allezeit die sicherste Nachricht von dem herannahenden oder kommenden Ungewitter durch die Hunde: denn wenn sie im Schnee graben und sich dabei legen, mag man sich sicherlich einen Ort aufsuchen, wo man sich vor dem Sturm verbergen kann, wofern man zuweit von Wohnungen entfernt."
"Die kamtschatkischen Schlitten sind nach Kräften der Hunde und nach der gebirgigen Gegend dergestalt ausgedacht, daß solche der geschickteste Mechanikus nicht besser hätte erfinden können. Sie scheinen ihren Grund aus der Anatomie und Bildung des menschlichen Körpers zu haben. Oben ist ein länglichhohler Korb, der aus lauter gebogenen Hölzern und zwei dünnen, langen Stöcken besteht, daran dieselben mit Riemen festgebunden sind. Dieses Gegitter nun ist überall und auf allen Seiten mit Riemen umwunden und biegt sich Alles daran, ohne zu zerbrechen; bricht auch ein Hölzchen, so lassen doch die Riemen den Korb nicht auseinanderfallen. Jn diesen Korb packt man fünf Pud schwer, und wenn ein Mensch darauf sitzt, kann man noch zwei Pud sehr bequem mit sich führen. Dieser Korb ist auf zwei krummgebogene Hölzer aufgebunden, welche wiederum auf den Schlittenläufern festgemacht sind. Letztere sind nicht über 1/3 Zoll dick, der ganze Schlitten aber wiegt nicht über 16 Pfund. Obgleich nun daran Alles so dünn und biegsam ist, so widerstehen die Schlitten doch solcher Gewalt, daß man sich nicht genug darüber wundern kann. Man fähret damit öfters dergestalt an Bäumen an, daß sich der Schlitten fast doppelt zusammenbiegt und doch keinen Schaden leidet. Man fähret damit über die höchsten Gebirge und steilsten Klippen und behält allezeit soviel Kräfte, daß man den Schlitten erhalten oder vor allem Sturz und Fall bewahren kann. Man sitzet darauf mehrentheils auf einer Seite, um zugleich bei einer gefährlichen Stelle von demselben herabspringen zu können. Zuweilen setzet man sich auf mehreren Orten darauf, wie auf ein Pferd. Die Hunde laufen ihren Weg, will man zur Linken, so schlägt man mit dem Stock zur rechten Seite an die Erde oder an den Schlitten, will man zur Rechten, schlägt man an die linke Seite des Schlittens; will man still halten, steckt man den Stock vor den Schlitten in den Schuee; fährt man einen steilen Berg hinab, so steckt man den Stock in Schnee zwischen das Vorderbogenholz und hemmt dadurch ein. Ungeachtet man nun fährt, so wird man doch ebenso müde, als wenn man zu Fuß ginge, weil man die Hunde be- ständig zurückhalten, bei schlimmen Wegen vom Schlitten abspringen, daneben herlaufen und den Schlitten halten muß; fährt man einen Berg hinauf, so muß man ohnedies zu Fuße gehen. Außer den Sturmwinden werden die Hundereisen gefährlich und beschwerlich wegen der vielen Flüsse, die selten in dem härtesten Winter zufrieren, oder bei gelinder Witterung aller Orten gleich wieder auf- thauen, und hat man folglich immer zu befürchten, hineinzufallen und zu ertrinken, welches auch alle Jahre geschieht. Noch eine Beschwerde verursachen die dichten Wälder, durch welche man fahren muß. Selten trifft man einen geraden Baum an, sondern fährt zwischen den Aesten und Zweigen immer hin, dabei man immer in Sorge steht, Arme und Beine zu zerbrechen oder die Augen aus dem Kopfe zu verlieren. Ueberdies haben die Hunde die schelmische Eigenschaft, daß sie aus allen Kräften ziehen und laufen, wenn sie an einen solchen Wald, Fluß oder steilen Abhang kommen, weil sie wissen, daß sie ihren Herrn herabwerfen, den Schlitten zerbrechen und auf diese Art von der Last, zu ziehen, befreit werden können."
"Der andre Hauptnutzen der Hunde, weshalb sie auch so häufig gehalten und gezogen werden, ist, daß man sowohl den abgelebten Schlittenhunden, als den zur Fahrt untauglichen, die Hänte ab- nimmt und zweierlei Kleider daraus machet, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und großem Werth sind. Diese Kleider haben vor dem übrigen Pelzwerk folgende Vorzüge: erstens sind sie die prächtigsten Staats- und Feiertagskleider von uralten Zeiten her, und pfleget sich Einer gegen den Andern, seine Ehre zu retten, also vernehmen zu lassen, wo es zu Rangstreitigkeiten und Rühmen kommt: "Wo warst Du Kerl, da ich und meine Vorfahren schon Hundskuklanken trugen? Was hattest Du dazu mal für Kleider an?" Bis zur Stunde kann man allezeit einen Hundskuklanken für einen aus Fuchs oder Biber gemachten vertauschen. Zweitens sind die Hundefelle sehr warm, drittens sehr dauerhaft, da sie in den größten Strapazen wenigstens vier Jahre aushalten, während ein Renthier- oder Mufflonfell einen Winter dient und dann kahl wird; viertens brauchen diese Kleider
Die Raubthiere. Hunde. — Haushund.
allezeit die ſicherſte Nachricht von dem herannahenden oder kommenden Ungewitter durch die Hunde: denn wenn ſie im Schnee graben und ſich dabei legen, mag man ſich ſicherlich einen Ort aufſuchen, wo man ſich vor dem Sturm verbergen kann, wofern man zuweit von Wohnungen entfernt.‟
„Die kamtſchatkiſchen Schlitten ſind nach Kräften der Hunde und nach der gebirgigen Gegend dergeſtalt ausgedacht, daß ſolche der geſchickteſte Mechanikus nicht beſſer hätte erfinden können. Sie ſcheinen ihren Grund aus der Anatomie und Bildung des menſchlichen Körpers zu haben. Oben iſt ein länglichhohler Korb, der aus lauter gebogenen Hölzern und zwei dünnen, langen Stöcken beſteht, daran dieſelben mit Riemen feſtgebunden ſind. Dieſes Gegitter nun iſt überall und auf allen Seiten mit Riemen umwunden und biegt ſich Alles daran, ohne zu zerbrechen; bricht auch ein Hölzchen, ſo laſſen doch die Riemen den Korb nicht auseinanderfallen. Jn dieſen Korb packt man fünf Pud ſchwer, und wenn ein Menſch darauf ſitzt, kann man noch zwei Pud ſehr bequem mit ſich führen. Dieſer Korb iſt auf zwei krummgebogene Hölzer aufgebunden, welche wiederum auf den Schlittenläufern feſtgemacht ſind. Letztere ſind nicht über ⅓ Zoll dick, der ganze Schlitten aber wiegt nicht über 16 Pfund. Obgleich nun daran Alles ſo dünn und biegſam iſt, ſo widerſtehen die Schlitten doch ſolcher Gewalt, daß man ſich nicht genug darüber wundern kann. Man fähret damit öfters dergeſtalt an Bäumen an, daß ſich der Schlitten faſt doppelt zuſammenbiegt und doch keinen Schaden leidet. Man fähret damit über die höchſten Gebirge und ſteilſten Klippen und behält allezeit ſoviel Kräfte, daß man den Schlitten erhalten oder vor allem Sturz und Fall bewahren kann. Man ſitzet darauf mehrentheils auf einer Seite, um zugleich bei einer gefährlichen Stelle von demſelben herabſpringen zu können. Zuweilen ſetzet man ſich auf mehreren Orten darauf, wie auf ein Pferd. Die Hunde laufen ihren Weg, will man zur Linken, ſo ſchlägt man mit dem Stock zur rechten Seite an die Erde oder an den Schlitten, will man zur Rechten, ſchlägt man an die linke Seite des Schlittens; will man ſtill halten, ſteckt man den Stock vor den Schlitten in den Schuee; fährt man einen ſteilen Berg hinab, ſo ſteckt man den Stock in Schnee zwiſchen das Vorderbogenholz und hemmt dadurch ein. Ungeachtet man nun fährt, ſo wird man doch ebenſo müde, als wenn man zu Fuß ginge, weil man die Hunde be- ſtändig zurückhalten, bei ſchlimmen Wegen vom Schlitten abſpringen, daneben herlaufen und den Schlitten halten muß; fährt man einen Berg hinauf, ſo muß man ohnedies zu Fuße gehen. Außer den Sturmwinden werden die Hundereiſen gefährlich und beſchwerlich wegen der vielen Flüſſe, die ſelten in dem härteſten Winter zufrieren, oder bei gelinder Witterung aller Orten gleich wieder auf- thauen, und hat man folglich immer zu befürchten, hineinzufallen und zu ertrinken, welches auch alle Jahre geſchieht. Noch eine Beſchwerde verurſachen die dichten Wälder, durch welche man fahren muß. Selten trifft man einen geraden Baum an, ſondern fährt zwiſchen den Aeſten und Zweigen immer hin, dabei man immer in Sorge ſteht, Arme und Beine zu zerbrechen oder die Augen aus dem Kopfe zu verlieren. Ueberdies haben die Hunde die ſchelmiſche Eigenſchaft, daß ſie aus allen Kräften ziehen und laufen, wenn ſie an einen ſolchen Wald, Fluß oder ſteilen Abhang kommen, weil ſie wiſſen, daß ſie ihren Herrn herabwerfen, den Schlitten zerbrechen und auf dieſe Art von der Laſt, zu ziehen, befreit werden können.‟
„Der andre Hauptnutzen der Hunde, weshalb ſie auch ſo häufig gehalten und gezogen werden, iſt, daß man ſowohl den abgelebten Schlittenhunden, als den zur Fahrt untauglichen, die Hänte ab- nimmt und zweierlei Kleider daraus machet, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und großem Werth ſind. Dieſe Kleider haben vor dem übrigen Pelzwerk folgende Vorzüge: erſtens ſind ſie die prächtigſten Staats- und Feiertagskleider von uralten Zeiten her, und pfleget ſich Einer gegen den Andern, ſeine Ehre zu retten, alſo vernehmen zu laſſen, wo es zu Rangſtreitigkeiten und Rühmen kommt: „Wo warſt Du Kerl, da ich und meine Vorfahren ſchon Hundskuklanken trugen? Was hatteſt Du dazu mal für Kleider an?‟ Bis zur Stunde kann man allezeit einen Hundskuklanken für einen aus Fuchs oder Biber gemachten vertauſchen. Zweitens ſind die Hundefelle ſehr warm, drittens ſehr dauerhaft, da ſie in den größten Strapazen wenigſtens vier Jahre aushalten, während ein Renthier- oder Mufflonfell einen Winter dient und dann kahl wird; viertens brauchen dieſe Kleider
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0466"n="398"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Hunde. —<hirendition="#g">Haushund.</hi></fw><lb/>
allezeit die ſicherſte Nachricht von dem herannahenden oder kommenden Ungewitter durch die Hunde:<lb/>
denn wenn ſie im Schnee graben und ſich dabei legen, mag man ſich ſicherlich einen Ort aufſuchen,<lb/>
wo man ſich vor dem Sturm verbergen kann, wofern man zuweit von Wohnungen entfernt.‟</p><lb/><p>„Die kamtſchatkiſchen Schlitten ſind nach Kräften der Hunde und nach der gebirgigen Gegend<lb/>
dergeſtalt ausgedacht, daß ſolche der geſchickteſte Mechanikus nicht beſſer hätte erfinden können. Sie<lb/>ſcheinen ihren Grund aus der Anatomie und Bildung des menſchlichen Körpers zu haben. Oben iſt<lb/>
ein länglichhohler Korb, der aus lauter gebogenen Hölzern und zwei dünnen, langen Stöcken beſteht,<lb/>
daran dieſelben mit Riemen feſtgebunden ſind. Dieſes Gegitter nun iſt überall und auf allen Seiten<lb/>
mit Riemen umwunden und biegt ſich Alles daran, ohne zu zerbrechen; bricht auch ein Hölzchen, ſo<lb/>
laſſen doch die Riemen den Korb nicht auseinanderfallen. Jn dieſen Korb packt man fünf Pud<lb/>ſchwer, und wenn ein Menſch darauf ſitzt, kann man noch zwei Pud ſehr bequem mit ſich führen.<lb/>
Dieſer Korb iſt auf zwei krummgebogene Hölzer aufgebunden, welche wiederum auf den Schlittenläufern<lb/>
feſtgemacht ſind. Letztere ſind nicht über ⅓ Zoll dick, der ganze Schlitten aber wiegt nicht über 16 Pfund.<lb/>
Obgleich nun daran Alles ſo dünn und biegſam iſt, ſo widerſtehen die Schlitten doch ſolcher Gewalt,<lb/>
daß man ſich nicht genug darüber wundern kann. Man fähret damit öfters dergeſtalt an Bäumen<lb/>
an, daß ſich der Schlitten faſt doppelt zuſammenbiegt und doch keinen Schaden leidet. Man fähret<lb/>
damit über die höchſten Gebirge und ſteilſten Klippen und behält allezeit ſoviel Kräfte, daß man den<lb/>
Schlitten erhalten oder vor allem Sturz und Fall bewahren kann. Man ſitzet darauf mehrentheils<lb/>
auf einer Seite, um zugleich bei einer gefährlichen Stelle von demſelben herabſpringen zu können.<lb/>
Zuweilen ſetzet man ſich auf mehreren Orten darauf, wie auf ein Pferd. Die Hunde laufen ihren<lb/>
Weg, will man zur Linken, ſo ſchlägt man mit dem Stock zur rechten Seite an die Erde oder an den<lb/>
Schlitten, will man zur Rechten, ſchlägt man an die linke Seite des Schlittens; will man ſtill halten,<lb/>ſteckt man den Stock vor den Schlitten in den Schuee; fährt man einen ſteilen Berg hinab, ſo ſteckt<lb/>
man den Stock in Schnee zwiſchen das Vorderbogenholz und hemmt dadurch ein. Ungeachtet man<lb/>
nun fährt, ſo wird man doch ebenſo müde, als wenn man zu Fuß ginge, weil man die Hunde be-<lb/>ſtändig zurückhalten, bei ſchlimmen Wegen vom Schlitten abſpringen, daneben herlaufen und den<lb/>
Schlitten halten muß; fährt man einen Berg hinauf, ſo muß man ohnedies zu Fuße gehen. Außer<lb/>
den Sturmwinden werden die Hundereiſen gefährlich und beſchwerlich wegen der vielen Flüſſe, die<lb/>ſelten in dem härteſten Winter zufrieren, oder bei gelinder Witterung aller Orten gleich wieder auf-<lb/>
thauen, und hat man folglich immer zu befürchten, hineinzufallen und zu ertrinken, welches auch alle<lb/>
Jahre geſchieht. Noch eine Beſchwerde verurſachen die dichten Wälder, durch welche man fahren<lb/>
muß. Selten trifft man einen geraden Baum an, ſondern fährt zwiſchen den Aeſten und Zweigen<lb/>
immer hin, dabei man immer in Sorge ſteht, Arme und Beine zu zerbrechen oder die Augen aus<lb/>
dem Kopfe zu verlieren. Ueberdies haben die Hunde die ſchelmiſche Eigenſchaft, daß ſie aus allen<lb/>
Kräften ziehen und laufen, wenn ſie an einen ſolchen Wald, Fluß oder ſteilen Abhang kommen,<lb/>
weil ſie wiſſen, daß ſie ihren Herrn herabwerfen, den Schlitten zerbrechen und auf dieſe Art von der<lb/>
Laſt, zu ziehen, befreit werden können.‟</p><lb/><p>„Der andre Hauptnutzen der Hunde, weshalb ſie auch ſo häufig gehalten und gezogen werden,<lb/>
iſt, daß man ſowohl den abgelebten Schlittenhunden, als den zur Fahrt untauglichen, die Hänte ab-<lb/>
nimmt und zweierlei Kleider daraus machet, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und<lb/>
großem Werth ſind. Dieſe Kleider haben vor dem übrigen Pelzwerk folgende Vorzüge: erſtens ſind<lb/>ſie die prächtigſten Staats- und Feiertagskleider von uralten Zeiten her, und pfleget ſich Einer gegen<lb/>
den Andern, ſeine Ehre zu retten, alſo vernehmen zu laſſen, wo es zu Rangſtreitigkeiten und Rühmen<lb/>
kommt: „Wo warſt Du Kerl, da ich und meine Vorfahren ſchon Hundskuklanken trugen? Was<lb/>
hatteſt Du dazu mal für Kleider an?‟ Bis zur Stunde kann man allezeit einen Hundskuklanken für<lb/>
einen aus Fuchs oder Biber gemachten vertauſchen. Zweitens ſind die Hundefelle ſehr warm, drittens<lb/>ſehr dauerhaft, da ſie in den größten Strapazen wenigſtens vier Jahre aushalten, während ein<lb/>
Renthier- oder Mufflonfell einen Winter dient und dann kahl wird; viertens brauchen dieſe Kleider<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[398/0466]
Die Raubthiere. Hunde. — Haushund.
allezeit die ſicherſte Nachricht von dem herannahenden oder kommenden Ungewitter durch die Hunde:
denn wenn ſie im Schnee graben und ſich dabei legen, mag man ſich ſicherlich einen Ort aufſuchen,
wo man ſich vor dem Sturm verbergen kann, wofern man zuweit von Wohnungen entfernt.‟
„Die kamtſchatkiſchen Schlitten ſind nach Kräften der Hunde und nach der gebirgigen Gegend
dergeſtalt ausgedacht, daß ſolche der geſchickteſte Mechanikus nicht beſſer hätte erfinden können. Sie
ſcheinen ihren Grund aus der Anatomie und Bildung des menſchlichen Körpers zu haben. Oben iſt
ein länglichhohler Korb, der aus lauter gebogenen Hölzern und zwei dünnen, langen Stöcken beſteht,
daran dieſelben mit Riemen feſtgebunden ſind. Dieſes Gegitter nun iſt überall und auf allen Seiten
mit Riemen umwunden und biegt ſich Alles daran, ohne zu zerbrechen; bricht auch ein Hölzchen, ſo
laſſen doch die Riemen den Korb nicht auseinanderfallen. Jn dieſen Korb packt man fünf Pud
ſchwer, und wenn ein Menſch darauf ſitzt, kann man noch zwei Pud ſehr bequem mit ſich führen.
Dieſer Korb iſt auf zwei krummgebogene Hölzer aufgebunden, welche wiederum auf den Schlittenläufern
feſtgemacht ſind. Letztere ſind nicht über ⅓ Zoll dick, der ganze Schlitten aber wiegt nicht über 16 Pfund.
Obgleich nun daran Alles ſo dünn und biegſam iſt, ſo widerſtehen die Schlitten doch ſolcher Gewalt,
daß man ſich nicht genug darüber wundern kann. Man fähret damit öfters dergeſtalt an Bäumen
an, daß ſich der Schlitten faſt doppelt zuſammenbiegt und doch keinen Schaden leidet. Man fähret
damit über die höchſten Gebirge und ſteilſten Klippen und behält allezeit ſoviel Kräfte, daß man den
Schlitten erhalten oder vor allem Sturz und Fall bewahren kann. Man ſitzet darauf mehrentheils
auf einer Seite, um zugleich bei einer gefährlichen Stelle von demſelben herabſpringen zu können.
Zuweilen ſetzet man ſich auf mehreren Orten darauf, wie auf ein Pferd. Die Hunde laufen ihren
Weg, will man zur Linken, ſo ſchlägt man mit dem Stock zur rechten Seite an die Erde oder an den
Schlitten, will man zur Rechten, ſchlägt man an die linke Seite des Schlittens; will man ſtill halten,
ſteckt man den Stock vor den Schlitten in den Schuee; fährt man einen ſteilen Berg hinab, ſo ſteckt
man den Stock in Schnee zwiſchen das Vorderbogenholz und hemmt dadurch ein. Ungeachtet man
nun fährt, ſo wird man doch ebenſo müde, als wenn man zu Fuß ginge, weil man die Hunde be-
ſtändig zurückhalten, bei ſchlimmen Wegen vom Schlitten abſpringen, daneben herlaufen und den
Schlitten halten muß; fährt man einen Berg hinauf, ſo muß man ohnedies zu Fuße gehen. Außer
den Sturmwinden werden die Hundereiſen gefährlich und beſchwerlich wegen der vielen Flüſſe, die
ſelten in dem härteſten Winter zufrieren, oder bei gelinder Witterung aller Orten gleich wieder auf-
thauen, und hat man folglich immer zu befürchten, hineinzufallen und zu ertrinken, welches auch alle
Jahre geſchieht. Noch eine Beſchwerde verurſachen die dichten Wälder, durch welche man fahren
muß. Selten trifft man einen geraden Baum an, ſondern fährt zwiſchen den Aeſten und Zweigen
immer hin, dabei man immer in Sorge ſteht, Arme und Beine zu zerbrechen oder die Augen aus
dem Kopfe zu verlieren. Ueberdies haben die Hunde die ſchelmiſche Eigenſchaft, daß ſie aus allen
Kräften ziehen und laufen, wenn ſie an einen ſolchen Wald, Fluß oder ſteilen Abhang kommen,
weil ſie wiſſen, daß ſie ihren Herrn herabwerfen, den Schlitten zerbrechen und auf dieſe Art von der
Laſt, zu ziehen, befreit werden können.‟
„Der andre Hauptnutzen der Hunde, weshalb ſie auch ſo häufig gehalten und gezogen werden,
iſt, daß man ſowohl den abgelebten Schlittenhunden, als den zur Fahrt untauglichen, die Hänte ab-
nimmt und zweierlei Kleider daraus machet, welche in dem ganzen Lande von großem Nutzen und
großem Werth ſind. Dieſe Kleider haben vor dem übrigen Pelzwerk folgende Vorzüge: erſtens ſind
ſie die prächtigſten Staats- und Feiertagskleider von uralten Zeiten her, und pfleget ſich Einer gegen
den Andern, ſeine Ehre zu retten, alſo vernehmen zu laſſen, wo es zu Rangſtreitigkeiten und Rühmen
kommt: „Wo warſt Du Kerl, da ich und meine Vorfahren ſchon Hundskuklanken trugen? Was
hatteſt Du dazu mal für Kleider an?‟ Bis zur Stunde kann man allezeit einen Hundskuklanken für
einen aus Fuchs oder Biber gemachten vertauſchen. Zweitens ſind die Hundefelle ſehr warm, drittens
ſehr dauerhaft, da ſie in den größten Strapazen wenigſtens vier Jahre aushalten, während ein
Renthier- oder Mufflonfell einen Winter dient und dann kahl wird; viertens brauchen dieſe Kleider
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/466>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.