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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Frei- und Gefangenleben.
Thierchen ist nicht einmal im Stande, ein so großes Ei fortzuschleppen; aber es weiß sich doch zu
helfen, wie unsre in jeder Hinsicht vortreffliche Zeichnung es recht hübsch darstellt. Der Fuchs rollt
das Ei einfach vom Neste aus bis zu seinem Baue hin und öffnet es hier in einer ebenso einfachen
als gescheiten Weise. Für sein schwaches Gebiß ist die harte Schale viel zu stark; sie erlaubt den
scharfen Zähnen wegen der Glätte und des großen Durchmessers des Eies nicht einmal eine ordentliche
Ansatzfläche. So muß der Kama auf andere Mittel denken, um sie zu zerschellen. Jm Bau angekommen,
rollt er das Ei über einige Steine hinab, bis es zerbricht; dann ist er geschwind bei der Hand und
leckt den herausfließenden Jnhalt gierig auf.

Die beständige Verfolgung, welcher der Kama ausgesetzt ist, hat ihn weiter und weiter zurück-
gedrängt. Jn der Nähe der Kapstadt ist er bereits gänzlich vertrieben, und auch im Jnnern kann
er nicht eben häufig sein, weil man ihn so selten in Sammlungen findet. Viele unserer Lehrbücher
führen ihn nicht einmal auf; vielleicht verwechseln sie ihn mit anderen Arten Mittelafrikas, welche
Manche ebenfalls nicht als selbstständig anerkennen wollen, einfach deshalb, weil -- ihre Zähne
merkwürdigerweise mit denen anderer Füchse übereinstimmen. So Etwas ist für einen Museums-
menschen ein hinlänglicher Grund, um an der Artselbstständigkeit eines Thieres zu zweifeln.



Von allen bisher genannten Füchsen unterscheiden sich zwei afrikanische Arten durch ihren
außerordentlich zierlichen Bau und die großen Lauscher, welche bei beiden Arten (oder Sippen, wie
man in der Neuzeit mit Fug und Recht bestimmt) alles gewöhnliche Maß weit übertreffen. Eine
dieser Arten bewohnt die Wüste, die andre die Steppe, und beide geben sich als treue Kinder ihrer
Heimat kund. Wer auch nur oberflächlich mit den Erzeugnissen des Landes bekannt ist, welches sie
beherbergt, muß sie augenblicklich als Wüsten- oder Steppenthiere erkennen und wird sogar im
Stande sein, ohne von ihrem Aufenthalt Etwas zu wissen, sie sofort unter den übrigen Wüsten- oder
Steppenthieren einzureihen. Jch habe schon einmal erwähnt, daß alle Thiere, welche die Wüste her-
vorbrachte, eigenthümlich gestaltet und gezeichnet sind. Die große Allmutter giebt den Geschöpfen,
welche sie in ihrem Schose hegt, das entsprechendste Gewand: alle Wüstenthiere zeichnen sich vor den
übrigen nicht blos durch das Kleid aus, sondern noch mehr durch den leichten und schönen Leibesbau.
Das Kleid hat unter allen Umständen mehr oder weniger die Färbung des Sandes; denn alle Ab-
weichungen von dem Sandgelb, welche vorkommen, sind unwesentlich. Der Leib ist verhältnißmäßig
klein, dabei aber äußerst zierlich und leicht gebaut, und gleichwohl zu den schnellsten Bewegungen und
zu überraschender Ausdauer befähigt. Dazu besitzen sämmtliche Wüstenthiere eine Schärfe der Sinne,
wie sie in solcher Einhelligkeit nur bei wenig anderen Geschöpfen gefunden wird, und allen endlich
wohnt ein frischer, fröhlicher Geist inne, eine Liebe zur Freiheit, ein Hang zur Unabhängigkeit und
ein Selbstbewußtsein ohne Gleichen. Nicht blos der gelbbraune Beduine ist frei, leiblich, wie geistig,
auch die höheren Thiere seiner Heimat sind es; auch sie leben und athmen blos, wenn sie ihre Wüste
um sich haben. Jn der Färbung kommen Abweichungen, Veränderungen vor: in dem geistigen Wesen
sind sich alle Wüstenthiere gleich.

Man möchte versucht werden, bei Betrachtung der Wüstenthiere einmal gläubiger Nachbeter der
unheilvollen Zweckmäßigkeitslehre zu sein; denn wirklich sind die Wüstenthiere auf das allerzweck-
mäßigste eingerichtet. Die Wüste ist zu arm an Nahrung, als daß sie große Thiere ernähren könnte.
Es finden sich deshalb in ihr nur verhältnißmäßig kleine, zierliche Geschöpfe, deren geringe Körper-
größe wenig Nahrung bedarf. Und auch diese spärliche Nahrung kann nicht so ohne Beschwerde er-
rungen werden: deshalb verlieh die Wüste ihren Kindern die nöthige Behendigkeit und Ausdauer;
deshalb schärfte sie ihnen die Sinne, um auch das Wenige wahrzunehmen, was sie ihnen bieten konnte.
Große Lauscher setzen unsern Fuchs oder alle Wüstenthiere überhaupt in den Stand, auch das geringste
Geräusch zu vernehmen, die scharfen Seher gestatten ihm und ihnen einen weiten Ueberblick, die feine
Nase bringt jeden Geruch zum Bewußtsein. Jhr dem Erdboden gleichgefärbter Balg verbirgt sie selbst

Frei- und Gefangenleben.
Thierchen iſt nicht einmal im Stande, ein ſo großes Ei fortzuſchleppen; aber es weiß ſich doch zu
helfen, wie unſre in jeder Hinſicht vortreffliche Zeichnung es recht hübſch darſtellt. Der Fuchs rollt
das Ei einfach vom Neſte aus bis zu ſeinem Baue hin und öffnet es hier in einer ebenſo einfachen
als geſcheiten Weiſe. Für ſein ſchwaches Gebiß iſt die harte Schale viel zu ſtark; ſie erlaubt den
ſcharfen Zähnen wegen der Glätte und des großen Durchmeſſers des Eies nicht einmal eine ordentliche
Anſatzfläche. So muß der Kama auf andere Mittel denken, um ſie zu zerſchellen. Jm Bau angekommen,
rollt er das Ei über einige Steine hinab, bis es zerbricht; dann iſt er geſchwind bei der Hand und
leckt den herausfließenden Jnhalt gierig auf.

Die beſtändige Verfolgung, welcher der Kama ausgeſetzt iſt, hat ihn weiter und weiter zurück-
gedrängt. Jn der Nähe der Kapſtadt iſt er bereits gänzlich vertrieben, und auch im Jnnern kann
er nicht eben häufig ſein, weil man ihn ſo ſelten in Sammlungen findet. Viele unſerer Lehrbücher
führen ihn nicht einmal auf; vielleicht verwechſeln ſie ihn mit anderen Arten Mittelafrikas, welche
Manche ebenfalls nicht als ſelbſtſtändig anerkennen wollen, einfach deshalb, weil — ihre Zähne
merkwürdigerweiſe mit denen anderer Füchſe übereinſtimmen. So Etwas iſt für einen Muſeums-
menſchen ein hinlänglicher Grund, um an der Artſelbſtſtändigkeit eines Thieres zu zweifeln.



Von allen bisher genannten Füchſen unterſcheiden ſich zwei afrikaniſche Arten durch ihren
außerordentlich zierlichen Bau und die großen Lauſcher, welche bei beiden Arten (oder Sippen, wie
man in der Neuzeit mit Fug und Recht beſtimmt) alles gewöhnliche Maß weit übertreffen. Eine
dieſer Arten bewohnt die Wüſte, die andre die Steppe, und beide geben ſich als treue Kinder ihrer
Heimat kund. Wer auch nur oberflächlich mit den Erzeugniſſen des Landes bekannt iſt, welches ſie
beherbergt, muß ſie augenblicklich als Wüſten- oder Steppenthiere erkennen und wird ſogar im
Stande ſein, ohne von ihrem Aufenthalt Etwas zu wiſſen, ſie ſofort unter den übrigen Wüſten- oder
Steppenthieren einzureihen. Jch habe ſchon einmal erwähnt, daß alle Thiere, welche die Wüſte her-
vorbrachte, eigenthümlich geſtaltet und gezeichnet ſind. Die große Allmutter giebt den Geſchöpfen,
welche ſie in ihrem Schoſe hegt, das entſprechendſte Gewand: alle Wüſtenthiere zeichnen ſich vor den
übrigen nicht blos durch das Kleid aus, ſondern noch mehr durch den leichten und ſchönen Leibesbau.
Das Kleid hat unter allen Umſtänden mehr oder weniger die Färbung des Sandes; denn alle Ab-
weichungen von dem Sandgelb, welche vorkommen, ſind unweſentlich. Der Leib iſt verhältnißmäßig
klein, dabei aber äußerſt zierlich und leicht gebaut, und gleichwohl zu den ſchnellſten Bewegungen und
zu überraſchender Ausdauer befähigt. Dazu beſitzen ſämmtliche Wüſtenthiere eine Schärfe der Sinne,
wie ſie in ſolcher Einhelligkeit nur bei wenig anderen Geſchöpfen gefunden wird, und allen endlich
wohnt ein friſcher, fröhlicher Geiſt inne, eine Liebe zur Freiheit, ein Hang zur Unabhängigkeit und
ein Selbſtbewußtſein ohne Gleichen. Nicht blos der gelbbraune Beduine iſt frei, leiblich, wie geiſtig,
auch die höheren Thiere ſeiner Heimat ſind es; auch ſie leben und athmen blos, wenn ſie ihre Wüſte
um ſich haben. Jn der Färbung kommen Abweichungen, Veränderungen vor: in dem geiſtigen Weſen
ſind ſich alle Wüſtenthiere gleich.

Man möchte verſucht werden, bei Betrachtung der Wüſtenthiere einmal gläubiger Nachbeter der
unheilvollen Zweckmäßigkeitslehre zu ſein; denn wirklich ſind die Wüſtenthiere auf das allerzweck-
mäßigſte eingerichtet. Die Wüſte iſt zu arm an Nahrung, als daß ſie große Thiere ernähren könnte.
Es finden ſich deshalb in ihr nur verhältnißmäßig kleine, zierliche Geſchöpfe, deren geringe Körper-
größe wenig Nahrung bedarf. Und auch dieſe ſpärliche Nahrung kann nicht ſo ohne Beſchwerde er-
rungen werden: deshalb verlieh die Wüſte ihren Kindern die nöthige Behendigkeit und Ausdauer;
deshalb ſchärfte ſie ihnen die Sinne, um auch das Wenige wahrzunehmen, was ſie ihnen bieten konnte.
Große Lauſcher ſetzen unſern Fuchs oder alle Wüſtenthiere überhaupt in den Stand, auch das geringſte
Geräuſch zu vernehmen, die ſcharfen Seher geſtatten ihm und ihnen einen weiten Ueberblick, die feine
Naſe bringt jeden Geruch zum Bewußtſein. Jhr dem Erdboden gleichgefärbter Balg verbirgt ſie ſelbſt

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[441/0509] Frei- und Gefangenleben. Thierchen iſt nicht einmal im Stande, ein ſo großes Ei fortzuſchleppen; aber es weiß ſich doch zu helfen, wie unſre in jeder Hinſicht vortreffliche Zeichnung es recht hübſch darſtellt. Der Fuchs rollt das Ei einfach vom Neſte aus bis zu ſeinem Baue hin und öffnet es hier in einer ebenſo einfachen als geſcheiten Weiſe. Für ſein ſchwaches Gebiß iſt die harte Schale viel zu ſtark; ſie erlaubt den ſcharfen Zähnen wegen der Glätte und des großen Durchmeſſers des Eies nicht einmal eine ordentliche Anſatzfläche. So muß der Kama auf andere Mittel denken, um ſie zu zerſchellen. Jm Bau angekommen, rollt er das Ei über einige Steine hinab, bis es zerbricht; dann iſt er geſchwind bei der Hand und leckt den herausfließenden Jnhalt gierig auf. Die beſtändige Verfolgung, welcher der Kama ausgeſetzt iſt, hat ihn weiter und weiter zurück- gedrängt. Jn der Nähe der Kapſtadt iſt er bereits gänzlich vertrieben, und auch im Jnnern kann er nicht eben häufig ſein, weil man ihn ſo ſelten in Sammlungen findet. Viele unſerer Lehrbücher führen ihn nicht einmal auf; vielleicht verwechſeln ſie ihn mit anderen Arten Mittelafrikas, welche Manche ebenfalls nicht als ſelbſtſtändig anerkennen wollen, einfach deshalb, weil — ihre Zähne merkwürdigerweiſe mit denen anderer Füchſe übereinſtimmen. So Etwas iſt für einen Muſeums- menſchen ein hinlänglicher Grund, um an der Artſelbſtſtändigkeit eines Thieres zu zweifeln. Von allen bisher genannten Füchſen unterſcheiden ſich zwei afrikaniſche Arten durch ihren außerordentlich zierlichen Bau und die großen Lauſcher, welche bei beiden Arten (oder Sippen, wie man in der Neuzeit mit Fug und Recht beſtimmt) alles gewöhnliche Maß weit übertreffen. Eine dieſer Arten bewohnt die Wüſte, die andre die Steppe, und beide geben ſich als treue Kinder ihrer Heimat kund. Wer auch nur oberflächlich mit den Erzeugniſſen des Landes bekannt iſt, welches ſie beherbergt, muß ſie augenblicklich als Wüſten- oder Steppenthiere erkennen und wird ſogar im Stande ſein, ohne von ihrem Aufenthalt Etwas zu wiſſen, ſie ſofort unter den übrigen Wüſten- oder Steppenthieren einzureihen. Jch habe ſchon einmal erwähnt, daß alle Thiere, welche die Wüſte her- vorbrachte, eigenthümlich geſtaltet und gezeichnet ſind. Die große Allmutter giebt den Geſchöpfen, welche ſie in ihrem Schoſe hegt, das entſprechendſte Gewand: alle Wüſtenthiere zeichnen ſich vor den übrigen nicht blos durch das Kleid aus, ſondern noch mehr durch den leichten und ſchönen Leibesbau. Das Kleid hat unter allen Umſtänden mehr oder weniger die Färbung des Sandes; denn alle Ab- weichungen von dem Sandgelb, welche vorkommen, ſind unweſentlich. Der Leib iſt verhältnißmäßig klein, dabei aber äußerſt zierlich und leicht gebaut, und gleichwohl zu den ſchnellſten Bewegungen und zu überraſchender Ausdauer befähigt. Dazu beſitzen ſämmtliche Wüſtenthiere eine Schärfe der Sinne, wie ſie in ſolcher Einhelligkeit nur bei wenig anderen Geſchöpfen gefunden wird, und allen endlich wohnt ein friſcher, fröhlicher Geiſt inne, eine Liebe zur Freiheit, ein Hang zur Unabhängigkeit und ein Selbſtbewußtſein ohne Gleichen. Nicht blos der gelbbraune Beduine iſt frei, leiblich, wie geiſtig, auch die höheren Thiere ſeiner Heimat ſind es; auch ſie leben und athmen blos, wenn ſie ihre Wüſte um ſich haben. Jn der Färbung kommen Abweichungen, Veränderungen vor: in dem geiſtigen Weſen ſind ſich alle Wüſtenthiere gleich. Man möchte verſucht werden, bei Betrachtung der Wüſtenthiere einmal gläubiger Nachbeter der unheilvollen Zweckmäßigkeitslehre zu ſein; denn wirklich ſind die Wüſtenthiere auf das allerzweck- mäßigſte eingerichtet. Die Wüſte iſt zu arm an Nahrung, als daß ſie große Thiere ernähren könnte. Es finden ſich deshalb in ihr nur verhältnißmäßig kleine, zierliche Geſchöpfe, deren geringe Körper- größe wenig Nahrung bedarf. Und auch dieſe ſpärliche Nahrung kann nicht ſo ohne Beſchwerde er- rungen werden: deshalb verlieh die Wüſte ihren Kindern die nöthige Behendigkeit und Ausdauer; deshalb ſchärfte ſie ihnen die Sinne, um auch das Wenige wahrzunehmen, was ſie ihnen bieten konnte. Große Lauſcher ſetzen unſern Fuchs oder alle Wüſtenthiere überhaupt in den Stand, auch das geringſte Geräuſch zu vernehmen, die ſcharfen Seher geſtatten ihm und ihnen einen weiten Ueberblick, die feine Naſe bringt jeden Geruch zum Bewußtſein. Jhr dem Erdboden gleichgefärbter Balg verbirgt ſie ſelbſt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/509>, abgerufen am 27.11.2024.