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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Schleichkatzen. Mangusten. -- Jchneumon.
die wärmeren Länder der alten Welt und leben im ganzen genau wie die übrigen Mitglieder ihrer
Familie. Man unterscheidet sie noch besonders, je nachdem die Pfoten mit einem Daumen begabt
sind oder diesen entbehren, je nach der Behaarung der Sohlen, der Schwanzspitze u. s. w. Doch sind
alle diese feinen Unterscheidungen für uns weniger wichtig, und ich möchte fast glauben, daß es voll-
ständig genügend wäre, wenn wir eine einzige Art ausführlich betrachten wollten. Dennoch will ich
die merkwürdigsten Arten meinen Lesern vorführen.

Wie billig wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst dem Jchneumon, dem heiligen Thiere
der alten Egypter zu, der "Ratte der Pharaonen" (Herpestes Ichneumon) nämlich, eingedenk
seines aus den ältesten Zeiten auf die unsrigen herübergetragenen Ruhmes und der Achtung, welche
es früher genoß. Schon Herodot sagt, daß man die Jchneumonen in jeder Stadt an heiligen Orten
einbalsamire und begrabe. Strabo berichtet, daß jenes vortreffliche Thier niemals große Schlangen
angreife, ohne einige seiner Gefährten zu Hilfe zu rufen, dann aber auch die giftigsten Würmer leicht
bewältige. Sein Bild diene deshalb in der heiligen Bilderschrift zur Bezeichnung eines schwachen
Menschen, welcher den Beistand seiner Mitmenschen nicht entbehren kann. Aelian dagegen be-
hauptet, daß es allein auf die Schlangenjagd ausgehe, jedoch mit großer List und Vorsicht, sich
im Schlamm wälze und diesen an der Sonne trockne, um so einen Panzer zu erhalten, welcher
den Leib vor seinem Gegner schütze, während es die Schnauze dadurch vor Bissen sichere, daß
es seinen Schwanz über dieselbe schlage. Aber die Sage ist hiermit noch nicht zufrieden, sondern
theilt dem muthigen Kämpfer für das öffentliche Wohl noch ganz andere Dinge zu, wie Plinius
mittheilt. Das Krokodil nämlich legt sich, wenn es sich satt gefressen hat, gemüthlich auf eine
Sandbank und sperrt dabei den zähnestarrenden Rachen weit auf, Jeglichem Verderben drohend, der
es wagen wollte, sich ihm zu nähern. Nur einem kleinen Vogel ist Dies gestattet -- und zwar, wie
ich selbst beobachtet habe, in der That und Wahrheit! -- er ist so frech, zwischen den Zähnen hervor
sich die Speise herauszupicken, welche dort hängen geblieben ist. Außer ihm fürchtet aber jedes andere
Thier die Nähe des Ungeheuers, nur der Jchneumon nicht. Er naht sich leise, springt mit kühnen
Sätzen in den Rachen hinein, beißt und wühlt sich die Kehle hindurch, zerfleischt dem schlafenden
Krokodil das Herz, tödtet es auf diese Weise und öffnet sich nun, blutbedeckt, vermittelst seiner scharfen
Zähne einen Ausweg aus dem Leibe des Ungethüms. Oder aber, er schleicht umher und spürt die
Stellen aus, wo der gefürchtete Lurch seine zahlreichen Eier abgelegt hat, und scharrt und wühlt hier,
bis er zu dem verborgenen Schatze in der Tiefe gelangt ist; dann macht er sich darüber her und frißt
in kurzer Zeit, der Wachsamkeit der Mutter ungeachtet, das ganze Nest aus und wird hierdurch zu
einem unschätzbaren Wohlthäter der Menschheit. Daß auch die Egypter diese Sage geglaubt haben,
daß sie von ihnen aus erst jenen Schriftstellern berichtet wurde, ist unzweifelhaft: aber die sonst so
genauen Naturbeobachter haben sich hierbei doch einer großen Täuschung hingegeben. Denn alle die
schönen Sagen über unser Thier sind falsch. Allerdings ist es erst der Neuzeit vorbehalten gewesen,
Genaues über die Sitten und Lebensweise des Jchneumon zu erforschen, aber schon seit einigen Jahr-
hunderten haben mehrere Reisebeschreiber ihren Zweifel über den Nutzen des Jchneumon ausgesprochen,
und die Sagen könnten somit als ganz erledigt gelten.

Und doch ist Dies nicht der Fall. Kurz, nachdem ich von Afrika zurückgekehrt war, theilte ich
einige meiner Beobachtungen über das Krokodil einer großen Gesellschaft mit, konnte aber einzelne
Mitglieder derselben keineswegs befriedigen, weil ich eben von dem muthvollen, klugen Thiere, welches
dem Krokodil, "dieweil es eben schläft", in den Rachen kriecht, kein Wort gesagt hatte. Das kam freilich
daher, weil ich bei den heutigen Bewohnern des Nilthals niemals eine Spur jener Achtung, welche
ein so nützliches Thier genießen müßte, bemerken konnte, sondern vielmehr die unzweifelhaftesten Be-
weise einer Mißachtung, sogar eines gewissen Grolles, welcher sammt und sonders dem menschenfreund-
lichen und krokodilfeindlichen Jchneumon galt, überall vorfand. Auch ich will gar nicht leugnen, daß
ich selbst vor meiner Reise nach Afrika eine große Achtung vor unserm Thiere hatte: als ich dasselbe

Die Raubthiere. Schleichkatzen. Manguſten. — Jchneumon.
die wärmeren Länder der alten Welt und leben im ganzen genau wie die übrigen Mitglieder ihrer
Familie. Man unterſcheidet ſie noch beſonders, je nachdem die Pfoten mit einem Daumen begabt
ſind oder dieſen entbehren, je nach der Behaarung der Sohlen, der Schwanzſpitze u. ſ. w. Doch ſind
alle dieſe feinen Unterſcheidungen für uns weniger wichtig, und ich möchte faſt glauben, daß es voll-
ſtändig genügend wäre, wenn wir eine einzige Art ausführlich betrachten wollten. Dennoch will ich
die merkwürdigſten Arten meinen Leſern vorführen.

Wie billig wenden wir unſere Aufmerkſamkeit zunächſt dem Jchneumon, dem heiligen Thiere
der alten Egypter zu, der „Ratte der Pharaonen‟ (Herpestes Ichneumon) nämlich, eingedenk
ſeines aus den älteſten Zeiten auf die unſrigen herübergetragenen Ruhmes und der Achtung, welche
es früher genoß. Schon Herodot ſagt, daß man die Jchneumonen in jeder Stadt an heiligen Orten
einbalſamire und begrabe. Strabo berichtet, daß jenes vortreffliche Thier niemals große Schlangen
angreife, ohne einige ſeiner Gefährten zu Hilfe zu rufen, dann aber auch die giftigſten Würmer leicht
bewältige. Sein Bild diene deshalb in der heiligen Bilderſchrift zur Bezeichnung eines ſchwachen
Menſchen, welcher den Beiſtand ſeiner Mitmenſchen nicht entbehren kann. Aelian dagegen be-
hauptet, daß es allein auf die Schlangenjagd ausgehe, jedoch mit großer Liſt und Vorſicht, ſich
im Schlamm wälze und dieſen an der Sonne trockne, um ſo einen Panzer zu erhalten, welcher
den Leib vor ſeinem Gegner ſchütze, während es die Schnauze dadurch vor Biſſen ſichere, daß
es ſeinen Schwanz über dieſelbe ſchlage. Aber die Sage iſt hiermit noch nicht zufrieden, ſondern
theilt dem muthigen Kämpfer für das öffentliche Wohl noch ganz andere Dinge zu, wie Plinius
mittheilt. Das Krokodil nämlich legt ſich, wenn es ſich ſatt gefreſſen hat, gemüthlich auf eine
Sandbank und ſperrt dabei den zähneſtarrenden Rachen weit auf, Jeglichem Verderben drohend, der
es wagen wollte, ſich ihm zu nähern. Nur einem kleinen Vogel iſt Dies geſtattet — und zwar, wie
ich ſelbſt beobachtet habe, in der That und Wahrheit! — er iſt ſo frech, zwiſchen den Zähnen hervor
ſich die Speiſe herauszupicken, welche dort hängen geblieben iſt. Außer ihm fürchtet aber jedes andere
Thier die Nähe des Ungeheuers, nur der Jchneumon nicht. Er naht ſich leiſe, ſpringt mit kühnen
Sätzen in den Rachen hinein, beißt und wühlt ſich die Kehle hindurch, zerfleiſcht dem ſchlafenden
Krokodil das Herz, tödtet es auf dieſe Weiſe und öffnet ſich nun, blutbedeckt, vermittelſt ſeiner ſcharfen
Zähne einen Ausweg aus dem Leibe des Ungethüms. Oder aber, er ſchleicht umher und ſpürt die
Stellen aus, wo der gefürchtete Lurch ſeine zahlreichen Eier abgelegt hat, und ſcharrt und wühlt hier,
bis er zu dem verborgenen Schatze in der Tiefe gelangt iſt; dann macht er ſich darüber her und frißt
in kurzer Zeit, der Wachſamkeit der Mutter ungeachtet, das ganze Neſt aus und wird hierdurch zu
einem unſchätzbaren Wohlthäter der Menſchheit. Daß auch die Egypter dieſe Sage geglaubt haben,
daß ſie von ihnen aus erſt jenen Schriftſtellern berichtet wurde, iſt unzweifelhaft: aber die ſonſt ſo
genauen Naturbeobachter haben ſich hierbei doch einer großen Täuſchung hingegeben. Denn alle die
ſchönen Sagen über unſer Thier ſind falſch. Allerdings iſt es erſt der Neuzeit vorbehalten geweſen,
Genaues über die Sitten und Lebensweiſe des Jchneumon zu erforſchen, aber ſchon ſeit einigen Jahr-
hunderten haben mehrere Reiſebeſchreiber ihren Zweifel über den Nutzen des Jchneumon ausgeſprochen,
und die Sagen könnten ſomit als ganz erledigt gelten.

Und doch iſt Dies nicht der Fall. Kurz, nachdem ich von Afrika zurückgekehrt war, theilte ich
einige meiner Beobachtungen über das Krokodil einer großen Geſellſchaft mit, konnte aber einzelne
Mitglieder derſelben keineswegs befriedigen, weil ich eben von dem muthvollen, klugen Thiere, welches
dem Krokodil, „dieweil es eben ſchläft‟, in den Rachen kriecht, kein Wort geſagt hatte. Das kam freilich
daher, weil ich bei den heutigen Bewohnern des Nilthals niemals eine Spur jener Achtung, welche
ein ſo nützliches Thier genießen müßte, bemerken konnte, ſondern vielmehr die unzweifelhafteſten Be-
weiſe einer Mißachtung, ſogar eines gewiſſen Grolles, welcher ſammt und ſonders dem menſchenfreund-
lichen und krokodilfeindlichen Jchneumon galt, überall vorfand. Auch ich will gar nicht leugnen, daß
ich ſelbſt vor meiner Reiſe nach Afrika eine große Achtung vor unſerm Thiere hatte: als ich daſſelbe

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[474/0546] Die Raubthiere. Schleichkatzen. Manguſten. — Jchneumon. die wärmeren Länder der alten Welt und leben im ganzen genau wie die übrigen Mitglieder ihrer Familie. Man unterſcheidet ſie noch beſonders, je nachdem die Pfoten mit einem Daumen begabt ſind oder dieſen entbehren, je nach der Behaarung der Sohlen, der Schwanzſpitze u. ſ. w. Doch ſind alle dieſe feinen Unterſcheidungen für uns weniger wichtig, und ich möchte faſt glauben, daß es voll- ſtändig genügend wäre, wenn wir eine einzige Art ausführlich betrachten wollten. Dennoch will ich die merkwürdigſten Arten meinen Leſern vorführen. Wie billig wenden wir unſere Aufmerkſamkeit zunächſt dem Jchneumon, dem heiligen Thiere der alten Egypter zu, der „Ratte der Pharaonen‟ (Herpestes Ichneumon) nämlich, eingedenk ſeines aus den älteſten Zeiten auf die unſrigen herübergetragenen Ruhmes und der Achtung, welche es früher genoß. Schon Herodot ſagt, daß man die Jchneumonen in jeder Stadt an heiligen Orten einbalſamire und begrabe. Strabo berichtet, daß jenes vortreffliche Thier niemals große Schlangen angreife, ohne einige ſeiner Gefährten zu Hilfe zu rufen, dann aber auch die giftigſten Würmer leicht bewältige. Sein Bild diene deshalb in der heiligen Bilderſchrift zur Bezeichnung eines ſchwachen Menſchen, welcher den Beiſtand ſeiner Mitmenſchen nicht entbehren kann. Aelian dagegen be- hauptet, daß es allein auf die Schlangenjagd ausgehe, jedoch mit großer Liſt und Vorſicht, ſich im Schlamm wälze und dieſen an der Sonne trockne, um ſo einen Panzer zu erhalten, welcher den Leib vor ſeinem Gegner ſchütze, während es die Schnauze dadurch vor Biſſen ſichere, daß es ſeinen Schwanz über dieſelbe ſchlage. Aber die Sage iſt hiermit noch nicht zufrieden, ſondern theilt dem muthigen Kämpfer für das öffentliche Wohl noch ganz andere Dinge zu, wie Plinius mittheilt. Das Krokodil nämlich legt ſich, wenn es ſich ſatt gefreſſen hat, gemüthlich auf eine Sandbank und ſperrt dabei den zähneſtarrenden Rachen weit auf, Jeglichem Verderben drohend, der es wagen wollte, ſich ihm zu nähern. Nur einem kleinen Vogel iſt Dies geſtattet — und zwar, wie ich ſelbſt beobachtet habe, in der That und Wahrheit! — er iſt ſo frech, zwiſchen den Zähnen hervor ſich die Speiſe herauszupicken, welche dort hängen geblieben iſt. Außer ihm fürchtet aber jedes andere Thier die Nähe des Ungeheuers, nur der Jchneumon nicht. Er naht ſich leiſe, ſpringt mit kühnen Sätzen in den Rachen hinein, beißt und wühlt ſich die Kehle hindurch, zerfleiſcht dem ſchlafenden Krokodil das Herz, tödtet es auf dieſe Weiſe und öffnet ſich nun, blutbedeckt, vermittelſt ſeiner ſcharfen Zähne einen Ausweg aus dem Leibe des Ungethüms. Oder aber, er ſchleicht umher und ſpürt die Stellen aus, wo der gefürchtete Lurch ſeine zahlreichen Eier abgelegt hat, und ſcharrt und wühlt hier, bis er zu dem verborgenen Schatze in der Tiefe gelangt iſt; dann macht er ſich darüber her und frißt in kurzer Zeit, der Wachſamkeit der Mutter ungeachtet, das ganze Neſt aus und wird hierdurch zu einem unſchätzbaren Wohlthäter der Menſchheit. Daß auch die Egypter dieſe Sage geglaubt haben, daß ſie von ihnen aus erſt jenen Schriftſtellern berichtet wurde, iſt unzweifelhaft: aber die ſonſt ſo genauen Naturbeobachter haben ſich hierbei doch einer großen Täuſchung hingegeben. Denn alle die ſchönen Sagen über unſer Thier ſind falſch. Allerdings iſt es erſt der Neuzeit vorbehalten geweſen, Genaues über die Sitten und Lebensweiſe des Jchneumon zu erforſchen, aber ſchon ſeit einigen Jahr- hunderten haben mehrere Reiſebeſchreiber ihren Zweifel über den Nutzen des Jchneumon ausgeſprochen, und die Sagen könnten ſomit als ganz erledigt gelten. Und doch iſt Dies nicht der Fall. Kurz, nachdem ich von Afrika zurückgekehrt war, theilte ich einige meiner Beobachtungen über das Krokodil einer großen Geſellſchaft mit, konnte aber einzelne Mitglieder derſelben keineswegs befriedigen, weil ich eben von dem muthvollen, klugen Thiere, welches dem Krokodil, „dieweil es eben ſchläft‟, in den Rachen kriecht, kein Wort geſagt hatte. Das kam freilich daher, weil ich bei den heutigen Bewohnern des Nilthals niemals eine Spur jener Achtung, welche ein ſo nützliches Thier genießen müßte, bemerken konnte, ſondern vielmehr die unzweifelhafteſten Be- weiſe einer Mißachtung, ſogar eines gewiſſen Grolles, welcher ſammt und ſonders dem menſchenfreund- lichen und krokodilfeindlichen Jchneumon galt, überall vorfand. Auch ich will gar nicht leugnen, daß ich ſelbſt vor meiner Reiſe nach Afrika eine große Achtung vor unſerm Thiere hatte: als ich daſſelbe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/546>, abgerufen am 27.11.2024.