Die Raubthiere. Schleichkatzen. Rollmarder. -- Mampalon. Beutelfrett. -- Marder.
Das Thier lebt an Gewässern auf Sumatra und Borneo, klettert aber auch mit ziemlichem Geschick auf schrägstehenden Bäumen und starken Aesten umher und nährt sich von Fischen, Vögeln und Früchten.
Endlich haben wir hier noch eines schönen und merkwürdigen Bewohners der an auffallenden Geschöpfen so reichen Jnsel Madagaskar zu gedenken. Das Beutelfrett (Cryptoprocta serox) wurde bisher nur ein einziges Mal erbeutet. Telfair, Vorsteher der naturforschenden Gesellschaft auf Mauritius, erhielt ein junges Beutelfrett aus den inneren südlichen Gegenden Madagaskars; Bennett beschrieb es. Seinen Artnamen erhielt es wegen seiner beispiellosen Wildheit. Telfair sagt, daß es, so anmuthig und nett es auch erscheinen möge, im Verhältniß zu seiner geringen Größe doch das wüthendste, wildeste aller Thiere sei; es stehe an Mordlust, Blutdurst und Zerstörungssucht nicht einmal dem Tiger nach. Die Muskelkraft und Beweglichkeit der Glieder sei auffallend groß. -- Ueber sein Freileben ist Nichts bekannt.
Das beschriebene Beutelfrett war nebst Schwanz 25 Zoll lang; der Schwanz maß 111/2 Zoll. Jm Ganzen ähnelt das Thier seinen Familienverwandten; es unterscheidet sich aber durch sein kurzes, glattes, anliegendes Haar und andere weniger leicht zu beschreibende Merkmale. Der gestreckte Leib
[Abbildung]
Der Mampalon (Cynogale Bennettii).
ruht auf kräftigen Gliedern, trägt einen länglichen, kleinschnäuzigen Kopf mit ungewöhnlich großen, breiten Ohren und mittelgroßen Augen und endet in einen fast gleichdicken, gleichmäßig behaarten Schwanz. Das kurze, glatte, leicht gekräuselte Haar ist braun und strohgelb geringelt; der Pelz erscheint licht bräunlichroth, oben etwas dunkler, als unten. Sehr starke, lange, an der Wurzel schwarze, an der Spitze lichte Schnurren stehen auf der Lippe. Die Sohlen sind nackt. Jm übrigen Leibesbau ähnelt das Beutelfrett den Katzen; der After aber wird, wie bei anderen Mitgliedern der Familie, von einer Tasche umgeben. Die fünf Zehen sind ganz verbunden, ihre Krallen voll- ständig zurückziehbar. --
Mit vorstehend beschriebenen und genannten Thieren habe ich alle hervorragenden Mitglieder der Schleichkatzenfamilie vorgeführt. Es wird keinem meiner Leser entgangen sein, daß wir über das Freileben dieser so vielfach ausgezeichneten Geschöpfe im Ganzen noch unendlich wenig wissen; wer aber unsere Museums- und Sammelmenschen kennt, wird darüber sich nicht wundern. Vielen Gelehrten gilt ein ausgestopfter Balg im Glasschrank, ein wohl gebleichter Schädel mit dem voll- ständigen Gebiß weit mehr, als die beste Lebensschreibung eines Thieres. Sie vergessen, daß die Thier- kunde erst durch ausführliche Schilderungen des Lebens der Thiere Leben erhält; sie wollen eben nur Bälge aufhäufen. Damit vernachlässigen sie leider eine der ersten Pflichten des Forschers; da-
Die Raubthiere. Schleichkatzen. Rollmarder. — Mampalon. Beutelfrett. — Marder.
Das Thier lebt an Gewäſſern auf Sumatra und Borneo, klettert aber auch mit ziemlichem Geſchick auf ſchrägſtehenden Bäumen und ſtarken Aeſten umher und nährt ſich von Fiſchen, Vögeln und Früchten.
Endlich haben wir hier noch eines ſchönen und merkwürdigen Bewohners der an auffallenden Geſchöpfen ſo reichen Jnſel Madagaskar zu gedenken. Das Beutelfrett (Cryptoprocta ſerox) wurde bisher nur ein einziges Mal erbeutet. Telfair, Vorſteher der naturforſchenden Geſellſchaft auf Mauritius, erhielt ein junges Beutelfrett aus den inneren ſüdlichen Gegenden Madagaskars; Bennett beſchrieb es. Seinen Artnamen erhielt es wegen ſeiner beiſpielloſen Wildheit. Telfair ſagt, daß es, ſo anmuthig und nett es auch erſcheinen möge, im Verhältniß zu ſeiner geringen Größe doch das wüthendſte, wildeſte aller Thiere ſei; es ſtehe an Mordluſt, Blutdurſt und Zerſtörungsſucht nicht einmal dem Tiger nach. Die Muskelkraft und Beweglichkeit der Glieder ſei auffallend groß. — Ueber ſein Freileben iſt Nichts bekannt.
Das beſchriebene Beutelfrett war nebſt Schwanz 25 Zoll lang; der Schwanz maß 11½ Zoll. Jm Ganzen ähnelt das Thier ſeinen Familienverwandten; es unterſcheidet ſich aber durch ſein kurzes, glattes, anliegendes Haar und andere weniger leicht zu beſchreibende Merkmale. Der geſtreckte Leib
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Der Mampalon (Cynogale Bennettii).
ruht auf kräftigen Gliedern, trägt einen länglichen, kleinſchnäuzigen Kopf mit ungewöhnlich großen, breiten Ohren und mittelgroßen Augen und endet in einen faſt gleichdicken, gleichmäßig behaarten Schwanz. Das kurze, glatte, leicht gekräuſelte Haar iſt braun und ſtrohgelb geringelt; der Pelz erſcheint licht bräunlichroth, oben etwas dunkler, als unten. Sehr ſtarke, lange, an der Wurzel ſchwarze, an der Spitze lichte Schnurren ſtehen auf der Lippe. Die Sohlen ſind nackt. Jm übrigen Leibesbau ähnelt das Beutelfrett den Katzen; der After aber wird, wie bei anderen Mitgliedern der Familie, von einer Taſche umgeben. Die fünf Zehen ſind ganz verbunden, ihre Krallen voll- ſtändig zurückziehbar. —
Mit vorſtehend beſchriebenen und genannten Thieren habe ich alle hervorragenden Mitglieder der Schleichkatzenfamilie vorgeführt. Es wird keinem meiner Leſer entgangen ſein, daß wir über das Freileben dieſer ſo vielfach ausgezeichneten Geſchöpfe im Ganzen noch unendlich wenig wiſſen; wer aber unſere Muſeums- und Sammelmenſchen kennt, wird darüber ſich nicht wundern. Vielen Gelehrten gilt ein ausgeſtopfter Balg im Glasſchrank, ein wohl gebleichter Schädel mit dem voll- ſtändigen Gebiß weit mehr, als die beſte Lebensſchreibung eines Thieres. Sie vergeſſen, daß die Thier- kunde erſt durch ausführliche Schilderungen des Lebens der Thiere Leben erhält; ſie wollen eben nur Bälge aufhäufen. Damit vernachläſſigen ſie leider eine der erſten Pflichten des Forſchers; da-
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Die Raubthiere. Schleichkatzen. Rollmarder. — Mampalon. Beutelfrett. — Marder.
Das Thier lebt an Gewäſſern auf Sumatra und Borneo, klettert aber auch mit ziemlichem
Geſchick auf ſchrägſtehenden Bäumen und ſtarken Aeſten umher und nährt ſich von Fiſchen, Vögeln
und Früchten.
Endlich haben wir hier noch eines ſchönen und merkwürdigen Bewohners der an auffallenden
Geſchöpfen ſo reichen Jnſel Madagaskar zu gedenken. Das Beutelfrett (Cryptoprocta ſerox)
wurde bisher nur ein einziges Mal erbeutet. Telfair, Vorſteher der naturforſchenden Geſellſchaft
auf Mauritius, erhielt ein junges Beutelfrett aus den inneren ſüdlichen Gegenden Madagaskars;
Bennett beſchrieb es. Seinen Artnamen erhielt es wegen ſeiner beiſpielloſen Wildheit. Telfair
ſagt, daß es, ſo anmuthig und nett es auch erſcheinen möge, im Verhältniß zu ſeiner geringen Größe
doch das wüthendſte, wildeſte aller Thiere ſei; es ſtehe an Mordluſt, Blutdurſt und Zerſtörungsſucht
nicht einmal dem Tiger nach. Die Muskelkraft und Beweglichkeit der Glieder ſei auffallend groß. —
Ueber ſein Freileben iſt Nichts bekannt.
Das beſchriebene Beutelfrett war nebſt Schwanz 25 Zoll lang; der Schwanz maß 11½ Zoll.
Jm Ganzen ähnelt das Thier ſeinen Familienverwandten; es unterſcheidet ſich aber durch ſein kurzes,
glattes, anliegendes Haar und andere weniger leicht zu beſchreibende Merkmale. Der geſtreckte Leib
[Abbildung Der Mampalon (Cynogale Bennettii).]
ruht auf kräftigen Gliedern, trägt einen länglichen, kleinſchnäuzigen Kopf mit ungewöhnlich großen,
breiten Ohren und mittelgroßen Augen und endet in einen faſt gleichdicken, gleichmäßig behaarten
Schwanz. Das kurze, glatte, leicht gekräuſelte Haar iſt braun und ſtrohgelb geringelt; der Pelz
erſcheint licht bräunlichroth, oben etwas dunkler, als unten. Sehr ſtarke, lange, an der Wurzel
ſchwarze, an der Spitze lichte Schnurren ſtehen auf der Lippe. Die Sohlen ſind nackt. Jm übrigen
Leibesbau ähnelt das Beutelfrett den Katzen; der After aber wird, wie bei anderen Mitgliedern der
Familie, von einer Taſche umgeben. Die fünf Zehen ſind ganz verbunden, ihre Krallen voll-
ſtändig zurückziehbar. —
Mit vorſtehend beſchriebenen und genannten Thieren habe ich alle hervorragenden Mitglieder
der Schleichkatzenfamilie vorgeführt. Es wird keinem meiner Leſer entgangen ſein, daß wir über
das Freileben dieſer ſo vielfach ausgezeichneten Geſchöpfe im Ganzen noch unendlich wenig wiſſen;
wer aber unſere Muſeums- und Sammelmenſchen kennt, wird darüber ſich nicht wundern. Vielen
Gelehrten gilt ein ausgeſtopfter Balg im Glasſchrank, ein wohl gebleichter Schädel mit dem voll-
ſtändigen Gebiß weit mehr, als die beſte Lebensſchreibung eines Thieres. Sie vergeſſen, daß die Thier-
kunde erſt durch ausführliche Schilderungen des Lebens der Thiere Leben erhält; ſie wollen eben
nur Bälge aufhäufen. Damit vernachläſſigen ſie leider eine der erſten Pflichten des Forſchers; da-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/566>, abgerufen am 27.11.2024.
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