Entdeckung des Gorilla. Heimat. Aufenthalt. Nahrung. Wesen.
das Thier noch außerdem. Mit Ausnahme des Gesichts, eines Theils der Brust und der inneren Handflächen, deckt ziemlich langes, schwarzes Haar den Leib, und auf dem Scheitel erhebt sich ein hoher Haarkamm, welcher nach Belieben vor- oder rückwärts gesträubt werden kann. Der Schwanz und die Gesäßschwielen fehlen dem Gorilla wie andern Orangaffen gänzlich.
Der Gorilla lebt in Gegenden, in denen Thäler und Hügel mit einander abwechseln. Die Hügel sind bedeckt mit hohen Bäumen, die Thäler mit groben Gräsern und einzelnen Gebüschen; viele von den Bäumen tragen Früchte, welche von den Negern unbeachtet bleiben, von dem Gorilla aber sehr gesucht werden. Hauptsächlich sind es die Oelpalme, der Pfefferkuchenbaum, die Papayen, zwei Bananenarten und der Affenbrodbaum, welche ihm die meiste Nahrung liefern. Von den ersten frißt er die Nüsse und die weichen, jungen Blätter, und er soll es gewesen sein, welcher den Vorfahren der Neger durch sein Beispiel gezeigt hat, daß die Oelpalme eßbare Früchte hervorbringe; der Pfefferkuchenbaum liefert ihm pflaumenartige Früchte von ausgezeichnetem Geschmack, und die übrigen eine Kost, welche selbst dem Europäer vortrefflich mundet. Eier und junge Vögel werden auch von ihm nicht verschmäht.
Unser Affe lebt zwar in Gesellschaften, diese sind jedoch nicht so zahlreich, wie die, welche der Schimpanse bildet. Die Weibchen sind in solchen Banden immer in überwiegender Zahl vorhan- den; denn unter den Männchen entstehen heftige Kämpfe um die Oberherrschaft, welche wie ver- sichert wird, regelmäßig mit dem Tode des Schwächeren enden. Die Gesellschaften durchstreifen den Wald und sind in ihm die unbedingten Herrscher. Sie fürchten sich vor keinem Thiere, nicht einmal vor dem Menschen; sie flüchten nie, sondern greifen stets an, gewöhnlich mit ihren furchtbaren Händen und ihrem nicht minder gefährlichen Gebiß, sonst aber auch mit Aesten und Nüssen, welche sie ab- brechen und auf ihren Gegner schleudern. Sie sind es, welche selbst dem Elefanten, der von ihren Bäumen Laub und Früchte pflückt, mit einem Knüppel auf seinen empfindlichen Rüssel schlagen, bis der Riese des Waldes vor dem wüthenden Gegner sich zurückzieht. Den Leopard besiegen sie leicht, und diesem fällt es daher auch gar nicht ein, sich in einem Kampf mit ihnen einzulassen; selbst mit dem Löwen werden sie fertig, wahrscheinlich, weil der König der Wildniß immer von mehreren zu- gleich angefallen wird. Alle Berichte der Neger über ihre Kämpfe mit dem Gorilla sind wirklich entsetzlich. Die Elfenbeinjäger fürchten unter allen Waldthieren den Gorilla am meisten und na- mentlich die Art seines Angriffes; sie versichern Dies jedem Europäer, welcher nach dem Affen fragt. Ein Jägertrupp zieht ruhig seine Straße durch den Wald; plötzlich wird einer der Mannschaft vom Boden erhoben: ein Gorilla, welcher an einem niedrigen Aste hing, hat ihn mit der hintern Hand am Genick gepackt und zieht ihn zu sich auf den Ast empor, schwingt sich mit seiner Beute höher und höher zum Wipfel des Baumes hinauf, würgt den ihm gegenüber vollkommen wehrlosen Menschen, daß er auch nicht einen Laut von sich geben kann, und läßt ihn dann plötzlich wieder herunterfallen, erdrosselt, eine Leiche! Die Reisenden würden die Erzählungen der Neger nicht geglaubt haben, hätten sie nicht furchtbar Verstümmelte gesehen, welche aus Kämpfen mit den gefürchteten Thieren noch mit dem Leben davon gekommen waren. Wenn der Gorilla seine Familie bei sich hat, greift er stets, ohne gereizt zu sein, den sich Nähernden an, und der Kampf zwischen ihm und dem Menschen endet regelmäßig mit dem Tode des einen Kämpfers, leider gewöhnlich mit dem des Menschen. Ein Mapongwe-Neger zeigte sein Gewehr vor, welches ein Gorilla sprenkelkrumm gebogen, und dessen Läufe er mit seinen Zähnen platt gebissen hatte. Es gilt für viel schwerer, einen jungen Gorilla zu erhalten, als zehn Schimpanses. Die Weibchen fliehen mit ihren Jungen, sobald sich die Jäger nahen, auf die Bäume, die Männchen aber bereiten sich augenblicklich zum Angriffe vor. Die großen grünen Augen funkeln, der Haarkamm stränbt sich, die Zähne werden gefletscht, ein gellender Laut ertönt, welcher wie "kahi! kahi!" klingt, und wüthend stürmen die Thiere auf den Feind ein. Glücklich, wenn das Feuergewehr den Menschen obsiegen läßt, denn sonst ist er verloren. Wird der Gorilla gefehlt, dann ist das Gewehr nicht einmal mehr als Keule zu gebrauchen: der rasende Affe zerbeißt es in Stücke, wie ein Esel eine Mohrrübe zerbeißt, zerfleischt und zerreißt den
Entdeckung des Gorilla. Heimat. Aufenthalt. Nahrung. Weſen.
das Thier noch außerdem. Mit Ausnahme des Geſichts, eines Theils der Bruſt und der inneren Handflächen, deckt ziemlich langes, ſchwarzes Haar den Leib, und auf dem Scheitel erhebt ſich ein hoher Haarkamm, welcher nach Belieben vor- oder rückwärts geſträubt werden kann. Der Schwanz und die Geſäßſchwielen fehlen dem Gorilla wie andern Orangaffen gänzlich.
Der Gorilla lebt in Gegenden, in denen Thäler und Hügel mit einander abwechſeln. Die Hügel ſind bedeckt mit hohen Bäumen, die Thäler mit groben Gräſern und einzelnen Gebüſchen; viele von den Bäumen tragen Früchte, welche von den Negern unbeachtet bleiben, von dem Gorilla aber ſehr geſucht werden. Hauptſächlich ſind es die Oelpalme, der Pfefferkuchenbaum, die Papayen, zwei Bananenarten und der Affenbrodbaum, welche ihm die meiſte Nahrung liefern. Von den erſten frißt er die Nüſſe und die weichen, jungen Blätter, und er ſoll es geweſen ſein, welcher den Vorfahren der Neger durch ſein Beiſpiel gezeigt hat, daß die Oelpalme eßbare Früchte hervorbringe; der Pfefferkuchenbaum liefert ihm pflaumenartige Früchte von ausgezeichnetem Geſchmack, und die übrigen eine Koſt, welche ſelbſt dem Europäer vortrefflich mundet. Eier und junge Vögel werden auch von ihm nicht verſchmäht.
Unſer Affe lebt zwar in Geſellſchaften, dieſe ſind jedoch nicht ſo zahlreich, wie die, welche der Schimpanſe bildet. Die Weibchen ſind in ſolchen Banden immer in überwiegender Zahl vorhan- den; denn unter den Männchen entſtehen heftige Kämpfe um die Oberherrſchaft, welche wie ver- ſichert wird, regelmäßig mit dem Tode des Schwächeren enden. Die Geſellſchaften durchſtreifen den Wald und ſind in ihm die unbedingten Herrſcher. Sie fürchten ſich vor keinem Thiere, nicht einmal vor dem Menſchen; ſie flüchten nie, ſondern greifen ſtets an, gewöhnlich mit ihren furchtbaren Händen und ihrem nicht minder gefährlichen Gebiß, ſonſt aber auch mit Aeſten und Nüſſen, welche ſie ab- brechen und auf ihren Gegner ſchleudern. Sie ſind es, welche ſelbſt dem Elefanten, der von ihren Bäumen Laub und Früchte pflückt, mit einem Knüppel auf ſeinen empfindlichen Rüſſel ſchlagen, bis der Rieſe des Waldes vor dem wüthenden Gegner ſich zurückzieht. Den Leopard beſiegen ſie leicht, und dieſem fällt es daher auch gar nicht ein, ſich in einem Kampf mit ihnen einzulaſſen; ſelbſt mit dem Löwen werden ſie fertig, wahrſcheinlich, weil der König der Wildniß immer von mehreren zu- gleich angefallen wird. Alle Berichte der Neger über ihre Kämpfe mit dem Gorilla ſind wirklich entſetzlich. Die Elfenbeinjäger fürchten unter allen Waldthieren den Gorilla am meiſten und na- mentlich die Art ſeines Angriffes; ſie verſichern Dies jedem Europäer, welcher nach dem Affen fragt. Ein Jägertrupp zieht ruhig ſeine Straße durch den Wald; plötzlich wird einer der Mannſchaft vom Boden erhoben: ein Gorilla, welcher an einem niedrigen Aſte hing, hat ihn mit der hintern Hand am Genick gepackt und zieht ihn zu ſich auf den Aſt empor, ſchwingt ſich mit ſeiner Beute höher und höher zum Wipfel des Baumes hinauf, würgt den ihm gegenüber vollkommen wehrloſen Menſchen, daß er auch nicht einen Laut von ſich geben kann, und läßt ihn dann plötzlich wieder herunterfallen, erdroſſelt, eine Leiche! Die Reiſenden würden die Erzählungen der Neger nicht geglaubt haben, hätten ſie nicht furchtbar Verſtümmelte geſehen, welche aus Kämpfen mit den gefürchteten Thieren noch mit dem Leben davon gekommen waren. Wenn der Gorilla ſeine Familie bei ſich hat, greift er ſtets, ohne gereizt zu ſein, den ſich Nähernden an, und der Kampf zwiſchen ihm und dem Menſchen endet regelmäßig mit dem Tode des einen Kämpfers, leider gewöhnlich mit dem des Menſchen. Ein Mapongwe-Neger zeigte ſein Gewehr vor, welches ein Gorilla ſprenkelkrumm gebogen, und deſſen Läufe er mit ſeinen Zähnen platt gebiſſen hatte. Es gilt für viel ſchwerer, einen jungen Gorilla zu erhalten, als zehn Schimpanſes. Die Weibchen fliehen mit ihren Jungen, ſobald ſich die Jäger nahen, auf die Bäume, die Männchen aber bereiten ſich augenblicklich zum Angriffe vor. Die großen grünen Augen funkeln, der Haarkamm ſtränbt ſich, die Zähne werden gefletſcht, ein gellender Laut ertönt, welcher wie „kahi! kahi!‟ klingt, und wüthend ſtürmen die Thiere auf den Feind ein. Glücklich, wenn das Feuergewehr den Menſchen obſiegen läßt, denn ſonſt iſt er verloren. Wird der Gorilla gefehlt, dann iſt das Gewehr nicht einmal mehr als Keule zu gebrauchen: der raſende Affe zerbeißt es in Stücke, wie ein Eſel eine Mohrrübe zerbeißt, zerfleiſcht und zerreißt den
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[15/0065]
Entdeckung des Gorilla. Heimat. Aufenthalt. Nahrung. Weſen.
das Thier noch außerdem. Mit Ausnahme des Geſichts, eines Theils der Bruſt und der inneren
Handflächen, deckt ziemlich langes, ſchwarzes Haar den Leib, und auf dem Scheitel erhebt ſich ein
hoher Haarkamm, welcher nach Belieben vor- oder rückwärts geſträubt werden kann. Der Schwanz
und die Geſäßſchwielen fehlen dem Gorilla wie andern Orangaffen gänzlich.
Der Gorilla lebt in Gegenden, in denen Thäler und Hügel mit einander abwechſeln. Die
Hügel ſind bedeckt mit hohen Bäumen, die Thäler mit groben Gräſern und einzelnen Gebüſchen; viele
von den Bäumen tragen Früchte, welche von den Negern unbeachtet bleiben, von dem Gorilla
aber ſehr geſucht werden. Hauptſächlich ſind es die Oelpalme, der Pfefferkuchenbaum, die
Papayen, zwei Bananenarten und der Affenbrodbaum, welche ihm die meiſte Nahrung
liefern. Von den erſten frißt er die Nüſſe und die weichen, jungen Blätter, und er ſoll es geweſen
ſein, welcher den Vorfahren der Neger durch ſein Beiſpiel gezeigt hat, daß die Oelpalme eßbare
Früchte hervorbringe; der Pfefferkuchenbaum liefert ihm pflaumenartige Früchte von ausgezeichnetem
Geſchmack, und die übrigen eine Koſt, welche ſelbſt dem Europäer vortrefflich mundet. Eier und
junge Vögel werden auch von ihm nicht verſchmäht.
Unſer Affe lebt zwar in Geſellſchaften, dieſe ſind jedoch nicht ſo zahlreich, wie die, welche der
Schimpanſe bildet. Die Weibchen ſind in ſolchen Banden immer in überwiegender Zahl vorhan-
den; denn unter den Männchen entſtehen heftige Kämpfe um die Oberherrſchaft, welche wie ver-
ſichert wird, regelmäßig mit dem Tode des Schwächeren enden. Die Geſellſchaften durchſtreifen den
Wald und ſind in ihm die unbedingten Herrſcher. Sie fürchten ſich vor keinem Thiere, nicht einmal
vor dem Menſchen; ſie flüchten nie, ſondern greifen ſtets an, gewöhnlich mit ihren furchtbaren Händen
und ihrem nicht minder gefährlichen Gebiß, ſonſt aber auch mit Aeſten und Nüſſen, welche ſie ab-
brechen und auf ihren Gegner ſchleudern. Sie ſind es, welche ſelbſt dem Elefanten, der von ihren
Bäumen Laub und Früchte pflückt, mit einem Knüppel auf ſeinen empfindlichen Rüſſel ſchlagen, bis
der Rieſe des Waldes vor dem wüthenden Gegner ſich zurückzieht. Den Leopard beſiegen ſie leicht,
und dieſem fällt es daher auch gar nicht ein, ſich in einem Kampf mit ihnen einzulaſſen; ſelbſt mit
dem Löwen werden ſie fertig, wahrſcheinlich, weil der König der Wildniß immer von mehreren zu-
gleich angefallen wird. Alle Berichte der Neger über ihre Kämpfe mit dem Gorilla ſind wirklich
entſetzlich. Die Elfenbeinjäger fürchten unter allen Waldthieren den Gorilla am meiſten und na-
mentlich die Art ſeines Angriffes; ſie verſichern Dies jedem Europäer, welcher nach dem Affen fragt.
Ein Jägertrupp zieht ruhig ſeine Straße durch den Wald; plötzlich wird einer der Mannſchaft vom
Boden erhoben: ein Gorilla, welcher an einem niedrigen Aſte hing, hat ihn mit der hintern Hand
am Genick gepackt und zieht ihn zu ſich auf den Aſt empor, ſchwingt ſich mit ſeiner Beute höher und
höher zum Wipfel des Baumes hinauf, würgt den ihm gegenüber vollkommen wehrloſen Menſchen,
daß er auch nicht einen Laut von ſich geben kann, und läßt ihn dann plötzlich wieder herunterfallen,
erdroſſelt, eine Leiche! Die Reiſenden würden die Erzählungen der Neger nicht geglaubt haben,
hätten ſie nicht furchtbar Verſtümmelte geſehen, welche aus Kämpfen mit den gefürchteten Thieren
noch mit dem Leben davon gekommen waren. Wenn der Gorilla ſeine Familie bei ſich hat, greift
er ſtets, ohne gereizt zu ſein, den ſich Nähernden an, und der Kampf zwiſchen ihm und dem Menſchen
endet regelmäßig mit dem Tode des einen Kämpfers, leider gewöhnlich mit dem des Menſchen.
Ein Mapongwe-Neger zeigte ſein Gewehr vor, welches ein Gorilla ſprenkelkrumm gebogen, und
deſſen Läufe er mit ſeinen Zähnen platt gebiſſen hatte. Es gilt für viel ſchwerer, einen jungen
Gorilla zu erhalten, als zehn Schimpanſes. Die Weibchen fliehen mit ihren Jungen, ſobald
ſich die Jäger nahen, auf die Bäume, die Männchen aber bereiten ſich augenblicklich zum Angriffe
vor. Die großen grünen Augen funkeln, der Haarkamm ſtränbt ſich, die Zähne werden gefletſcht,
ein gellender Laut ertönt, welcher wie „kahi! kahi!‟ klingt, und wüthend ſtürmen die Thiere auf den
Feind ein. Glücklich, wenn das Feuergewehr den Menſchen obſiegen läßt, denn ſonſt iſt er verloren.
Wird der Gorilla gefehlt, dann iſt das Gewehr nicht einmal mehr als Keule zu gebrauchen: der
raſende Affe zerbeißt es in Stücke, wie ein Eſel eine Mohrrübe zerbeißt, zerfleiſcht und zerreißt den
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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