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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Stellers Schilderung. Fortpflanzung. Das Fell.
Aufenthalts auf der Jnsel auf mich allein über zweihundert ermordete Thiere rechnen. Den dritten
Tag nach meiner Ankunft erschlug ich binnen drei Stunden über siebenzig mit einem Beil, aus deren
Fellen das Dach über unserer Hütte verfertigt ward. -- Aufs Fressen sind sie so begierig, daß man ihnen
mit der einen Hand ein Stück Fleisch vorhalten und mit der andern die Art oder den Stock führen
konnte, um sie zu erschlagen. Wir legten einen Seehund hin, standen mit einem Stock nur zwei
Schritte davon und machten die Augen zu, als ob wir sie nicht sähen: bald kamen sie angestiegen,
singen an zu fressen und wurden erschlagen, ohne daß sich daran die andern hätten spiegeln und ent-
laufen sollen. Wir gruben ein Loch oder Grab und warfen Fleisch oder ihre todten Kameraden hinein;
ehe man sichs versah, war die ganze Grube voll, da wir denn mit Knütteln Alles erschlugen. Ob-
gleich wir ihre schönen Felle, deren es hier wohl über ein Drittheil der bläulichen Art giebt, nicht
achteten, auch nicht einmal abzogen, lagen wir doch beständig gegen sie, als unsere geschwornen Feinde,
zu Felde. Alle Morgen schleppten wir unsere lebendig gefangenen Diebe bei den Schwänzen zur
Hinrichtung oder Bestrafung vor die Kaserne auf den Richtplatz, wo einige enthauptet, anderen die
Beine zerschlagen oder eines nebst dem Schwanze abgehauen wurde. Einigen stach man die Augen
aus, andere wurden bei den Füßen paarweise und lebendig aufgehangen, da sie sich einander todt-
beißen mußten. Einige wurden gesenget, andere mit Katzen zu Tode gepeitscht. Das Allerlächer-
lichste ist, wenn man sie erst beim Schwanze festhält, daß sie aus allen Kräften ziehen, und dann den
Schwanz abhaut; da fahren sie einige Schritte voraus und drehen sich, wenn sie den Schwanz missen,
über zwanzigmal im Kreise herum. Dennoch ließen sie sich nicht warnen und von unsern Hütten ab-
halten, und zuletzt sah man unzählige ohne Schwanz oder mit zwei oder drei Beinen auf der Jnsel
herumlaufen."

"Wenn diese geschäftigen Thiere einer Sache Nichts anhaben können, wie z. B. Kleidern, die
wir zuweilen ablegten, so loseten und harnten sie darauf, und dann geht selten einer vorbei, der Dies
nicht thun sollte. Aus Allem ersah man, daß sie hier nie einen Menschen mußten gesehen haben, und
daß die Furcht vor den Menschen den Thieren nicht angeboren, sondern auf lange Erfahrung ge-
gründet sein müsse."

Diese Ansicht Stellers ist jedenfalls unrichtig; denn wenn die Eisfüchse überhaupt Erfahrung
befolgen wollten, müßten sie sich in Norwegen ganz anders zeigen, als auf Behringseiland. Sie
sind aber hier und da dieselben. Genau an den nämlichen Orten, wo in Skandinavien Eisfüchse
leben, kommen auch Rothfüchse vor, und Freund Reinecke zeigt sich in Lappland gerade ebenso listig
und verschlagen, wie bei uns zu Lande.

Die Ranzzeit des Eisfuchses fällt, seinen heimatlichen Verhältnissen entsprechend, etwas später,
als die des Rothfuchses, nämlich in die Monate April und Mai. Die Begattung verrichten die Eis-
füchse mit vielem Geschrei, wie die Katzen. Sie rammeln Tag und Nacht und beißen sich aus Eifer-
sucht grausam, wie die Hunde. Mitte oder Ende Juni wölft das Weibchen in Höhlen und Felsen-
ritzen neun bis zehn, ja selbst zwölf Junge. Den Bau pflegen die Füchsinnen am liebsten oben auf
den Bergen oder am Rande derselben anzulegen. Sie lieben ihre Jungen außerordentlich, fast zu sehr;
denn sie verrathen dieselben, in der Absicht, sie vor Gefahren zu schützen. Sobald sie nämlich einen
Menschen auch nur von fern erblicken, beginnen sie zu bellen, wie die Hunde, wahrscheinlich, um die
Leute von ihrem Bau abzuhalten. Und hiervon mag wohl ihr russischer Name "Hündchen" her-
kommen. Bemerken sie, daß man ihren Bau entdeckt hat, so tragen sie die Jungen im Maule nach
einem verborgenen Ort, tödtet man aber die letzteren, so verfolgen Einen die Mütter mit großer Be-
gier Tag und Nacht durch viele Meilen und lassen, wie Steller sagt, nicht eher ab, bis sie ihrem
Feind einen Possen gespielt haben oder selbst erschlagen worden sind.

Man jagt die Eisfüchse theils, um sie auszurotten, theils, um ihren Balg zu verwerthen, obgleich
dieser nicht eben sehr geschätzt wird. Die meisten Felle gehen von Rußland nach China, und Ende
vorigen Jahrhunderts betrug die durchschnittliche Zahl immer noch Tausende jährlich. Aus Mangasea
allein sind in gewissen Jahren 40,000 Felle ausgeführt worden. Je dunkelblauer die Felle sind,

Stellers Schilderung. Fortpflanzung. Das Fell.
Aufenthalts auf der Jnſel auf mich allein über zweihundert ermordete Thiere rechnen. Den dritten
Tag nach meiner Ankunft erſchlug ich binnen drei Stunden über ſiebenzig mit einem Beil, aus deren
Fellen das Dach über unſerer Hütte verfertigt ward. — Aufs Freſſen ſind ſie ſo begierig, daß man ihnen
mit der einen Hand ein Stück Fleiſch vorhalten und mit der andern die Art oder den Stock führen
konnte, um ſie zu erſchlagen. Wir legten einen Seehund hin, ſtanden mit einem Stock nur zwei
Schritte davon und machten die Augen zu, als ob wir ſie nicht ſähen: bald kamen ſie angeſtiegen,
ſingen an zu freſſen und wurden erſchlagen, ohne daß ſich daran die andern hätten ſpiegeln und ent-
laufen ſollen. Wir gruben ein Loch oder Grab und warfen Fleiſch oder ihre todten Kameraden hinein;
ehe man ſichs verſah, war die ganze Grube voll, da wir denn mit Knütteln Alles erſchlugen. Ob-
gleich wir ihre ſchönen Felle, deren es hier wohl über ein Drittheil der bläulichen Art giebt, nicht
achteten, auch nicht einmal abzogen, lagen wir doch beſtändig gegen ſie, als unſere geſchwornen Feinde,
zu Felde. Alle Morgen ſchleppten wir unſere lebendig gefangenen Diebe bei den Schwänzen zur
Hinrichtung oder Beſtrafung vor die Kaſerne auf den Richtplatz, wo einige enthauptet, anderen die
Beine zerſchlagen oder eines nebſt dem Schwanze abgehauen wurde. Einigen ſtach man die Augen
aus, andere wurden bei den Füßen paarweiſe und lebendig aufgehangen, da ſie ſich einander todt-
beißen mußten. Einige wurden geſenget, andere mit Katzen zu Tode gepeitſcht. Das Allerlächer-
lichſte iſt, wenn man ſie erſt beim Schwanze feſthält, daß ſie aus allen Kräften ziehen, und dann den
Schwanz abhaut; da fahren ſie einige Schritte voraus und drehen ſich, wenn ſie den Schwanz miſſen,
über zwanzigmal im Kreiſe herum. Dennoch ließen ſie ſich nicht warnen und von unſern Hütten ab-
halten, und zuletzt ſah man unzählige ohne Schwanz oder mit zwei oder drei Beinen auf der Jnſel
herumlaufen.‟

„Wenn dieſe geſchäftigen Thiere einer Sache Nichts anhaben können, wie z. B. Kleidern, die
wir zuweilen ablegten, ſo loſeten und harnten ſie darauf, und dann geht ſelten einer vorbei, der Dies
nicht thun ſollte. Aus Allem erſah man, daß ſie hier nie einen Menſchen mußten geſehen haben, und
daß die Furcht vor den Menſchen den Thieren nicht angeboren, ſondern auf lange Erfahrung ge-
gründet ſein müſſe.‟

Dieſe Anſicht Stellers iſt jedenfalls unrichtig; denn wenn die Eisfüchſe überhaupt Erfahrung
befolgen wollten, müßten ſie ſich in Norwegen ganz anders zeigen, als auf Behringseiland. Sie
ſind aber hier und da dieſelben. Genau an den nämlichen Orten, wo in Skandinavien Eisfüchſe
leben, kommen auch Rothfüchſe vor, und Freund Reinecke zeigt ſich in Lappland gerade ebenſo liſtig
und verſchlagen, wie bei uns zu Lande.

Die Ranzzeit des Eisfuchſes fällt, ſeinen heimatlichen Verhältniſſen entſprechend, etwas ſpäter,
als die des Rothfuchſes, nämlich in die Monate April und Mai. Die Begattung verrichten die Eis-
füchſe mit vielem Geſchrei, wie die Katzen. Sie rammeln Tag und Nacht und beißen ſich aus Eifer-
ſucht grauſam, wie die Hunde. Mitte oder Ende Juni wölft das Weibchen in Höhlen und Felſen-
ritzen neun bis zehn, ja ſelbſt zwölf Junge. Den Bau pflegen die Füchſinnen am liebſten oben auf
den Bergen oder am Rande derſelben anzulegen. Sie lieben ihre Jungen außerordentlich, faſt zu ſehr;
denn ſie verrathen dieſelben, in der Abſicht, ſie vor Gefahren zu ſchützen. Sobald ſie nämlich einen
Menſchen auch nur von fern erblicken, beginnen ſie zu bellen, wie die Hunde, wahrſcheinlich, um die
Leute von ihrem Bau abzuhalten. Und hiervon mag wohl ihr ruſſiſcher Name „Hündchen‟ her-
kommen. Bemerken ſie, daß man ihren Bau entdeckt hat, ſo tragen ſie die Jungen im Maule nach
einem verborgenen Ort, tödtet man aber die letzteren, ſo verfolgen Einen die Mütter mit großer Be-
gier Tag und Nacht durch viele Meilen und laſſen, wie Steller ſagt, nicht eher ab, bis ſie ihrem
Feind einen Poſſen geſpielt haben oder ſelbſt erſchlagen worden ſind.

Man jagt die Eisfüchſe theils, um ſie auszurotten, theils, um ihren Balg zu verwerthen, obgleich
dieſer nicht eben ſehr geſchätzt wird. Die meiſten Felle gehen von Rußland nach China, und Ende
vorigen Jahrhunderts betrug die durchſchnittliche Zahl immer noch Tauſende jährlich. Aus Mangaſea
allein ſind in gewiſſen Jahren 40,000 Felle ausgeführt worden. Je dunkelblauer die Felle ſind,

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[437/0505] Stellers Schilderung. Fortpflanzung. Das Fell. Aufenthalts auf der Jnſel auf mich allein über zweihundert ermordete Thiere rechnen. Den dritten Tag nach meiner Ankunft erſchlug ich binnen drei Stunden über ſiebenzig mit einem Beil, aus deren Fellen das Dach über unſerer Hütte verfertigt ward. — Aufs Freſſen ſind ſie ſo begierig, daß man ihnen mit der einen Hand ein Stück Fleiſch vorhalten und mit der andern die Art oder den Stock führen konnte, um ſie zu erſchlagen. Wir legten einen Seehund hin, ſtanden mit einem Stock nur zwei Schritte davon und machten die Augen zu, als ob wir ſie nicht ſähen: bald kamen ſie angeſtiegen, ſingen an zu freſſen und wurden erſchlagen, ohne daß ſich daran die andern hätten ſpiegeln und ent- laufen ſollen. Wir gruben ein Loch oder Grab und warfen Fleiſch oder ihre todten Kameraden hinein; ehe man ſichs verſah, war die ganze Grube voll, da wir denn mit Knütteln Alles erſchlugen. Ob- gleich wir ihre ſchönen Felle, deren es hier wohl über ein Drittheil der bläulichen Art giebt, nicht achteten, auch nicht einmal abzogen, lagen wir doch beſtändig gegen ſie, als unſere geſchwornen Feinde, zu Felde. Alle Morgen ſchleppten wir unſere lebendig gefangenen Diebe bei den Schwänzen zur Hinrichtung oder Beſtrafung vor die Kaſerne auf den Richtplatz, wo einige enthauptet, anderen die Beine zerſchlagen oder eines nebſt dem Schwanze abgehauen wurde. Einigen ſtach man die Augen aus, andere wurden bei den Füßen paarweiſe und lebendig aufgehangen, da ſie ſich einander todt- beißen mußten. Einige wurden geſenget, andere mit Katzen zu Tode gepeitſcht. Das Allerlächer- lichſte iſt, wenn man ſie erſt beim Schwanze feſthält, daß ſie aus allen Kräften ziehen, und dann den Schwanz abhaut; da fahren ſie einige Schritte voraus und drehen ſich, wenn ſie den Schwanz miſſen, über zwanzigmal im Kreiſe herum. Dennoch ließen ſie ſich nicht warnen und von unſern Hütten ab- halten, und zuletzt ſah man unzählige ohne Schwanz oder mit zwei oder drei Beinen auf der Jnſel herumlaufen.‟ „Wenn dieſe geſchäftigen Thiere einer Sache Nichts anhaben können, wie z. B. Kleidern, die wir zuweilen ablegten, ſo loſeten und harnten ſie darauf, und dann geht ſelten einer vorbei, der Dies nicht thun ſollte. Aus Allem erſah man, daß ſie hier nie einen Menſchen mußten geſehen haben, und daß die Furcht vor den Menſchen den Thieren nicht angeboren, ſondern auf lange Erfahrung ge- gründet ſein müſſe.‟ Dieſe Anſicht Stellers iſt jedenfalls unrichtig; denn wenn die Eisfüchſe überhaupt Erfahrung befolgen wollten, müßten ſie ſich in Norwegen ganz anders zeigen, als auf Behringseiland. Sie ſind aber hier und da dieſelben. Genau an den nämlichen Orten, wo in Skandinavien Eisfüchſe leben, kommen auch Rothfüchſe vor, und Freund Reinecke zeigt ſich in Lappland gerade ebenſo liſtig und verſchlagen, wie bei uns zu Lande. Die Ranzzeit des Eisfuchſes fällt, ſeinen heimatlichen Verhältniſſen entſprechend, etwas ſpäter, als die des Rothfuchſes, nämlich in die Monate April und Mai. Die Begattung verrichten die Eis- füchſe mit vielem Geſchrei, wie die Katzen. Sie rammeln Tag und Nacht und beißen ſich aus Eifer- ſucht grauſam, wie die Hunde. Mitte oder Ende Juni wölft das Weibchen in Höhlen und Felſen- ritzen neun bis zehn, ja ſelbſt zwölf Junge. Den Bau pflegen die Füchſinnen am liebſten oben auf den Bergen oder am Rande derſelben anzulegen. Sie lieben ihre Jungen außerordentlich, faſt zu ſehr; denn ſie verrathen dieſelben, in der Abſicht, ſie vor Gefahren zu ſchützen. Sobald ſie nämlich einen Menſchen auch nur von fern erblicken, beginnen ſie zu bellen, wie die Hunde, wahrſcheinlich, um die Leute von ihrem Bau abzuhalten. Und hiervon mag wohl ihr ruſſiſcher Name „Hündchen‟ her- kommen. Bemerken ſie, daß man ihren Bau entdeckt hat, ſo tragen ſie die Jungen im Maule nach einem verborgenen Ort, tödtet man aber die letzteren, ſo verfolgen Einen die Mütter mit großer Be- gier Tag und Nacht durch viele Meilen und laſſen, wie Steller ſagt, nicht eher ab, bis ſie ihrem Feind einen Poſſen geſpielt haben oder ſelbſt erſchlagen worden ſind. Man jagt die Eisfüchſe theils, um ſie auszurotten, theils, um ihren Balg zu verwerthen, obgleich dieſer nicht eben ſehr geſchätzt wird. Die meiſten Felle gehen von Rußland nach China, und Ende vorigen Jahrhunderts betrug die durchſchnittliche Zahl immer noch Tauſende jährlich. Aus Mangaſea allein ſind in gewiſſen Jahren 40,000 Felle ausgeführt worden. Je dunkelblauer die Felle ſind,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/505>, abgerufen am 23.11.2024.