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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Haushunde.
lassen, peitschen, mit Fußstößen behandeln und ihrer Geduld Dinge zumuthen, welche selbst einem
Engel zu toll sein dürften. Daß die Hunde nun nicht große Zuneigung zu ihrem Herrn besitzen,
versteht sich ganz von selbst.

Merkwürdig ist die starke Härung, welche sich bei diesen echt nordischen Thieren zeigt. Während
des Winters ist ihr Pelz dick und wollig, und bei der Frühjahrhärung hängt die Wolle in großen
dicken Flocken um sie herum, bis der glatte, schöne Sommerpelz durchgebrochen ist. --

Unter ganz ähnlichen Verhältnissen leben die Hunde der Hasenindiauer, und auch an der
nördlichen Küste Asiens kennt man kein anderes Zugthier als den Hund. "Unter den zahmen Thieren
auf Kamtschatka," sagt Steller, "gebührt den Hunden wegen Alterthums und Nutzens das Vorrecht,
und machen sie allein die ganze Klasse der kamtschadalischen zahmen Thiere aus. Die Kamtschadalen
behaupten, daß sich ihr Adam, Kuttka, vormals der Hunde nicht bedient, sondern den Schlitten selber
gezogen habe. Damals hätten die Hunde wie Menschen geredet. Es sei aber einstmals geschehen, daß
Kuttka's Nachkommen in einem Kahne den Fluß abwärts getrieben. Als sie nun am Ufer einige zottige
Hunde erblicket und diese ihnen zugerufen: "Was seid ihr für Leute?" so hätten sie nicht geantwortet,
sondern wären hurtig vorbeigeschwommen. Darüber hätten sich die Hunde dergestalt erzürnet, daß sie
beschlossen, ins künftige kein verständiges Wort mehr mit irgend einem Menschen zu sprechen, welches
sie auch bis zu dieser Stunde gehalten. Doch wären sie noch so neugierig, daß sie alle Fremden an-
bellten und befragen wollten, wer sie seien und woher sie kämen."

"Ohne diese Hunde kann Niemand, so wenig, als an anderen Orten ohne Pferd und Rindvieh
leben. Die kamtschatkischen Hunde sind verschiedenfarbig, hauptsächlich aber dreierlei: weiß, schwarz und
wolfsgrau, dabei sehr dick- und langhaarig. Sie ernähren sich von alten Fischen. Vom Frühjahr bis
in den späten Herbst bekümmert man sich nicht im geringsten um sie, sondern sie gehen allenthalben frei
herum, lauern den ganzen Tag an den Flüssen auf Fische, die sie sehr behend und artig zu fangen
wissen. Wenn sie Fische genug haben, so fressen sie, wie die Bären, nur allein den Kopf davon, das
Andere lassen sie liegen. Jm Oktober sammelt Jeder seine Hunde und bindet sie an den Pfeilern der
Wohnung an. Dann läßt man sie weidlich hungern, damit sie sich von dem Fett entledigen, zum
Laufen fertig und nicht engbrüstig werden mögen, und alsdann gehet mit dem ersten Schnee ihre Noth
an, so daß man sie Tag und Nacht mit gräßlichem Geheul und Wehklagen ihr Elend bejammern hört.
Jhre Kost im Winter ist zweifach, die zur eine Ergötzung und Erstärkung, nämlich stinkende Fische, die
man in Gruben verwahrt und versäuren läßt, weil auf Kamtschatka Nichts stinkend wird (denn wenn
auch die Jtälmen und Kosacken solche Fische mit großem Appetit verzehren, die wie Aas stinken, bei
welchen ein Europäer in Ohnmacht fallen oder die Pest besorgen möchte, sprechen sie, es sei gut sauer,
und pflegen daher zu sagen, daß in Kamtschatka Nichts stinke). Diese sauern Fische werden in einem
hölzernen Trog mit glühenden Steinen gekocht und dienen ebensowohl zur Speise der Menschen, als
zum Hundefutter. Die Hunde werden mit diesen Fischen allein zu Hause, wenn sie ausruhen, oder auf
der Reise des Abends, wenn sie die Nacht über schlafen, gefüttert; denn wenn man sie des Morgens
damit füttert, werden sie von diesen Leckerbissen so weichlich, daß sie auf dem Wege ermüden und
nur Schritt für Schritt gehen können. Das andere Futter besteht in trockner Speise, von ver-
schimmelten und an der Luft getrockneten Fischen. Damit füttert man sie des Morgens, um unterwegs
ihnen einen Muth zu machen. Weil nun das Meiste daran Gräten und Zähne, die Hunde aber mit
der größten Begierde darüber herfallen, verrichten sie mehrentheils die Mahlzeit mit einem blutigen
Maule. Uebrigens suchen sie sich selber Speise auf und stehlen grausam, fressen Riemen und ihrer
Herrn eigne Reisekost, wo sie dazukommen können; steigen wie Menschen auf den Leitern in die Bala-
gans oder Wohnungen und plündern Alles, ja, was das Lächerlichste ist, Niemand ist im Stande, seine
Nothdurft zu verrichten, ohne immer mit einem Prügel um sich zu schlagen. Sobald man die Stelle
verläßt, sucht einer den andern unter vielem Beißen um das Depositum zu übervortheilen. Dem-
ungeachtet frißt kein kamtschatkischer Hund Brod, wo er auch noch so hungrig. Der Koth von den
Hunden ist wegen der vielen, unter beständigem Ziehen ausgepreßten Galle gelb und auch an Be-

Die Raubthiere. Hunde. — Haushunde.
laſſen, peitſchen, mit Fußſtößen behandeln und ihrer Geduld Dinge zumuthen, welche ſelbſt einem
Engel zu toll ſein dürften. Daß die Hunde nun nicht große Zuneigung zu ihrem Herrn beſitzen,
verſteht ſich ganz von ſelbſt.

Merkwürdig iſt die ſtarke Härung, welche ſich bei dieſen echt nordiſchen Thieren zeigt. Während
des Winters iſt ihr Pelz dick und wollig, und bei der Frühjahrhärung hängt die Wolle in großen
dicken Flocken um ſie herum, bis der glatte, ſchöne Sommerpelz durchgebrochen iſt. —

Unter ganz ähnlichen Verhältniſſen leben die Hunde der Haſenindiauer, und auch an der
nördlichen Küſte Aſiens kennt man kein anderes Zugthier als den Hund. „Unter den zahmen Thieren
auf Kamtſchatka,‟ ſagt Steller, „gebührt den Hunden wegen Alterthums und Nutzens das Vorrecht,
und machen ſie allein die ganze Klaſſe der kamtſchadaliſchen zahmen Thiere aus. Die Kamtſchadalen
behaupten, daß ſich ihr Adam, Kuttka, vormals der Hunde nicht bedient, ſondern den Schlitten ſelber
gezogen habe. Damals hätten die Hunde wie Menſchen geredet. Es ſei aber einſtmals geſchehen, daß
Kuttka’s Nachkommen in einem Kahne den Fluß abwärts getrieben. Als ſie nun am Ufer einige zottige
Hunde erblicket und dieſe ihnen zugerufen: „Was ſeid ihr für Leute?‟ ſo hätten ſie nicht geantwortet,
ſondern wären hurtig vorbeigeſchwommen. Darüber hätten ſich die Hunde dergeſtalt erzürnet, daß ſie
beſchloſſen, ins künftige kein verſtändiges Wort mehr mit irgend einem Menſchen zu ſprechen, welches
ſie auch bis zu dieſer Stunde gehalten. Doch wären ſie noch ſo neugierig, daß ſie alle Fremden an-
bellten und befragen wollten, wer ſie ſeien und woher ſie kämen.‟

„Ohne dieſe Hunde kann Niemand, ſo wenig, als an anderen Orten ohne Pferd und Rindvieh
leben. Die kamtſchatkiſchen Hunde ſind verſchiedenfarbig, hauptſächlich aber dreierlei: weiß, ſchwarz und
wolfsgrau, dabei ſehr dick- und langhaarig. Sie ernähren ſich von alten Fiſchen. Vom Frühjahr bis
in den ſpäten Herbſt bekümmert man ſich nicht im geringſten um ſie, ſondern ſie gehen allenthalben frei
herum, lauern den ganzen Tag an den Flüſſen auf Fiſche, die ſie ſehr behend und artig zu fangen
wiſſen. Wenn ſie Fiſche genug haben, ſo freſſen ſie, wie die Bären, nur allein den Kopf davon, das
Andere laſſen ſie liegen. Jm Oktober ſammelt Jeder ſeine Hunde und bindet ſie an den Pfeilern der
Wohnung an. Dann läßt man ſie weidlich hungern, damit ſie ſich von dem Fett entledigen, zum
Laufen fertig und nicht engbrüſtig werden mögen, und alsdann gehet mit dem erſten Schnee ihre Noth
an, ſo daß man ſie Tag und Nacht mit gräßlichem Geheul und Wehklagen ihr Elend bejammern hört.
Jhre Koſt im Winter iſt zweifach, die zur eine Ergötzung und Erſtärkung, nämlich ſtinkende Fiſche, die
man in Gruben verwahrt und verſäuren läßt, weil auf Kamtſchatka Nichts ſtinkend wird (denn wenn
auch die Jtälmen und Koſacken ſolche Fiſche mit großem Appetit verzehren, die wie Aas ſtinken, bei
welchen ein Europäer in Ohnmacht fallen oder die Peſt beſorgen möchte, ſprechen ſie, es ſei gut ſauer,
und pflegen daher zu ſagen, daß in Kamtſchatka Nichts ſtinke). Dieſe ſauern Fiſche werden in einem
hölzernen Trog mit glühenden Steinen gekocht und dienen ebenſowohl zur Speiſe der Menſchen, als
zum Hundefutter. Die Hunde werden mit dieſen Fiſchen allein zu Hauſe, wenn ſie ausruhen, oder auf
der Reiſe des Abends, wenn ſie die Nacht über ſchlafen, gefüttert; denn wenn man ſie des Morgens
damit füttert, werden ſie von dieſen Leckerbiſſen ſo weichlich, daß ſie auf dem Wege ermüden und
nur Schritt für Schritt gehen können. Das andere Futter beſteht in trockner Speiſe, von ver-
ſchimmelten und an der Luft getrockneten Fiſchen. Damit füttert man ſie des Morgens, um unterwegs
ihnen einen Muth zu machen. Weil nun das Meiſte daran Gräten und Zähne, die Hunde aber mit
der größten Begierde darüber herfallen, verrichten ſie mehrentheils die Mahlzeit mit einem blutigen
Maule. Uebrigens ſuchen ſie ſich ſelber Speiſe auf und ſtehlen grauſam, freſſen Riemen und ihrer
Herrn eigne Reiſekoſt, wo ſie dazukommen können; ſteigen wie Menſchen auf den Leitern in die Bala-
gans oder Wohnungen und plündern Alles, ja, was das Lächerlichſte iſt, Niemand iſt im Stande, ſeine
Nothdurft zu verrichten, ohne immer mit einem Prügel um ſich zu ſchlagen. Sobald man die Stelle
verläßt, ſucht einer den andern unter vielem Beißen um das Depoſitum zu übervortheilen. Dem-
ungeachtet frißt kein kamtſchatkiſcher Hund Brod, wo er auch noch ſo hungrig. Der Koth von den
Hunden iſt wegen der vielen, unter beſtändigem Ziehen ausgepreßten Galle gelb und auch an Be-

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[396/0462] Die Raubthiere. Hunde. — Haushunde. laſſen, peitſchen, mit Fußſtößen behandeln und ihrer Geduld Dinge zumuthen, welche ſelbſt einem Engel zu toll ſein dürften. Daß die Hunde nun nicht große Zuneigung zu ihrem Herrn beſitzen, verſteht ſich ganz von ſelbſt. Merkwürdig iſt die ſtarke Härung, welche ſich bei dieſen echt nordiſchen Thieren zeigt. Während des Winters iſt ihr Pelz dick und wollig, und bei der Frühjahrhärung hängt die Wolle in großen dicken Flocken um ſie herum, bis der glatte, ſchöne Sommerpelz durchgebrochen iſt. — Unter ganz ähnlichen Verhältniſſen leben die Hunde der Haſenindiauer, und auch an der nördlichen Küſte Aſiens kennt man kein anderes Zugthier als den Hund. „Unter den zahmen Thieren auf Kamtſchatka,‟ ſagt Steller, „gebührt den Hunden wegen Alterthums und Nutzens das Vorrecht, und machen ſie allein die ganze Klaſſe der kamtſchadaliſchen zahmen Thiere aus. Die Kamtſchadalen behaupten, daß ſich ihr Adam, Kuttka, vormals der Hunde nicht bedient, ſondern den Schlitten ſelber gezogen habe. Damals hätten die Hunde wie Menſchen geredet. Es ſei aber einſtmals geſchehen, daß Kuttka’s Nachkommen in einem Kahne den Fluß abwärts getrieben. Als ſie nun am Ufer einige zottige Hunde erblicket und dieſe ihnen zugerufen: „Was ſeid ihr für Leute?‟ ſo hätten ſie nicht geantwortet, ſondern wären hurtig vorbeigeſchwommen. Darüber hätten ſich die Hunde dergeſtalt erzürnet, daß ſie beſchloſſen, ins künftige kein verſtändiges Wort mehr mit irgend einem Menſchen zu ſprechen, welches ſie auch bis zu dieſer Stunde gehalten. Doch wären ſie noch ſo neugierig, daß ſie alle Fremden an- bellten und befragen wollten, wer ſie ſeien und woher ſie kämen.‟ „Ohne dieſe Hunde kann Niemand, ſo wenig, als an anderen Orten ohne Pferd und Rindvieh leben. Die kamtſchatkiſchen Hunde ſind verſchiedenfarbig, hauptſächlich aber dreierlei: weiß, ſchwarz und wolfsgrau, dabei ſehr dick- und langhaarig. Sie ernähren ſich von alten Fiſchen. Vom Frühjahr bis in den ſpäten Herbſt bekümmert man ſich nicht im geringſten um ſie, ſondern ſie gehen allenthalben frei herum, lauern den ganzen Tag an den Flüſſen auf Fiſche, die ſie ſehr behend und artig zu fangen wiſſen. Wenn ſie Fiſche genug haben, ſo freſſen ſie, wie die Bären, nur allein den Kopf davon, das Andere laſſen ſie liegen. Jm Oktober ſammelt Jeder ſeine Hunde und bindet ſie an den Pfeilern der Wohnung an. Dann läßt man ſie weidlich hungern, damit ſie ſich von dem Fett entledigen, zum Laufen fertig und nicht engbrüſtig werden mögen, und alsdann gehet mit dem erſten Schnee ihre Noth an, ſo daß man ſie Tag und Nacht mit gräßlichem Geheul und Wehklagen ihr Elend bejammern hört. Jhre Koſt im Winter iſt zweifach, die zur eine Ergötzung und Erſtärkung, nämlich ſtinkende Fiſche, die man in Gruben verwahrt und verſäuren läßt, weil auf Kamtſchatka Nichts ſtinkend wird (denn wenn auch die Jtälmen und Koſacken ſolche Fiſche mit großem Appetit verzehren, die wie Aas ſtinken, bei welchen ein Europäer in Ohnmacht fallen oder die Peſt beſorgen möchte, ſprechen ſie, es ſei gut ſauer, und pflegen daher zu ſagen, daß in Kamtſchatka Nichts ſtinke). Dieſe ſauern Fiſche werden in einem hölzernen Trog mit glühenden Steinen gekocht und dienen ebenſowohl zur Speiſe der Menſchen, als zum Hundefutter. Die Hunde werden mit dieſen Fiſchen allein zu Hauſe, wenn ſie ausruhen, oder auf der Reiſe des Abends, wenn ſie die Nacht über ſchlafen, gefüttert; denn wenn man ſie des Morgens damit füttert, werden ſie von dieſen Leckerbiſſen ſo weichlich, daß ſie auf dem Wege ermüden und nur Schritt für Schritt gehen können. Das andere Futter beſteht in trockner Speiſe, von ver- ſchimmelten und an der Luft getrockneten Fiſchen. Damit füttert man ſie des Morgens, um unterwegs ihnen einen Muth zu machen. Weil nun das Meiſte daran Gräten und Zähne, die Hunde aber mit der größten Begierde darüber herfallen, verrichten ſie mehrentheils die Mahlzeit mit einem blutigen Maule. Uebrigens ſuchen ſie ſich ſelber Speiſe auf und ſtehlen grauſam, freſſen Riemen und ihrer Herrn eigne Reiſekoſt, wo ſie dazukommen können; ſteigen wie Menſchen auf den Leitern in die Bala- gans oder Wohnungen und plündern Alles, ja, was das Lächerlichſte iſt, Niemand iſt im Stande, ſeine Nothdurft zu verrichten, ohne immer mit einem Prügel um ſich zu ſchlagen. Sobald man die Stelle verläßt, ſucht einer den andern unter vielem Beißen um das Depoſitum zu übervortheilen. Dem- ungeachtet frißt kein kamtſchatkiſcher Hund Brod, wo er auch noch ſo hungrig. Der Koth von den Hunden iſt wegen der vielen, unter beſtändigem Ziehen ausgepreßten Galle gelb und auch an Be-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/462>, abgerufen am 22.11.2024.