zeigt, als der eigene Herr. Jhre Untreue ist geschichtlich. Als Eduard III. starb, zog ihm seine Buhle noch schnell einen kostbaren Ring vom Finger, und sein Windspiel verließ ihn im Augenblicke des Todes und schmiegte sich seinen Feinden an. Wie unendlich erhaben erscheinen uns diesen treu- losen Thieren gegenüber die Hunde, welche ihr Leben auf dem Grabe ihres Herrn verhauchten und jahrelang einen geliebten Menschen nicht vergessen konnten! Wie gewaltig sticht dagegen das Be- tragen "des Hundes vom Grabe" ab, welcher sieben Jahre lang auf dem Todtenhügel seines Lieblings wohnte und lebte und endlich auf demselben auch verschied!
Wie der Windhund gegen den Menschen sich zeigt, so benimmt er sich auch gegen andere Hunde. Er liebt sie nicht, sie sind ihm sogar fast gleichgiltig: -- kommt es aber zu einer Balgerei, so ist er sicher der Erste, welcher zubeißt, und dann ist er sehr gefährlich. Denn trotz seiner schlanken, feinen Gestalt ist er stark, und sobald es zum Knurren kommt, benutzt er seine Größe, hält dem Gegner seine Schnauze immer übers Genick, packt, sobald sich jener rührt, fest zu, sucht ihn empor zu heben und schüttelt ihn, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Dabei ist er so gemein, daß er auch mit kleinen Hunden anbindet, welche andere, edeldenkende Hunde stets mit einer gewissen Herablassung be- handeln und wenigstens niemals beißen; ja, es kommt häufig genug vor, daß ein Windhund kleinere Hunde in wenigen Augenblicken todtschüttelt. Dennoch ist das Thier nützlich und manchen Völker- schaften zu ihrer Jagd geradezu unentbehrlich. Weit mehr nämlich, als der Windhund im Norden benutzt wird, gebraucht man ihn im Süden, namentlich in allen Steppenländern. Die Tartaren, Perser, Kleinasiaten, die Beduinen, Kabilen, die Araber, Sudahnesen, Jnder und andere mittel- afrikanische und asiatische Völkerschaften achten ihn überaus hoch, im Werthe oft einem guten Pferde gleich. Unter den Araberstämmen der Wüste oder vielmehr der Wüstensteppen am Rande der Sahara geht das Sprichwort:
"Ein guter Falk, ein schneller Hund, ein edles Pferd, Sind mehr als zwanzig Weiber werth."
Die Wahrheit dieses Sprichwortes begreift man, wenn man unter den Leuten gelebt hat.
Bei uns freilich wird der Windhund eben nicht häufig gebraucht. Die Jagd mit ihm ist für den Wildstand äußerst schädlich und deshalb auch an vielen Orten untersagt. Nur große Gutsbesitzer machen sich ab und zu das Vergnügen, mit ihm zu jagen. Dazu wird er leicht abgerichtet. Wenn er ein und ein halbes Jahr alt geworden, nimmt man ihn an die Leine und sucht es dahin zu bringen, daß er an dieser ruhig geht. Anfangs bringt man ihn mit einem alten Windhund auf ein Revier, wo es wenig Hasen giebt, und hetzt erst blos junge Hasen, welche aber noch nicht weit von dem Hunde entfernt sein dürfen. Die Gegend muß eben und frei sein, und man muß zu Pferde überall hinkommen können, damit man auch zur rechten Zeit bei dem Hunde anlangt, wenn er einen Hasen gefangen hat.
Es ist ein schönes Schauspiel, solche Jagd mit anzusehen. Der Hase ist so dumm nicht, wie er aussieht, und spielt dem unerfahrenen Hunde manche Tücke. Jn rasender Eile jagt dieser seinem Wilde nach, er macht Sätze von wirklich unglaublicher Entfernung, nicht selten solche, welche mit denen der größeren Katzen wetteifern, von acht, zehn und zwölf Fuß, und so ist es kein Wunder, daß er dem Hasen bald genug auf den Leib rückt. Jetzt ist er dicht herangekommen, -- im nächsten Augenblick wird er ihn fassen -- nein, so schnell geht das nicht! Der Hase hat plötzlich einen Haken geschlagen und rennt rückwärts; der Hund aber, der in gerader Flucht ihm nacheilte, ist weit über ihn hinaus- gestürzt, fällt fast auf die Erde, sieht sich wüthend um, geräth in äußersten Zorn, sucht und sieht end- lich den Hasen bereits auf anderthalbhundert Schritte Entfernung dahinlaufen. Jetzt wirft er sich herum, rast ihm nach, faßt ihn bereits wieder -- da schlägt der Hase einen zweiten Haken und dem Hunde ergeht es wie das erste Mal. Jn dieser Weise würde die Jagd ohne Ende fortdauern, wenn man nicht zwei Hunde auf einen Hasen laufen ließ. Da freilich endet sie weit schneller; denn während der Eine den Hasen verfolgt, schneidet der Andere ihm den Bogen ab, und so trifft das Sprichwort ein: "Viele Hunde sind der Hasen Tod." Hat nun endlich der Hund den Hasen gefangen, so muß
Charakter. Jhre Verwendung zur Jagd.
zeigt, als der eigene Herr. Jhre Untreue iſt geſchichtlich. Als Eduard III. ſtarb, zog ihm ſeine Buhle noch ſchnell einen koſtbaren Ring vom Finger, und ſein Windſpiel verließ ihn im Augenblicke des Todes und ſchmiegte ſich ſeinen Feinden an. Wie unendlich erhaben erſcheinen uns dieſen treu- loſen Thieren gegenüber die Hunde, welche ihr Leben auf dem Grabe ihres Herrn verhauchten und jahrelang einen geliebten Menſchen nicht vergeſſen konnten! Wie gewaltig ſticht dagegen das Be- tragen „des Hundes vom Grabe‟ ab, welcher ſieben Jahre lang auf dem Todtenhügel ſeines Lieblings wohnte und lebte und endlich auf demſelben auch verſchied!
Wie der Windhund gegen den Menſchen ſich zeigt, ſo benimmt er ſich auch gegen andere Hunde. Er liebt ſie nicht, ſie ſind ihm ſogar faſt gleichgiltig: — kommt es aber zu einer Balgerei, ſo iſt er ſicher der Erſte, welcher zubeißt, und dann iſt er ſehr gefährlich. Denn trotz ſeiner ſchlanken, feinen Geſtalt iſt er ſtark, und ſobald es zum Knurren kommt, benutzt er ſeine Größe, hält dem Gegner ſeine Schnauze immer übers Genick, packt, ſobald ſich jener rührt, feſt zu, ſucht ihn empor zu heben und ſchüttelt ihn, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Dabei iſt er ſo gemein, daß er auch mit kleinen Hunden anbindet, welche andere, edeldenkende Hunde ſtets mit einer gewiſſen Herablaſſung be- handeln und wenigſtens niemals beißen; ja, es kommt häufig genug vor, daß ein Windhund kleinere Hunde in wenigen Augenblicken todtſchüttelt. Dennoch iſt das Thier nützlich und manchen Völker- ſchaften zu ihrer Jagd geradezu unentbehrlich. Weit mehr nämlich, als der Windhund im Norden benutzt wird, gebraucht man ihn im Süden, namentlich in allen Steppenländern. Die Tartaren, Perſer, Kleinaſiaten, die Beduinen, Kabilen, die Araber, Sudahneſen, Jnder und andere mittel- afrikaniſche und aſiatiſche Völkerſchaften achten ihn überaus hoch, im Werthe oft einem guten Pferde gleich. Unter den Araberſtämmen der Wüſte oder vielmehr der Wüſtenſteppen am Rande der Sahara geht das Sprichwort:
„Ein guter Falk, ein ſchneller Hund, ein edles Pferd, Sind mehr als zwanzig Weiber werth.‟
Die Wahrheit dieſes Sprichwortes begreift man, wenn man unter den Leuten gelebt hat.
Bei uns freilich wird der Windhund eben nicht häufig gebraucht. Die Jagd mit ihm iſt für den Wildſtand äußerſt ſchädlich und deshalb auch an vielen Orten unterſagt. Nur große Gutsbeſitzer machen ſich ab und zu das Vergnügen, mit ihm zu jagen. Dazu wird er leicht abgerichtet. Wenn er ein und ein halbes Jahr alt geworden, nimmt man ihn an die Leine und ſucht es dahin zu bringen, daß er an dieſer ruhig geht. Anfangs bringt man ihn mit einem alten Windhund auf ein Revier, wo es wenig Haſen giebt, und hetzt erſt blos junge Haſen, welche aber noch nicht weit von dem Hunde entfernt ſein dürfen. Die Gegend muß eben und frei ſein, und man muß zu Pferde überall hinkommen können, damit man auch zur rechten Zeit bei dem Hunde anlangt, wenn er einen Haſen gefangen hat.
Es iſt ein ſchönes Schauſpiel, ſolche Jagd mit anzuſehen. Der Haſe iſt ſo dumm nicht, wie er ausſieht, und ſpielt dem unerfahrenen Hunde manche Tücke. Jn raſender Eile jagt dieſer ſeinem Wilde nach, er macht Sätze von wirklich unglaublicher Entfernung, nicht ſelten ſolche, welche mit denen der größeren Katzen wetteifern, von acht, zehn und zwölf Fuß, und ſo iſt es kein Wunder, daß er dem Haſen bald genug auf den Leib rückt. Jetzt iſt er dicht herangekommen, — im nächſten Augenblick wird er ihn faſſen — nein, ſo ſchnell geht das nicht! Der Haſe hat plötzlich einen Haken geſchlagen und rennt rückwärts; der Hund aber, der in gerader Flucht ihm nacheilte, iſt weit über ihn hinaus- geſtürzt, fällt faſt auf die Erde, ſieht ſich wüthend um, geräth in äußerſten Zorn, ſucht und ſieht end- lich den Haſen bereits auf anderthalbhundert Schritte Entfernung dahinlaufen. Jetzt wirft er ſich herum, raſt ihm nach, faßt ihn bereits wieder — da ſchlägt der Haſe einen zweiten Haken und dem Hunde ergeht es wie das erſte Mal. Jn dieſer Weiſe würde die Jagd ohne Ende fortdauern, wenn man nicht zwei Hunde auf einen Haſen laufen ließ. Da freilich endet ſie weit ſchneller; denn während der Eine den Haſen verfolgt, ſchneidet der Andere ihm den Bogen ab, und ſo trifft das Sprichwort ein: „Viele Hunde ſind der Haſen Tod.‟ Hat nun endlich der Hund den Haſen gefangen, ſo muß
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Buhle noch ſchnell einen koſtbaren Ring vom Finger, und ſein Windſpiel verließ ihn im Augenblicke
des Todes und ſchmiegte ſich ſeinen Feinden an. Wie unendlich erhaben erſcheinen uns dieſen treu-
loſen Thieren gegenüber die Hunde, welche ihr Leben auf dem Grabe ihres Herrn verhauchten und
jahrelang einen geliebten Menſchen nicht vergeſſen konnten! Wie gewaltig ſticht dagegen das Be-
tragen „des Hundes vom Grabe‟ ab, welcher ſieben Jahre lang auf dem Todtenhügel ſeines Lieblings
wohnte und lebte und endlich auf demſelben auch verſchied!
Wie der Windhund gegen den Menſchen ſich zeigt, ſo benimmt er ſich auch gegen andere Hunde.
Er liebt ſie nicht, ſie ſind ihm ſogar faſt gleichgiltig: — kommt es aber zu einer Balgerei, ſo iſt er
ſicher der Erſte, welcher zubeißt, und dann iſt er ſehr gefährlich. Denn trotz ſeiner ſchlanken, feinen
Geſtalt iſt er ſtark, und ſobald es zum Knurren kommt, benutzt er ſeine Größe, hält dem Gegner
ſeine Schnauze immer übers Genick, packt, ſobald ſich jener rührt, feſt zu, ſucht ihn empor zu heben
und ſchüttelt ihn, daß ihm Hören und Sehen vergeht. Dabei iſt er ſo gemein, daß er auch mit
kleinen Hunden anbindet, welche andere, edeldenkende Hunde ſtets mit einer gewiſſen Herablaſſung be-
handeln und wenigſtens niemals beißen; ja, es kommt häufig genug vor, daß ein Windhund kleinere
Hunde in wenigen Augenblicken todtſchüttelt. Dennoch iſt das Thier nützlich und manchen Völker-
ſchaften zu ihrer Jagd geradezu unentbehrlich. Weit mehr nämlich, als der Windhund im Norden
benutzt wird, gebraucht man ihn im Süden, namentlich in allen Steppenländern. Die Tartaren,
Perſer, Kleinaſiaten, die Beduinen, Kabilen, die Araber, Sudahneſen, Jnder und andere mittel-
afrikaniſche und aſiatiſche Völkerſchaften achten ihn überaus hoch, im Werthe oft einem guten Pferde
gleich. Unter den Araberſtämmen der Wüſte oder vielmehr der Wüſtenſteppen am Rande der Sahara
geht das Sprichwort:
„Ein guter Falk, ein ſchneller Hund, ein edles Pferd,
Sind mehr als zwanzig Weiber werth.‟
Die Wahrheit dieſes Sprichwortes begreift man, wenn man unter den Leuten gelebt hat.
Bei uns freilich wird der Windhund eben nicht häufig gebraucht. Die Jagd mit ihm iſt für
den Wildſtand äußerſt ſchädlich und deshalb auch an vielen Orten unterſagt. Nur große Gutsbeſitzer
machen ſich ab und zu das Vergnügen, mit ihm zu jagen. Dazu wird er leicht abgerichtet. Wenn er
ein und ein halbes Jahr alt geworden, nimmt man ihn an die Leine und ſucht es dahin zu bringen,
daß er an dieſer ruhig geht. Anfangs bringt man ihn mit einem alten Windhund auf ein Revier,
wo es wenig Haſen giebt, und hetzt erſt blos junge Haſen, welche aber noch nicht weit von dem
Hunde entfernt ſein dürfen. Die Gegend muß eben und frei ſein, und man muß zu Pferde überall
hinkommen können, damit man auch zur rechten Zeit bei dem Hunde anlangt, wenn er einen Haſen
gefangen hat.
Es iſt ein ſchönes Schauſpiel, ſolche Jagd mit anzuſehen. Der Haſe iſt ſo dumm nicht, wie er
ausſieht, und ſpielt dem unerfahrenen Hunde manche Tücke. Jn raſender Eile jagt dieſer ſeinem Wilde
nach, er macht Sätze von wirklich unglaublicher Entfernung, nicht ſelten ſolche, welche mit denen der
größeren Katzen wetteifern, von acht, zehn und zwölf Fuß, und ſo iſt es kein Wunder, daß er dem
Haſen bald genug auf den Leib rückt. Jetzt iſt er dicht herangekommen, — im nächſten Augenblick
wird er ihn faſſen — nein, ſo ſchnell geht das nicht! Der Haſe hat plötzlich einen Haken geſchlagen
und rennt rückwärts; der Hund aber, der in gerader Flucht ihm nacheilte, iſt weit über ihn hinaus-
geſtürzt, fällt faſt auf die Erde, ſieht ſich wüthend um, geräth in äußerſten Zorn, ſucht und ſieht end-
lich den Haſen bereits auf anderthalbhundert Schritte Entfernung dahinlaufen. Jetzt wirft er ſich
herum, raſt ihm nach, faßt ihn bereits wieder — da ſchlägt der Haſe einen zweiten Haken und dem
Hunde ergeht es wie das erſte Mal. Jn dieſer Weiſe würde die Jagd ohne Ende fortdauern, wenn
man nicht zwei Hunde auf einen Haſen laufen ließ. Da freilich endet ſie weit ſchneller; denn während
der Eine den Haſen verfolgt, ſchneidet der Andere ihm den Bogen ab, und ſo trifft das Sprichwort
ein: „Viele Hunde ſind der Haſen Tod.‟ Hat nun endlich der Hund den Haſen gefangen, ſo muß
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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