Naturwissenschaftliche Streitfragen über den Ursprung des Hundes.
thümlichkeiten wird Jeder leicht verfolgen können, wenn er etwa den isländischen Hund, Pudel, Bulldoggen, Spitz, Wind- und Jagdhund, Pintscher, Neufundländer und Dachshund neben einander stellt."
"Was zunächst die Körpergröße betrifft, so ist dieselbe bei den Hunderassen ungleich mehr ver- schieden, als in irgend einer andern Raubthiersippe. Die kleinste Rasse erreicht noch nicht die Größe des Kopfes der riesigsten. Die größten, hinter diesen Hunderassen zurückbleibenden Verschiedenheiten kommen bei der artenreichen Katzenfamilie vor und liegen zwischen dem Kueruck (Felis minuta) auf Java, welcher noch nicht 16 Zoll Körperlänge besitzt, und Löwe und Tiger. Die Färbung des Pelzes spielt bekanntlich bei den Hunden in den verschiedensten Tönen und Mischungen von Weiß, Schwarz und Roth in einer Manchfaltigkeit, daß man von jedem Versuche, sie zur Bestimmung der Art aufzunehmen, absehen muß. Jm gleichen Grade ändert die Behaarung sich ab, vom Straffen und Struppigen bis zum Feinen, Seidenartigen, Weichen, Wolligen, Glatten, Krausgelockten; sie ist sehr dicht bis ganz spärlich, ja selbst fehlend (wie bei dem sogenannten egyptischen Hunde, der aber aus Amerika stammt) sehr lang bis sehr kurz. Es ist keine Raubthiersippe bekannt, deren Arten eine gleiche Verschieden in der Beschaffenheit des Pelzes darböten. Diese Unterschiede wiederholen sich in den äußeren Formen des Körpers. Die kleinen, aufrechtstehenden Ohren des Spitzes, die breiten, hängen- den des Jagdhundes, die über kopflangen und langbehaarten des Wachtelhundes sind Eigen- thümlichkeiten, die wir in ähnlichen Ausbildungen bei Wölfen, Schakals und Füchsen, bei allen Katzen, Mardern und Schleichkatzen vergebens suchen. Man vergleiche den fuchsähnlichen, ge- streckten, dünnen, spitzschnauzigen Kopf des Windhundes mit dem kurzen, dicken des Mopfes; die wechselnden Formen der Schnauze, der Nase und Lippe, der zarten Stirne und der Augen, die ganz auffallende, veränderlich lange Behaarung und Haltung des Schwanzes; die zarten und zierlichen Beine eines Schoßhündchens mit den muskelkräftigen des Doggen, die langen, dünnen des Windhundes mit den kurzen, gekrümmten des Dachshundes, die Krallen dieses mit den breiten und stumpfen des Schäfer- und Fleischerhundes: überall werden sich viel auffallendere Unter- schiede, überall eine größere Manchfaltigkeit der Verhältnisse ergeben, als sonst bei den Arten irgend einer andern Raubthiersippe, auch wenn dieselben über alle Klimate verbreitet leben."
"Die in der That für Raubthiere beispiellofen Verschiedenheiten im äußern Körperbau der Hunderassen lassen schon im voraus nicht minder erhebliche in der innern Organisation erwarten, und wirklich wird der Forscher schon bei der ersten Vergleichung der Zahnformen, des Schädels und des ganzen übrigen Knochengerüstes von den augenfälligsten, eigenthümlichen Unterschieden überrascht. Außer in anderen Eigenthümlichkeiten liegt bei den fleischfressenden Raubthieren eines der entschieden- sten Kennzeichen in dem sogenannten Fleischzahn, welcher nur in dieser Familie überhaupt vorkommt, und in dessen Verhältniß zu den dahinter folgenden stumpfhöckrigen Kauzähnen. Wir erkennen darin die sichersten Sippen- und Artunterschiede. Je spitzzackiger der Fleischzahn ist, desto weniger entwickelt, kleiner und unbedeutender sind die Kauzähne, und ebenso genau und sicher spricht sich dieses Verhältniß der charakteristischen Zähne in dem mehr oder weniger blutgierigen, bösartigen und grimmigen Naturell der betreffenden Thiere aus. Man kann mit dem Millimetermaß die Größe der einzelnen Zacken der Zahnkronen und diese selbst messen, und wird noch an Dutzenden von Schädeln ständige Eigenthüm- lichkeiten in diesem Verhältniß finden. Bei den Rassen des Haushundes ist eines Theils der Fleischzahn größer, als beide Kanzähne zusammen, bei anderen aber kleiner, bei noch anderen haben beide dieselbe Ausdehnung nach der Längsare des Kiefers. Solche Unterschiede weisen allein schon bei allen lebenden Raubthieren mit Entschiedenheit auf artliche Eigenthümlichkeiten und berechtigen den Vorweltskundigen bei einzelnen versteinert vorkommenden Kiefern, mit befriedigender Sicherheit auf das Wesen des untergegangenen Thieres und dessen Verwandtschaft mit dem nächststehenden lebenden und vorweltlichen zu schließen. Die Messung der einzelnen Kronenzacken der Zähne wird stets das aus der bezüglichen Größe der Zähne selbst gefundene Ergebniß weiter bestätigen. Wir können für die Hunderassen noch andere nicht minder erhebliche Verschiedenheiten im Gebiß anführen,
Naturwiſſenſchaftliche Streitfragen über den Urſprung des Hundes.
thümlichkeiten wird Jeder leicht verfolgen können, wenn er etwa den isländiſchen Hund, Pudel, Bulldoggen, Spitz, Wind- und Jagdhund, Pintſcher, Neufundländer und Dachshund neben einander ſtellt.‟
„Was zunächſt die Körpergröße betrifft, ſo iſt dieſelbe bei den Hunderaſſen ungleich mehr ver- ſchieden, als in irgend einer andern Raubthierſippe. Die kleinſte Raſſe erreicht noch nicht die Größe des Kopfes der rieſigſten. Die größten, hinter dieſen Hunderaſſen zurückbleibenden Verſchiedenheiten kommen bei der artenreichen Katzenfamilie vor und liegen zwiſchen dem Kueruck (Felis minuta) auf Java, welcher noch nicht 16 Zoll Körperlänge beſitzt, und Löwe und Tiger. Die Färbung des Pelzes ſpielt bekanntlich bei den Hunden in den verſchiedenſten Tönen und Miſchungen von Weiß, Schwarz und Roth in einer Manchfaltigkeit, daß man von jedem Verſuche, ſie zur Beſtimmung der Art aufzunehmen, abſehen muß. Jm gleichen Grade ändert die Behaarung ſich ab, vom Straffen und Struppigen bis zum Feinen, Seidenartigen, Weichen, Wolligen, Glatten, Krausgelockten; ſie iſt ſehr dicht bis ganz ſpärlich, ja ſelbſt fehlend (wie bei dem ſogenannten egyptiſchen Hunde, der aber aus Amerika ſtammt) ſehr lang bis ſehr kurz. Es iſt keine Raubthierſippe bekannt, deren Arten eine gleiche Verſchieden in der Beſchaffenheit des Pelzes darböten. Dieſe Unterſchiede wiederholen ſich in den äußeren Formen des Körpers. Die kleinen, aufrechtſtehenden Ohren des Spitzes, die breiten, hängen- den des Jagdhundes, die über kopflangen und langbehaarten des Wachtelhundes ſind Eigen- thümlichkeiten, die wir in ähnlichen Ausbildungen bei Wölfen, Schakals und Füchſen, bei allen Katzen, Mardern und Schleichkatzen vergebens ſuchen. Man vergleiche den fuchsähnlichen, ge- ſtreckten, dünnen, ſpitzſchnauzigen Kopf des Windhundes mit dem kurzen, dicken des Mopfes; die wechſelnden Formen der Schnauze, der Naſe und Lippe, der zarten Stirne und der Augen, die ganz auffallende, veränderlich lange Behaarung und Haltung des Schwanzes; die zarten und zierlichen Beine eines Schoßhündchens mit den muskelkräftigen des Doggen, die langen, dünnen des Windhundes mit den kurzen, gekrümmten des Dachshundes, die Krallen dieſes mit den breiten und ſtumpfen des Schäfer- und Fleiſcherhundes: überall werden ſich viel auffallendere Unter- ſchiede, überall eine größere Manchfaltigkeit der Verhältniſſe ergeben, als ſonſt bei den Arten irgend einer andern Raubthierſippe, auch wenn dieſelben über alle Klimate verbreitet leben.‟
„Die in der That für Raubthiere beiſpiellofen Verſchiedenheiten im äußern Körperbau der Hunderaſſen laſſen ſchon im voraus nicht minder erhebliche in der innern Organiſation erwarten, und wirklich wird der Forſcher ſchon bei der erſten Vergleichung der Zahnformen, des Schädels und des ganzen übrigen Knochengerüſtes von den augenfälligſten, eigenthümlichen Unterſchieden überraſcht. Außer in anderen Eigenthümlichkeiten liegt bei den fleiſchfreſſenden Raubthieren eines der entſchieden- ſten Kennzeichen in dem ſogenannten Fleiſchzahn, welcher nur in dieſer Familie überhaupt vorkommt, und in deſſen Verhältniß zu den dahinter folgenden ſtumpfhöckrigen Kauzähnen. Wir erkennen darin die ſicherſten Sippen- und Artunterſchiede. Je ſpitzzackiger der Fleiſchzahn iſt, deſto weniger entwickelt, kleiner und unbedeutender ſind die Kauzähne, und ebenſo genau und ſicher ſpricht ſich dieſes Verhältniß der charakteriſtiſchen Zähne in dem mehr oder weniger blutgierigen, bösartigen und grimmigen Naturell der betreffenden Thiere aus. Man kann mit dem Millimetermaß die Größe der einzelnen Zacken der Zahnkronen und dieſe ſelbſt meſſen, und wird noch an Dutzenden von Schädeln ſtändige Eigenthüm- lichkeiten in dieſem Verhältniß finden. Bei den Raſſen des Haushundes iſt eines Theils der Fleiſchzahn größer, als beide Kanzähne zuſammen, bei anderen aber kleiner, bei noch anderen haben beide dieſelbe Ausdehnung nach der Längsare des Kiefers. Solche Unterſchiede weiſen allein ſchon bei allen lebenden Raubthieren mit Entſchiedenheit auf artliche Eigenthümlichkeiten und berechtigen den Vorweltskundigen bei einzelnen verſteinert vorkommenden Kiefern, mit befriedigender Sicherheit auf das Weſen des untergegangenen Thieres und deſſen Verwandtſchaft mit dem nächſtſtehenden lebenden und vorweltlichen zu ſchließen. Die Meſſung der einzelnen Kronenzacken der Zähne wird ſtets das aus der bezüglichen Größe der Zähne ſelbſt gefundene Ergebniß weiter beſtätigen. Wir können für die Hunderaſſen noch andere nicht minder erhebliche Verſchiedenheiten im Gebiß anführen,
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[317/0383]
Naturwiſſenſchaftliche Streitfragen über den Urſprung des Hundes.
thümlichkeiten wird Jeder leicht verfolgen können, wenn er etwa den isländiſchen Hund, Pudel,
Bulldoggen, Spitz, Wind- und Jagdhund, Pintſcher, Neufundländer und Dachshund
neben einander ſtellt.‟
„Was zunächſt die Körpergröße betrifft, ſo iſt dieſelbe bei den Hunderaſſen ungleich mehr ver-
ſchieden, als in irgend einer andern Raubthierſippe. Die kleinſte Raſſe erreicht noch nicht die Größe
des Kopfes der rieſigſten. Die größten, hinter dieſen Hunderaſſen zurückbleibenden Verſchiedenheiten
kommen bei der artenreichen Katzenfamilie vor und liegen zwiſchen dem Kueruck (Felis minuta) auf
Java, welcher noch nicht 16 Zoll Körperlänge beſitzt, und Löwe und Tiger. Die Färbung des
Pelzes ſpielt bekanntlich bei den Hunden in den verſchiedenſten Tönen und Miſchungen von Weiß,
Schwarz und Roth in einer Manchfaltigkeit, daß man von jedem Verſuche, ſie zur Beſtimmung der
Art aufzunehmen, abſehen muß. Jm gleichen Grade ändert die Behaarung ſich ab, vom Straffen
und Struppigen bis zum Feinen, Seidenartigen, Weichen, Wolligen, Glatten, Krausgelockten; ſie iſt
ſehr dicht bis ganz ſpärlich, ja ſelbſt fehlend (wie bei dem ſogenannten egyptiſchen Hunde, der aber aus
Amerika ſtammt) ſehr lang bis ſehr kurz. Es iſt keine Raubthierſippe bekannt, deren Arten eine gleiche
Verſchieden in der Beſchaffenheit des Pelzes darböten. Dieſe Unterſchiede wiederholen ſich in den
äußeren Formen des Körpers. Die kleinen, aufrechtſtehenden Ohren des Spitzes, die breiten, hängen-
den des Jagdhundes, die über kopflangen und langbehaarten des Wachtelhundes ſind Eigen-
thümlichkeiten, die wir in ähnlichen Ausbildungen bei Wölfen, Schakals und Füchſen, bei allen
Katzen, Mardern und Schleichkatzen vergebens ſuchen. Man vergleiche den fuchsähnlichen, ge-
ſtreckten, dünnen, ſpitzſchnauzigen Kopf des Windhundes mit dem kurzen, dicken des Mopfes; die
wechſelnden Formen der Schnauze, der Naſe und Lippe, der zarten Stirne und der Augen, die ganz
auffallende, veränderlich lange Behaarung und Haltung des Schwanzes; die zarten und zierlichen
Beine eines Schoßhündchens mit den muskelkräftigen des Doggen, die langen, dünnen des
Windhundes mit den kurzen, gekrümmten des Dachshundes, die Krallen dieſes mit den breiten
und ſtumpfen des Schäfer- und Fleiſcherhundes: überall werden ſich viel auffallendere Unter-
ſchiede, überall eine größere Manchfaltigkeit der Verhältniſſe ergeben, als ſonſt bei den Arten irgend
einer andern Raubthierſippe, auch wenn dieſelben über alle Klimate verbreitet leben.‟
„Die in der That für Raubthiere beiſpiellofen Verſchiedenheiten im äußern Körperbau der
Hunderaſſen laſſen ſchon im voraus nicht minder erhebliche in der innern Organiſation erwarten, und
wirklich wird der Forſcher ſchon bei der erſten Vergleichung der Zahnformen, des Schädels und des
ganzen übrigen Knochengerüſtes von den augenfälligſten, eigenthümlichen Unterſchieden überraſcht.
Außer in anderen Eigenthümlichkeiten liegt bei den fleiſchfreſſenden Raubthieren eines der entſchieden-
ſten Kennzeichen in dem ſogenannten Fleiſchzahn, welcher nur in dieſer Familie überhaupt vorkommt,
und in deſſen Verhältniß zu den dahinter folgenden ſtumpfhöckrigen Kauzähnen. Wir erkennen darin
die ſicherſten Sippen- und Artunterſchiede. Je ſpitzzackiger der Fleiſchzahn iſt, deſto weniger entwickelt,
kleiner und unbedeutender ſind die Kauzähne, und ebenſo genau und ſicher ſpricht ſich dieſes Verhältniß
der charakteriſtiſchen Zähne in dem mehr oder weniger blutgierigen, bösartigen und grimmigen Naturell
der betreffenden Thiere aus. Man kann mit dem Millimetermaß die Größe der einzelnen Zacken der
Zahnkronen und dieſe ſelbſt meſſen, und wird noch an Dutzenden von Schädeln ſtändige Eigenthüm-
lichkeiten in dieſem Verhältniß finden. Bei den Raſſen des Haushundes iſt eines Theils der
Fleiſchzahn größer, als beide Kanzähne zuſammen, bei anderen aber kleiner, bei noch anderen haben
beide dieſelbe Ausdehnung nach der Längsare des Kiefers. Solche Unterſchiede weiſen allein ſchon
bei allen lebenden Raubthieren mit Entſchiedenheit auf artliche Eigenthümlichkeiten und berechtigen
den Vorweltskundigen bei einzelnen verſteinert vorkommenden Kiefern, mit befriedigender Sicherheit
auf das Weſen des untergegangenen Thieres und deſſen Verwandtſchaft mit dem nächſtſtehenden
lebenden und vorweltlichen zu ſchließen. Die Meſſung der einzelnen Kronenzacken der Zähne wird
ſtets das aus der bezüglichen Größe der Zähne ſelbſt gefundene Ergebniß weiter beſtätigen. Wir
können für die Hunderaſſen noch andere nicht minder erhebliche Verſchiedenheiten im Gebiß anführen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/383>, abgerufen am 24.11.2024.
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