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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Schwimmen. Die Affenbrücke. Wohnorte. Leitaffe. Affensprache.
gut sind. Mais- und Zuckerrohrfelder, Obst-, Melonen-, Bananen- und Pifanganpflanzungen gehen
über alles Andere; Dorfschaften, in denen Jeder, welcher die unverschämten Spitzbuben züchtigt, den
Aberglauben der Bewohner zu fürchten hat, sind auch nicht übel. Wenn sich die Bande erst über
den Wohnort geeinigt hat, beginnt das wahre Affenleben mit all seiner Lust und Freude, seinem
Kampf und Streit, seiner Noth und Sorge. Das befähigtste männliche Mitglied einer Herde wird
Zugführer oder Leitaffe. Diese Würde wird ihm aber nicht durch das "allgemeine Stimmrecht"
übertragen, sondern ihm erst nach sehr hartnäckigem Kampf und Streit mit andern Bewerbern, d. h.
mit sämmtlichen übrigen alten Männchen, zuertheilt. Die längsten Zähne und die stärksten Arme ent-
scheiden. Wer sich nicht gutwillig unterordnen will, wird durch Bisse und Püffe gemaßregelt, bis er
Vernunft annimmt. Dem Starken gebührt die Krone; in seinen Zähnen liegt seine Weisheit. Es
ist aber auch erklärlich, daß dem so ist: die stärksten Affen sind regelmäßig auch die ältesten, und
ihnen müssen sich wohl oder übel die jüngeren, unerfahrenen unterordnen. Der Leitaffe verlangt und
genießt unbedingten Gehorsam und zwar in jeder Hinsicht. Ritterliche Artigkeit gegen das schöne Ge-
schlecht ist nicht seine Sache: im Sturm erringt er der Minne Sold. Das jus primae noetis gilt
ihm heute noch. Er wird Stammvater eines Volkes, und sein Geschlecht mehrt sich, gleich dem
Abrahams, Jsaaks und Jakobs, "wie der Sand am Meere". Kein weibliches Glied der Bande
darf sich einer albernen Liebschaft mit irgend welchem Grünschnabel hingeben. Seine Augen sind
scharf, und seine Zucht ist sehr streng; er versteht in Liebessachen keinen Spaß. Auch die Aeffinnen,
welche sich, oder besser, ihn vergessen sollten, werden gemaulschellt und zerzaust, daß ihnen der Um-
gang mit andern Helden der Bande gewiß vergeht; der betreffende Affenjüngling, welcher die
Haremsgesetze des auf sein Recht stolzen Sultans verletzt, kommt noch schlimmer weg. Die Eifer-
sucht macht diesen furchtbar. Es ist auch thöricht von einer Aeffin, solche Eifersucht heraufzube-
schwören; denn der Leitaffe ist Manns genug für sämmtliche Aeffinnen seiner Herde. Wird diese zu
groß, dann sondert sich unter der Führung eines inzwischen stark genug gewordenen Mitbruders
ein Theil vom Haupttrupp ab und beginnt nun für sich den Kampf und den Streit um die Ober-
herrschaft in der Leitung des Ganzen und in der Liebe. Kampf findet immer statt, wo Mehrere nach
gleichem Ziele streben; bei den Affen vergeht aber sicher kein Tag ohne Streit und Zank. Man
braucht eine Herde nur kurze Zeit zu beobachten, so wird man gewiß sehr bald den Streit in ihrer
Mitte und seine wahre Ursache kennen lernen.

Jm Uebrigen übt der Leitaffe sein Amt mit großer Würde aus. Schon die Achtung, welche
er genießt, verleiht ihm eine gewisse Sicherheit und Selbständigkeit in seinem Betragen, welche den
ihm Untergebenen fehlt; auch wird ihm von diesen in jeder Weise geschmeichelt. So sieht man, daß
sich selbst die Aeffinnen bemühen, ihm die höchste Gunst, welche ein Affe gewähren oder nehmen
kann, zu Theil werden zu lassen. Sie beeifern sich nämlich, sein Haarkleid stets von den lästigen
Schmarotzern möglichst rein zu halten, und er läßt sich diese Huldigung mit dem Anstande eines
Paschas gefallen, dem seine Lieblingssklavin die Füße kraut. Dafür sorgt er nun aber auch treulich
für die Sicherheit seiner Untergebenen und ist deshalb in noch größerer Unruhe, als sie. Nach allen
Seiten hin sendet er seine Blicke, keinem Wesen traut er, und so entdeckt er auch fast immer rechtzeitig
eine etwaige Gefahr.

Die Affensprache kann ziemlich reichhaltig genannt werden, wenigstens hat jeder Affe
sehr wechselnde Laute für verschiedenartige Erregungen. Auch der Mensch erkennt sehr bald die Be-
deutung der Töne, mit welchen der Affe seine Herde führt, und der Ausruf des Entsetzens, welcher
stets die Mahnung zur Flucht in sich schließt, ist nun vollends bezeichnend. Er ist allerdings sehr
schwer zu beschreiben und noch weniger nachzuahmen. Man kann eben nur sagen, daß er aus einer
Reihe kurzer, abgestoßener, gleichsam zitternder und mißtöniger Lante besteht, deren Bedeutung der
Affe durch die Verzerrung des Gesichts noch besonders erläutert. Sobald dieser Warnungston laut
wird, nimmt die Herde eiligst die Flucht. Die Mütter rufen ihre Kinder zusammen; diese hängen im
Nu an ihr fest und mit der süßen Bürde eilen sie so schnell als möglich nach dem nächsten Baum

Schwimmen. Die Affenbrücke. Wohnorte. Leitaffe. Affenſprache.
gut ſind. Mais- und Zuckerrohrfelder, Obſt-, Melonen-, Bananen- und Pifanganpflanzungen gehen
über alles Andere; Dorfſchaften, in denen Jeder, welcher die unverſchämten Spitzbuben züchtigt, den
Aberglauben der Bewohner zu fürchten hat, ſind auch nicht übel. Wenn ſich die Bande erſt über
den Wohnort geeinigt hat, beginnt das wahre Affenleben mit all ſeiner Luſt und Freude, ſeinem
Kampf und Streit, ſeiner Noth und Sorge. Das befähigtſte männliche Mitglied einer Herde wird
Zugführer oder Leitaffe. Dieſe Würde wird ihm aber nicht durch das „allgemeine Stimmrecht
übertragen, ſondern ihm erſt nach ſehr hartnäckigem Kampf und Streit mit andern Bewerbern, d. h.
mit ſämmtlichen übrigen alten Männchen, zuertheilt. Die längſten Zähne und die ſtärkſten Arme ent-
ſcheiden. Wer ſich nicht gutwillig unterordnen will, wird durch Biſſe und Püffe gemaßregelt, bis er
Vernunft annimmt. Dem Starken gebührt die Krone; in ſeinen Zähnen liegt ſeine Weisheit. Es
iſt aber auch erklärlich, daß dem ſo iſt: die ſtärkſten Affen ſind regelmäßig auch die älteſten, und
ihnen müſſen ſich wohl oder übel die jüngeren, unerfahrenen unterordnen. Der Leitaffe verlangt und
genießt unbedingten Gehorſam und zwar in jeder Hinſicht. Ritterliche Artigkeit gegen das ſchöne Ge-
ſchlecht iſt nicht ſeine Sache: im Sturm erringt er der Minne Sold. Das jus primae noetis gilt
ihm heute noch. Er wird Stammvater eines Volkes, und ſein Geſchlecht mehrt ſich, gleich dem
Abrahams, Jſaaks und Jakobs, „wie der Sand am Meere‟. Kein weibliches Glied der Bande
darf ſich einer albernen Liebſchaft mit irgend welchem Grünſchnabel hingeben. Seine Augen ſind
ſcharf, und ſeine Zucht iſt ſehr ſtreng; er verſteht in Liebesſachen keinen Spaß. Auch die Aeffinnen,
welche ſich, oder beſſer, ihn vergeſſen ſollten, werden gemaulſchellt und zerzauſt, daß ihnen der Um-
gang mit andern Helden der Bande gewiß vergeht; der betreffende Affenjüngling, welcher die
Haremsgeſetze des auf ſein Recht ſtolzen Sultans verletzt, kommt noch ſchlimmer weg. Die Eifer-
ſucht macht dieſen furchtbar. Es iſt auch thöricht von einer Aeffin, ſolche Eiferſucht heraufzube-
ſchwören; denn der Leitaffe iſt Manns genug für ſämmtliche Aeffinnen ſeiner Herde. Wird dieſe zu
groß, dann ſondert ſich unter der Führung eines inzwiſchen ſtark genug gewordenen Mitbruders
ein Theil vom Haupttrupp ab und beginnt nun für ſich den Kampf und den Streit um die Ober-
herrſchaft in der Leitung des Ganzen und in der Liebe. Kampf findet immer ſtatt, wo Mehrere nach
gleichem Ziele ſtreben; bei den Affen vergeht aber ſicher kein Tag ohne Streit und Zank. Man
braucht eine Herde nur kurze Zeit zu beobachten, ſo wird man gewiß ſehr bald den Streit in ihrer
Mitte und ſeine wahre Urſache kennen lernen.

Jm Uebrigen übt der Leitaffe ſein Amt mit großer Würde aus. Schon die Achtung, welche
er genießt, verleiht ihm eine gewiſſe Sicherheit und Selbſtändigkeit in ſeinem Betragen, welche den
ihm Untergebenen fehlt; auch wird ihm von dieſen in jeder Weiſe geſchmeichelt. So ſieht man, daß
ſich ſelbſt die Aeffinnen bemühen, ihm die höchſte Gunſt, welche ein Affe gewähren oder nehmen
kann, zu Theil werden zu laſſen. Sie beeifern ſich nämlich, ſein Haarkleid ſtets von den läſtigen
Schmarotzern möglichſt rein zu halten, und er läßt ſich dieſe Huldigung mit dem Anſtande eines
Paſchas gefallen, dem ſeine Lieblingsſklavin die Füße kraut. Dafür ſorgt er nun aber auch treulich
für die Sicherheit ſeiner Untergebenen und iſt deshalb in noch größerer Unruhe, als ſie. Nach allen
Seiten hin ſendet er ſeine Blicke, keinem Weſen traut er, und ſo entdeckt er auch faſt immer rechtzeitig
eine etwaige Gefahr.

Die Affenſprache kann ziemlich reichhaltig genannt werden, wenigſtens hat jeder Affe
ſehr wechſelnde Laute für verſchiedenartige Erregungen. Auch der Menſch erkennt ſehr bald die Be-
deutung der Töne, mit welchen der Affe ſeine Herde führt, und der Ausruf des Entſetzens, welcher
ſtets die Mahnung zur Flucht in ſich ſchließt, iſt nun vollends bezeichnend. Er iſt allerdings ſehr
ſchwer zu beſchreiben und noch weniger nachzuahmen. Man kann eben nur ſagen, daß er aus einer
Reihe kurzer, abgeſtoßener, gleichſam zitternder und mißtöniger Lante beſteht, deren Bedeutung der
Affe durch die Verzerrung des Geſichts noch beſonders erläutert. Sobald dieſer Warnungston laut
wird, nimmt die Herde eiligſt die Flucht. Die Mütter rufen ihre Kinder zuſammen; dieſe hängen im
Nu an ihr feſt und mit der ſüßen Bürde eilen ſie ſo ſchnell als möglich nach dem nächſten Baum

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[9/0059] Schwimmen. Die Affenbrücke. Wohnorte. Leitaffe. Affenſprache. gut ſind. Mais- und Zuckerrohrfelder, Obſt-, Melonen-, Bananen- und Pifanganpflanzungen gehen über alles Andere; Dorfſchaften, in denen Jeder, welcher die unverſchämten Spitzbuben züchtigt, den Aberglauben der Bewohner zu fürchten hat, ſind auch nicht übel. Wenn ſich die Bande erſt über den Wohnort geeinigt hat, beginnt das wahre Affenleben mit all ſeiner Luſt und Freude, ſeinem Kampf und Streit, ſeiner Noth und Sorge. Das befähigtſte männliche Mitglied einer Herde wird Zugführer oder Leitaffe. Dieſe Würde wird ihm aber nicht durch das „allgemeine Stimmrecht‟ übertragen, ſondern ihm erſt nach ſehr hartnäckigem Kampf und Streit mit andern Bewerbern, d. h. mit ſämmtlichen übrigen alten Männchen, zuertheilt. Die längſten Zähne und die ſtärkſten Arme ent- ſcheiden. Wer ſich nicht gutwillig unterordnen will, wird durch Biſſe und Püffe gemaßregelt, bis er Vernunft annimmt. Dem Starken gebührt die Krone; in ſeinen Zähnen liegt ſeine Weisheit. Es iſt aber auch erklärlich, daß dem ſo iſt: die ſtärkſten Affen ſind regelmäßig auch die älteſten, und ihnen müſſen ſich wohl oder übel die jüngeren, unerfahrenen unterordnen. Der Leitaffe verlangt und genießt unbedingten Gehorſam und zwar in jeder Hinſicht. Ritterliche Artigkeit gegen das ſchöne Ge- ſchlecht iſt nicht ſeine Sache: im Sturm erringt er der Minne Sold. Das jus primae noetis gilt ihm heute noch. Er wird Stammvater eines Volkes, und ſein Geſchlecht mehrt ſich, gleich dem Abrahams, Jſaaks und Jakobs, „wie der Sand am Meere‟. Kein weibliches Glied der Bande darf ſich einer albernen Liebſchaft mit irgend welchem Grünſchnabel hingeben. Seine Augen ſind ſcharf, und ſeine Zucht iſt ſehr ſtreng; er verſteht in Liebesſachen keinen Spaß. Auch die Aeffinnen, welche ſich, oder beſſer, ihn vergeſſen ſollten, werden gemaulſchellt und zerzauſt, daß ihnen der Um- gang mit andern Helden der Bande gewiß vergeht; der betreffende Affenjüngling, welcher die Haremsgeſetze des auf ſein Recht ſtolzen Sultans verletzt, kommt noch ſchlimmer weg. Die Eifer- ſucht macht dieſen furchtbar. Es iſt auch thöricht von einer Aeffin, ſolche Eiferſucht heraufzube- ſchwören; denn der Leitaffe iſt Manns genug für ſämmtliche Aeffinnen ſeiner Herde. Wird dieſe zu groß, dann ſondert ſich unter der Führung eines inzwiſchen ſtark genug gewordenen Mitbruders ein Theil vom Haupttrupp ab und beginnt nun für ſich den Kampf und den Streit um die Ober- herrſchaft in der Leitung des Ganzen und in der Liebe. Kampf findet immer ſtatt, wo Mehrere nach gleichem Ziele ſtreben; bei den Affen vergeht aber ſicher kein Tag ohne Streit und Zank. Man braucht eine Herde nur kurze Zeit zu beobachten, ſo wird man gewiß ſehr bald den Streit in ihrer Mitte und ſeine wahre Urſache kennen lernen. Jm Uebrigen übt der Leitaffe ſein Amt mit großer Würde aus. Schon die Achtung, welche er genießt, verleiht ihm eine gewiſſe Sicherheit und Selbſtändigkeit in ſeinem Betragen, welche den ihm Untergebenen fehlt; auch wird ihm von dieſen in jeder Weiſe geſchmeichelt. So ſieht man, daß ſich ſelbſt die Aeffinnen bemühen, ihm die höchſte Gunſt, welche ein Affe gewähren oder nehmen kann, zu Theil werden zu laſſen. Sie beeifern ſich nämlich, ſein Haarkleid ſtets von den läſtigen Schmarotzern möglichſt rein zu halten, und er läßt ſich dieſe Huldigung mit dem Anſtande eines Paſchas gefallen, dem ſeine Lieblingsſklavin die Füße kraut. Dafür ſorgt er nun aber auch treulich für die Sicherheit ſeiner Untergebenen und iſt deshalb in noch größerer Unruhe, als ſie. Nach allen Seiten hin ſendet er ſeine Blicke, keinem Weſen traut er, und ſo entdeckt er auch faſt immer rechtzeitig eine etwaige Gefahr. Die Affenſprache kann ziemlich reichhaltig genannt werden, wenigſtens hat jeder Affe ſehr wechſelnde Laute für verſchiedenartige Erregungen. Auch der Menſch erkennt ſehr bald die Be- deutung der Töne, mit welchen der Affe ſeine Herde führt, und der Ausruf des Entſetzens, welcher ſtets die Mahnung zur Flucht in ſich ſchließt, iſt nun vollends bezeichnend. Er iſt allerdings ſehr ſchwer zu beſchreiben und noch weniger nachzuahmen. Man kann eben nur ſagen, daß er aus einer Reihe kurzer, abgeſtoßener, gleichſam zitternder und mißtöniger Lante beſteht, deren Bedeutung der Affe durch die Verzerrung des Geſichts noch beſonders erläutert. Sobald dieſer Warnungston laut wird, nimmt die Herde eiligſt die Flucht. Die Mütter rufen ihre Kinder zuſammen; dieſe hängen im Nu an ihr feſt und mit der ſüßen Bürde eilen ſie ſo ſchnell als möglich nach dem nächſten Baum

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/59>, abgerufen am 24.11.2024.