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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Kämpfe mit Feinden. Affenliebe. Erziehung. Pflegekinder. Kranke Affen.
einiger Zeit beginnt der junge Affe mehr oder weniger selbstständig zu werden und verlangt na-
mentlich ab und zu ein wenig Freiheit. Diese wird ihm gewährt. Die Alte läßt ihr Schoskind
aus ihren Armen, und es darf mit andern Affenkindern scherzen und spielen; sie verwendet aber
keinen Blick von ihm und hat es in beständiger Aufficht; sie geht ihm willig auf allen Schritten nach
und erlaubt ihm Alles, was sie ihm gewähren kann. Bei der geringsten Gefahr stürzt sie auf ihr
Kind zu, läßt einen ganz eigenen Ton hören und ladet es durch denselben ein, sich an ihre Brust zu
flüchten. Etwaigen Ungehorsam bestraft sie mit Kniffen und Püffen, oft mit förmlichen Ohrfeigen.
Doch kommt es selten dazu, denn das Affenkind ist so gehorsam, daß es manchem Menschenkinde zum
Vorbilde dienen könnte, und gewöhnlich genügt ihm der erste Befehl der Mutter. Jn der Gefan-
genschaft theilt sie, wie ich mehrfach beobachtet habe, jeden Bissen Brod treulich mit ihrem Spröß-
linge und zeigt an seinem Geschick einen solchen Antheil, daß man sich oft der Rührung nicht ent-
wehren kann. Der Tod eines Kindes hat in der Gefangenschaft regelmäßig das Hinscheiden der
Mutter zur Folge; der Gram bringt sie um. Stirbt eine Aeffin, so nimmt das erste beste Mit-
glied der Bande die Waise an Kindesstatt an, und Dies thut sowohl die Aeffin, wie der Affe. Die
Zärtlichkeit gegen ein Pflegekind der eigenen Art ist kaum geringer, als die, welche dem eigenen
Kinde zu Theil wird; bei anderen Pfleglingen aber ist Dies anders; hier zeigt sich der Affe oft als
unerklärliches Räthfel. Er pflegt seinen angenommenen Liebling nach Möglichkeit, drückt ihn an sich,
laust oder reinigt ihn sonstwie, behält ihn unter steter Aufsicht u. s. w., giebt ihm aber gewöhnlich
Nichts zu fressen, sondern nimmt das für das Pflegekind bestimmte Futter ohne Gewissensbisse zu
sich, und hält auch, während er frißt, den kleinen Hungrigen sorgsam vom Napfe weg. Jch habe
das mehrfach an meinen zahmen Pavianen und Meerkatzen beobachtet, wenn sie sich junge Hunde
oder Katzen zu Pfleglingen auserkoren hatten.

Es ist noch nicht ermittelt, wieviel Jahre der Affe durchschnittlich zu seinem Wachsthum braucht.
Daß diese Zeit bei den Größeren eine längere, als bei den Kleineren ist, versteht sich wohl von
selbst. Die Meerkatzen und die amerikanischen Affen sind wahrscheinlich in drei bis vier
Jahren vollkommen erwachsen, die Orangaffen und die Paviane aber mögen acht bis zwölf
Jahre zu ihrem Wachsthum bedürfen. Jm Freileben scheinen alle Affen wenigen Krankheiten
ausgesetzt zu sein; wenigstens weiß man Nichts von Seuchen, welche dann und wann unter den Affen
wütheten. Wie hoch sie ihr Alter bringen, kann auch nicht bestimmt werden; doch darf man wohl
annehmen, daß die größeren Arten einige vierzig Jahre alt werden können. Bei uns zu Lande leiden
alle außerordentlich von dem rauhen Klima. Die Kälte drückt sie sehr, verstimmt sie und macht sie
still und traurig. Gewöhnlich bekommen sie auch bald die Lungenschwindsucht, und diese pflegt dann
ihrem Leben rasch ein Ende zu machen. Ein kranker Affe ist eine Erscheinung, welche jeden Menschen
rühren muß. Der arme, sonst so lustige Bursche sitzt traurig und elend da und schaut den mitfühlen-
den Menschen kläglich bittend, ja wahrhaft menschlich in das Gesicht. Jemehr er seinem Ende zu-
geht, um so milder wird er; das Thierische verliert sich ganz und gar, und die edlere Seite seines
Geistes zeigt sich immer heller. Er erkennt jede Hilfe mit größtem Danke und sieht bald in dem
Arzte seinen Wohlthäter. Man hat oft beobachtet, daß Affen, denen einmal ein Aderlaß verordnet
worden war, dem Arzte, wenn sie sich wieder krank fühlten, immer gleich den Arm hinhielten, als
wollten sie ihn bitten, daß er sie noch einmal von ihrem Leiden befreie. Auch bei übrigens gesunden
Affen kränkelt in der Regel wenigstens der Schwanz; sein Ende wird wund, eitert, bekommt den
Brand, und ein Glied nach dem andern fällt ab. Gegen diese Krankheit habe ich die Abnahme
einiger Glieder als gutes Mittel kennen gelernt, untrüglich ist es freilich auch nicht. Gegen die ent-
setzliche Lungenschwindsucht giebt es nun gar keine Hilfe, und so bekommen wir selten Affen, welche
unsere Luft lange ertragen, wenn auch einzelne Arten sich eher an unser Klima gewöhnen können,
als andere.

Jch weiß nicht, ob ich irgend einen Affen als Hausgenossen anrathen darf. Die Kerle machen
viel Spaß, verursachen aber noch weit mehr Aerger. Auf dumme Streiche aller Art darf man ge-

Kämpfe mit Feinden. Affenliebe. Erziehung. Pflegekinder. Kranke Affen.
einiger Zeit beginnt der junge Affe mehr oder weniger ſelbſtſtändig zu werden und verlangt na-
mentlich ab und zu ein wenig Freiheit. Dieſe wird ihm gewährt. Die Alte läßt ihr Schoskind
aus ihren Armen, und es darf mit andern Affenkindern ſcherzen und ſpielen; ſie verwendet aber
keinen Blick von ihm und hat es in beſtändiger Aufficht; ſie geht ihm willig auf allen Schritten nach
und erlaubt ihm Alles, was ſie ihm gewähren kann. Bei der geringſten Gefahr ſtürzt ſie auf ihr
Kind zu, läßt einen ganz eigenen Ton hören und ladet es durch denſelben ein, ſich an ihre Bruſt zu
flüchten. Etwaigen Ungehorſam beſtraft ſie mit Kniffen und Püffen, oft mit förmlichen Ohrfeigen.
Doch kommt es ſelten dazu, denn das Affenkind iſt ſo gehorſam, daß es manchem Menſchenkinde zum
Vorbilde dienen könnte, und gewöhnlich genügt ihm der erſte Befehl der Mutter. Jn der Gefan-
genſchaft theilt ſie, wie ich mehrfach beobachtet habe, jeden Biſſen Brod treulich mit ihrem Spröß-
linge und zeigt an ſeinem Geſchick einen ſolchen Antheil, daß man ſich oft der Rührung nicht ent-
wehren kann. Der Tod eines Kindes hat in der Gefangenſchaft regelmäßig das Hinſcheiden der
Mutter zur Folge; der Gram bringt ſie um. Stirbt eine Aeffin, ſo nimmt das erſte beſte Mit-
glied der Bande die Waiſe an Kindesſtatt an, und Dies thut ſowohl die Aeffin, wie der Affe. Die
Zärtlichkeit gegen ein Pflegekind der eigenen Art iſt kaum geringer, als die, welche dem eigenen
Kinde zu Theil wird; bei anderen Pfleglingen aber iſt Dies anders; hier zeigt ſich der Affe oft als
unerklärliches Räthfel. Er pflegt ſeinen angenommenen Liebling nach Möglichkeit, drückt ihn an ſich,
lauſt oder reinigt ihn ſonſtwie, behält ihn unter ſteter Aufſicht u. ſ. w., giebt ihm aber gewöhnlich
Nichts zu freſſen, ſondern nimmt das für das Pflegekind beſtimmte Futter ohne Gewiſſensbiſſe zu
ſich, und hält auch, während er frißt, den kleinen Hungrigen ſorgſam vom Napfe weg. Jch habe
das mehrfach an meinen zahmen Pavianen und Meerkatzen beobachtet, wenn ſie ſich junge Hunde
oder Katzen zu Pfleglingen auserkoren hatten.

Es iſt noch nicht ermittelt, wieviel Jahre der Affe durchſchnittlich zu ſeinem Wachsthum braucht.
Daß dieſe Zeit bei den Größeren eine längere, als bei den Kleineren iſt, verſteht ſich wohl von
ſelbſt. Die Meerkatzen und die amerikaniſchen Affen ſind wahrſcheinlich in drei bis vier
Jahren vollkommen erwachſen, die Orangaffen und die Paviane aber mögen acht bis zwölf
Jahre zu ihrem Wachsthum bedürfen. Jm Freileben ſcheinen alle Affen wenigen Krankheiten
ausgeſetzt zu ſein; wenigſtens weiß man Nichts von Seuchen, welche dann und wann unter den Affen
wütheten. Wie hoch ſie ihr Alter bringen, kann auch nicht beſtimmt werden; doch darf man wohl
annehmen, daß die größeren Arten einige vierzig Jahre alt werden können. Bei uns zu Lande leiden
alle außerordentlich von dem rauhen Klima. Die Kälte drückt ſie ſehr, verſtimmt ſie und macht ſie
ſtill und traurig. Gewöhnlich bekommen ſie auch bald die Lungenſchwindſucht, und dieſe pflegt dann
ihrem Leben raſch ein Ende zu machen. Ein kranker Affe iſt eine Erſcheinung, welche jeden Menſchen
rühren muß. Der arme, ſonſt ſo luſtige Burſche ſitzt traurig und elend da und ſchaut den mitfühlen-
den Menſchen kläglich bittend, ja wahrhaft menſchlich in das Geſicht. Jemehr er ſeinem Ende zu-
geht, um ſo milder wird er; das Thieriſche verliert ſich ganz und gar, und die edlere Seite ſeines
Geiſtes zeigt ſich immer heller. Er erkennt jede Hilfe mit größtem Danke und ſieht bald in dem
Arzte ſeinen Wohlthäter. Man hat oft beobachtet, daß Affen, denen einmal ein Aderlaß verordnet
worden war, dem Arzte, wenn ſie ſich wieder krank fühlten, immer gleich den Arm hinhielten, als
wollten ſie ihn bitten, daß er ſie noch einmal von ihrem Leiden befreie. Auch bei übrigens geſunden
Affen kränkelt in der Regel wenigſtens der Schwanz; ſein Ende wird wund, eitert, bekommt den
Brand, und ein Glied nach dem andern fällt ab. Gegen dieſe Krankheit habe ich die Abnahme
einiger Glieder als gutes Mittel kennen gelernt, untrüglich iſt es freilich auch nicht. Gegen die ent-
ſetzliche Lungenſchwindſucht giebt es nun gar keine Hilfe, und ſo bekommen wir ſelten Affen, welche
unſere Luft lange ertragen, wenn auch einzelne Arten ſich eher an unſer Klima gewöhnen können,
als andere.

Jch weiß nicht, ob ich irgend einen Affen als Hausgenoſſen anrathen darf. Die Kerle machen
viel Spaß, verurſachen aber noch weit mehr Aerger. Auf dumme Streiche aller Art darf man ge-

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[11/0061] Kämpfe mit Feinden. Affenliebe. Erziehung. Pflegekinder. Kranke Affen. einiger Zeit beginnt der junge Affe mehr oder weniger ſelbſtſtändig zu werden und verlangt na- mentlich ab und zu ein wenig Freiheit. Dieſe wird ihm gewährt. Die Alte läßt ihr Schoskind aus ihren Armen, und es darf mit andern Affenkindern ſcherzen und ſpielen; ſie verwendet aber keinen Blick von ihm und hat es in beſtändiger Aufficht; ſie geht ihm willig auf allen Schritten nach und erlaubt ihm Alles, was ſie ihm gewähren kann. Bei der geringſten Gefahr ſtürzt ſie auf ihr Kind zu, läßt einen ganz eigenen Ton hören und ladet es durch denſelben ein, ſich an ihre Bruſt zu flüchten. Etwaigen Ungehorſam beſtraft ſie mit Kniffen und Püffen, oft mit förmlichen Ohrfeigen. Doch kommt es ſelten dazu, denn das Affenkind iſt ſo gehorſam, daß es manchem Menſchenkinde zum Vorbilde dienen könnte, und gewöhnlich genügt ihm der erſte Befehl der Mutter. Jn der Gefan- genſchaft theilt ſie, wie ich mehrfach beobachtet habe, jeden Biſſen Brod treulich mit ihrem Spröß- linge und zeigt an ſeinem Geſchick einen ſolchen Antheil, daß man ſich oft der Rührung nicht ent- wehren kann. Der Tod eines Kindes hat in der Gefangenſchaft regelmäßig das Hinſcheiden der Mutter zur Folge; der Gram bringt ſie um. Stirbt eine Aeffin, ſo nimmt das erſte beſte Mit- glied der Bande die Waiſe an Kindesſtatt an, und Dies thut ſowohl die Aeffin, wie der Affe. Die Zärtlichkeit gegen ein Pflegekind der eigenen Art iſt kaum geringer, als die, welche dem eigenen Kinde zu Theil wird; bei anderen Pfleglingen aber iſt Dies anders; hier zeigt ſich der Affe oft als unerklärliches Räthfel. Er pflegt ſeinen angenommenen Liebling nach Möglichkeit, drückt ihn an ſich, lauſt oder reinigt ihn ſonſtwie, behält ihn unter ſteter Aufſicht u. ſ. w., giebt ihm aber gewöhnlich Nichts zu freſſen, ſondern nimmt das für das Pflegekind beſtimmte Futter ohne Gewiſſensbiſſe zu ſich, und hält auch, während er frißt, den kleinen Hungrigen ſorgſam vom Napfe weg. Jch habe das mehrfach an meinen zahmen Pavianen und Meerkatzen beobachtet, wenn ſie ſich junge Hunde oder Katzen zu Pfleglingen auserkoren hatten. Es iſt noch nicht ermittelt, wieviel Jahre der Affe durchſchnittlich zu ſeinem Wachsthum braucht. Daß dieſe Zeit bei den Größeren eine längere, als bei den Kleineren iſt, verſteht ſich wohl von ſelbſt. Die Meerkatzen und die amerikaniſchen Affen ſind wahrſcheinlich in drei bis vier Jahren vollkommen erwachſen, die Orangaffen und die Paviane aber mögen acht bis zwölf Jahre zu ihrem Wachsthum bedürfen. Jm Freileben ſcheinen alle Affen wenigen Krankheiten ausgeſetzt zu ſein; wenigſtens weiß man Nichts von Seuchen, welche dann und wann unter den Affen wütheten. Wie hoch ſie ihr Alter bringen, kann auch nicht beſtimmt werden; doch darf man wohl annehmen, daß die größeren Arten einige vierzig Jahre alt werden können. Bei uns zu Lande leiden alle außerordentlich von dem rauhen Klima. Die Kälte drückt ſie ſehr, verſtimmt ſie und macht ſie ſtill und traurig. Gewöhnlich bekommen ſie auch bald die Lungenſchwindſucht, und dieſe pflegt dann ihrem Leben raſch ein Ende zu machen. Ein kranker Affe iſt eine Erſcheinung, welche jeden Menſchen rühren muß. Der arme, ſonſt ſo luſtige Burſche ſitzt traurig und elend da und ſchaut den mitfühlen- den Menſchen kläglich bittend, ja wahrhaft menſchlich in das Geſicht. Jemehr er ſeinem Ende zu- geht, um ſo milder wird er; das Thieriſche verliert ſich ganz und gar, und die edlere Seite ſeines Geiſtes zeigt ſich immer heller. Er erkennt jede Hilfe mit größtem Danke und ſieht bald in dem Arzte ſeinen Wohlthäter. Man hat oft beobachtet, daß Affen, denen einmal ein Aderlaß verordnet worden war, dem Arzte, wenn ſie ſich wieder krank fühlten, immer gleich den Arm hinhielten, als wollten ſie ihn bitten, daß er ſie noch einmal von ihrem Leiden befreie. Auch bei übrigens geſunden Affen kränkelt in der Regel wenigſtens der Schwanz; ſein Ende wird wund, eitert, bekommt den Brand, und ein Glied nach dem andern fällt ab. Gegen dieſe Krankheit habe ich die Abnahme einiger Glieder als gutes Mittel kennen gelernt, untrüglich iſt es freilich auch nicht. Gegen die ent- ſetzliche Lungenſchwindſucht giebt es nun gar keine Hilfe, und ſo bekommen wir ſelten Affen, welche unſere Luft lange ertragen, wenn auch einzelne Arten ſich eher an unſer Klima gewöhnen können, als andere. Jch weiß nicht, ob ich irgend einen Affen als Hausgenoſſen anrathen darf. Die Kerle machen viel Spaß, verurſachen aber noch weit mehr Aerger. Auf dumme Streiche aller Art darf man ge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/61>, abgerufen am 24.11.2024.