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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Seeottern. -- Kalan.
und hoben die Keule in die Höhe, ohne zu schlagen; da legten sie sich nieder, schmeichelten, sahen sich
um und krochen sehr langsam und demüthig wie Hunde zwischen uns durch. Sobald sie sich aber außer
aller Gefahr sahen, eilten sie mit großen Sprüngen nach dem Meere."

"Jm Juli oder August hären sich die Seeottern, jedoch nur wenig, und werden dann etwas
brauner. Die besten Felle sind die aus den Monaten März, April und Mai. Vor funfzehn Jahren
(jetzt also etwa vor 130) konnte man die besten Felle für ein Messer oder Feuerzeug kaufen, und die
russischen Kaufleute gaben dafür höchstens fünf oder sechs Rubel; jetzt haben sie den angegebenen Preis
schon erreicht, hauptsächlich, weil die Chinesen so hohen Werth auf sie legen. Nach China gehen die
meisten von allen Fellen, und da die Chinesen meist Seidenpelze tragen, so ziehen sie die schweren Pelze
des Seeotters den leichteren des Zobels vor und verbrämen sie auch ringsum. Jn Kamtschatka giebt
es keinen größern Staat, als ein Kleid, zusammengenäht aus weißem Pelz der Reuthierfelle mit Otter-
pelz verbrämt. Vor einigen Jahren trug noch Alles Meerotterkleider; es hat aber aufgehört, seitdem
sie so theuer geworden; auch hält man jetzt in Kamtschatka die Hundefelle für schöner, wärmer und
dauerhafter."

"Der Seeotter, welcher wegen der Beschaffenheit seines Felles mit Unrecht für einen Biber ange-
sehen, und daher Kamtschatka-Robbe genannt worden, ist ein echter Otter, und unterscheidet sich von
dem Flußotter allein darin, daß er sich in der See aufhält, fast um die Hälfte größer ist und an Schön-
heit der Haare einem Biber ähnelt. Er ist unstreitig ein amerikanisches Seethier und an den Küsten
von Asien blos ein Gast und Ankömmling, welcher sich in dem sogenannten Bibermeer unter dem
56. bis 50. Grad der Breite aufhält, wo beide Erdtheile vielleicht nur durch einen 50 Meilen breiten
Kanal getrennt sind. Dieser Kanal ist übrigens mit vielen Eilanden angefüllt, und diese machen der
Thiere Ueberkunft nach Kamtschatka möglich, weil sie sonst über eine weite See zu gehen nicht im
Stande sein dürften. Nach eingezogenen Kundschaften von dem tschuktschischen Volke, weiß ich gewiß,
daß diese Thiere gegenüber am Festlande Amerika zwischen dem 58. und 60. Grade anzutreffen sind;
man hat auch Felle davon über Annadyrsk durch den Handel bekommen. Vom 56. bis 50. Grad
haben wir die Seeottern auf den Jnseln am Festlande von Amerika, und unter 60. Grad nahe am
Festlande, beim Vorgebirge Eliä, selbst 500 Meilen von Kamtschatka nach Osten hin angetroffen. Die
meisten Ottern werden mit dem Treibeis von einer Küste des Festlandes zur andern geführt; denn ich
habe mit meinen eignen Augen gesehen, wie gern diese Thiere auf dem Eise liegen, und obgleich wegen
gelinden Winters die Eisschollen nur dünn und sparsam waren, wurden sie durch die Fluth auf die
Jnsel und mit abnehmendem Wasser wieder in die See geführt, im Schlafen sowohl, als im Wachen.

"Als wir auf der Beringsinsel anlangten, waren die Seeottern häufig vorhanden. Sie gehen
zu allen Jahreszeiten, doch im Winter mehr, als im Sommer, aufs Land, um zu schlafen und auszu-
ruhen, auch um allerlei Spiele mit einander zu treiben. Zur Zeit der Ebbe liegen sie auf den Klippen
und auf den abgetrockneten Blöcken, bei vollem Wasser auf dem Lande im Grase oder Schnee bis auf
eine halbe, ja eine Werst vom Ufer ab, gewöhnlich jedoch nahe an demselben. Auf Kamtschatka oder
den kurilischen Jnseln kommen sie selten aus Land, so daß man hieraus sieht, sie seien auf unserer
Jnsel niemals in ihrer Ruhe und ihren Spielen gestört worden."

"Wir jagten sie auf folgende Art: Gewöhnlich des Abends oder in der Nacht gingen wir in
Gesellschaft von Zwei, Drei oder Vier, mit langen, starken Stöcken von Birkenholz versehen, gegen den
Wind so still als möglich, dicht an dem Ufer hin und sahen uns aller Orten fleißig um. Wo wir
nun einen Seeotter schlafend liegen sahen, ging Einer ganz stille auf selbigen los, kroch wohl auch
auf allen Vieren, wenn er nahe war; die Anderen benahmen ihm einstweilen den Weg nach der See.
Sobald man ihm so nahe kam, daß man ihn mit einem Sprung zu erreichen dachte, fuhr man mit
einem Male zu und suchte, ihn mit wiederholten Streichen auf den Kopf zu tödten. Entsprang er aber,
ehe man ihn erreichen konnte, so jagten die Andern gemeinschaftlich ihn von der Seeseite weiter nach
dem Lande und schlossen ihn im Laufen immer enger ein, da dann dieses Thier, so schnell und
geschicklich es auch laufen kann, endlich ermüdete und dann leicht erschlagen wurde. Trafen wir, was

Die Raubthiere. Seeottern. — Kalan.
und hoben die Keule in die Höhe, ohne zu ſchlagen; da legten ſie ſich nieder, ſchmeichelten, ſahen ſich
um und krochen ſehr langſam und demüthig wie Hunde zwiſchen uns durch. Sobald ſie ſich aber außer
aller Gefahr ſahen, eilten ſie mit großen Sprüngen nach dem Meere.‟

„Jm Juli oder Auguſt hären ſich die Seeottern, jedoch nur wenig, und werden dann etwas
brauner. Die beſten Felle ſind die aus den Monaten März, April und Mai. Vor funfzehn Jahren
(jetzt alſo etwa vor 130) konnte man die beſten Felle für ein Meſſer oder Feuerzeug kaufen, und die
ruſſiſchen Kaufleute gaben dafür höchſtens fünf oder ſechs Rubel; jetzt haben ſie den angegebenen Preis
ſchon erreicht, hauptſächlich, weil die Chineſen ſo hohen Werth auf ſie legen. Nach China gehen die
meiſten von allen Fellen, und da die Chineſen meiſt Seidenpelze tragen, ſo ziehen ſie die ſchweren Pelze
des Seeotters den leichteren des Zobels vor und verbrämen ſie auch ringsum. Jn Kamtſchatka giebt
es keinen größern Staat, als ein Kleid, zuſammengenäht aus weißem Pelz der Reuthierfelle mit Otter-
pelz verbrämt. Vor einigen Jahren trug noch Alles Meerotterkleider; es hat aber aufgehört, ſeitdem
ſie ſo theuer geworden; auch hält man jetzt in Kamtſchatka die Hundefelle für ſchöner, wärmer und
dauerhafter.‟

„Der Seeotter, welcher wegen der Beſchaffenheit ſeines Felles mit Unrecht für einen Biber ange-
ſehen, und daher Kamtſchatka-Robbe genannt worden, iſt ein echter Otter, und unterſcheidet ſich von
dem Flußotter allein darin, daß er ſich in der See aufhält, faſt um die Hälfte größer iſt und an Schön-
heit der Haare einem Biber ähnelt. Er iſt unſtreitig ein amerikaniſches Seethier und an den Küſten
von Aſien blos ein Gaſt und Ankömmling, welcher ſich in dem ſogenannten Bibermeer unter dem
56. bis 50. Grad der Breite aufhält, wo beide Erdtheile vielleicht nur durch einen 50 Meilen breiten
Kanal getrennt ſind. Dieſer Kanal iſt übrigens mit vielen Eilanden angefüllt, und dieſe machen der
Thiere Ueberkunft nach Kamtſchatka möglich, weil ſie ſonſt über eine weite See zu gehen nicht im
Stande ſein dürften. Nach eingezogenen Kundſchaften von dem tſchuktſchiſchen Volke, weiß ich gewiß,
daß dieſe Thiere gegenüber am Feſtlande Amerika zwiſchen dem 58. und 60. Grade anzutreffen ſind;
man hat auch Felle davon über Annadyrsk durch den Handel bekommen. Vom 56. bis 50. Grad
haben wir die Seeottern auf den Jnſeln am Feſtlande von Amerika, und unter 60. Grad nahe am
Feſtlande, beim Vorgebirge Eliä, ſelbſt 500 Meilen von Kamtſchatka nach Oſten hin angetroffen. Die
meiſten Ottern werden mit dem Treibeis von einer Küſte des Feſtlandes zur andern geführt; denn ich
habe mit meinen eignen Augen geſehen, wie gern dieſe Thiere auf dem Eiſe liegen, und obgleich wegen
gelinden Winters die Eisſchollen nur dünn und ſparſam waren, wurden ſie durch die Fluth auf die
Jnſel und mit abnehmendem Waſſer wieder in die See geführt, im Schlafen ſowohl, als im Wachen.

„Als wir auf der Beringsinſel anlangten, waren die Seeottern häufig vorhanden. Sie gehen
zu allen Jahreszeiten, doch im Winter mehr, als im Sommer, aufs Land, um zu ſchlafen und auszu-
ruhen, auch um allerlei Spiele mit einander zu treiben. Zur Zeit der Ebbe liegen ſie auf den Klippen
und auf den abgetrockneten Blöcken, bei vollem Waſſer auf dem Lande im Graſe oder Schnee bis auf
eine halbe, ja eine Werſt vom Ufer ab, gewöhnlich jedoch nahe an demſelben. Auf Kamtſchatka oder
den kuriliſchen Jnſeln kommen ſie ſelten aus Land, ſo daß man hieraus ſieht, ſie ſeien auf unſerer
Jnſel niemals in ihrer Ruhe und ihren Spielen geſtört worden.‟

„Wir jagten ſie auf folgende Art: Gewöhnlich des Abends oder in der Nacht gingen wir in
Geſellſchaft von Zwei, Drei oder Vier, mit langen, ſtarken Stöcken von Birkenholz verſehen, gegen den
Wind ſo ſtill als möglich, dicht an dem Ufer hin und ſahen uns aller Orten fleißig um. Wo wir
nun einen Seeotter ſchlafend liegen ſahen, ging Einer ganz ſtille auf ſelbigen los, kroch wohl auch
auf allen Vieren, wenn er nahe war; die Anderen benahmen ihm einſtweilen den Weg nach der See.
Sobald man ihm ſo nahe kam, daß man ihn mit einem Sprung zu erreichen dachte, fuhr man mit
einem Male zu und ſuchte, ihn mit wiederholten Streichen auf den Kopf zu tödten. Entſprang er aber,
ehe man ihn erreichen konnte, ſo jagten die Andern gemeinſchaftlich ihn von der Seeſeite weiter nach
dem Lande und ſchloſſen ihn im Laufen immer enger ein, da dann dieſes Thier, ſo ſchnell und
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[574/0650] Die Raubthiere. Seeottern. — Kalan. und hoben die Keule in die Höhe, ohne zu ſchlagen; da legten ſie ſich nieder, ſchmeichelten, ſahen ſich um und krochen ſehr langſam und demüthig wie Hunde zwiſchen uns durch. Sobald ſie ſich aber außer aller Gefahr ſahen, eilten ſie mit großen Sprüngen nach dem Meere.‟ „Jm Juli oder Auguſt hären ſich die Seeottern, jedoch nur wenig, und werden dann etwas brauner. Die beſten Felle ſind die aus den Monaten März, April und Mai. Vor funfzehn Jahren (jetzt alſo etwa vor 130) konnte man die beſten Felle für ein Meſſer oder Feuerzeug kaufen, und die ruſſiſchen Kaufleute gaben dafür höchſtens fünf oder ſechs Rubel; jetzt haben ſie den angegebenen Preis ſchon erreicht, hauptſächlich, weil die Chineſen ſo hohen Werth auf ſie legen. Nach China gehen die meiſten von allen Fellen, und da die Chineſen meiſt Seidenpelze tragen, ſo ziehen ſie die ſchweren Pelze des Seeotters den leichteren des Zobels vor und verbrämen ſie auch ringsum. Jn Kamtſchatka giebt es keinen größern Staat, als ein Kleid, zuſammengenäht aus weißem Pelz der Reuthierfelle mit Otter- pelz verbrämt. Vor einigen Jahren trug noch Alles Meerotterkleider; es hat aber aufgehört, ſeitdem ſie ſo theuer geworden; auch hält man jetzt in Kamtſchatka die Hundefelle für ſchöner, wärmer und dauerhafter.‟ „Der Seeotter, welcher wegen der Beſchaffenheit ſeines Felles mit Unrecht für einen Biber ange- ſehen, und daher Kamtſchatka-Robbe genannt worden, iſt ein echter Otter, und unterſcheidet ſich von dem Flußotter allein darin, daß er ſich in der See aufhält, faſt um die Hälfte größer iſt und an Schön- heit der Haare einem Biber ähnelt. Er iſt unſtreitig ein amerikaniſches Seethier und an den Küſten von Aſien blos ein Gaſt und Ankömmling, welcher ſich in dem ſogenannten Bibermeer unter dem 56. bis 50. Grad der Breite aufhält, wo beide Erdtheile vielleicht nur durch einen 50 Meilen breiten Kanal getrennt ſind. Dieſer Kanal iſt übrigens mit vielen Eilanden angefüllt, und dieſe machen der Thiere Ueberkunft nach Kamtſchatka möglich, weil ſie ſonſt über eine weite See zu gehen nicht im Stande ſein dürften. Nach eingezogenen Kundſchaften von dem tſchuktſchiſchen Volke, weiß ich gewiß, daß dieſe Thiere gegenüber am Feſtlande Amerika zwiſchen dem 58. und 60. Grade anzutreffen ſind; man hat auch Felle davon über Annadyrsk durch den Handel bekommen. Vom 56. bis 50. Grad haben wir die Seeottern auf den Jnſeln am Feſtlande von Amerika, und unter 60. Grad nahe am Feſtlande, beim Vorgebirge Eliä, ſelbſt 500 Meilen von Kamtſchatka nach Oſten hin angetroffen. Die meiſten Ottern werden mit dem Treibeis von einer Küſte des Feſtlandes zur andern geführt; denn ich habe mit meinen eignen Augen geſehen, wie gern dieſe Thiere auf dem Eiſe liegen, und obgleich wegen gelinden Winters die Eisſchollen nur dünn und ſparſam waren, wurden ſie durch die Fluth auf die Jnſel und mit abnehmendem Waſſer wieder in die See geführt, im Schlafen ſowohl, als im Wachen. „Als wir auf der Beringsinſel anlangten, waren die Seeottern häufig vorhanden. Sie gehen zu allen Jahreszeiten, doch im Winter mehr, als im Sommer, aufs Land, um zu ſchlafen und auszu- ruhen, auch um allerlei Spiele mit einander zu treiben. Zur Zeit der Ebbe liegen ſie auf den Klippen und auf den abgetrockneten Blöcken, bei vollem Waſſer auf dem Lande im Graſe oder Schnee bis auf eine halbe, ja eine Werſt vom Ufer ab, gewöhnlich jedoch nahe an demſelben. Auf Kamtſchatka oder den kuriliſchen Jnſeln kommen ſie ſelten aus Land, ſo daß man hieraus ſieht, ſie ſeien auf unſerer Jnſel niemals in ihrer Ruhe und ihren Spielen geſtört worden.‟ „Wir jagten ſie auf folgende Art: Gewöhnlich des Abends oder in der Nacht gingen wir in Geſellſchaft von Zwei, Drei oder Vier, mit langen, ſtarken Stöcken von Birkenholz verſehen, gegen den Wind ſo ſtill als möglich, dicht an dem Ufer hin und ſahen uns aller Orten fleißig um. Wo wir nun einen Seeotter ſchlafend liegen ſahen, ging Einer ganz ſtille auf ſelbigen los, kroch wohl auch auf allen Vieren, wenn er nahe war; die Anderen benahmen ihm einſtweilen den Weg nach der See. Sobald man ihm ſo nahe kam, daß man ihn mit einem Sprung zu erreichen dachte, fuhr man mit einem Male zu und ſuchte, ihn mit wiederholten Streichen auf den Kopf zu tödten. Entſprang er aber, ehe man ihn erreichen konnte, ſo jagten die Andern gemeinſchaftlich ihn von der Seeſeite weiter nach dem Lande und ſchloſſen ihn im Laufen immer enger ein, da dann dieſes Thier, ſo ſchnell und geſchicklich es auch laufen kann, endlich ermüdete und dann leicht erſchlagen wurde. Trafen wir, was

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/650>, abgerufen am 22.11.2024.