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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Feigheit. Jhre Beute.
an und hielt sie, weil mich die Thiere sehr nahe an sich herankommen ließen, zuerst für Hunde, bis
mich der kreischende, heisere Laut, den die eine ausstieß, belehrte, mit welchen Gästen ich es zu thun
hatte. Ein einziger Steinwurf verjagte sie augenblicklich, und sie stoben nun wie dunkle Geister nach
allen Seiten hin durch die Straßen der Stadt.

Bei ihren Wanderungen wird die Hiäne ebensowohl durch den Geruch, wie durch das Gehör und
Gesicht geleitet. Ein stinkendes Aas versammelt regelmäßig zwei oder mehrere Hiänen. Ebenso
werden die häßlichen Gesellen durch eine eingezäunte Herde von Schafen, Ziegen oder Rindern
herbeigelockt und umschleichen dann mit lüsternen Blicken, bezüglich mit unheimlich grünlichfunkelnden
Augen ärgerlich die dichte Umzäunung, welche sie nicht zu durchdringen vermögen, und setzen durch ihr
Geheul die eingeschlossenen Hausthiere in gewaltigen Schreck. Die wachsamen Hunde jener Gegenden
treiben sie stets ohne große Mühe zurück; sie sind trefflich eingeschult, augenblicklich nach der Seite
hinzustürzen, von welcher ihren Schutzbefohlenen eine Gefahr drohen könnte. Es kommt niemals vor,
daß eine Hiäne den muthigen Wächtern Stand hielte; sie ergreift vielmehr immer die Flucht vor
der Meute, kommt aber nach sehr kurzer Zeit wieder zurück. Sobald sie eine Beute gewittert hat, ver-
stummt sie und trottet nun, so leise sie kann, -- denn zum Schleichen bringt sie es nicht, -- in kurzen
Absätzen näher und näher, äugt, lauscht und wittert, so oft sie stillsteht, und ist jeden Augenblick bereit,
die Flucht wieder zu ergreifen. Die gefleckte Art ist etwas muthiger, als die gestreifte, verhältniß-
mäßig zu ihrer Größe aber immer noch ganz erbärmlich feig und furchtsam. Alle Hiänen greifen nur
Thiere an, welche sich gar nicht wehren, namentlich Schafe, Ziegen, junge Schweine und dergleichen,
und auch diese regelmäßig von der Seite. Einen Ochsen oder ein Pferd zerreißen sie äußerst selten,
und häufig genug sind Fälle vorgekommen, daß sie sogar ein muthiger Esel in die Flucht geschlagen
hat. Sie richten also blos unter den schwächeren Hausthieren Schaden an. Jn diesem Kreise aber
sind die Verwüstungen, welche sie verursachen, sehr bedeutend. Am liebsten ist es ihnen unter allen
Umständen, wenn sie ein Aas finden. Um dieses herum beginnt regelmäßig ein Gewimmel, welches
kaum zu schildern ist. Sie sind die Geier unter den Säugethieren, und ihre Gefräßigkeit ist wahrhaft
großartig. Dabei vergessen sie alle Rücksichten und auch die Gleichgiltigkeit, welche sie sonst zeigen.
Man hört es sehr oft, daß die Fressenden in harte Kämpfe gerathen; es beginnt dann ein Krächzen,
Kreischen und Gelächter, daß Aberglänbische wirklich glauben können, alle Teufel der Hölle seien los
und ledig. Durch die Aufräumung des Aases werden sie nützlich; der Schaden, welchen sie den Herden
zufügen, übertrifft jedoch jenen geringen Nutzen weit, weil das Aas auch durch andere, viel bessere
Arbeiter aus der Klasse der Vögel und der Kerbthiere weggeschafft werden würde. Jm tiefen Jnnern
Afrikas sind die Hiänen noch heutigen Tages die Bestatter der Leichname armer oder unfreier Leute,
welche ihnen gleichsam zum Fraße vorgeworfen werden, und noch während der türkischen Herrschaft
war es gar nichts Seltenes, daß in Sennar und Obeid während der Nachtzeit menschliche Leichname
von den Hiänen gefressen wurden. Jn Südostafrika graben sie die nur leicht verscharrten Leichen der
Hottentotten aus, und hierauf mögen sich alle die bösen Nachreden gründen, an denen sie noch jetzt zu
leiden haben. Den Reisezügen durch Steppen und Wüsten folgen sie in größerer oder geringerer Zahl,
gleichsam, als ob sie wüßten, daß ihnen aus solchen Zügen doch ein Opfer werden müsse. Jm Nothfalle
begnügt sich das gefräßige Vieh aber auch mit thierischen Ueberresten aller Art, selbst mit trocknem Leder
und dergleichen. Auf den Schlachtplätzen, welche im Jnnern Afrikas immer vor der Ortschaft liegen, raffen
sie das am Boden vertrocknete, stinkende Blut gierig auf und verschlingen dabei häufig eine Menge von
Erde oder Straßenschmuz; um die Kothhaufen der Dorfbewohner sieht man sie regelmäßig beschäftigt.

Von der Beute, welche eine Hiäne gefaßt hat, läßt sie sich nicht wieder abtreiben. Sie nimmt
dann wenigstens ein Stück derselben mit, und was sie einmal im Rachen trägt, giebt sie lebendig
nicht wieder her, selbst wenn sie geschlagen oder sonst wie gemißhandelt wird. Vielfach ist hin-
und hergestritten worden, ob die Hiänen auch den Menschen angreifen oder nicht. Die gestreifte
thut es ganz entschieden nicht, die gefleckte aber greift Kinder oder schlafende Erwachsene wirklich an
und schleppt sie mit sich weg; denn ihre Kraft ist so groß, daß sie bequem einen Menschen forttragen

Feigheit. Jhre Beute.
an und hielt ſie, weil mich die Thiere ſehr nahe an ſich herankommen ließen, zuerſt für Hunde, bis
mich der kreiſchende, heiſere Laut, den die eine ausſtieß, belehrte, mit welchen Gäſten ich es zu thun
hatte. Ein einziger Steinwurf verjagte ſie augenblicklich, und ſie ſtoben nun wie dunkle Geiſter nach
allen Seiten hin durch die Straßen der Stadt.

Bei ihren Wanderungen wird die Hiäne ebenſowohl durch den Geruch, wie durch das Gehör und
Geſicht geleitet. Ein ſtinkendes Aas verſammelt regelmäßig zwei oder mehrere Hiänen. Ebenſo
werden die häßlichen Geſellen durch eine eingezäunte Herde von Schafen, Ziegen oder Rindern
herbeigelockt und umſchleichen dann mit lüſternen Blicken, bezüglich mit unheimlich grünlichfunkelnden
Augen ärgerlich die dichte Umzäunung, welche ſie nicht zu durchdringen vermögen, und ſetzen durch ihr
Geheul die eingeſchloſſenen Hausthiere in gewaltigen Schreck. Die wachſamen Hunde jener Gegenden
treiben ſie ſtets ohne große Mühe zurück; ſie ſind trefflich eingeſchult, augenblicklich nach der Seite
hinzuſtürzen, von welcher ihren Schutzbefohlenen eine Gefahr drohen könnte. Es kommt niemals vor,
daß eine Hiäne den muthigen Wächtern Stand hielte; ſie ergreift vielmehr immer die Flucht vor
der Meute, kommt aber nach ſehr kurzer Zeit wieder zurück. Sobald ſie eine Beute gewittert hat, ver-
ſtummt ſie und trottet nun, ſo leiſe ſie kann, — denn zum Schleichen bringt ſie es nicht, — in kurzen
Abſätzen näher und näher, äugt, lauſcht und wittert, ſo oft ſie ſtillſteht, und iſt jeden Augenblick bereit,
die Flucht wieder zu ergreifen. Die gefleckte Art iſt etwas muthiger, als die geſtreifte, verhältniß-
mäßig zu ihrer Größe aber immer noch ganz erbärmlich feig und furchtſam. Alle Hiänen greifen nur
Thiere an, welche ſich gar nicht wehren, namentlich Schafe, Ziegen, junge Schweine und dergleichen,
und auch dieſe regelmäßig von der Seite. Einen Ochſen oder ein Pferd zerreißen ſie äußerſt ſelten,
und häufig genug ſind Fälle vorgekommen, daß ſie ſogar ein muthiger Eſel in die Flucht geſchlagen
hat. Sie richten alſo blos unter den ſchwächeren Hausthieren Schaden an. Jn dieſem Kreiſe aber
ſind die Verwüſtungen, welche ſie verurſachen, ſehr bedeutend. Am liebſten iſt es ihnen unter allen
Umſtänden, wenn ſie ein Aas finden. Um dieſes herum beginnt regelmäßig ein Gewimmel, welches
kaum zu ſchildern iſt. Sie ſind die Geier unter den Säugethieren, und ihre Gefräßigkeit iſt wahrhaft
großartig. Dabei vergeſſen ſie alle Rückſichten und auch die Gleichgiltigkeit, welche ſie ſonſt zeigen.
Man hört es ſehr oft, daß die Freſſenden in harte Kämpfe gerathen; es beginnt dann ein Krächzen,
Kreiſchen und Gelächter, daß Aberglänbiſche wirklich glauben können, alle Teufel der Hölle ſeien los
und ledig. Durch die Aufräumung des Aaſes werden ſie nützlich; der Schaden, welchen ſie den Herden
zufügen, übertrifft jedoch jenen geringen Nutzen weit, weil das Aas auch durch andere, viel beſſere
Arbeiter aus der Klaſſe der Vögel und der Kerbthiere weggeſchafft werden würde. Jm tiefen Jnnern
Afrikas ſind die Hiänen noch heutigen Tages die Beſtatter der Leichname armer oder unfreier Leute,
welche ihnen gleichſam zum Fraße vorgeworfen werden, und noch während der türkiſchen Herrſchaft
war es gar nichts Seltenes, daß in Sennar und Obeïd während der Nachtzeit menſchliche Leichname
von den Hiänen gefreſſen wurden. Jn Südoſtafrika graben ſie die nur leicht verſcharrten Leichen der
Hottentotten aus, und hierauf mögen ſich alle die böſen Nachreden gründen, an denen ſie noch jetzt zu
leiden haben. Den Reiſezügen durch Steppen und Wüſten folgen ſie in größerer oder geringerer Zahl,
gleichſam, als ob ſie wüßten, daß ihnen aus ſolchen Zügen doch ein Opfer werden müſſe. Jm Nothfalle
begnügt ſich das gefräßige Vieh aber auch mit thieriſchen Ueberreſten aller Art, ſelbſt mit trocknem Leder
und dergleichen. Auf den Schlachtplätzen, welche im Jnnern Afrikas immer vor der Ortſchaft liegen, raffen
ſie das am Boden vertrocknete, ſtinkende Blut gierig auf und verſchlingen dabei häufig eine Menge von
Erde oder Straßenſchmuz; um die Kothhaufen der Dorfbewohner ſieht man ſie regelmäßig beſchäftigt.

Von der Beute, welche eine Hiäne gefaßt hat, läßt ſie ſich nicht wieder abtreiben. Sie nimmt
dann wenigſtens ein Stück derſelben mit, und was ſie einmal im Rachen trägt, giebt ſie lebendig
nicht wieder her, ſelbſt wenn ſie geſchlagen oder ſonſt wie gemißhandelt wird. Vielfach iſt hin-
und hergeſtritten worden, ob die Hiänen auch den Menſchen angreifen oder nicht. Die geſtreifte
thut es ganz entſchieden nicht, die gefleckte aber greift Kinder oder ſchlafende Erwachſene wirklich an
und ſchleppt ſie mit ſich weg; denn ihre Kraft iſt ſo groß, daß ſie bequem einen Menſchen forttragen

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[453/0523] Feigheit. Jhre Beute. an und hielt ſie, weil mich die Thiere ſehr nahe an ſich herankommen ließen, zuerſt für Hunde, bis mich der kreiſchende, heiſere Laut, den die eine ausſtieß, belehrte, mit welchen Gäſten ich es zu thun hatte. Ein einziger Steinwurf verjagte ſie augenblicklich, und ſie ſtoben nun wie dunkle Geiſter nach allen Seiten hin durch die Straßen der Stadt. Bei ihren Wanderungen wird die Hiäne ebenſowohl durch den Geruch, wie durch das Gehör und Geſicht geleitet. Ein ſtinkendes Aas verſammelt regelmäßig zwei oder mehrere Hiänen. Ebenſo werden die häßlichen Geſellen durch eine eingezäunte Herde von Schafen, Ziegen oder Rindern herbeigelockt und umſchleichen dann mit lüſternen Blicken, bezüglich mit unheimlich grünlichfunkelnden Augen ärgerlich die dichte Umzäunung, welche ſie nicht zu durchdringen vermögen, und ſetzen durch ihr Geheul die eingeſchloſſenen Hausthiere in gewaltigen Schreck. Die wachſamen Hunde jener Gegenden treiben ſie ſtets ohne große Mühe zurück; ſie ſind trefflich eingeſchult, augenblicklich nach der Seite hinzuſtürzen, von welcher ihren Schutzbefohlenen eine Gefahr drohen könnte. Es kommt niemals vor, daß eine Hiäne den muthigen Wächtern Stand hielte; ſie ergreift vielmehr immer die Flucht vor der Meute, kommt aber nach ſehr kurzer Zeit wieder zurück. Sobald ſie eine Beute gewittert hat, ver- ſtummt ſie und trottet nun, ſo leiſe ſie kann, — denn zum Schleichen bringt ſie es nicht, — in kurzen Abſätzen näher und näher, äugt, lauſcht und wittert, ſo oft ſie ſtillſteht, und iſt jeden Augenblick bereit, die Flucht wieder zu ergreifen. Die gefleckte Art iſt etwas muthiger, als die geſtreifte, verhältniß- mäßig zu ihrer Größe aber immer noch ganz erbärmlich feig und furchtſam. Alle Hiänen greifen nur Thiere an, welche ſich gar nicht wehren, namentlich Schafe, Ziegen, junge Schweine und dergleichen, und auch dieſe regelmäßig von der Seite. Einen Ochſen oder ein Pferd zerreißen ſie äußerſt ſelten, und häufig genug ſind Fälle vorgekommen, daß ſie ſogar ein muthiger Eſel in die Flucht geſchlagen hat. Sie richten alſo blos unter den ſchwächeren Hausthieren Schaden an. Jn dieſem Kreiſe aber ſind die Verwüſtungen, welche ſie verurſachen, ſehr bedeutend. Am liebſten iſt es ihnen unter allen Umſtänden, wenn ſie ein Aas finden. Um dieſes herum beginnt regelmäßig ein Gewimmel, welches kaum zu ſchildern iſt. Sie ſind die Geier unter den Säugethieren, und ihre Gefräßigkeit iſt wahrhaft großartig. Dabei vergeſſen ſie alle Rückſichten und auch die Gleichgiltigkeit, welche ſie ſonſt zeigen. Man hört es ſehr oft, daß die Freſſenden in harte Kämpfe gerathen; es beginnt dann ein Krächzen, Kreiſchen und Gelächter, daß Aberglänbiſche wirklich glauben können, alle Teufel der Hölle ſeien los und ledig. Durch die Aufräumung des Aaſes werden ſie nützlich; der Schaden, welchen ſie den Herden zufügen, übertrifft jedoch jenen geringen Nutzen weit, weil das Aas auch durch andere, viel beſſere Arbeiter aus der Klaſſe der Vögel und der Kerbthiere weggeſchafft werden würde. Jm tiefen Jnnern Afrikas ſind die Hiänen noch heutigen Tages die Beſtatter der Leichname armer oder unfreier Leute, welche ihnen gleichſam zum Fraße vorgeworfen werden, und noch während der türkiſchen Herrſchaft war es gar nichts Seltenes, daß in Sennar und Obeïd während der Nachtzeit menſchliche Leichname von den Hiänen gefreſſen wurden. Jn Südoſtafrika graben ſie die nur leicht verſcharrten Leichen der Hottentotten aus, und hierauf mögen ſich alle die böſen Nachreden gründen, an denen ſie noch jetzt zu leiden haben. Den Reiſezügen durch Steppen und Wüſten folgen ſie in größerer oder geringerer Zahl, gleichſam, als ob ſie wüßten, daß ihnen aus ſolchen Zügen doch ein Opfer werden müſſe. Jm Nothfalle begnügt ſich das gefräßige Vieh aber auch mit thieriſchen Ueberreſten aller Art, ſelbſt mit trocknem Leder und dergleichen. Auf den Schlachtplätzen, welche im Jnnern Afrikas immer vor der Ortſchaft liegen, raffen ſie das am Boden vertrocknete, ſtinkende Blut gierig auf und verſchlingen dabei häufig eine Menge von Erde oder Straßenſchmuz; um die Kothhaufen der Dorfbewohner ſieht man ſie regelmäßig beſchäftigt. Von der Beute, welche eine Hiäne gefaßt hat, läßt ſie ſich nicht wieder abtreiben. Sie nimmt dann wenigſtens ein Stück derſelben mit, und was ſie einmal im Rachen trägt, giebt ſie lebendig nicht wieder her, ſelbſt wenn ſie geſchlagen oder ſonſt wie gemißhandelt wird. Vielfach iſt hin- und hergeſtritten worden, ob die Hiänen auch den Menſchen angreifen oder nicht. Die geſtreifte thut es ganz entſchieden nicht, die gefleckte aber greift Kinder oder ſchlafende Erwachſene wirklich an und ſchleppt ſie mit ſich weg; denn ihre Kraft iſt ſo groß, daß ſie bequem einen Menſchen forttragen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/523>, abgerufen am 25.11.2024.