nennen. Die vergleichende Forschung findet noch andere ihnen eigenthümliche Merkmale auf. Jn dem sehr kräftigen Gebiß sind die Schneidezähne sehr entwickelt, die großen Eckzähne aber plump und kegel- förmig, die drei Lückzähne haben starke eingedrückte Kronen. Am Schädel ist der Schnauzentheil breit und stumpf, der Hirnkasten eng, die Jochbögen und Leisten sind stark und abstehend, die Halswirbel, von denen die Alten glaubten, daß sie zu einem einzigen Stücke verschmölzen, sehr kräftig; sie bieten den hier besonders entwickelten Muskeln vielfache Ansatzflächen. Mächtige Kaumuskeln, große Speicheldrüsen, die hornigbewarzte Zunge, eine weite Speiseröhre und eigenthümlich ausgedehnte Drüsen in der Aftergegend kennzeichnen die Thiere noch anderweitig.
Der Verbreitungskreis der Hiänen ist ein sehr ausgedehnter. Sie finden sich in dem größten Theile Süd- und Westasiens bis zum Altai, besonders häufig sind sie jedoch in ganz Afrika, und dieser Erdtheil ist deshalb auch als ihr eigentliches Vaterland anzusehen.
Bei Tage sieht man sie nur, wenn sie durch einen Zufall aufgescheucht wurden; freiwillig verläßt keine Hiäne ihren Schlupfwinkel. Die Nacht muß schon vollständig hereingebrochen sein, ehe sie daran denken, ihre Raubzüge zu beginnen. Jn stark bewohnten Gegenden wagen sie sich selten bis in die Nähe der Menschen heran; in dünner bevölkerten Landstrichen aber kommen sie auf ihren nächtlichen Wanderungen dreist bis in das Jnnere der Ortschaften herein. Etwa eine Stunde nach Sonnen- untergang vernimmt man in den einsamsten Gebirgs- oder Waldgegenden, in der Steppe oder selbst in der Wüste das Geheul der einzeln oder in kleinen Gesellschaften herumschweifenden Thiere. Jn den Urwäldern Mittelafrikas und namentlich in den Uferwaldungen des blauen Flusses bilden diese Heuler einen förmlichen Chor; denn sobald die eine mit ihrem abscheulichen Nachtgesange beginnt, stimmen die anderen augenblicklich ein. Das Geheul der gewöhnlichen (gestreiften) Hiäne ist sehr mißtönend, aber nicht so widerlich, als man gesagt hat. Jch und meine ganze Reisegesellschaft sind durch dasselbe stets im hohen Grade belustigt worden. Das Geschrei oder Geheul selbst ist sehr ver- schieden. Heisere Laute wechseln mit hochtönenden, kreischende mit murmelnden oder knurrenden ab. Dagegen zeichnet sich das Geheul der gefleckten Art durch ein wahrhaft fürchterliches Gelächter aus, ein Lachen, wie es die gläubige Seele und die rege Phantasie etwa dem Teufel und seinen höllischen Gesellen zuschreibt, scheinbar ein Hohnlachen der Hölle selbst. Wer diese Töne zum ersten Male ver- nimmt, kann sich eines gelinden Schauders kaum entwehren, und der unbefangene Verstand erkennt in ihnen sofort einen der hauptsächlichsten Gründe für die Entstehung der verschiedenen Sagen über unsere Thiere. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich die Hiänen mit ihren Nachtgesängen gegenseitig zu- sammenheulen, und soviel ist sicher, daß die Musik augenblicklich in einer Gegend verstummt, sobald einer der Heuler irgend welchen Fraß gefunden hat. Besondere Erscheinungen, welche Verwunderung erregen oder Schrecken verursachen, werden von der gestreiften Hiäne immer mit Geheul, von der gefleckten mit Gelächter begrüßt. So erschien, als wir in der Neujahrsnacht von 1850 zu 1851 mitten im Urwald am blauen Fluß ein großes Feuer angezündet hatten, um nach unsrer Weise das Fest zu feiern, auf der Höhe des steilen Uferrandes mit einem Male eine gestreifte Hiäne, trat so weit vor, daß sie grell von den Flammen beleuchtet und hierdurch Allen sichtbar wurde, begann nun ein wahrhaft jämmerliches Geheul, blieb aber ganz feststehen und starrte in das Feuer. Erst die Antwort, welche wir ihr durch ein schallendes Gelächter gaben, vertrieb sie von ihrem Schauplatz und jagte sie in das Dunkel der Wälder zurück. Das Hiänengeheul ist geradezu unzertrennlich von einer Nacht im Urwalde; es ist immer das tonangebende, und die einzelnen anderen Stimmen sind gleichsam begleitende; denn die übrigen Raub- oder Nachtthiere des Waldes, wie Löwe, Panther, Elefant, Wolf und Nachteule stimmen blos zuweilen in das endlose Nachtlied der Hiänen.
Solange die Nacht währt, sind die herumstreifenden Thiere in steter Bewegung, und erst gegen den Morgen hin ziehen sie sich wieder nach ihren Ruheplätzen zurück. Jn die Städte und Dörfer kommen sie, nach meinen Beobachtungen, selten vor zehn Uhr nachts, dann aber auch ohne Scheu, selbst ohne sich durch die Hunde beirren zu lassen. Jn der Stadt Sennaar am blauen Flusse traf ich, von einem Gastmahle heimkehrend, um Mitternacht eine sehr zahlreiche Gesellschaft von Hiänen
Die Raubthiere. Hunde. — Hiäne.
nennen. Die vergleichende Forſchung findet noch andere ihnen eigenthümliche Merkmale auf. Jn dem ſehr kräftigen Gebiß ſind die Schneidezähne ſehr entwickelt, die großen Eckzähne aber plump und kegel- förmig, die drei Lückzähne haben ſtarke eingedrückte Kronen. Am Schädel iſt der Schnauzentheil breit und ſtumpf, der Hirnkaſten eng, die Jochbögen und Leiſten ſind ſtark und abſtehend, die Halswirbel, von denen die Alten glaubten, daß ſie zu einem einzigen Stücke verſchmölzen, ſehr kräftig; ſie bieten den hier beſonders entwickelten Muskeln vielfache Anſatzflächen. Mächtige Kaumuskeln, große Speicheldrüſen, die hornigbewarzte Zunge, eine weite Speiſeröhre und eigenthümlich ausgedehnte Drüſen in der Aftergegend kennzeichnen die Thiere noch anderweitig.
Der Verbreitungskreis der Hiänen iſt ein ſehr ausgedehnter. Sie finden ſich in dem größten Theile Süd- und Weſtaſiens bis zum Altai, beſonders häufig ſind ſie jedoch in ganz Afrika, und dieſer Erdtheil iſt deshalb auch als ihr eigentliches Vaterland anzuſehen.
Bei Tage ſieht man ſie nur, wenn ſie durch einen Zufall aufgeſcheucht wurden; freiwillig verläßt keine Hiäne ihren Schlupfwinkel. Die Nacht muß ſchon vollſtändig hereingebrochen ſein, ehe ſie daran denken, ihre Raubzüge zu beginnen. Jn ſtark bewohnten Gegenden wagen ſie ſich ſelten bis in die Nähe der Menſchen heran; in dünner bevölkerten Landſtrichen aber kommen ſie auf ihren nächtlichen Wanderungen dreiſt bis in das Jnnere der Ortſchaften herein. Etwa eine Stunde nach Sonnen- untergang vernimmt man in den einſamſten Gebirgs- oder Waldgegenden, in der Steppe oder ſelbſt in der Wüſte das Geheul der einzeln oder in kleinen Geſellſchaften herumſchweifenden Thiere. Jn den Urwäldern Mittelafrikas und namentlich in den Uferwaldungen des blauen Fluſſes bilden dieſe Heuler einen förmlichen Chor; denn ſobald die eine mit ihrem abſcheulichen Nachtgeſange beginnt, ſtimmen die anderen augenblicklich ein. Das Geheul der gewöhnlichen (geſtreiften) Hiäne iſt ſehr mißtönend, aber nicht ſo widerlich, als man geſagt hat. Jch und meine ganze Reiſegeſellſchaft ſind durch daſſelbe ſtets im hohen Grade beluſtigt worden. Das Geſchrei oder Geheul ſelbſt iſt ſehr ver- ſchieden. Heiſere Laute wechſeln mit hochtönenden, kreiſchende mit murmelnden oder knurrenden ab. Dagegen zeichnet ſich das Geheul der gefleckten Art durch ein wahrhaft fürchterliches Gelächter aus, ein Lachen, wie es die gläubige Seele und die rege Phantaſie etwa dem Teufel und ſeinen hölliſchen Geſellen zuſchreibt, ſcheinbar ein Hohnlachen der Hölle ſelbſt. Wer dieſe Töne zum erſten Male ver- nimmt, kann ſich eines gelinden Schauders kaum entwehren, und der unbefangene Verſtand erkennt in ihnen ſofort einen der hauptſächlichſten Gründe für die Entſtehung der verſchiedenen Sagen über unſere Thiere. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß ſich die Hiänen mit ihren Nachtgeſängen gegenſeitig zu- ſammenheulen, und ſoviel iſt ſicher, daß die Muſik augenblicklich in einer Gegend verſtummt, ſobald einer der Heuler irgend welchen Fraß gefunden hat. Beſondere Erſcheinungen, welche Verwunderung erregen oder Schrecken verurſachen, werden von der geſtreiften Hiäne immer mit Geheul, von der gefleckten mit Gelächter begrüßt. So erſchien, als wir in der Neujahrsnacht von 1850 zu 1851 mitten im Urwald am blauen Fluß ein großes Feuer angezündet hatten, um nach unſrer Weiſe das Feſt zu feiern, auf der Höhe des ſteilen Uferrandes mit einem Male eine geſtreifte Hiäne, trat ſo weit vor, daß ſie grell von den Flammen beleuchtet und hierdurch Allen ſichtbar wurde, begann nun ein wahrhaft jämmerliches Geheul, blieb aber ganz feſtſtehen und ſtarrte in das Feuer. Erſt die Antwort, welche wir ihr durch ein ſchallendes Gelächter gaben, vertrieb ſie von ihrem Schauplatz und jagte ſie in das Dunkel der Wälder zurück. Das Hiänengeheul iſt geradezu unzertrennlich von einer Nacht im Urwalde; es iſt immer das tonangebende, und die einzelnen anderen Stimmen ſind gleichſam begleitende; denn die übrigen Raub- oder Nachtthiere des Waldes, wie Löwe, Panther, Elefant, Wolf und Nachteule ſtimmen blos zuweilen in das endloſe Nachtlied der Hiänen.
Solange die Nacht währt, ſind die herumſtreifenden Thiere in ſteter Bewegung, und erſt gegen den Morgen hin ziehen ſie ſich wieder nach ihren Ruheplätzen zurück. Jn die Städte und Dörfer kommen ſie, nach meinen Beobachtungen, ſelten vor zehn Uhr nachts, dann aber auch ohne Scheu, ſelbſt ohne ſich durch die Hunde beirren zu laſſen. Jn der Stadt Sennaar am blauen Fluſſe traf ich, von einem Gaſtmahle heimkehrend, um Mitternacht eine ſehr zahlreiche Geſellſchaft von Hiänen
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[452/0522]
Die Raubthiere. Hunde. — Hiäne.
nennen. Die vergleichende Forſchung findet noch andere ihnen eigenthümliche Merkmale auf. Jn dem
ſehr kräftigen Gebiß ſind die Schneidezähne ſehr entwickelt, die großen Eckzähne aber plump und kegel-
förmig, die drei Lückzähne haben ſtarke eingedrückte Kronen. Am Schädel iſt der Schnauzentheil breit
und ſtumpf, der Hirnkaſten eng, die Jochbögen und Leiſten ſind ſtark und abſtehend, die Halswirbel,
von denen die Alten glaubten, daß ſie zu einem einzigen Stücke verſchmölzen, ſehr kräftig; ſie bieten
den hier beſonders entwickelten Muskeln vielfache Anſatzflächen. Mächtige Kaumuskeln, große
Speicheldrüſen, die hornigbewarzte Zunge, eine weite Speiſeröhre und eigenthümlich ausgedehnte
Drüſen in der Aftergegend kennzeichnen die Thiere noch anderweitig.
Der Verbreitungskreis der Hiänen iſt ein ſehr ausgedehnter. Sie finden ſich in dem größten
Theile Süd- und Weſtaſiens bis zum Altai, beſonders häufig ſind ſie jedoch in ganz Afrika, und dieſer
Erdtheil iſt deshalb auch als ihr eigentliches Vaterland anzuſehen.
Bei Tage ſieht man ſie nur, wenn ſie durch einen Zufall aufgeſcheucht wurden; freiwillig verläßt
keine Hiäne ihren Schlupfwinkel. Die Nacht muß ſchon vollſtändig hereingebrochen ſein, ehe ſie daran
denken, ihre Raubzüge zu beginnen. Jn ſtark bewohnten Gegenden wagen ſie ſich ſelten bis in die
Nähe der Menſchen heran; in dünner bevölkerten Landſtrichen aber kommen ſie auf ihren nächtlichen
Wanderungen dreiſt bis in das Jnnere der Ortſchaften herein. Etwa eine Stunde nach Sonnen-
untergang vernimmt man in den einſamſten Gebirgs- oder Waldgegenden, in der Steppe oder ſelbſt
in der Wüſte das Geheul der einzeln oder in kleinen Geſellſchaften herumſchweifenden Thiere. Jn
den Urwäldern Mittelafrikas und namentlich in den Uferwaldungen des blauen Fluſſes bilden dieſe
Heuler einen förmlichen Chor; denn ſobald die eine mit ihrem abſcheulichen Nachtgeſange beginnt,
ſtimmen die anderen augenblicklich ein. Das Geheul der gewöhnlichen (geſtreiften) Hiäne iſt ſehr
mißtönend, aber nicht ſo widerlich, als man geſagt hat. Jch und meine ganze Reiſegeſellſchaft ſind
durch daſſelbe ſtets im hohen Grade beluſtigt worden. Das Geſchrei oder Geheul ſelbſt iſt ſehr ver-
ſchieden. Heiſere Laute wechſeln mit hochtönenden, kreiſchende mit murmelnden oder knurrenden ab.
Dagegen zeichnet ſich das Geheul der gefleckten Art durch ein wahrhaft fürchterliches Gelächter aus,
ein Lachen, wie es die gläubige Seele und die rege Phantaſie etwa dem Teufel und ſeinen hölliſchen
Geſellen zuſchreibt, ſcheinbar ein Hohnlachen der Hölle ſelbſt. Wer dieſe Töne zum erſten Male ver-
nimmt, kann ſich eines gelinden Schauders kaum entwehren, und der unbefangene Verſtand erkennt
in ihnen ſofort einen der hauptſächlichſten Gründe für die Entſtehung der verſchiedenen Sagen über
unſere Thiere. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß ſich die Hiänen mit ihren Nachtgeſängen gegenſeitig zu-
ſammenheulen, und ſoviel iſt ſicher, daß die Muſik augenblicklich in einer Gegend verſtummt, ſobald
einer der Heuler irgend welchen Fraß gefunden hat. Beſondere Erſcheinungen, welche Verwunderung
erregen oder Schrecken verurſachen, werden von der geſtreiften Hiäne immer mit Geheul, von der
gefleckten mit Gelächter begrüßt. So erſchien, als wir in der Neujahrsnacht von 1850 zu 1851
mitten im Urwald am blauen Fluß ein großes Feuer angezündet hatten, um nach unſrer Weiſe das
Feſt zu feiern, auf der Höhe des ſteilen Uferrandes mit einem Male eine geſtreifte Hiäne, trat ſo
weit vor, daß ſie grell von den Flammen beleuchtet und hierdurch Allen ſichtbar wurde, begann nun
ein wahrhaft jämmerliches Geheul, blieb aber ganz feſtſtehen und ſtarrte in das Feuer. Erſt die
Antwort, welche wir ihr durch ein ſchallendes Gelächter gaben, vertrieb ſie von ihrem Schauplatz und
jagte ſie in das Dunkel der Wälder zurück. Das Hiänengeheul iſt geradezu unzertrennlich von einer
Nacht im Urwalde; es iſt immer das tonangebende, und die einzelnen anderen Stimmen ſind gleichſam
begleitende; denn die übrigen Raub- oder Nachtthiere des Waldes, wie Löwe, Panther, Elefant,
Wolf und Nachteule ſtimmen blos zuweilen in das endloſe Nachtlied der Hiänen.
Solange die Nacht währt, ſind die herumſtreifenden Thiere in ſteter Bewegung, und erſt gegen
den Morgen hin ziehen ſie ſich wieder nach ihren Ruheplätzen zurück. Jn die Städte und Dörfer
kommen ſie, nach meinen Beobachtungen, ſelten vor zehn Uhr nachts, dann aber auch ohne Scheu,
ſelbſt ohne ſich durch die Hunde beirren zu laſſen. Jn der Stadt Sennaar am blauen Fluſſe traf
ich, von einem Gaſtmahle heimkehrend, um Mitternacht eine ſehr zahlreiche Geſellſchaft von Hiänen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/522>, abgerufen am 25.11.2024.
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