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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Schilderungen von Scheitlin und Lenz. Erziehung und Sitten des Hundes.
Natur eigentlich gar keine Liebhaberei hat; wie ein anderer seinem Herrn den Schubkarren ziehen hilft
und sich umsomehr anstrengt, jemehr er sieht, daß sein Herr es thut."

Aus diesem Allen geht hervor, daß die Hundearten unter einander mindestens in eben demselben
Grade geistig verschieden sind, wie sie leiblich von einander abweichen. Außerordentliche und unver-
wüstliche Treue und Anhänglichkeit an den Herrn, unbedingte Folgsamkeit und Ergebenheit, strenge
Wachsamkeit, Sanftmuth, Milde im Umgang, dienstfertiges und freundliches Betragen: dies sind die
hervorragendsten Züge ihres geistigen Wesens; allein kein einziger Hund vereinigt sie alle in gleich
hoher Ausbildung. Der eine Zug tritt mehr zurück, der andere mehr hervor. Mehr als man an-
nimmt, thut dabei die Erziehung. Nur gute Menschen können Hunde gut erziehen, nur Männer sind
fähig, sie zu etwas Vernünftigem und Verständigem abzurichten. Frauen sind keine Erzieher, und
deshalb sind die Schoshunde auch stets verzogene, verzärtelte, launenhafte und nicht selten heimtückische
Geschöpfe. Der Hund wird ein treues Spiegelbild seines Herrn; je freundlicher, liebreicher, auf-
merksamer er behandelt, je besser, reinlicher er gehalten wird, jemehr und je verständiger man sich mit
ihm beschäftigt, um so verständiger und ausgezeichneter wird er, und genau das Gegentheil geschieht,
wenn er umgekehrt behandelt wird. Der Bauernhund ist ein roher, plumper, aber ehrlicher Gesell;
der Schäferhund ein verständiger Hirt, der Jagdhund ein vortrefflicher Jäger, welcher die Kunst der
Jagd selbst auf eigne Faust betreibt. Der Hund eines vornehmen Nichtsthuers ist ein fauler, üppiger
Gesell und eigentlich weit ungezogener, als der rohe, ungebildete des Bauern. Jeder Hund nimmt den
Ton des Hauses an, in welchem er lebt; er ist verständig, wenn er bei vernünftigen Leuten wohnt; er
wird zum hochmüthigen Narren, wenn sein Herr durch Stolz die Hohlheit seines Kopfes ausfüllen
muß; er beträgt sich freundlich gegen Jedermann, wenn es in seinem Haus gesellig hergeht, oder er ist
ein grämlicher Einsiedler, wenn er bei einem alten Junggesellen oder bei einer ältern Jungfrau wohnt,
welche wenig Zuspruch hat. Unter allen Umständen fügt er sich in die verschiedenartigsten Verhältnisse,
und immer giebt er sich dem Menschen mit ganzer Seele hin. Diese hohe Tugend wird leider ge-
wöhnlich nicht erkannt, und deshalb gilt heute noch das Wort "hündisch" für entehrend, während es
eigentlich gerade das Gegentheil bedeutet. Die Allseitigkeit der Befähigung erhebt den Hund auf die
höchste Stufe, die Treue zum Menschen macht ihn zu dessen unentbehrlichsten Genossen. Er gehört
ganz und gar seinem Herrn an und opfert ihm zu Liebe sich selbst auf. Jn seinem Gehorsam, mit
welchem er alle Befehle seines Gebieters ausführt, in der Bereitwilligkeit, mit welcher er sich den
schwersten Arbeiten unterzieht, er sich in Lebensgefahr begiebt, kurz, in dem beständigen Bestreben, dem
Herrn unter allen Umständen zu nützen und zu dienen: darin liegt sein Ruhm, seine Größe. Wenn
man ihn Speichellecker und Schwanzwedler schimpft, vergesse man nicht, daß der Hund sich dieser
Kriecherei und Erniedrigung nur seinem Herrn und Wohlthäter gegenüber schuldig macht; gegen diesen
wedelnd und kriechend, weist er sofort dem eintretenden Fremden die Zähne und ist sich jeden Augenblick
seiner Stellung bewußt.

Manche eigenthümliche Sitten sind fast allen Arten gemein. So heulen und bellen sie den Mond
an, ohne daß man dafür eigentlich einen Grund auffinden könnte. Sie rennen Allem, was schnell an
ihnen vorübereilt, nach, seinen es Menschen, Thiere, rollende Wagen, Kugeln, Steine oder dergleichen,
suchen es zu ergreifen und festzuhalten, selbst wenn sie recht wohl wissen, daß es ein durchaus unnütz-
barer Gegenstand für sie ist. Sie sind gegen gewisse Thiere im höchsten Grade feindlich gesinnt, ohne
daß dazu ein sicherer Grund vorhanden wäre. So hassen alle Hunde die Katzen und den Jgel;
sie machen sich bei letzterm förmlich ein Vergnügen daraus, sich selbst zu quälen, indem sie wüthend
in das Stachelkleid beißen, obgleich sie wissen, daß Dies erfolglos ist und ihnen höchstens blutige
Nasen und Schnauzen einbringt. Doch Jeder von uns kennt ja diese Eigenthümlichkeiten aus eigner
Erfahrung.

Merkwürdig ist ein sehr starkes Vorgefühl des Hundes bei Veränderung des Witterung. Er sucht
deren Einflüssen im voraus zu begegnen; ja, er zeigt sogar dem Menschen schon durch einen widerlichen
Geruch, den er ausdünstet, den kommenden Regen an.

Brehm, Thierleben. 22

Schilderungen von Scheitlin und Lenz. Erziehung und Sitten des Hundes.
Natur eigentlich gar keine Liebhaberei hat; wie ein anderer ſeinem Herrn den Schubkarren ziehen hilft
und ſich umſomehr anſtrengt, jemehr er ſieht, daß ſein Herr es thut.‟

Aus dieſem Allen geht hervor, daß die Hundearten unter einander mindeſtens in eben demſelben
Grade geiſtig verſchieden ſind, wie ſie leiblich von einander abweichen. Außerordentliche und unver-
wüſtliche Treue und Anhänglichkeit an den Herrn, unbedingte Folgſamkeit und Ergebenheit, ſtrenge
Wachſamkeit, Sanftmuth, Milde im Umgang, dienſtfertiges und freundliches Betragen: dies ſind die
hervorragendſten Züge ihres geiſtigen Weſens; allein kein einziger Hund vereinigt ſie alle in gleich
hoher Ausbildung. Der eine Zug tritt mehr zurück, der andere mehr hervor. Mehr als man an-
nimmt, thut dabei die Erziehung. Nur gute Menſchen können Hunde gut erziehen, nur Männer ſind
fähig, ſie zu etwas Vernünftigem und Verſtändigem abzurichten. Frauen ſind keine Erzieher, und
deshalb ſind die Schoshunde auch ſtets verzogene, verzärtelte, launenhafte und nicht ſelten heimtückiſche
Geſchöpfe. Der Hund wird ein treues Spiegelbild ſeines Herrn; je freundlicher, liebreicher, auf-
merkſamer er behandelt, je beſſer, reinlicher er gehalten wird, jemehr und je verſtändiger man ſich mit
ihm beſchäftigt, um ſo verſtändiger und ausgezeichneter wird er, und genau das Gegentheil geſchieht,
wenn er umgekehrt behandelt wird. Der Bauernhund iſt ein roher, plumper, aber ehrlicher Geſell;
der Schäferhund ein verſtändiger Hirt, der Jagdhund ein vortrefflicher Jäger, welcher die Kunſt der
Jagd ſelbſt auf eigne Fauſt betreibt. Der Hund eines vornehmen Nichtsthuers iſt ein fauler, üppiger
Geſell und eigentlich weit ungezogener, als der rohe, ungebildete des Bauern. Jeder Hund nimmt den
Ton des Hauſes an, in welchem er lebt; er iſt verſtändig, wenn er bei vernünftigen Leuten wohnt; er
wird zum hochmüthigen Narren, wenn ſein Herr durch Stolz die Hohlheit ſeines Kopfes ausfüllen
muß; er beträgt ſich freundlich gegen Jedermann, wenn es in ſeinem Haus geſellig hergeht, oder er iſt
ein grämlicher Einſiedler, wenn er bei einem alten Junggeſellen oder bei einer ältern Jungfrau wohnt,
welche wenig Zuſpruch hat. Unter allen Umſtänden fügt er ſich in die verſchiedenartigſten Verhältniſſe,
und immer giebt er ſich dem Menſchen mit ganzer Seele hin. Dieſe hohe Tugend wird leider ge-
wöhnlich nicht erkannt, und deshalb gilt heute noch das Wort „hündiſch‟ für entehrend, während es
eigentlich gerade das Gegentheil bedeutet. Die Allſeitigkeit der Befähigung erhebt den Hund auf die
höchſte Stufe, die Treue zum Menſchen macht ihn zu deſſen unentbehrlichſten Genoſſen. Er gehört
ganz und gar ſeinem Herrn an und opfert ihm zu Liebe ſich ſelbſt auf. Jn ſeinem Gehorſam, mit
welchem er alle Befehle ſeines Gebieters ausführt, in der Bereitwilligkeit, mit welcher er ſich den
ſchwerſten Arbeiten unterzieht, er ſich in Lebensgefahr begiebt, kurz, in dem beſtändigen Beſtreben, dem
Herrn unter allen Umſtänden zu nützen und zu dienen: darin liegt ſein Ruhm, ſeine Größe. Wenn
man ihn Speichellecker und Schwanzwedler ſchimpft, vergeſſe man nicht, daß der Hund ſich dieſer
Kriecherei und Erniedrigung nur ſeinem Herrn und Wohlthäter gegenüber ſchuldig macht; gegen dieſen
wedelnd und kriechend, weiſt er ſofort dem eintretenden Fremden die Zähne und iſt ſich jeden Augenblick
ſeiner Stellung bewußt.

Manche eigenthümliche Sitten ſind faſt allen Arten gemein. So heulen und bellen ſie den Mond
an, ohne daß man dafür eigentlich einen Grund auffinden könnte. Sie rennen Allem, was ſchnell an
ihnen vorübereilt, nach, ſeinen es Menſchen, Thiere, rollende Wagen, Kugeln, Steine oder dergleichen,
ſuchen es zu ergreifen und feſtzuhalten, ſelbſt wenn ſie recht wohl wiſſen, daß es ein durchaus unnütz-
barer Gegenſtand für ſie iſt. Sie ſind gegen gewiſſe Thiere im höchſten Grade feindlich geſinnt, ohne
daß dazu ein ſicherer Grund vorhanden wäre. So haſſen alle Hunde die Katzen und den Jgel;
ſie machen ſich bei letzterm förmlich ein Vergnügen daraus, ſich ſelbſt zu quälen, indem ſie wüthend
in das Stachelkleid beißen, obgleich ſie wiſſen, daß Dies erfolglos iſt und ihnen höchſtens blutige
Naſen und Schnauzen einbringt. Doch Jeder von uns kennt ja dieſe Eigenthümlichkeiten aus eigner
Erfahrung.

Merkwürdig iſt ein ſehr ſtarkes Vorgefühl des Hundes bei Veränderung des Witterung. Er ſucht
deren Einflüſſen im voraus zu begegnen; ja, er zeigt ſogar dem Menſchen ſchon durch einen widerlichen
Geruch, den er ausdünſtet, den kommenden Regen an.

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[337/0403] Schilderungen von Scheitlin und Lenz. Erziehung und Sitten des Hundes. Natur eigentlich gar keine Liebhaberei hat; wie ein anderer ſeinem Herrn den Schubkarren ziehen hilft und ſich umſomehr anſtrengt, jemehr er ſieht, daß ſein Herr es thut.‟ Aus dieſem Allen geht hervor, daß die Hundearten unter einander mindeſtens in eben demſelben Grade geiſtig verſchieden ſind, wie ſie leiblich von einander abweichen. Außerordentliche und unver- wüſtliche Treue und Anhänglichkeit an den Herrn, unbedingte Folgſamkeit und Ergebenheit, ſtrenge Wachſamkeit, Sanftmuth, Milde im Umgang, dienſtfertiges und freundliches Betragen: dies ſind die hervorragendſten Züge ihres geiſtigen Weſens; allein kein einziger Hund vereinigt ſie alle in gleich hoher Ausbildung. Der eine Zug tritt mehr zurück, der andere mehr hervor. Mehr als man an- nimmt, thut dabei die Erziehung. Nur gute Menſchen können Hunde gut erziehen, nur Männer ſind fähig, ſie zu etwas Vernünftigem und Verſtändigem abzurichten. Frauen ſind keine Erzieher, und deshalb ſind die Schoshunde auch ſtets verzogene, verzärtelte, launenhafte und nicht ſelten heimtückiſche Geſchöpfe. Der Hund wird ein treues Spiegelbild ſeines Herrn; je freundlicher, liebreicher, auf- merkſamer er behandelt, je beſſer, reinlicher er gehalten wird, jemehr und je verſtändiger man ſich mit ihm beſchäftigt, um ſo verſtändiger und ausgezeichneter wird er, und genau das Gegentheil geſchieht, wenn er umgekehrt behandelt wird. Der Bauernhund iſt ein roher, plumper, aber ehrlicher Geſell; der Schäferhund ein verſtändiger Hirt, der Jagdhund ein vortrefflicher Jäger, welcher die Kunſt der Jagd ſelbſt auf eigne Fauſt betreibt. Der Hund eines vornehmen Nichtsthuers iſt ein fauler, üppiger Geſell und eigentlich weit ungezogener, als der rohe, ungebildete des Bauern. Jeder Hund nimmt den Ton des Hauſes an, in welchem er lebt; er iſt verſtändig, wenn er bei vernünftigen Leuten wohnt; er wird zum hochmüthigen Narren, wenn ſein Herr durch Stolz die Hohlheit ſeines Kopfes ausfüllen muß; er beträgt ſich freundlich gegen Jedermann, wenn es in ſeinem Haus geſellig hergeht, oder er iſt ein grämlicher Einſiedler, wenn er bei einem alten Junggeſellen oder bei einer ältern Jungfrau wohnt, welche wenig Zuſpruch hat. Unter allen Umſtänden fügt er ſich in die verſchiedenartigſten Verhältniſſe, und immer giebt er ſich dem Menſchen mit ganzer Seele hin. Dieſe hohe Tugend wird leider ge- wöhnlich nicht erkannt, und deshalb gilt heute noch das Wort „hündiſch‟ für entehrend, während es eigentlich gerade das Gegentheil bedeutet. Die Allſeitigkeit der Befähigung erhebt den Hund auf die höchſte Stufe, die Treue zum Menſchen macht ihn zu deſſen unentbehrlichſten Genoſſen. Er gehört ganz und gar ſeinem Herrn an und opfert ihm zu Liebe ſich ſelbſt auf. Jn ſeinem Gehorſam, mit welchem er alle Befehle ſeines Gebieters ausführt, in der Bereitwilligkeit, mit welcher er ſich den ſchwerſten Arbeiten unterzieht, er ſich in Lebensgefahr begiebt, kurz, in dem beſtändigen Beſtreben, dem Herrn unter allen Umſtänden zu nützen und zu dienen: darin liegt ſein Ruhm, ſeine Größe. Wenn man ihn Speichellecker und Schwanzwedler ſchimpft, vergeſſe man nicht, daß der Hund ſich dieſer Kriecherei und Erniedrigung nur ſeinem Herrn und Wohlthäter gegenüber ſchuldig macht; gegen dieſen wedelnd und kriechend, weiſt er ſofort dem eintretenden Fremden die Zähne und iſt ſich jeden Augenblick ſeiner Stellung bewußt. Manche eigenthümliche Sitten ſind faſt allen Arten gemein. So heulen und bellen ſie den Mond an, ohne daß man dafür eigentlich einen Grund auffinden könnte. Sie rennen Allem, was ſchnell an ihnen vorübereilt, nach, ſeinen es Menſchen, Thiere, rollende Wagen, Kugeln, Steine oder dergleichen, ſuchen es zu ergreifen und feſtzuhalten, ſelbſt wenn ſie recht wohl wiſſen, daß es ein durchaus unnütz- barer Gegenſtand für ſie iſt. Sie ſind gegen gewiſſe Thiere im höchſten Grade feindlich geſinnt, ohne daß dazu ein ſicherer Grund vorhanden wäre. So haſſen alle Hunde die Katzen und den Jgel; ſie machen ſich bei letzterm förmlich ein Vergnügen daraus, ſich ſelbſt zu quälen, indem ſie wüthend in das Stachelkleid beißen, obgleich ſie wiſſen, daß Dies erfolglos iſt und ihnen höchſtens blutige Naſen und Schnauzen einbringt. Doch Jeder von uns kennt ja dieſe Eigenthümlichkeiten aus eigner Erfahrung. Merkwürdig iſt ein ſehr ſtarkes Vorgefühl des Hundes bei Veränderung des Witterung. Er ſucht deren Einflüſſen im voraus zu begegnen; ja, er zeigt ſogar dem Menſchen ſchon durch einen widerlichen Geruch, den er ausdünſtet, den kommenden Regen an. Brehm, Thierleben. 22

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/403>, abgerufen am 22.11.2024.