Ohren die größere Freiheit, in welcher er lebt. Allerdings ist Dies nur bezüglich zu nehmen; denn die Freiheit beschränkt sich blos auf einen Theil des Jahres, während er zu gewissen Jahreszeiten in der allerschändlichsten Knechtschaft lebt, welche man sich denken kann. Der Eskimohund hat im ganzen Norden der alten Welt, also auch in Asien und Lappland, höchst ähnliche Verwandte und wird ebenso zum Hüten des Viehes wie zum Ziehen von Schlitten benutzt. Wir wollen uns bei seinen Arbeiten als Renthierhirt nicht aufhalten, sondern mehr auf letztere Beschäftigung Rücksicht nehmen.
Der Eskimohund, welchen unsere Abbildung mit ausgezeichneter Treue darstellt, bringt fast sein ganzes Leben unter dem Joche zu. Entweder muß er Schlitten ziehen oder kleine Lasten tragen, und im Norden von Amerika und seinen benachbarten Jnseln ist er wirkliches oder einziges Jochthier, welches der Mensch dort sich zu eigen gemacht hat. Nur während der kurzen Sommerzeit gestattet ihm sein eigennütziger Herr eine gewisse Freiheit, während des Winters ist er vollendeter Sklave.
Der Eskimohund ist größer, als unser gewöhnlicher Schäferhund. Wenn er wohl genährt ist, muß man ihn einen schönen Hund nennen, aber leider wird ihm die Nahrung, wenn er sich nicht selbst solche verschafft, von seinem Herrn so sparsam zugemessen, daß er viele Monate hindurch mehr einem Geripp, als einem lebenden Wesen, ähnelt. Sein Verhältniß zu dem Menschen ist eigenthümlicher Art. Er weiß, daß er Sklave ist, und versucht, die Kette der Sklaverei zu brechen. Es ist etwas vom wölfischen Wesen in ihm, in leiblicher Hinsicht sowohl, wie in geistiger. Dem arktischen Wolf gleicht er so sehr durch seine dichte Behaarung, die aufrechtstehenden Ohren, die Breite des Oberkopfes und die spitzige Gestalt der Schnauze, daß beide, aus einiger Entfernung gesehen, gar nicht unterschieden werden können. Während Parry's zweiter Polarreise wagte einst eine Jagdgesellschaft nicht, auf einen Trupp von zwölf Wölfen zu feuern, welche einige Eskimos bedrohten, weil sie, über die Art der Thiere im Ungewissen, fürchteten, einige von den Hunden zu tödten, die den einzigen Reichthum jener gutmüthigen Menschen ausmachen. Der Eskimohund raubt und stiehlt, wie nur Einer, aber auf der andern Seite ist er auch wieder so hündisch demüthig, wie nur ein von Furcht gepeinigter Sklave es sein kann. Vor den Schlitten wird immer blos ein ziemlich starker Trupp gespannt, welcher unter Leitung eines ältern und erfahrenen Hundes seinen Weg verfolgt; von einer Lenkung des Schlittens nach unsern Begriffen seitens des Menschen kann keine Rede sein. Jeder einzelne Hund ist an einen Lederriemen gespannt, welcher vermittelst eines höchst einfachen Kummts an ihm befestigt ist. Eine Weile geht Alles gut. Plötzlich aber gerathen zwei von dem Gespann aus irgend welcher Ursache in Feindschaft. Aus dem Knurren entsteht bald eine Beißerei, das ganze Gespann verwirrt sich in einen undurchdringlichen Knäuel, Alles knurrt, bellt, beißt, wüthet durch einander, und nicht einmal die mit Macht geschwungene Peitsche des Schlittenführers bringt Ordnung in den Haufen. Endlich hat sich der Hundeballen so arg verwirrt, daß an keine freie Bewegung mehr zu denken ist, und nun hat der Eskimo seine liebe Noth, die Thiere wieder zu entwirren und von neuem einzuspannen. Dann geht die Fuhre weiter, und die Peitsche wird etwas öfter gebraucht.
Ohne dieses Hausthier würden die Eskimos gar nicht bestehen können. Die Hunde leisten ihnen alle nur möglichen Dienste. Mit einer Bürde von 30 Pfund beladen, begleiten sie ihre Herren, wenn sie zu ihren langdauernden Jagden ausziehen. Jhrer sechs bis acht ziehen einen Schlitten, welcher mit fünf bis sechs Personen oder einem Gewicht von 600 bis 800 Pfund besetzt ist, acht bis zehn Meilen weit in einem Tage. Nach langer Ruhe und guter Fütterung vor einen Schlitten gespannt, sind sie kaum zu zügeln und durchlaufen auf ebener Bahn mehr als zwei geographische Meilen in einer Stunde. Spüren sie ein Renthier unterwegs, so laufen sie wie rasend in der Richtung desselben und ruhen nicht eher, als bis sie den Jäger schußgerecht an das Wild gebracht haben. Außerdem helfen sie bei der Seehund-, Bären- und Otterjagd, halten Wache, vertheidigen ihren Herrn in Gefahr und leisten noch hundert andere Dienste. Und gleichwohl fühlen die Eskimos nicht die geringste Liebe zu ihnen, sondern betrachten sie höchstens als belebte Maschinen, welche einzig und allein zu dem Zwecke geschaffen worden sind, ihnen Dienste zu leisten. Aus diesem Grunde sind sie auch die unnachsichtigsten und grausamsten Herren, welche die armen Thiere geradezu regelrecht quälen, sie Hunger und Durst leiden
Spitz. Eskimohund.
Ohren die größere Freiheit, in welcher er lebt. Allerdings iſt Dies nur bezüglich zu nehmen; denn die Freiheit beſchränkt ſich blos auf einen Theil des Jahres, während er zu gewiſſen Jahreszeiten in der allerſchändlichſten Knechtſchaft lebt, welche man ſich denken kann. Der Eskimohund hat im ganzen Norden der alten Welt, alſo auch in Aſien und Lappland, höchſt ähnliche Verwandte und wird ebenſo zum Hüten des Viehes wie zum Ziehen von Schlitten benutzt. Wir wollen uns bei ſeinen Arbeiten als Renthierhirt nicht aufhalten, ſondern mehr auf letztere Beſchäftigung Rückſicht nehmen.
Der Eskimohund, welchen unſere Abbildung mit ausgezeichneter Treue darſtellt, bringt faſt ſein ganzes Leben unter dem Joche zu. Entweder muß er Schlitten ziehen oder kleine Laſten tragen, und im Norden von Amerika und ſeinen benachbarten Jnſeln iſt er wirkliches oder einziges Jochthier, welches der Menſch dort ſich zu eigen gemacht hat. Nur während der kurzen Sommerzeit geſtattet ihm ſein eigennütziger Herr eine gewiſſe Freiheit, während des Winters iſt er vollendeter Sklave.
Der Eskimohund iſt größer, als unſer gewöhnlicher Schäferhund. Wenn er wohl genährt iſt, muß man ihn einen ſchönen Hund nennen, aber leider wird ihm die Nahrung, wenn er ſich nicht ſelbſt ſolche verſchafft, von ſeinem Herrn ſo ſparſam zugemeſſen, daß er viele Monate hindurch mehr einem Geripp, als einem lebenden Weſen, ähnelt. Sein Verhältniß zu dem Menſchen iſt eigenthümlicher Art. Er weiß, daß er Sklave iſt, und verſucht, die Kette der Sklaverei zu brechen. Es iſt etwas vom wölfiſchen Weſen in ihm, in leiblicher Hinſicht ſowohl, wie in geiſtiger. Dem arktiſchen Wolf gleicht er ſo ſehr durch ſeine dichte Behaarung, die aufrechtſtehenden Ohren, die Breite des Oberkopfes und die ſpitzige Geſtalt der Schnauze, daß beide, aus einiger Entfernung geſehen, gar nicht unterſchieden werden können. Während Parry’s zweiter Polarreiſe wagte einſt eine Jagdgeſellſchaft nicht, auf einen Trupp von zwölf Wölfen zu feuern, welche einige Eskimos bedrohten, weil ſie, über die Art der Thiere im Ungewiſſen, fürchteten, einige von den Hunden zu tödten, die den einzigen Reichthum jener gutmüthigen Menſchen ausmachen. Der Eskimohund raubt und ſtiehlt, wie nur Einer, aber auf der andern Seite iſt er auch wieder ſo hündiſch demüthig, wie nur ein von Furcht gepeinigter Sklave es ſein kann. Vor den Schlitten wird immer blos ein ziemlich ſtarker Trupp geſpannt, welcher unter Leitung eines ältern und erfahrenen Hundes ſeinen Weg verfolgt; von einer Lenkung des Schlittens nach unſern Begriffen ſeitens des Menſchen kann keine Rede ſein. Jeder einzelne Hund iſt an einen Lederriemen geſpannt, welcher vermittelſt eines höchſt einfachen Kummts an ihm befeſtigt iſt. Eine Weile geht Alles gut. Plötzlich aber gerathen zwei von dem Geſpann aus irgend welcher Urſache in Feindſchaft. Aus dem Knurren entſteht bald eine Beißerei, das ganze Geſpann verwirrt ſich in einen undurchdringlichen Knäuel, Alles knurrt, bellt, beißt, wüthet durch einander, und nicht einmal die mit Macht geſchwungene Peitſche des Schlittenführers bringt Ordnung in den Haufen. Endlich hat ſich der Hundeballen ſo arg verwirrt, daß an keine freie Bewegung mehr zu denken iſt, und nun hat der Eskimo ſeine liebe Noth, die Thiere wieder zu entwirren und von neuem einzuſpannen. Dann geht die Fuhre weiter, und die Peitſche wird etwas öfter gebraucht.
Ohne dieſes Hausthier würden die Eskimos gar nicht beſtehen können. Die Hunde leiſten ihnen alle nur möglichen Dienſte. Mit einer Bürde von 30 Pfund beladen, begleiten ſie ihre Herren, wenn ſie zu ihren langdauernden Jagden ausziehen. Jhrer ſechs bis acht ziehen einen Schlitten, welcher mit fünf bis ſechs Perſonen oder einem Gewicht von 600 bis 800 Pfund beſetzt iſt, acht bis zehn Meilen weit in einem Tage. Nach langer Ruhe und guter Fütterung vor einen Schlitten geſpannt, ſind ſie kaum zu zügeln und durchlaufen auf ebener Bahn mehr als zwei geographiſche Meilen in einer Stunde. Spüren ſie ein Renthier unterwegs, ſo laufen ſie wie raſend in der Richtung deſſelben und ruhen nicht eher, als bis ſie den Jäger ſchußgerecht an das Wild gebracht haben. Außerdem helfen ſie bei der Seehund-, Bären- und Otterjagd, halten Wache, vertheidigen ihren Herrn in Gefahr und leiſten noch hundert andere Dienſte. Und gleichwohl fühlen die Eskimos nicht die geringſte Liebe zu ihnen, ſondern betrachten ſie höchſtens als belebte Maſchinen, welche einzig und allein zu dem Zwecke geſchaffen worden ſind, ihnen Dienſte zu leiſten. Aus dieſem Grunde ſind ſie auch die unnachſichtigſten und grauſamſten Herren, welche die armen Thiere geradezu regelrecht quälen, ſie Hunger und Durſt leiden
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Spitz. Eskimohund.
Ohren die größere Freiheit, in welcher er lebt. Allerdings iſt Dies nur bezüglich zu nehmen; denn
die Freiheit beſchränkt ſich blos auf einen Theil des Jahres, während er zu gewiſſen Jahreszeiten in
der allerſchändlichſten Knechtſchaft lebt, welche man ſich denken kann. Der Eskimohund hat im
ganzen Norden der alten Welt, alſo auch in Aſien und Lappland, höchſt ähnliche Verwandte und wird
ebenſo zum Hüten des Viehes wie zum Ziehen von Schlitten benutzt. Wir wollen uns bei ſeinen
Arbeiten als Renthierhirt nicht aufhalten, ſondern mehr auf letztere Beſchäftigung Rückſicht nehmen.
Der Eskimohund, welchen unſere Abbildung mit ausgezeichneter Treue darſtellt, bringt faſt
ſein ganzes Leben unter dem Joche zu. Entweder muß er Schlitten ziehen oder kleine Laſten tragen,
und im Norden von Amerika und ſeinen benachbarten Jnſeln iſt er wirkliches oder einziges Jochthier,
welches der Menſch dort ſich zu eigen gemacht hat. Nur während der kurzen Sommerzeit geſtattet
ihm ſein eigennütziger Herr eine gewiſſe Freiheit, während des Winters iſt er vollendeter Sklave.
Der Eskimohund iſt größer, als unſer gewöhnlicher Schäferhund. Wenn er wohl genährt iſt,
muß man ihn einen ſchönen Hund nennen, aber leider wird ihm die Nahrung, wenn er ſich nicht ſelbſt
ſolche verſchafft, von ſeinem Herrn ſo ſparſam zugemeſſen, daß er viele Monate hindurch mehr einem
Geripp, als einem lebenden Weſen, ähnelt. Sein Verhältniß zu dem Menſchen iſt eigenthümlicher Art.
Er weiß, daß er Sklave iſt, und verſucht, die Kette der Sklaverei zu brechen. Es iſt etwas vom
wölfiſchen Weſen in ihm, in leiblicher Hinſicht ſowohl, wie in geiſtiger. Dem arktiſchen Wolf gleicht
er ſo ſehr durch ſeine dichte Behaarung, die aufrechtſtehenden Ohren, die Breite des Oberkopfes und die
ſpitzige Geſtalt der Schnauze, daß beide, aus einiger Entfernung geſehen, gar nicht unterſchieden werden
können. Während Parry’s zweiter Polarreiſe wagte einſt eine Jagdgeſellſchaft nicht, auf einen Trupp
von zwölf Wölfen zu feuern, welche einige Eskimos bedrohten, weil ſie, über die Art der Thiere im
Ungewiſſen, fürchteten, einige von den Hunden zu tödten, die den einzigen Reichthum jener gutmüthigen
Menſchen ausmachen. Der Eskimohund raubt und ſtiehlt, wie nur Einer, aber auf der andern Seite
iſt er auch wieder ſo hündiſch demüthig, wie nur ein von Furcht gepeinigter Sklave es ſein kann. Vor
den Schlitten wird immer blos ein ziemlich ſtarker Trupp geſpannt, welcher unter Leitung eines ältern
und erfahrenen Hundes ſeinen Weg verfolgt; von einer Lenkung des Schlittens nach unſern Begriffen
ſeitens des Menſchen kann keine Rede ſein. Jeder einzelne Hund iſt an einen Lederriemen geſpannt,
welcher vermittelſt eines höchſt einfachen Kummts an ihm befeſtigt iſt. Eine Weile geht Alles gut.
Plötzlich aber gerathen zwei von dem Geſpann aus irgend welcher Urſache in Feindſchaft. Aus dem
Knurren entſteht bald eine Beißerei, das ganze Geſpann verwirrt ſich in einen undurchdringlichen
Knäuel, Alles knurrt, bellt, beißt, wüthet durch einander, und nicht einmal die mit Macht geſchwungene
Peitſche des Schlittenführers bringt Ordnung in den Haufen. Endlich hat ſich der Hundeballen ſo arg
verwirrt, daß an keine freie Bewegung mehr zu denken iſt, und nun hat der Eskimo ſeine liebe Noth,
die Thiere wieder zu entwirren und von neuem einzuſpannen. Dann geht die Fuhre weiter, und die
Peitſche wird etwas öfter gebraucht.
Ohne dieſes Hausthier würden die Eskimos gar nicht beſtehen können. Die Hunde leiſten ihnen
alle nur möglichen Dienſte. Mit einer Bürde von 30 Pfund beladen, begleiten ſie ihre Herren,
wenn ſie zu ihren langdauernden Jagden ausziehen. Jhrer ſechs bis acht ziehen einen Schlitten, welcher
mit fünf bis ſechs Perſonen oder einem Gewicht von 600 bis 800 Pfund beſetzt iſt, acht bis zehn
Meilen weit in einem Tage. Nach langer Ruhe und guter Fütterung vor einen Schlitten geſpannt,
ſind ſie kaum zu zügeln und durchlaufen auf ebener Bahn mehr als zwei geographiſche Meilen in einer
Stunde. Spüren ſie ein Renthier unterwegs, ſo laufen ſie wie raſend in der Richtung deſſelben und
ruhen nicht eher, als bis ſie den Jäger ſchußgerecht an das Wild gebracht haben. Außerdem helfen
ſie bei der Seehund-, Bären- und Otterjagd, halten Wache, vertheidigen ihren Herrn in Gefahr
und leiſten noch hundert andere Dienſte. Und gleichwohl fühlen die Eskimos nicht die geringſte Liebe
zu ihnen, ſondern betrachten ſie höchſtens als belebte Maſchinen, welche einzig und allein zu dem Zwecke
geſchaffen worden ſind, ihnen Dienſte zu leiſten. Aus dieſem Grunde ſind ſie auch die unnachſichtigſten und
grauſamſten Herren, welche die armen Thiere geradezu regelrecht quälen, ſie Hunger und Durſt leiden
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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