Der Sankt-Bernhardshund nach Tschudi's Beschreibung.
Mit diesen schönen Hunden sind die berühmten St. Bernhardshunde (Canis Sancti Bernhardi) in Gestalt und in Größe nahe verwandt. Nach Ansicht der Einen sind diese trefflichen Thiere eine Mittelrasse von der englischen Dogge und dem spanischen Wachtelhund; nach Aussage Anderer sollen sie von einer dänischen Dogge abstammen, welche ein neapolitanischer Graf Mazzini von einer nordischen Reise mitbrachte und mit dem wallisischen Schäferhunde paarte.
"Die Bernhardiner Doggen", sagt Tschudi, "sind große, langhaarige, äußerst starke Thiere, mit kurzer, breiter Schnauze und langem Behang, von vorzüglichem Scharfsinn und außerordentlicher Treue. Sie haben sich durch vier Geschlechter rein fortgepflanzt, sind aber jetzt nicht mehr rein vor- handen, nachdem sie durch ihren treuen Dienst bei Lawinen umgekommen sind. Eine nahverwandte Rasse wird nachgezogen und ein junges Thier zu 6 bis 10 Louisdor verkauft. Die Heimat dieser
[Abbildung]
Der St. Bernbardshund (Canis Sancti Bernhard!).
edlen Thiere ist das Hospiz des St. Bernhard, 7880 Fuß über dem Meere. Jener traurige Ge- birgssattel, wo in der nächsten Nähe ein acht- bis neunmonatlicher Winter herrscht, indem der Ther- mometor sogar bis -- 27° R. sinkt, während in den heißesten Sommermonaten und im ganzen Jahre kaum zehn ganz helle Tage ohne Sturm und Schneegestöber oder Nebel kommen, wo, um es kurz zu sagen, die jährliche Mittelwärme niedriger steht, als am europäischen Nordkap. Dort fallen blos im Sommer große Schneeflocken, im Winter dagegen trockne, kleine, zerreibliche Eiskristalle, die so fein sind, daß der Wind sie durch jede Thür- und Fensterfuge zu treiben vermag. Diese häuft der Wind oft, besonders in der Nähe des Hospizes zu 30 bis 40 Fuß hohen, lockeren Schneewänden an, welche alle Pfade und Schlünde bedecken und beim geringsten Anstoß in die Tiefe stürzen."
"Die Reise über diesen alten Gebirgspaß ist nur im Sommer bei ganz klarem Wetter gefahrlos, bei stürmischem Wetter dagegen und im Winter, wo die vielen Spalten und Klüfte verdeckt sind vom
Der Sankt-Bernhardshund nach Tſchudi’s Beſchreibung.
Mit dieſen ſchönen Hunden ſind die berühmten St. Bernhardshunde (Canis Sancti Bernhardi) in Geſtalt und in Größe nahe verwandt. Nach Anſicht der Einen ſind dieſe trefflichen Thiere eine Mittelraſſe von der engliſchen Dogge und dem ſpaniſchen Wachtelhund; nach Ausſage Anderer ſollen ſie von einer däniſchen Dogge abſtammen, welche ein neapolitaniſcher Graf Mazzini von einer nordiſchen Reiſe mitbrachte und mit dem walliſiſchen Schäferhunde paarte.
„Die Bernhardiner Doggen‟, ſagt Tſchudi, „ſind große, langhaarige, äußerſt ſtarke Thiere, mit kurzer, breiter Schnauze und langem Behang, von vorzüglichem Scharfſinn und außerordentlicher Treue. Sie haben ſich durch vier Geſchlechter rein fortgepflanzt, ſind aber jetzt nicht mehr rein vor- handen, nachdem ſie durch ihren treuen Dienſt bei Lawinen umgekommen ſind. Eine nahverwandte Raſſe wird nachgezogen und ein junges Thier zu 6 bis 10 Louisdor verkauft. Die Heimat dieſer
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Der St. Bernbardshund (Canis Sancti Bernhard!).
edlen Thiere iſt das Hoſpiz des St. Bernhard, 7880 Fuß über dem Meere. Jener traurige Ge- birgsſattel, wo in der nächſten Nähe ein acht- bis neunmonatlicher Winter herrſcht, indem der Ther- mometor ſogar bis — 27° R. ſinkt, während in den heißeſten Sommermonaten und im ganzen Jahre kaum zehn ganz helle Tage ohne Sturm und Schneegeſtöber oder Nebel kommen, wo, um es kurz zu ſagen, die jährliche Mittelwärme niedriger ſteht, als am europäiſchen Nordkap. Dort fallen blos im Sommer große Schneeflocken, im Winter dagegen trockne, kleine, zerreibliche Eiskriſtalle, die ſo fein ſind, daß der Wind ſie durch jede Thür- und Fenſterfuge zu treiben vermag. Dieſe häuft der Wind oft, beſonders in der Nähe des Hoſpizes zu 30 bis 40 Fuß hohen, lockeren Schneewänden an, welche alle Pfade und Schlünde bedecken und beim geringſten Anſtoß in die Tiefe ſtürzen.‟
„Die Reiſe über dieſen alten Gebirgspaß iſt nur im Sommer bei ganz klarem Wetter gefahrlos, bei ſtürmiſchem Wetter dagegen und im Winter, wo die vielen Spalten und Klüfte verdeckt ſind vom
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Der Sankt-Bernhardshund nach Tſchudi’s Beſchreibung.
Mit dieſen ſchönen Hunden ſind die berühmten St. Bernhardshunde (Canis Sancti Bernhardi)
in Geſtalt und in Größe nahe verwandt. Nach Anſicht der Einen ſind dieſe trefflichen Thiere eine
Mittelraſſe von der engliſchen Dogge und dem ſpaniſchen Wachtelhund; nach Ausſage Anderer ſollen
ſie von einer däniſchen Dogge abſtammen, welche ein neapolitaniſcher Graf Mazzini von einer
nordiſchen Reiſe mitbrachte und mit dem walliſiſchen Schäferhunde paarte.
„Die Bernhardiner Doggen‟, ſagt Tſchudi, „ſind große, langhaarige, äußerſt ſtarke Thiere,
mit kurzer, breiter Schnauze und langem Behang, von vorzüglichem Scharfſinn und außerordentlicher
Treue. Sie haben ſich durch vier Geſchlechter rein fortgepflanzt, ſind aber jetzt nicht mehr rein vor-
handen, nachdem ſie durch ihren treuen Dienſt bei Lawinen umgekommen ſind. Eine nahverwandte
Raſſe wird nachgezogen und ein junges Thier zu 6 bis 10 Louisdor verkauft. Die Heimat dieſer
[Abbildung Der St. Bernbardshund (Canis Sancti Bernhard!).]
edlen Thiere iſt das Hoſpiz des St. Bernhard, 7880 Fuß über dem Meere. Jener traurige Ge-
birgsſattel, wo in der nächſten Nähe ein acht- bis neunmonatlicher Winter herrſcht, indem der Ther-
mometor ſogar bis — 27° R. ſinkt, während in den heißeſten Sommermonaten und im ganzen Jahre
kaum zehn ganz helle Tage ohne Sturm und Schneegeſtöber oder Nebel kommen, wo, um es kurz zu
ſagen, die jährliche Mittelwärme niedriger ſteht, als am europäiſchen Nordkap. Dort fallen blos im
Sommer große Schneeflocken, im Winter dagegen trockne, kleine, zerreibliche Eiskriſtalle, die ſo fein
ſind, daß der Wind ſie durch jede Thür- und Fenſterfuge zu treiben vermag. Dieſe häuft der Wind
oft, beſonders in der Nähe des Hoſpizes zu 30 bis 40 Fuß hohen, lockeren Schneewänden an, welche
alle Pfade und Schlünde bedecken und beim geringſten Anſtoß in die Tiefe ſtürzen.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/427>, abgerufen am 25.11.2024.
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