jn der Neuzeit hat der Amerikaner Du Chaillu sehr ausführlich über den Gorilla berichtet.
Jch würde die Mittheilungen dieses Reisenden vorzugsweise meiner Beschreibung zu Grunde gelegt
haben, könnte ich ihnen soviel Glauben schenken, als ich selbst wünschte. Die Darstellungsweise
Du Chaillu's ist nicht geeignet, großes Vertrauen zu erwecken; und wenn auch unser Mann sich als
Forscher geberdet und seine Angaben durch lateinische Namen zu bekräftigen sucht: es will immer
scheinen, als sei Alles darauf berechnet, die Aufmerksamkeit in ungebührlicher Weise zu spannen. Man
urtheile selbst, was wohl von einem Berichterstatter zu halten ist, der in folgender Weise sein erstes
Zusammentreffen mit dem Gorilla schildert:

Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla.
Jäger mit ſeinen Zähnen, obgleich dieſe nicht hierzu, ſondern, wie ein amerikaniſches Blatt bemerkt,
vielmehr zum anſtändigen Gebrauch eines grasfreſſenden Thieres beſtimmt ſind. Es darf uns daher
nicht wundern, wenn Der, welcher einen Gorilla erſchlug, unter ſeinem Volk als der größte Held
angeſehen wird; wir dürfen es aber auch keinem Neger verargen, wenn er taub bleibt gegen die Ver-
ſprechungen eines Europäers, der ihm einen lebenden Gorilla gern mit Geld aufwiegen würde.

Jn dieſer wirklich beiſpielloſen Furchtbarkeit des gewaltigen Affen iſt noch etwas Anderes be-
gründet: die Unkenntniß nämlich, welche wir über ſeine Lebensweiſe und ſeine Sitten beſitzen. Nur
ſehr ſpärliche Nachrichten hierüber ſind uns zugekommen, ſie genügen noch lange nicht, um uns ein
vollſtändiges Bild des Thieres zu geben. Man ſagt, daß er auf der Erde auf allen Vieren gehe,
zuweilen aber zum aufrechten Gange eine Keule benutze; man erzählt, daß er, wie die Elfenbeinjäger,
die Zähne aus dem Gerippe eines Elefanten bräche und ſie lange Zeit mit ſich herum trüge, gleich-
ſam als Keule; man berichtet, daß er vortrefflich klettere und den größten Theil ſeines Lebens auf
Bäumen zubringe, ſich auch dort, wie die andern Orangaffen, aus zuſammengebogenen Zweigen eine
Hütte ohne Dach errichte; ja, man behauptet ſogar, daß er ſeine Todten begrabe u. dergl. mehr; allein
wir wiſſen durchaus noch nicht, wieviel Wahres daran iſt. Die Reiſenden ſind ſo ziemlich einſtimmig
in Folgendem: Der Gorilla lebt weniger in Geſellſchaften, als vielmehr in Familien, welche aus
dem Männchen, dem Weibchen und einem oder zwei Jungen beſtehen. Am häuſigſten ſieht man ihn
in den Monaten September, Oktober und November, nachdem die Reger ihre Ernte eingebracht
haben und in ihre Dörfer zurückgekehrt ſind. Dann kommt der Affe, welcher den Menſchen, den er
haßt, dennoch meidet, näher an die Dörfer heran, als ſonſt, wo er ſich in dem tieferen Walde aufhält.
Gewöhnlich ſieht man den Gorilla auf einem Baumaſte ſitzen, den Rücken an den Stamm gelehnt,
und hiervon kommt es, daß ihm die Haare an der betreffenden Stelle abgerieben ſind. Während ſeiner
Ruhe kaut er langſam und gedankenlos an Früchten, wie wir Solches auch häufig bei Pavianen
ſehen. Wenn die Familie aufgeſchreckt wird, bringt das Weibchen ſein Junges in Sicherheit, der
männliche Affe aber ſtellt ſich zur Vertheidigung und bricht in in ein Siegesgeheul aus, wenn er ſein
Opfer mit teufliſcher Luſt zerfleiſcht hat. Das Weibchen vertheidigt ihre Nachkommenſchaft mit Auf-
opferung ihres Lebens. Eine Familie wurde von Jägern überraſcht: die Mutter rettete das eine
ihrer Jungen, indem ſie es nach einem entfernten Baume trug, das andere ſuchte zu flüchten, wurde
jedoch geſtellt. Wüthend ſtürzte jetzt die Alte herbei, nahm ihren Sprößling auf den Arm und ging
auf die Jäger los. Dieſe rückten ihr mit den Gewehren auf den Leib und zielten auf ſie; da erhob
ſie flehend den Arm, als wollte ſie die tödliche Kugel abwehren; die Kugel drang ihr aber in das Herz,
und ſie verendete. Das Junge kam ſomit in die Gewalt ſeiner Feinde. Außer dieſem hat man noch
andere Gorilla gefangen, doch haben dieſelben niemals lange in der Gefangenſchaft gelebt, und kein
einziger iſt noch lebend nach Europa herübergekommen.

Die Eingeborenen glauben, daß dieſe große Affen wirkliche Menſchen feien, und bles thäten,
als wären ſie ſo wüthend und dumm, weil ſie fürchteten, zu Sklaven gemacht und zur Arbeit an-
gehalten zu werden; denn das iſt eine Sache, welche für einen ächten Afrikaner wohl das Schreck-
lichſte ſein dürfte. Außerdem wähnen ſie, daß die Seelen ihrer abgeſchiedenen Könige in dem Leibe
des Gorilla Wohnung nähmen, und daß dieſer daher hauptſächlich aus alter, lieber Gewohnheit
ſeine früheren Unterthanen haſſe und peinige!

Jn der Neuzeit hat der Amerikaner Du Chaillu ſehr ausführlich über den Gorilla berichtet.
Jch würde die Mittheilungen dieſes Reiſenden vorzugsweiſe meiner Beſchreibung zu Grunde gelegt
haben, könnte ich ihnen ſoviel Glauben ſchenken, als ich ſelbſt wünſchte. Die Darſtellungsweiſe
Du Chaillu’s iſt nicht geeignet, großes Vertrauen zu erwecken; und wenn auch unſer Mann ſich als
Forſcher geberdet und ſeine Angaben durch lateiniſche Namen zu bekräftigen ſucht: es will immer
ſcheinen, als ſei Alles darauf berechnet, die Aufmerkſamkeit in ungebührlicher Weiſe zu ſpannen. Man
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[16/0066] Die Affen. Waldmenſchen. — Gorilla. Jäger mit ſeinen Zähnen, obgleich dieſe nicht hierzu, ſondern, wie ein amerikaniſches Blatt bemerkt, vielmehr zum anſtändigen Gebrauch eines grasfreſſenden Thieres beſtimmt ſind. Es darf uns daher nicht wundern, wenn Der, welcher einen Gorilla erſchlug, unter ſeinem Volk als der größte Held angeſehen wird; wir dürfen es aber auch keinem Neger verargen, wenn er taub bleibt gegen die Ver- ſprechungen eines Europäers, der ihm einen lebenden Gorilla gern mit Geld aufwiegen würde. Jn dieſer wirklich beiſpielloſen Furchtbarkeit des gewaltigen Affen iſt noch etwas Anderes be- gründet: die Unkenntniß nämlich, welche wir über ſeine Lebensweiſe und ſeine Sitten beſitzen. Nur ſehr ſpärliche Nachrichten hierüber ſind uns zugekommen, ſie genügen noch lange nicht, um uns ein vollſtändiges Bild des Thieres zu geben. Man ſagt, daß er auf der Erde auf allen Vieren gehe, zuweilen aber zum aufrechten Gange eine Keule benutze; man erzählt, daß er, wie die Elfenbeinjäger, die Zähne aus dem Gerippe eines Elefanten bräche und ſie lange Zeit mit ſich herum trüge, gleich- ſam als Keule; man berichtet, daß er vortrefflich klettere und den größten Theil ſeines Lebens auf Bäumen zubringe, ſich auch dort, wie die andern Orangaffen, aus zuſammengebogenen Zweigen eine Hütte ohne Dach errichte; ja, man behauptet ſogar, daß er ſeine Todten begrabe u. dergl. mehr; allein wir wiſſen durchaus noch nicht, wieviel Wahres daran iſt. Die Reiſenden ſind ſo ziemlich einſtimmig in Folgendem: Der Gorilla lebt weniger in Geſellſchaften, als vielmehr in Familien, welche aus dem Männchen, dem Weibchen und einem oder zwei Jungen beſtehen. Am häuſigſten ſieht man ihn in den Monaten September, Oktober und November, nachdem die Reger ihre Ernte eingebracht haben und in ihre Dörfer zurückgekehrt ſind. Dann kommt der Affe, welcher den Menſchen, den er haßt, dennoch meidet, näher an die Dörfer heran, als ſonſt, wo er ſich in dem tieferen Walde aufhält. Gewöhnlich ſieht man den Gorilla auf einem Baumaſte ſitzen, den Rücken an den Stamm gelehnt, und hiervon kommt es, daß ihm die Haare an der betreffenden Stelle abgerieben ſind. Während ſeiner Ruhe kaut er langſam und gedankenlos an Früchten, wie wir Solches auch häufig bei Pavianen ſehen. Wenn die Familie aufgeſchreckt wird, bringt das Weibchen ſein Junges in Sicherheit, der männliche Affe aber ſtellt ſich zur Vertheidigung und bricht in in ein Siegesgeheul aus, wenn er ſein Opfer mit teufliſcher Luſt zerfleiſcht hat. Das Weibchen vertheidigt ihre Nachkommenſchaft mit Auf- opferung ihres Lebens. Eine Familie wurde von Jägern überraſcht: die Mutter rettete das eine ihrer Jungen, indem ſie es nach einem entfernten Baume trug, das andere ſuchte zu flüchten, wurde jedoch geſtellt. Wüthend ſtürzte jetzt die Alte herbei, nahm ihren Sprößling auf den Arm und ging auf die Jäger los. Dieſe rückten ihr mit den Gewehren auf den Leib und zielten auf ſie; da erhob ſie flehend den Arm, als wollte ſie die tödliche Kugel abwehren; die Kugel drang ihr aber in das Herz, und ſie verendete. Das Junge kam ſomit in die Gewalt ſeiner Feinde. Außer dieſem hat man noch andere Gorilla gefangen, doch haben dieſelben niemals lange in der Gefangenſchaft gelebt, und kein einziger iſt noch lebend nach Europa herübergekommen. Die Eingeborenen glauben, daß dieſe große Affen wirkliche Menſchen feien, und bles thäten, als wären ſie ſo wüthend und dumm, weil ſie fürchteten, zu Sklaven gemacht und zur Arbeit an- gehalten zu werden; denn das iſt eine Sache, welche für einen ächten Afrikaner wohl das Schreck- lichſte ſein dürfte. Außerdem wähnen ſie, daß die Seelen ihrer abgeſchiedenen Könige in dem Leibe des Gorilla Wohnung nähmen, und daß dieſer daher hauptſächlich aus alter, lieber Gewohnheit ſeine früheren Unterthanen haſſe und peinige! Jn der Neuzeit hat der Amerikaner Du Chaillu ſehr ausführlich über den Gorilla berichtet. Jch würde die Mittheilungen dieſes Reiſenden vorzugsweiſe meiner Beſchreibung zu Grunde gelegt haben, könnte ich ihnen ſoviel Glauben ſchenken, als ich ſelbſt wünſchte. Die Darſtellungsweiſe Du Chaillu’s iſt nicht geeignet, großes Vertrauen zu erwecken; und wenn auch unſer Mann ſich als Forſcher geberdet und ſeine Angaben durch lateiniſche Namen zu bekräftigen ſucht: es will immer ſcheinen, als ſei Alles darauf berechnet, die Aufmerkſamkeit in ungebührlicher Weiſe zu ſpannen. Man urtheile ſelbſt, was wohl von einem Berichterſtatter zu halten iſt, der in folgender Weiſe ſein erſtes Zuſammentreffen mit dem Gorilla ſchildert:

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/66>, abgerufen am 22.11.2024.