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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Affen.
stellung und lassen es sich oft gar nicht merken, daß sie irgend welche heillose Absicht in ihrem Gehirn
ausbrüten; sie wissen sich Gefahren gewandt zu entziehen und finden trefflich die Mittel auf, sich gegen
sie zu wahren oder zu vertheidigen. Doch alles Dieses bemerken wir auch beim Elefanten und
Hunde, und zwar in noch größerer Ausdehnung. Auch Gemüth ist den Affen nicht abzusprechen.
Sie sind der Liebe und Zuneigung fähig; sie besitzen Dankbarkeit und äußern ihr Wohlwollen gegen
Diejenigen, welche ihnen Gutes thaten. Allein ihre Liebe ist ebenso leicht verscherzt, wie gewonnen.
Nur bei einem einzigen Affen, welchen ich lange Zeit besaß, habe ich bemerkt, daß er unter allen Ver-
hältnissen mir seine unverbrüchliche Zuneigung bewahrte. Sein Herz hatte blos für eine Liebe Raum,
diese hatte ich gewonnen, und Niemand anders konnte sie erringen. Er biß Den, mit welchem er eben
erst Freundschaft geschlossen hatte, sobald ich mich ihm und seinem neuen Freunde nahte.

Es ist beachtenswerth, daß alle Affen, trotz ihres Verstandes, oft auf die albernste Weise über-
listet und getäuscht werden. Jhre Leidenschaften tragen häufig einen vollständigen Sieg über ihren
Verstand davon. Sind jene rege geworden, so achten sie auch die plumpste Falle nicht mehr und
vergessen ihre Sicherheit gänzlich über der Absicht, ihrer Gier zu fröhnen. Hierin unterscheidet sich
z. B. der Fuchs außerordentlich weit und sehr zu seinem Vortheil von ihnen. Den Fuchs kann blos
der ärgste Hunger in die Falle treiben, und auch dann muß diese noch mit größter List gelegt worden
sein. Man hat oft beobachtet, daß er sich aus einer Falle selbst durch Abbeißen des gefangenen Glie-
des befreit: einem Affen würde Solches nie einfallen. Die Malaien höhlen harte Kürbisse durch
eine kleine Oeffnung aus und füllen sie dann mit Stücken von Nahrung, namentlich mit Zucker
oder mit Früchten, welche die Affen sehr gern fressen. Diese zwängen nun, um zu ihrer Lieblings-
speise zu gelangen, ihre Hände durch die enge Oeffnung und erfassen eines der Stücke mit solcher
Gier, daß sie sich lieber von dem Menschen fangen lassen, als daß sie das einmal Erfaßte wieder
losließen. Jn solcher Weise beherrschen die Leidenschaften auch die klügsten Affen, und deshalb eben
sind wir berechtigt, ihren Verstand nur einen untergeordneten zu nennen. Mit dem wahren
Menschenverstande hat der des Affen gar keine Aehnlichkeit; und es macht sich bei der Vergleichung
der beiden Wesen auch sofort noch ein höchst wichtiger Unterschied bemerklich. Der Mensch nimmt
mit den Jahren an Verstand und Weisheit zu: der Affe ist nur in der Jugend gelehrig, und mit
den zunehmenden Jahren tritt das Vieh in ihm immermehr hervor, und die Leidenschaft unterjocht
dann den Verstand vollständig. Die Erziehung vermag viel beim Affen zu leisten; sie schärft seine
geistigen Fähigkeiten außerordentlich: allein ein wirklich befriedigendes Ergebniß erreicht sie nie, und
deshalb eben kann der Affe nimmermehr Gesellschafter des Menschen werden.

Jm freien Naturleben zeigen alle Affen übrigens keineswegs mehr geistige Fähigkeiten, als
andere hochstehende Thiere. Jhr Verstand scheint sich erst zu entwickeln, wenn sie in Gesellschaft des
Menschen gekommen sind.

Die Affen waren in früheren Schöpfungsabschnitten über einen viel größeren Theil der Erde
verbreitet, als gegenwärtig. Sie lebten im südlichen Europa, in Frankreich und England. Freilich
waren es nicht dieselben Arten, welche gegenwärtig noch leben, sondern anders gestaltete, die das
rauhe Klima wohl vertragen konnten. Gegenwärtig ist ihr Vaterland auf die warmen Theile der
Erde beschränkt. Gleichmäßige Wärme ist für sie Lebensbedingung. Blos einige Paviane gehen
ziemlich weit in die Hochgebirge hinauf und ertragen dort größere Kältegrade, als man vermuthen
möchte. Fast alle übrigen Affen sind höchst empfindlich gegen die Kälte und brechen in Klagen aus,
sobald sie ihnen fühlbar wird. Mangel an Wärme ist auch einer der Hauptgründe, daß sie bei uns
nur kurze Zeit ausdauern. -- Jeder Erdtheil hat seine eigenen Arten: Asien und Afrika besitzen einige
zusammen, wie sich aus der Lage dieser beiden Erdtheile zu einander auch leicht erklärt. Jn Europa
kommt nur eine Art vor, und zwar in einem einzigen Trupp, welcher an den Felsenwänden
Gibraltars unter dem Schutze der Besatzung dieser Festung lebt. Es ist aber höchst wahrschein-
lich, daß die Stammväter dieser Herde erst von dem nahen Afrika eingeführt wurden. Gibraltar ist
übrigens nicht der nördlichste Ort, welcher Affen besitzt; denn der japanesische Affe geht noch weiter

Die Affen.
ſtellung und laſſen es ſich oft gar nicht merken, daß ſie irgend welche heilloſe Abſicht in ihrem Gehirn
ausbrüten; ſie wiſſen ſich Gefahren gewandt zu entziehen und finden trefflich die Mittel auf, ſich gegen
ſie zu wahren oder zu vertheidigen. Doch alles Dieſes bemerken wir auch beim Elefanten und
Hunde, und zwar in noch größerer Ausdehnung. Auch Gemüth iſt den Affen nicht abzuſprechen.
Sie ſind der Liebe und Zuneigung fähig; ſie beſitzen Dankbarkeit und äußern ihr Wohlwollen gegen
Diejenigen, welche ihnen Gutes thaten. Allein ihre Liebe iſt ebenſo leicht verſcherzt, wie gewonnen.
Nur bei einem einzigen Affen, welchen ich lange Zeit beſaß, habe ich bemerkt, daß er unter allen Ver-
hältniſſen mir ſeine unverbrüchliche Zuneigung bewahrte. Sein Herz hatte blos für eine Liebe Raum,
dieſe hatte ich gewonnen, und Niemand anders konnte ſie erringen. Er biß Den, mit welchem er eben
erſt Freundſchaft geſchloſſen hatte, ſobald ich mich ihm und ſeinem neuen Freunde nahte.

Es iſt beachtenswerth, daß alle Affen, trotz ihres Verſtandes, oft auf die albernſte Weiſe über-
liſtet und getäuſcht werden. Jhre Leidenſchaften tragen häufig einen vollſtändigen Sieg über ihren
Verſtand davon. Sind jene rege geworden, ſo achten ſie auch die plumpſte Falle nicht mehr und
vergeſſen ihre Sicherheit gänzlich über der Abſicht, ihrer Gier zu fröhnen. Hierin unterſcheidet ſich
z. B. der Fuchs außerordentlich weit und ſehr zu ſeinem Vortheil von ihnen. Den Fuchs kann blos
der ärgſte Hunger in die Falle treiben, und auch dann muß dieſe noch mit größter Liſt gelegt worden
ſein. Man hat oft beobachtet, daß er ſich aus einer Falle ſelbſt durch Abbeißen des gefangenen Glie-
des befreit: einem Affen würde Solches nie einfallen. Die Malaien höhlen harte Kürbiſſe durch
eine kleine Oeffnung aus und füllen ſie dann mit Stücken von Nahrung, namentlich mit Zucker
oder mit Früchten, welche die Affen ſehr gern freſſen. Dieſe zwängen nun, um zu ihrer Lieblings-
ſpeiſe zu gelangen, ihre Hände durch die enge Oeffnung und erfaſſen eines der Stücke mit ſolcher
Gier, daß ſie ſich lieber von dem Menſchen fangen laſſen, als daß ſie das einmal Erfaßte wieder
losließen. Jn ſolcher Weiſe beherrſchen die Leidenſchaften auch die klügſten Affen, und deshalb eben
ſind wir berechtigt, ihren Verſtand nur einen untergeordneten zu nennen. Mit dem wahren
Menſchenverſtande hat der des Affen gar keine Aehnlichkeit; und es macht ſich bei der Vergleichung
der beiden Weſen auch ſofort noch ein höchſt wichtiger Unterſchied bemerklich. Der Menſch nimmt
mit den Jahren an Verſtand und Weisheit zu: der Affe iſt nur in der Jugend gelehrig, und mit
den zunehmenden Jahren tritt das Vieh in ihm immermehr hervor, und die Leidenſchaft unterjocht
dann den Verſtand vollſtändig. Die Erziehung vermag viel beim Affen zu leiſten; ſie ſchärft ſeine
geiſtigen Fähigkeiten außerordentlich: allein ein wirklich befriedigendes Ergebniß erreicht ſie nie, und
deshalb eben kann der Affe nimmermehr Geſellſchafter des Menſchen werden.

Jm freien Naturleben zeigen alle Affen übrigens keineswegs mehr geiſtige Fähigkeiten, als
andere hochſtehende Thiere. Jhr Verſtand ſcheint ſich erſt zu entwickeln, wenn ſie in Geſellſchaft des
Menſchen gekommen ſind.

Die Affen waren in früheren Schöpfungsabſchnitten über einen viel größeren Theil der Erde
verbreitet, als gegenwärtig. Sie lebten im ſüdlichen Europa, in Frankreich und England. Freilich
waren es nicht dieſelben Arten, welche gegenwärtig noch leben, ſondern anders geſtaltete, die das
rauhe Klima wohl vertragen konnten. Gegenwärtig iſt ihr Vaterland auf die warmen Theile der
Erde beſchränkt. Gleichmäßige Wärme iſt für ſie Lebensbedingung. Blos einige Paviane gehen
ziemlich weit in die Hochgebirge hinauf und ertragen dort größere Kältegrade, als man vermuthen
möchte. Faſt alle übrigen Affen ſind höchſt empfindlich gegen die Kälte und brechen in Klagen aus,
ſobald ſie ihnen fühlbar wird. Mangel an Wärme iſt auch einer der Hauptgründe, daß ſie bei uns
nur kurze Zeit ausdauern. — Jeder Erdtheil hat ſeine eigenen Arten: Aſien und Afrika beſitzen einige
zuſammen, wie ſich aus der Lage dieſer beiden Erdtheile zu einander auch leicht erklärt. Jn Europa
kommt nur eine Art vor, und zwar in einem einzigen Trupp, welcher an den Felſenwänden
Gibraltars unter dem Schutze der Beſatzung dieſer Feſtung lebt. Es iſt aber höchſt wahrſchein-
lich, daß die Stammväter dieſer Herde erſt von dem nahen Afrika eingeführt wurden. Gibraltar iſt
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[6/0056] Die Affen. ſtellung und laſſen es ſich oft gar nicht merken, daß ſie irgend welche heilloſe Abſicht in ihrem Gehirn ausbrüten; ſie wiſſen ſich Gefahren gewandt zu entziehen und finden trefflich die Mittel auf, ſich gegen ſie zu wahren oder zu vertheidigen. Doch alles Dieſes bemerken wir auch beim Elefanten und Hunde, und zwar in noch größerer Ausdehnung. Auch Gemüth iſt den Affen nicht abzuſprechen. Sie ſind der Liebe und Zuneigung fähig; ſie beſitzen Dankbarkeit und äußern ihr Wohlwollen gegen Diejenigen, welche ihnen Gutes thaten. Allein ihre Liebe iſt ebenſo leicht verſcherzt, wie gewonnen. Nur bei einem einzigen Affen, welchen ich lange Zeit beſaß, habe ich bemerkt, daß er unter allen Ver- hältniſſen mir ſeine unverbrüchliche Zuneigung bewahrte. Sein Herz hatte blos für eine Liebe Raum, dieſe hatte ich gewonnen, und Niemand anders konnte ſie erringen. Er biß Den, mit welchem er eben erſt Freundſchaft geſchloſſen hatte, ſobald ich mich ihm und ſeinem neuen Freunde nahte. Es iſt beachtenswerth, daß alle Affen, trotz ihres Verſtandes, oft auf die albernſte Weiſe über- liſtet und getäuſcht werden. Jhre Leidenſchaften tragen häufig einen vollſtändigen Sieg über ihren Verſtand davon. Sind jene rege geworden, ſo achten ſie auch die plumpſte Falle nicht mehr und vergeſſen ihre Sicherheit gänzlich über der Abſicht, ihrer Gier zu fröhnen. Hierin unterſcheidet ſich z. B. der Fuchs außerordentlich weit und ſehr zu ſeinem Vortheil von ihnen. Den Fuchs kann blos der ärgſte Hunger in die Falle treiben, und auch dann muß dieſe noch mit größter Liſt gelegt worden ſein. Man hat oft beobachtet, daß er ſich aus einer Falle ſelbſt durch Abbeißen des gefangenen Glie- des befreit: einem Affen würde Solches nie einfallen. Die Malaien höhlen harte Kürbiſſe durch eine kleine Oeffnung aus und füllen ſie dann mit Stücken von Nahrung, namentlich mit Zucker oder mit Früchten, welche die Affen ſehr gern freſſen. Dieſe zwängen nun, um zu ihrer Lieblings- ſpeiſe zu gelangen, ihre Hände durch die enge Oeffnung und erfaſſen eines der Stücke mit ſolcher Gier, daß ſie ſich lieber von dem Menſchen fangen laſſen, als daß ſie das einmal Erfaßte wieder losließen. Jn ſolcher Weiſe beherrſchen die Leidenſchaften auch die klügſten Affen, und deshalb eben ſind wir berechtigt, ihren Verſtand nur einen untergeordneten zu nennen. Mit dem wahren Menſchenverſtande hat der des Affen gar keine Aehnlichkeit; und es macht ſich bei der Vergleichung der beiden Weſen auch ſofort noch ein höchſt wichtiger Unterſchied bemerklich. Der Menſch nimmt mit den Jahren an Verſtand und Weisheit zu: der Affe iſt nur in der Jugend gelehrig, und mit den zunehmenden Jahren tritt das Vieh in ihm immermehr hervor, und die Leidenſchaft unterjocht dann den Verſtand vollſtändig. Die Erziehung vermag viel beim Affen zu leiſten; ſie ſchärft ſeine geiſtigen Fähigkeiten außerordentlich: allein ein wirklich befriedigendes Ergebniß erreicht ſie nie, und deshalb eben kann der Affe nimmermehr Geſellſchafter des Menſchen werden. Jm freien Naturleben zeigen alle Affen übrigens keineswegs mehr geiſtige Fähigkeiten, als andere hochſtehende Thiere. Jhr Verſtand ſcheint ſich erſt zu entwickeln, wenn ſie in Geſellſchaft des Menſchen gekommen ſind. Die Affen waren in früheren Schöpfungsabſchnitten über einen viel größeren Theil der Erde verbreitet, als gegenwärtig. Sie lebten im ſüdlichen Europa, in Frankreich und England. Freilich waren es nicht dieſelben Arten, welche gegenwärtig noch leben, ſondern anders geſtaltete, die das rauhe Klima wohl vertragen konnten. Gegenwärtig iſt ihr Vaterland auf die warmen Theile der Erde beſchränkt. Gleichmäßige Wärme iſt für ſie Lebensbedingung. Blos einige Paviane gehen ziemlich weit in die Hochgebirge hinauf und ertragen dort größere Kältegrade, als man vermuthen möchte. Faſt alle übrigen Affen ſind höchſt empfindlich gegen die Kälte und brechen in Klagen aus, ſobald ſie ihnen fühlbar wird. Mangel an Wärme iſt auch einer der Hauptgründe, daß ſie bei uns nur kurze Zeit ausdauern. — Jeder Erdtheil hat ſeine eigenen Arten: Aſien und Afrika beſitzen einige zuſammen, wie ſich aus der Lage dieſer beiden Erdtheile zu einander auch leicht erklärt. Jn Europa kommt nur eine Art vor, und zwar in einem einzigen Trupp, welcher an den Felſenwänden Gibraltars unter dem Schutze der Beſatzung dieſer Feſtung lebt. Es iſt aber höchſt wahrſchein- lich, daß die Stammväter dieſer Herde erſt von dem nahen Afrika eingeführt wurden. Gibraltar iſt übrigens nicht der nördlichſte Ort, welcher Affen beſitzt; denn der japaneſiſche Affe geht noch weiter

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/56>, abgerufen am 24.11.2024.