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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Schilderung nach Steller.
sahen, in 10 bis 14 Tagen wie ein Geripp vertrocknen, krank und schwach werden, auch vom Lande nicht
weichen wollen. Man sieht sie das ganze Jahr lang mit Jungen. Sie werfen blos Eins und zwar
auf dem Lande. Es wird sehend mit allen Zähnen geboren. Die Weibchen tragen das Junge im
Maule, im Meere, auf dem Rücken liegend, zwischen den Vorderfüßen wie eine Mutter ihr Kind in
den Armen hält. Sie spielen auch mit demselben wie eine liebreiche Mutter, werfen es in die Höhe
und fangen es wie einen Ball; stoßen es ins Wasser, damit es schwimmen lerne, und nehmen es, wenn
es müde geworden, wieder zu sich und küssen es wie ein Mensch. Wie auch die Jäger ihr zu Wasser
oder zu Lande zusetzen, so wird doch das im Maule getragene Junge nicht außer in der letzten Noth
oder im Tode losgelassen, und deshalb kommen gar viele um. Jch habe den Weibchen absichtlich die
Jungen genommen, um zu sehen was sie thäten. Sie jammerten wie ein betrübter Mensch und folgten
mir von fern wie ein Hund, als ich sie forttrug. Dabei riefen sie ihre Jungen mit jenem Gewimmer,
welches ich oben beschrieb. Als die Jungen in ähnlicher Weise antworteten, setzte ich sie an den Boden;
da kamen gleich die Mütter herbei und stellten sich bereit, dieselben fortzutragen. Auf der Flucht
nehmen sie ihre Säuglinge in den Mund, die erwachsenen aber treiben sie vor sich her. Einmal sah
ich eine Mutter mit ihrem Jungen schlafen. Als ich mich näherte, suchte sie dasselbe zu erwecken, da es
aber nicht fliehen, sondern schlafen wollte, faßte sie es mit den Vorderfüßen und wälzte es wie einen Stein
ins Meer. Haben sie das Glück, zu entgehen, so fangen sie an, sobald sie nur das Meer erreicht haben,
ihren Verfolger dergestalt auszuspotten, daß man es nicht ohne sonderliches Vergnügen sehen kann.
Bald stellen sie sich wie ein Mensch senkrecht in die See und hüpfen mit den Wellen, halten wohl auch
eine Vordertatze über die Augen, als ob sie Einen unter der Sonne scharf ansehen wollten. Bald
werfen sie sich auf den Rücken und schaben sich mit den Vorderfüßen den Bauch und die Scham, wie
wohl Affen thun. Dann werfen sie ihre Kinder ins Wasser und fangen sie wieder etc. Wird ein
Seeotter eingeholt und sieht er keine Ausflucht mehr, so bläst und zischt er wie eine erbitterte Katze.
Wenn er einen Schlag bekommt, macht er sich dergestalt zum Sterben fertig, daß er sich auf die Seite
legt, die Hinterfüße an sich zieht, und mit den Vordertatzen die Augen deckt. Todt liegt er wie ein
Mensch ausgestreckt mit kreuzweise gelegten Vordersüßen."

"Die Nahrung des Seeotters besteht in Seekrebsen, Muscheln, kleinen Fischen, weniger in See-
kraut oder Fleisch. Jch zweifle nicht, daß, wenn man die Kosten daran wenden wollte, die Thiere nach
Rußland überzubringen, sie zahm gemacht werden könnten; ja, sie würden sich vielleicht in einem Teiche
oder Flusse vermehren. Denn aus dem Seewasser machen sie sich wenig, und ich habe gesehen, daß sie
sich mehrere Tage in den Jnseen und kleinen Flüssen aufhalten. Uebrigens verdient dieses Thier die
größte Hochachtung von uns Allen, da es fast sechs Monate allein zu unsrer Nahrung und den an der
Zahnfäule leidenden Kranken zugleich zur Arzuei gedient."

"Die Bewegungen des Seeotters sind außerordentlich anmuthig und schnell. Sie schwimmen
vortrefflich und laufen sehr rasch, und man kann nichts Schöneres sehen, als dieses wie in Seide gehüllte
und schwarzglänzende Thier, wenn es läuft. Dabei ist es merkwürdig, daß die Thiere um so munterer,
schlauer und hurtiger sind, je schöner ihr Pelz ist. Die ganz weißen, welche höchst wahrscheinlich uralte
sind, sind im höchsten Grade schlau und lassen sich kaum fangen. Die schlechtesten, welche nur braune
Wolle haben, sind meist träge, schläfrig und dumm, liegen immer auf dem Eise oder Felsen, gehen
langsam und lassen sich leicht fangen, als ob sie wüßten, daß man ihnen weniger nachstellt. Beim
Schlafen auf dem Lande liegen sie krumm, wie die Hunde. Kommen sie aus dem Meer, so schütteln sie
sich ab und putzen sich mit den Vorderfüßen, wie die Katzen. Sie laufen sehr geschwind, wie die Katzen,
mit vielen Umschweifen. Wird ihnen der Weg zum Meere versperrt, so bleiben sie stehen, machen
einen Katzenbuckel, zischen und drohen, auf den Feind zu gehen. Man braucht ihnen aber nur einen
Schlag auf den Kopf zu geben, so fallen sie wie todt hin, und bedecken die Augen mit den Pfoten.
Auf den Rücken lassen sie sich geduldig schlagen, sobald man aber den Schwanz trifft, so kehren sie um und
halten, lächerlich genug, dem Verfolger die Stirn vor. Manchmal stellen sie sich auf den ersten Schlag
todt und -- laufen davon, sobald man sich mit anderen beschäftigt. Wir trieben sie ziemlich in die Enge

Schilderung nach Steller.
ſahen, in 10 bis 14 Tagen wie ein Geripp vertrocknen, krank und ſchwach werden, auch vom Lande nicht
weichen wollen. Man ſieht ſie das ganze Jahr lang mit Jungen. Sie werfen blos Eins und zwar
auf dem Lande. Es wird ſehend mit allen Zähnen geboren. Die Weibchen tragen das Junge im
Maule, im Meere, auf dem Rücken liegend, zwiſchen den Vorderfüßen wie eine Mutter ihr Kind in
den Armen hält. Sie ſpielen auch mit demſelben wie eine liebreiche Mutter, werfen es in die Höhe
und fangen es wie einen Ball; ſtoßen es ins Waſſer, damit es ſchwimmen lerne, und nehmen es, wenn
es müde geworden, wieder zu ſich und küſſen es wie ein Menſch. Wie auch die Jäger ihr zu Waſſer
oder zu Lande zuſetzen, ſo wird doch das im Maule getragene Junge nicht außer in der letzten Noth
oder im Tode losgelaſſen, und deshalb kommen gar viele um. Jch habe den Weibchen abſichtlich die
Jungen genommen, um zu ſehen was ſie thäten. Sie jammerten wie ein betrübter Menſch und folgten
mir von fern wie ein Hund, als ich ſie forttrug. Dabei riefen ſie ihre Jungen mit jenem Gewimmer,
welches ich oben beſchrieb. Als die Jungen in ähnlicher Weiſe antworteten, ſetzte ich ſie an den Boden;
da kamen gleich die Mütter herbei und ſtellten ſich bereit, dieſelben fortzutragen. Auf der Flucht
nehmen ſie ihre Säuglinge in den Mund, die erwachſenen aber treiben ſie vor ſich her. Einmal ſah
ich eine Mutter mit ihrem Jungen ſchlafen. Als ich mich näherte, ſuchte ſie daſſelbe zu erwecken, da es
aber nicht fliehen, ſondern ſchlafen wollte, faßte ſie es mit den Vorderfüßen und wälzte es wie einen Stein
ins Meer. Haben ſie das Glück, zu entgehen, ſo fangen ſie an, ſobald ſie nur das Meer erreicht haben,
ihren Verfolger dergeſtalt auszuſpotten, daß man es nicht ohne ſonderliches Vergnügen ſehen kann.
Bald ſtellen ſie ſich wie ein Menſch ſenkrecht in die See und hüpfen mit den Wellen, halten wohl auch
eine Vordertatze über die Augen, als ob ſie Einen unter der Sonne ſcharf anſehen wollten. Bald
werfen ſie ſich auf den Rücken und ſchaben ſich mit den Vorderfüßen den Bauch und die Scham, wie
wohl Affen thun. Dann werfen ſie ihre Kinder ins Waſſer und fangen ſie wieder ꝛc. Wird ein
Seeotter eingeholt und ſieht er keine Ausflucht mehr, ſo bläſt und ziſcht er wie eine erbitterte Katze.
Wenn er einen Schlag bekommt, macht er ſich dergeſtalt zum Sterben fertig, daß er ſich auf die Seite
legt, die Hinterfüße an ſich zieht, und mit den Vordertatzen die Augen deckt. Todt liegt er wie ein
Menſch ausgeſtreckt mit kreuzweiſe gelegten Vorderſüßen.‟

„Die Nahrung des Seeotters beſteht in Seekrebſen, Muſcheln, kleinen Fiſchen, weniger in See-
kraut oder Fleiſch. Jch zweifle nicht, daß, wenn man die Koſten daran wenden wollte, die Thiere nach
Rußland überzubringen, ſie zahm gemacht werden könnten; ja, ſie würden ſich vielleicht in einem Teiche
oder Fluſſe vermehren. Denn aus dem Seewaſſer machen ſie ſich wenig, und ich habe geſehen, daß ſie
ſich mehrere Tage in den Jnſeen und kleinen Flüſſen aufhalten. Uebrigens verdient dieſes Thier die
größte Hochachtung von uns Allen, da es faſt ſechs Monate allein zu unſrer Nahrung und den an der
Zahnfäule leidenden Kranken zugleich zur Arzuei gedient.‟

„Die Bewegungen des Seeotters ſind außerordentlich anmuthig und ſchnell. Sie ſchwimmen
vortrefflich und laufen ſehr raſch, und man kann nichts Schöneres ſehen, als dieſes wie in Seide gehüllte
und ſchwarzglänzende Thier, wenn es läuft. Dabei iſt es merkwürdig, daß die Thiere um ſo munterer,
ſchlauer und hurtiger ſind, je ſchöner ihr Pelz iſt. Die ganz weißen, welche höchſt wahrſcheinlich uralte
ſind, ſind im höchſten Grade ſchlau und laſſen ſich kaum fangen. Die ſchlechteſten, welche nur braune
Wolle haben, ſind meiſt träge, ſchläfrig und dumm, liegen immer auf dem Eiſe oder Felſen, gehen
langſam und laſſen ſich leicht fangen, als ob ſie wüßten, daß man ihnen weniger nachſtellt. Beim
Schlafen auf dem Lande liegen ſie krumm, wie die Hunde. Kommen ſie aus dem Meer, ſo ſchütteln ſie
ſich ab und putzen ſich mit den Vorderfüßen, wie die Katzen. Sie laufen ſehr geſchwind, wie die Katzen,
mit vielen Umſchweifen. Wird ihnen der Weg zum Meere verſperrt, ſo bleiben ſie ſtehen, machen
einen Katzenbuckel, ziſchen und drohen, auf den Feind zu gehen. Man braucht ihnen aber nur einen
Schlag auf den Kopf zu geben, ſo fallen ſie wie todt hin, und bedecken die Augen mit den Pfoten.
Auf den Rücken laſſen ſie ſich geduldig ſchlagen, ſobald man aber den Schwanz trifft, ſo kehren ſie um und
halten, lächerlich genug, dem Verfolger die Stirn vor. Manchmal ſtellen ſie ſich auf den erſten Schlag
todt und — laufen davon, ſobald man ſich mit anderen beſchäftigt. Wir trieben ſie ziemlich in die Enge

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[573/0649] Schilderung nach Steller. ſahen, in 10 bis 14 Tagen wie ein Geripp vertrocknen, krank und ſchwach werden, auch vom Lande nicht weichen wollen. Man ſieht ſie das ganze Jahr lang mit Jungen. Sie werfen blos Eins und zwar auf dem Lande. Es wird ſehend mit allen Zähnen geboren. Die Weibchen tragen das Junge im Maule, im Meere, auf dem Rücken liegend, zwiſchen den Vorderfüßen wie eine Mutter ihr Kind in den Armen hält. Sie ſpielen auch mit demſelben wie eine liebreiche Mutter, werfen es in die Höhe und fangen es wie einen Ball; ſtoßen es ins Waſſer, damit es ſchwimmen lerne, und nehmen es, wenn es müde geworden, wieder zu ſich und küſſen es wie ein Menſch. Wie auch die Jäger ihr zu Waſſer oder zu Lande zuſetzen, ſo wird doch das im Maule getragene Junge nicht außer in der letzten Noth oder im Tode losgelaſſen, und deshalb kommen gar viele um. Jch habe den Weibchen abſichtlich die Jungen genommen, um zu ſehen was ſie thäten. Sie jammerten wie ein betrübter Menſch und folgten mir von fern wie ein Hund, als ich ſie forttrug. Dabei riefen ſie ihre Jungen mit jenem Gewimmer, welches ich oben beſchrieb. Als die Jungen in ähnlicher Weiſe antworteten, ſetzte ich ſie an den Boden; da kamen gleich die Mütter herbei und ſtellten ſich bereit, dieſelben fortzutragen. Auf der Flucht nehmen ſie ihre Säuglinge in den Mund, die erwachſenen aber treiben ſie vor ſich her. Einmal ſah ich eine Mutter mit ihrem Jungen ſchlafen. Als ich mich näherte, ſuchte ſie daſſelbe zu erwecken, da es aber nicht fliehen, ſondern ſchlafen wollte, faßte ſie es mit den Vorderfüßen und wälzte es wie einen Stein ins Meer. Haben ſie das Glück, zu entgehen, ſo fangen ſie an, ſobald ſie nur das Meer erreicht haben, ihren Verfolger dergeſtalt auszuſpotten, daß man es nicht ohne ſonderliches Vergnügen ſehen kann. Bald ſtellen ſie ſich wie ein Menſch ſenkrecht in die See und hüpfen mit den Wellen, halten wohl auch eine Vordertatze über die Augen, als ob ſie Einen unter der Sonne ſcharf anſehen wollten. Bald werfen ſie ſich auf den Rücken und ſchaben ſich mit den Vorderfüßen den Bauch und die Scham, wie wohl Affen thun. Dann werfen ſie ihre Kinder ins Waſſer und fangen ſie wieder ꝛc. Wird ein Seeotter eingeholt und ſieht er keine Ausflucht mehr, ſo bläſt und ziſcht er wie eine erbitterte Katze. Wenn er einen Schlag bekommt, macht er ſich dergeſtalt zum Sterben fertig, daß er ſich auf die Seite legt, die Hinterfüße an ſich zieht, und mit den Vordertatzen die Augen deckt. Todt liegt er wie ein Menſch ausgeſtreckt mit kreuzweiſe gelegten Vorderſüßen.‟ „Die Nahrung des Seeotters beſteht in Seekrebſen, Muſcheln, kleinen Fiſchen, weniger in See- kraut oder Fleiſch. Jch zweifle nicht, daß, wenn man die Koſten daran wenden wollte, die Thiere nach Rußland überzubringen, ſie zahm gemacht werden könnten; ja, ſie würden ſich vielleicht in einem Teiche oder Fluſſe vermehren. Denn aus dem Seewaſſer machen ſie ſich wenig, und ich habe geſehen, daß ſie ſich mehrere Tage in den Jnſeen und kleinen Flüſſen aufhalten. Uebrigens verdient dieſes Thier die größte Hochachtung von uns Allen, da es faſt ſechs Monate allein zu unſrer Nahrung und den an der Zahnfäule leidenden Kranken zugleich zur Arzuei gedient.‟ „Die Bewegungen des Seeotters ſind außerordentlich anmuthig und ſchnell. Sie ſchwimmen vortrefflich und laufen ſehr raſch, und man kann nichts Schöneres ſehen, als dieſes wie in Seide gehüllte und ſchwarzglänzende Thier, wenn es läuft. Dabei iſt es merkwürdig, daß die Thiere um ſo munterer, ſchlauer und hurtiger ſind, je ſchöner ihr Pelz iſt. Die ganz weißen, welche höchſt wahrſcheinlich uralte ſind, ſind im höchſten Grade ſchlau und laſſen ſich kaum fangen. Die ſchlechteſten, welche nur braune Wolle haben, ſind meiſt träge, ſchläfrig und dumm, liegen immer auf dem Eiſe oder Felſen, gehen langſam und laſſen ſich leicht fangen, als ob ſie wüßten, daß man ihnen weniger nachſtellt. Beim Schlafen auf dem Lande liegen ſie krumm, wie die Hunde. Kommen ſie aus dem Meer, ſo ſchütteln ſie ſich ab und putzen ſich mit den Vorderfüßen, wie die Katzen. Sie laufen ſehr geſchwind, wie die Katzen, mit vielen Umſchweifen. Wird ihnen der Weg zum Meere verſperrt, ſo bleiben ſie ſtehen, machen einen Katzenbuckel, ziſchen und drohen, auf den Feind zu gehen. Man braucht ihnen aber nur einen Schlag auf den Kopf zu geben, ſo fallen ſie wie todt hin, und bedecken die Augen mit den Pfoten. Auf den Rücken laſſen ſie ſich geduldig ſchlagen, ſobald man aber den Schwanz trifft, ſo kehren ſie um und halten, lächerlich genug, dem Verfolger die Stirn vor. Manchmal ſtellen ſie ſich auf den erſten Schlag todt und — laufen davon, ſobald man ſich mit anderen beſchäftigt. Wir trieben ſie ziemlich in die Enge

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/649>, abgerufen am 22.11.2024.