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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Marder. -- Hermelin.

Dem kleinen Wiesel sehr nahe verwandt ist der Hermelin oder das große Wiesel (Mustela
Erminea
), ein Thier, welches dem Heermännchen auch in seiner Lebensweise außerordentlich ähnelt.
Das Hermelin ist bedeutend größer, als sein kleiner Vetter; seine gesammte Länge beträgt 12 bis
14 Zoll. Jm Leibesbau hat es die größte Aehnlichkeit mit jenem, nur erscheint sein Leib noch gestreckter,
als bei ihm. Jm hohen Norden soll es größer werden, als bei uns zu Lande. Das Thier verdient
eigentlich blos im Winter den Namen Hermelin: denn nur dann trägt es sein, bis auf die schwarze
Endhälfte des Schwanzes schneeweißes Kleid; im Sommer ähnelt es dem kleinen Wiesel vollkommen
in der Färbung. Viele Leute wundern sich gewaltig, wenn man ihnen das große Wiesel in seiner
Sommertracht zeigt und behauptet, daß dieses Thier dasselbe sei, dessen Winterpelz die Krönungsmäntel
der Könige lieferte. Die Veränderung der Färbung im Sommer und Winter ist auch wirklich eine
sehr auffallende und hat zu vielfachem Streite Veranlassung gegeben. Die Umfärbung im Frühjahr
geht entschieden mit dem Haarwechsel vor sich. Nicht ganz ausgemacht aber ist es, ob auch im Spät-
herbst eine Härung stattfindet, oder ob der Winterpelz nicht zum Theil noch aus älteren Haaren besteht,
die im Winter weiß geworden sind. Daß die Wintertracht unter Umständen sehr schnell angelegt
werden kann, ist nicht zu bezweifeln. Nicht selten sieht man das Hermelin bis spät in den Winter
hinein in seinem Sommerkleide herumlaufen. Wenn aber plötzlich Kälte eintritt, verändert es oft in
wenigen Tagen seine Farbe. Soviel steht fest, daß die Sache noch nicht hinreichend beobachtet
worden ist; jedenfalls aber verdient es erwähnt zu werden, daß das Winterfell hinsichtlich seiner
Dichtigkeit und Länge sich bedeutend vor dem Sommerfell auszeichnet.

Das Hermelin hat eine sehr ausgedehnte Verbreitung im Norden der alten Welt. Nordwärts
von den Pyreuäen und dem Balkan findet es sich in ganz Europa, und außerdem kommt es in Nord-
und Mittelasien bis zur Ostküste Sibiriens vor. Jn Kleinasien und Persien hat man es ebenfalls
angetroffen, ja selbst im Himalaya will man es beobachtet haben. Jn allen Ländern, in denen es
vorkommt, ist es auch nicht selten und in Deutschland sogar eines der häufigsten Raubthiere. Jm
Süden Europas, zumal in Jtalien vertritt es die Boccamele, in Nordamerika das langschwänzige
und Richardsonsche Wiesel, Thiere, welche dem Hermelin sehr ähneln und von vielen Natur-
forschern blos für Abarten desselben erklärt werden.

Wie dem kleinen Wiesel, ist auch dem Hermelin jede Gegend, ja fast jeder Ort zum Aufenthalte
recht, und es versteht sich überall so behaglich, als möglich einzurichten. Erdlöcher, Maulwurf- und
Hamsterröhren, Felsklüfte, Mauerlöcher, Ritzen, Steinhaufen, Bäume und unbewohnte Gebäude und
hundert andere ähnliche Schlupforte bieten ihm Obdach und Verstecke während des Tages, welchen
es größtentheils in seinem einmal gewählten Baue verschläft, obwohl es gar nicht selten auch angesichts
der Sonne im Freien lustwandelt und sich dreist den Blicken des Menschen aussetzt. Seine eigentliche
Jagdzeit beginnt jedoch erst mit der Dämmerung. Schon gegen Abend wird das Thier lebendig und
rege. Wenn man um diese Zeit an passenden Orten vorübergeht, braucht man nicht lange zu suchen,
um das klugäugige, scharfsinnige Wesen zu entdecken. Findet man in der Nähe einen geeigneten Platz,
um sich zu verstecken, so kann man das Treiben des Thieres gut beobachten. Ungeduldig und neu-
gierig, wie es ist, vielleicht auch hungrig und sehnsüchtig nach Beute, kommt es hervor, zunächst blos
um die unmittelbarste Nähe seines Schlupfwinkels zu untersuchen. Alle Behendigkeit, Gewandtheit
und Zierlichkeit der Bewegungen offenbaren sich jetzt. Bald windet es sich, wie ein Aal, zwischen den
Steinen und den Schößlingen des Unterholzes hindurch, bald sitzt es einen Augenblick bewegungslos
da, den schlanken Leib in der Mitte hoch aufgebogen, viel höher noch, als es die Katze kann, wenn sie
den nach ihr benannten Buckel macht; bald bleibt es einen Augenblick vor einem Mauseloche, einer
Maulwurfshöhle, einer Ritze stehen und schnuppert da hinein. Auch wenn es auf ein und derselben
Stelle verharrt, ist es nicht einen Augenblick ruhig; denn die Augen und Ohren, ja selbst die Nase, sind
in beständiger Bewegung, und der kleine Kopf wendet sich blitzschnell nach allen Richtungen hin und
her. Man darf wohl behaupten, daß es in allen Leibesübungen Meister ist. Es läuft und springt

Die Raubthiere. Marder. — Hermelin.

Dem kleinen Wieſel ſehr nahe verwandt iſt der Hermelin oder das große Wieſel (Mustela
Erminea
), ein Thier, welches dem Heermännchen auch in ſeiner Lebensweiſe außerordentlich ähnelt.
Das Hermelin iſt bedeutend größer, als ſein kleiner Vetter; ſeine geſammte Länge beträgt 12 bis
14 Zoll. Jm Leibesbau hat es die größte Aehnlichkeit mit jenem, nur erſcheint ſein Leib noch geſtreckter,
als bei ihm. Jm hohen Norden ſoll es größer werden, als bei uns zu Lande. Das Thier verdient
eigentlich blos im Winter den Namen Hermelin: denn nur dann trägt es ſein, bis auf die ſchwarze
Endhälfte des Schwanzes ſchneeweißes Kleid; im Sommer ähnelt es dem kleinen Wieſel vollkommen
in der Färbung. Viele Leute wundern ſich gewaltig, wenn man ihnen das große Wieſel in ſeiner
Sommertracht zeigt und behauptet, daß dieſes Thier daſſelbe ſei, deſſen Winterpelz die Krönungsmäntel
der Könige lieferte. Die Veränderung der Färbung im Sommer und Winter iſt auch wirklich eine
ſehr auffallende und hat zu vielfachem Streite Veranlaſſung gegeben. Die Umfärbung im Frühjahr
geht entſchieden mit dem Haarwechſel vor ſich. Nicht ganz ausgemacht aber iſt es, ob auch im Spät-
herbſt eine Härung ſtattfindet, oder ob der Winterpelz nicht zum Theil noch aus älteren Haaren beſteht,
die im Winter weiß geworden ſind. Daß die Wintertracht unter Umſtänden ſehr ſchnell angelegt
werden kann, iſt nicht zu bezweifeln. Nicht ſelten ſieht man das Hermelin bis ſpät in den Winter
hinein in ſeinem Sommerkleide herumlaufen. Wenn aber plötzlich Kälte eintritt, verändert es oft in
wenigen Tagen ſeine Farbe. Soviel ſteht feſt, daß die Sache noch nicht hinreichend beobachtet
worden iſt; jedenfalls aber verdient es erwähnt zu werden, daß das Winterfell hinſichtlich ſeiner
Dichtigkeit und Länge ſich bedeutend vor dem Sommerfell auszeichnet.

Das Hermelin hat eine ſehr ausgedehnte Verbreitung im Norden der alten Welt. Nordwärts
von den Pyreuäen und dem Balkan findet es ſich in ganz Europa, und außerdem kommt es in Nord-
und Mittelaſien bis zur Oſtküſte Sibiriens vor. Jn Kleinaſien und Perſien hat man es ebenfalls
angetroffen, ja ſelbſt im Himalaya will man es beobachtet haben. Jn allen Ländern, in denen es
vorkommt, iſt es auch nicht ſelten und in Deutſchland ſogar eines der häufigſten Raubthiere. Jm
Süden Europas, zumal in Jtalien vertritt es die Boccamele, in Nordamerika das langſchwänzige
und Richardſonſche Wieſel, Thiere, welche dem Hermelin ſehr ähneln und von vielen Natur-
forſchern blos für Abarten deſſelben erklärt werden.

Wie dem kleinen Wieſel, iſt auch dem Hermelin jede Gegend, ja faſt jeder Ort zum Aufenthalte
recht, und es verſteht ſich überall ſo behaglich, als möglich einzurichten. Erdlöcher, Maulwurf- und
Hamſterröhren, Felsklüfte, Mauerlöcher, Ritzen, Steinhaufen, Bäume und unbewohnte Gebäude und
hundert andere ähnliche Schlupforte bieten ihm Obdach und Verſtecke während des Tages, welchen
es größtentheils in ſeinem einmal gewählten Baue verſchläft, obwohl es gar nicht ſelten auch angeſichts
der Sonne im Freien luſtwandelt und ſich dreiſt den Blicken des Menſchen ausſetzt. Seine eigentliche
Jagdzeit beginnt jedoch erſt mit der Dämmerung. Schon gegen Abend wird das Thier lebendig und
rege. Wenn man um dieſe Zeit an paſſenden Orten vorübergeht, braucht man nicht lange zu ſuchen,
um das klugäugige, ſcharfſinnige Weſen zu entdecken. Findet man in der Nähe einen geeigneten Platz,
um ſich zu verſtecken, ſo kann man das Treiben des Thieres gut beobachten. Ungeduldig und neu-
gierig, wie es iſt, vielleicht auch hungrig und ſehnſüchtig nach Beute, kommt es hervor, zunächſt blos
um die unmittelbarſte Nähe ſeines Schlupfwinkels zu unterſuchen. Alle Behendigkeit, Gewandtheit
und Zierlichkeit der Bewegungen offenbaren ſich jetzt. Bald windet es ſich, wie ein Aal, zwiſchen den
Steinen und den Schößlingen des Unterholzes hindurch, bald ſitzt es einen Augenblick bewegungslos
da, den ſchlanken Leib in der Mitte hoch aufgebogen, viel höher noch, als es die Katze kann, wenn ſie
den nach ihr benannten Buckel macht; bald bleibt es einen Augenblick vor einem Mauſeloche, einer
Maulwurfshöhle, einer Ritze ſtehen und ſchnuppert da hinein. Auch wenn es auf ein und derſelben
Stelle verharrt, iſt es nicht einen Augenblick ruhig; denn die Augen und Ohren, ja ſelbſt die Naſe, ſind
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[550/0624] Die Raubthiere. Marder. — Hermelin. Dem kleinen Wieſel ſehr nahe verwandt iſt der Hermelin oder das große Wieſel (Mustela Erminea), ein Thier, welches dem Heermännchen auch in ſeiner Lebensweiſe außerordentlich ähnelt. Das Hermelin iſt bedeutend größer, als ſein kleiner Vetter; ſeine geſammte Länge beträgt 12 bis 14 Zoll. Jm Leibesbau hat es die größte Aehnlichkeit mit jenem, nur erſcheint ſein Leib noch geſtreckter, als bei ihm. Jm hohen Norden ſoll es größer werden, als bei uns zu Lande. Das Thier verdient eigentlich blos im Winter den Namen Hermelin: denn nur dann trägt es ſein, bis auf die ſchwarze Endhälfte des Schwanzes ſchneeweißes Kleid; im Sommer ähnelt es dem kleinen Wieſel vollkommen in der Färbung. Viele Leute wundern ſich gewaltig, wenn man ihnen das große Wieſel in ſeiner Sommertracht zeigt und behauptet, daß dieſes Thier daſſelbe ſei, deſſen Winterpelz die Krönungsmäntel der Könige lieferte. Die Veränderung der Färbung im Sommer und Winter iſt auch wirklich eine ſehr auffallende und hat zu vielfachem Streite Veranlaſſung gegeben. Die Umfärbung im Frühjahr geht entſchieden mit dem Haarwechſel vor ſich. Nicht ganz ausgemacht aber iſt es, ob auch im Spät- herbſt eine Härung ſtattfindet, oder ob der Winterpelz nicht zum Theil noch aus älteren Haaren beſteht, die im Winter weiß geworden ſind. Daß die Wintertracht unter Umſtänden ſehr ſchnell angelegt werden kann, iſt nicht zu bezweifeln. Nicht ſelten ſieht man das Hermelin bis ſpät in den Winter hinein in ſeinem Sommerkleide herumlaufen. Wenn aber plötzlich Kälte eintritt, verändert es oft in wenigen Tagen ſeine Farbe. Soviel ſteht feſt, daß die Sache noch nicht hinreichend beobachtet worden iſt; jedenfalls aber verdient es erwähnt zu werden, daß das Winterfell hinſichtlich ſeiner Dichtigkeit und Länge ſich bedeutend vor dem Sommerfell auszeichnet. Das Hermelin hat eine ſehr ausgedehnte Verbreitung im Norden der alten Welt. Nordwärts von den Pyreuäen und dem Balkan findet es ſich in ganz Europa, und außerdem kommt es in Nord- und Mittelaſien bis zur Oſtküſte Sibiriens vor. Jn Kleinaſien und Perſien hat man es ebenfalls angetroffen, ja ſelbſt im Himalaya will man es beobachtet haben. Jn allen Ländern, in denen es vorkommt, iſt es auch nicht ſelten und in Deutſchland ſogar eines der häufigſten Raubthiere. Jm Süden Europas, zumal in Jtalien vertritt es die Boccamele, in Nordamerika das langſchwänzige und Richardſonſche Wieſel, Thiere, welche dem Hermelin ſehr ähneln und von vielen Natur- forſchern blos für Abarten deſſelben erklärt werden. Wie dem kleinen Wieſel, iſt auch dem Hermelin jede Gegend, ja faſt jeder Ort zum Aufenthalte recht, und es verſteht ſich überall ſo behaglich, als möglich einzurichten. Erdlöcher, Maulwurf- und Hamſterröhren, Felsklüfte, Mauerlöcher, Ritzen, Steinhaufen, Bäume und unbewohnte Gebäude und hundert andere ähnliche Schlupforte bieten ihm Obdach und Verſtecke während des Tages, welchen es größtentheils in ſeinem einmal gewählten Baue verſchläft, obwohl es gar nicht ſelten auch angeſichts der Sonne im Freien luſtwandelt und ſich dreiſt den Blicken des Menſchen ausſetzt. Seine eigentliche Jagdzeit beginnt jedoch erſt mit der Dämmerung. Schon gegen Abend wird das Thier lebendig und rege. Wenn man um dieſe Zeit an paſſenden Orten vorübergeht, braucht man nicht lange zu ſuchen, um das klugäugige, ſcharfſinnige Weſen zu entdecken. Findet man in der Nähe einen geeigneten Platz, um ſich zu verſtecken, ſo kann man das Treiben des Thieres gut beobachten. Ungeduldig und neu- gierig, wie es iſt, vielleicht auch hungrig und ſehnſüchtig nach Beute, kommt es hervor, zunächſt blos um die unmittelbarſte Nähe ſeines Schlupfwinkels zu unterſuchen. Alle Behendigkeit, Gewandtheit und Zierlichkeit der Bewegungen offenbaren ſich jetzt. Bald windet es ſich, wie ein Aal, zwiſchen den Steinen und den Schößlingen des Unterholzes hindurch, bald ſitzt es einen Augenblick bewegungslos da, den ſchlanken Leib in der Mitte hoch aufgebogen, viel höher noch, als es die Katze kann, wenn ſie den nach ihr benannten Buckel macht; bald bleibt es einen Augenblick vor einem Mauſeloche, einer Maulwurfshöhle, einer Ritze ſtehen und ſchnuppert da hinein. Auch wenn es auf ein und derſelben Stelle verharrt, iſt es nicht einen Augenblick ruhig; denn die Augen und Ohren, ja ſelbſt die Naſe, ſind in beſtändiger Bewegung, und der kleine Kopf wendet ſich blitzſchnell nach allen Richtungen hin und her. Man darf wohl behaupten, daß es in allen Leibesübungen Meiſter iſt. Es läuft und ſpringt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/624>, abgerufen am 24.11.2024.