Naturwissenschaftliche Streitfragen über den Ursprung des Hundes.
ist. Ritter macht darauf aufmerksam, daß, wie Grawford bezeugt, in allen Gleicherländern ostwärts von Bengalen, in Hinterindien und seinen umliegenden Jnseln nicht einmal irgend eine Art der ganzen Hundefamilie aufgefunden worden ist. Es scheint demnach, daß, ungeachtet der Ein- wirkung des Menschen, die Verbreitung der Hunde mit den wilden Wolfsarten in einem genauern Zusammenhang steht."
"Wenn es schon auffallend ist, daß die eingeborenen Hundearten sich in dem Schädelbau den wilden Wolfsarten nähern, so ist es noch auffallender, daß sie auch im Aeußern wieder den wilden Formen naherücken: wenn sie in den Zustand der Verwilderung übergegangen sind. Das gilt nicht allein von der Färbung, sondern auch von der Form des Thieres, den aufrechtstehenden, spitzen Ohren, der Behaarung und dergleichen. Schon Olivier bemerkte, daß die Hunde in der Umgebung von Konstantinopel schakalähnlich sind. Jm südlichen und östlichen Rußland giebt es zahllose, halb- verwilderte, in ganzen Gesellschaften umherlaufende Hunde, die dem Schakal in Farbe und Gestalt des Körpers und der Ohren häufig täuschend ähnlich sind. Die Beobachtung von Pallas, daß die Hunde mit dem Schakal in entschiedener Freundschaft leben, ist bei diesen äußern Aehnlichkeiten leicht zu begreifen."
"Es ist bekannt, daß vom Hund und Wolf Bastarde in jeder Art der Kreuzung nachgewiesen sind. Bastarde zwischen Hund und Schakal sind nach Naturbeobachtungen keine Seltenheit. Pallas erwähnt sogar, daß unter den Russen Bastarde von Hund und Fuchs als eine bekannte Sache ange- nommen werden, doch gründet er diese Behauptung offenbar nicht auf eigene Beobachtungen."
"Fragt man sich nun nach diesen Andeutungen, ob der Hund eine Art, eine selbstständige und getrennte, wie der Wolf, Schakal und Fuchs, so ist es schwer, die Frage zu bejahen. Kein einziges wildes Thier zeigt solche Abweichungen im Schädel, im ganzen Körperbau, in den Ver- hältnissen der absoluten Größe. Aber auch die Hausthiere, bei denen wir annehmen müssen, daß die Art an und für sich noch unverfälscht erhalten, nur durch Zähmung und Kultur verändert ist, wie Pferd, Esel, Rind, Ziege, Schwein, haben solche Gegensätze nicht außuweisen, und noch weniger läßt sich sagen, daß mehrere Arten unter dieser großen Manchfaltigkeit von Formen enthalten wären. Ebenso willkürlich, wie die Aufstellung verschiedener Menschenarten, würde es bleiben, mehrere Hunde- arten unterscheiden zu wollen. Es liegt offenbar hier eine Thatsache vor, die mit den sonst in der Natur und Kultur beobachteten nicht gleichlaufend ist."
"Daß in dem Sinne, wie beim Pferde und bei der Ziege, von einer Stammart des Hundes nicht die Rede sein kann, wird aus Allem wohl klar. Nach folgerichtigem Schluß ist kein Thier im wilden Zustand wahrscheinlich, welches gezähmt eine solche Manchfaltigkeit der Formen hervorbringen könnte. Aber auch von allem Unwesentlichen, der Kultur Unterworfenen abgesehen, giebt es in der Natur kein Thier, welches ganz mit dem Hunde übereinstimmte. Und doch ist es nicht wahrscheinlich, daß der Stamm eines solchen Thieres über die ganze Erdoberfläche hätte aussterben können. Es wird jetzt nicht einmal möglich sein, die in verschiedenen Gegenden der Erdoberfläche verwildert vorkommen- den Hunde auszurotten. Es würde in früheren Zeiten noch viel schwerer geworden sein, die ursprüng- lich wilden Stämme an allen Orten auszurotten. Es ist ebenso nicht wahrscheinlich, daß eine solche Stammart bis jetzt unbeachtet und unentdeckt geblieben wäre."
"Und so bleibt darin, solange man diese Fragpunkte auf dem Gebiete der Naturforscher erhalten will, kaum ein anderer Ausweg, als sich zu der Ansicht bekennen, welcher Pallas huldigt: daß in Zähmung und Vermischung der in verschiedenen Ländern ursprünglichen Wolfs- arten der Ursprung des Haushundes zu suchen sei. Diese Ansicht ist natürlich, wie jede andere über diesen Punkt, nur eine Annahme, aber es wird, wenn sie in der Natur begründet ist, möglich sein, sie durch unmittelbare Vergleichung der Hunde- und Wolfsschädel bis zur vollen Ueber- zeugung zu erheben. Man hat keine Veranlassung mehr, sich in solcher Auffassung durch die Lehren und Annahmen von Buffon beirren zu lassen. Da sich gleichzeitig die unbeschränkte Kreuzung der Hundearten unter sich und des Hundes mit Wolf und Schakal am besten mit dieser Ansicht verträgt,
Naturwiſſenſchaftliche Streitfragen über den Urſprung des Hundes.
iſt. Ritter macht darauf aufmerkſam, daß, wie Grawford bezeugt, in allen Gleicherländern oſtwärts von Bengalen, in Hinterindien und ſeinen umliegenden Jnſeln nicht einmal irgend eine Art der ganzen Hundefamilie aufgefunden worden iſt. Es ſcheint demnach, daß, ungeachtet der Ein- wirkung des Menſchen, die Verbreitung der Hunde mit den wilden Wolfsarten in einem genauern Zuſammenhang ſteht.‟
„Wenn es ſchon auffallend iſt, daß die eingeborenen Hundearten ſich in dem Schädelbau den wilden Wolfsarten nähern, ſo iſt es noch auffallender, daß ſie auch im Aeußern wieder den wilden Formen naherücken: wenn ſie in den Zuſtand der Verwilderung übergegangen ſind. Das gilt nicht allein von der Färbung, ſondern auch von der Form des Thieres, den aufrechtſtehenden, ſpitzen Ohren, der Behaarung und dergleichen. Schon Olivier bemerkte, daß die Hunde in der Umgebung von Konſtantinopel ſchakalähnlich ſind. Jm ſüdlichen und öſtlichen Rußland giebt es zahlloſe, halb- verwilderte, in ganzen Geſellſchaften umherlaufende Hunde, die dem Schakal in Farbe und Geſtalt des Körpers und der Ohren häufig täuſchend ähnlich ſind. Die Beobachtung von Pallas, daß die Hunde mit dem Schakal in entſchiedener Freundſchaft leben, iſt bei dieſen äußern Aehnlichkeiten leicht zu begreifen.‟
„Es iſt bekannt, daß vom Hund und Wolf Baſtarde in jeder Art der Kreuzung nachgewieſen ſind. Baſtarde zwiſchen Hund und Schakal ſind nach Naturbeobachtungen keine Seltenheit. Pallas erwähnt ſogar, daß unter den Ruſſen Baſtarde von Hund und Fuchs als eine bekannte Sache ange- nommen werden, doch gründet er dieſe Behauptung offenbar nicht auf eigene Beobachtungen.‟
„Fragt man ſich nun nach dieſen Andeutungen, ob der Hund eine Art, eine ſelbſtſtändige und getrennte, wie der Wolf, Schakal und Fuchs, ſo iſt es ſchwer, die Frage zu bejahen. Kein einziges wildes Thier zeigt ſolche Abweichungen im Schädel, im ganzen Körperbau, in den Ver- hältniſſen der abſoluten Größe. Aber auch die Hausthiere, bei denen wir annehmen müſſen, daß die Art an und für ſich noch unverfälſcht erhalten, nur durch Zähmung und Kultur verändert iſt, wie Pferd, Eſel, Rind, Ziege, Schwein, haben ſolche Gegenſätze nicht auſzuweiſen, und noch weniger läßt ſich ſagen, daß mehrere Arten unter dieſer großen Manchfaltigkeit von Formen enthalten wären. Ebenſo willkürlich, wie die Aufſtellung verſchiedener Menſchenarten, würde es bleiben, mehrere Hunde- arten unterſcheiden zu wollen. Es liegt offenbar hier eine Thatſache vor, die mit den ſonſt in der Natur und Kultur beobachteten nicht gleichlaufend iſt.‟
„Daß in dem Sinne, wie beim Pferde und bei der Ziege, von einer Stammart des Hundes nicht die Rede ſein kann, wird aus Allem wohl klar. Nach folgerichtigem Schluß iſt kein Thier im wilden Zuſtand wahrſcheinlich, welches gezähmt eine ſolche Manchfaltigkeit der Formen hervorbringen könnte. Aber auch von allem Unweſentlichen, der Kultur Unterworfenen abgeſehen, giebt es in der Natur kein Thier, welches ganz mit dem Hunde übereinſtimmte. Und doch iſt es nicht wahrſcheinlich, daß der Stamm eines ſolchen Thieres über die ganze Erdoberfläche hätte ausſterben können. Es wird jetzt nicht einmal möglich ſein, die in verſchiedenen Gegenden der Erdoberfläche verwildert vorkommen- den Hunde auszurotten. Es würde in früheren Zeiten noch viel ſchwerer geworden ſein, die urſprüng- lich wilden Stämme an allen Orten auszurotten. Es iſt ebenſo nicht wahrſcheinlich, daß eine ſolche Stammart bis jetzt unbeachtet und unentdeckt geblieben wäre.‟
„Und ſo bleibt darin, ſolange man dieſe Fragpunkte auf dem Gebiete der Naturforſcher erhalten will, kaum ein anderer Ausweg, als ſich zu der Anſicht bekennen, welcher Pallas huldigt: daß in Zähmung und Vermiſchung der in verſchiedenen Ländern urſprünglichen Wolfs- arten der Urſprung des Haushundes zu ſuchen ſei. Dieſe Anſicht iſt natürlich, wie jede andere über dieſen Punkt, nur eine Annahme, aber es wird, wenn ſie in der Natur begründet iſt, möglich ſein, ſie durch unmittelbare Vergleichung der Hunde- und Wolfsſchädel bis zur vollen Ueber- zeugung zu erheben. Man hat keine Veranlaſſung mehr, ſich in ſolcher Auffaſſung durch die Lehren und Annahmen von Buffon beirren zu laſſen. Da ſich gleichzeitig die unbeſchränkte Kreuzung der Hundearten unter ſich und des Hundes mit Wolf und Schakal am beſten mit dieſer Anſicht verträgt,
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0381"n="315"/><fwplace="top"type="header">Naturwiſſenſchaftliche Streitfragen über den Urſprung des Hundes.</fw><lb/>
iſt. <hirendition="#g">Ritter</hi> macht darauf aufmerkſam, daß, wie <hirendition="#g">Grawford</hi> bezeugt, in allen Gleicherländern<lb/>
oſtwärts von Bengalen, in Hinterindien und ſeinen umliegenden Jnſeln nicht einmal irgend eine<lb/>
Art der ganzen Hundefamilie aufgefunden worden iſt. Es ſcheint demnach, daß, ungeachtet der Ein-<lb/>
wirkung des Menſchen, die Verbreitung der Hunde mit den wilden Wolfsarten in einem genauern<lb/>
Zuſammenhang ſteht.‟</p><lb/><p>„Wenn es ſchon auffallend iſt, daß die eingeborenen Hundearten ſich in dem Schädelbau den<lb/>
wilden Wolfsarten nähern, ſo iſt es noch auffallender, daß ſie auch im Aeußern wieder den wilden<lb/>
Formen naherücken: wenn ſie in den Zuſtand der Verwilderung übergegangen ſind. Das gilt nicht<lb/>
allein von der Färbung, ſondern auch von der Form des Thieres, den aufrechtſtehenden, ſpitzen<lb/>
Ohren, der Behaarung und dergleichen. Schon Olivier bemerkte, daß die Hunde in der Umgebung<lb/>
von Konſtantinopel ſchakalähnlich ſind. Jm ſüdlichen und öſtlichen Rußland giebt es zahlloſe, halb-<lb/>
verwilderte, in ganzen Geſellſchaften umherlaufende Hunde, die dem <hirendition="#g">Schakal</hi> in Farbe und Geſtalt<lb/>
des Körpers und der Ohren häufig täuſchend ähnlich ſind. Die Beobachtung von <hirendition="#g">Pallas,</hi> daß die<lb/>
Hunde mit dem Schakal in entſchiedener Freundſchaft leben, iſt bei dieſen äußern Aehnlichkeiten leicht<lb/>
zu begreifen.‟</p><lb/><p>„Es iſt bekannt, daß vom Hund und <hirendition="#g">Wolf</hi> Baſtarde in jeder Art der Kreuzung nachgewieſen<lb/>ſind. Baſtarde zwiſchen Hund und <hirendition="#g">Schakal</hi>ſind nach Naturbeobachtungen keine Seltenheit. Pallas<lb/>
erwähnt ſogar, daß unter den Ruſſen Baſtarde von Hund und <hirendition="#g">Fuchs</hi> als eine bekannte Sache ange-<lb/>
nommen werden, doch gründet er dieſe Behauptung offenbar nicht auf eigene Beobachtungen.‟</p><lb/><p>„Fragt man ſich nun nach dieſen Andeutungen, <hirendition="#g">ob der Hund eine Art, eine ſelbſtſtändige<lb/>
und getrennte, wie der Wolf, Schakal und Fuchs,</hi>ſo iſt es ſchwer, die Frage zu bejahen.<lb/>
Kein einziges wildes Thier zeigt ſolche Abweichungen im Schädel, im ganzen Körperbau, in den Ver-<lb/>
hältniſſen der abſoluten Größe. Aber auch die Hausthiere, bei denen wir annehmen müſſen, daß die<lb/>
Art an und für ſich noch unverfälſcht erhalten, nur durch Zähmung und Kultur verändert iſt, wie<lb/><hirendition="#g">Pferd, Eſel, Rind, Ziege, Schwein,</hi> haben ſolche Gegenſätze nicht auſzuweiſen, und noch weniger<lb/>
läßt ſich ſagen, daß mehrere Arten unter dieſer großen Manchfaltigkeit von Formen enthalten wären.<lb/>
Ebenſo willkürlich, wie die Aufſtellung verſchiedener Menſchenarten, würde es bleiben, mehrere Hunde-<lb/>
arten unterſcheiden zu wollen. Es liegt offenbar hier eine Thatſache vor, die mit den ſonſt in der<lb/>
Natur und Kultur beobachteten nicht gleichlaufend iſt.‟</p><lb/><p>„Daß in dem Sinne, wie beim <hirendition="#g">Pferde</hi> und bei der <hirendition="#g">Ziege,</hi> von einer Stammart des Hundes<lb/>
nicht die Rede ſein kann, wird aus Allem wohl klar. Nach folgerichtigem Schluß iſt kein Thier im<lb/>
wilden Zuſtand wahrſcheinlich, welches gezähmt eine ſolche Manchfaltigkeit der Formen hervorbringen<lb/>
könnte. Aber auch von allem Unweſentlichen, der Kultur Unterworfenen abgeſehen, giebt es in der<lb/>
Natur kein Thier, welches ganz mit dem Hunde übereinſtimmte. Und doch iſt es nicht wahrſcheinlich,<lb/>
daß der Stamm eines ſolchen Thieres über die ganze Erdoberfläche hätte ausſterben können. Es wird<lb/>
jetzt nicht einmal möglich ſein, die in verſchiedenen Gegenden der Erdoberfläche verwildert vorkommen-<lb/>
den Hunde auszurotten. Es würde in früheren Zeiten noch viel ſchwerer geworden ſein, die urſprüng-<lb/>
lich wilden Stämme an allen Orten auszurotten. Es iſt ebenſo nicht wahrſcheinlich, daß eine ſolche<lb/>
Stammart bis jetzt unbeachtet und unentdeckt geblieben wäre.‟</p><lb/><p>„Und ſo bleibt darin, ſolange man dieſe Fragpunkte auf dem Gebiete der Naturforſcher erhalten<lb/>
will, kaum ein anderer Ausweg, als ſich zu der Anſicht bekennen, welcher <hirendition="#g">Pallas</hi> huldigt: <hirendition="#g">daß in<lb/>
Zähmung und Vermiſchung der in verſchiedenen Ländern urſprünglichen Wolfs-<lb/>
arten der Urſprung des Haushundes zu ſuchen ſei.</hi> Dieſe Anſicht iſt natürlich, wie jede<lb/>
andere über dieſen Punkt, nur eine Annahme, aber es wird, wenn ſie in der Natur begründet iſt,<lb/>
möglich ſein, ſie durch unmittelbare Vergleichung der Hunde- und Wolfsſchädel bis zur vollen Ueber-<lb/>
zeugung zu erheben. Man hat keine Veranlaſſung mehr, ſich in ſolcher Auffaſſung durch die Lehren<lb/>
und Annahmen von <hirendition="#g">Buffon</hi> beirren zu laſſen. Da ſich gleichzeitig die unbeſchränkte Kreuzung der<lb/>
Hundearten unter ſich und des Hundes mit Wolf und Schakal am beſten mit dieſer Anſicht verträgt,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[315/0381]
Naturwiſſenſchaftliche Streitfragen über den Urſprung des Hundes.
iſt. Ritter macht darauf aufmerkſam, daß, wie Grawford bezeugt, in allen Gleicherländern
oſtwärts von Bengalen, in Hinterindien und ſeinen umliegenden Jnſeln nicht einmal irgend eine
Art der ganzen Hundefamilie aufgefunden worden iſt. Es ſcheint demnach, daß, ungeachtet der Ein-
wirkung des Menſchen, die Verbreitung der Hunde mit den wilden Wolfsarten in einem genauern
Zuſammenhang ſteht.‟
„Wenn es ſchon auffallend iſt, daß die eingeborenen Hundearten ſich in dem Schädelbau den
wilden Wolfsarten nähern, ſo iſt es noch auffallender, daß ſie auch im Aeußern wieder den wilden
Formen naherücken: wenn ſie in den Zuſtand der Verwilderung übergegangen ſind. Das gilt nicht
allein von der Färbung, ſondern auch von der Form des Thieres, den aufrechtſtehenden, ſpitzen
Ohren, der Behaarung und dergleichen. Schon Olivier bemerkte, daß die Hunde in der Umgebung
von Konſtantinopel ſchakalähnlich ſind. Jm ſüdlichen und öſtlichen Rußland giebt es zahlloſe, halb-
verwilderte, in ganzen Geſellſchaften umherlaufende Hunde, die dem Schakal in Farbe und Geſtalt
des Körpers und der Ohren häufig täuſchend ähnlich ſind. Die Beobachtung von Pallas, daß die
Hunde mit dem Schakal in entſchiedener Freundſchaft leben, iſt bei dieſen äußern Aehnlichkeiten leicht
zu begreifen.‟
„Es iſt bekannt, daß vom Hund und Wolf Baſtarde in jeder Art der Kreuzung nachgewieſen
ſind. Baſtarde zwiſchen Hund und Schakal ſind nach Naturbeobachtungen keine Seltenheit. Pallas
erwähnt ſogar, daß unter den Ruſſen Baſtarde von Hund und Fuchs als eine bekannte Sache ange-
nommen werden, doch gründet er dieſe Behauptung offenbar nicht auf eigene Beobachtungen.‟
„Fragt man ſich nun nach dieſen Andeutungen, ob der Hund eine Art, eine ſelbſtſtändige
und getrennte, wie der Wolf, Schakal und Fuchs, ſo iſt es ſchwer, die Frage zu bejahen.
Kein einziges wildes Thier zeigt ſolche Abweichungen im Schädel, im ganzen Körperbau, in den Ver-
hältniſſen der abſoluten Größe. Aber auch die Hausthiere, bei denen wir annehmen müſſen, daß die
Art an und für ſich noch unverfälſcht erhalten, nur durch Zähmung und Kultur verändert iſt, wie
Pferd, Eſel, Rind, Ziege, Schwein, haben ſolche Gegenſätze nicht auſzuweiſen, und noch weniger
läßt ſich ſagen, daß mehrere Arten unter dieſer großen Manchfaltigkeit von Formen enthalten wären.
Ebenſo willkürlich, wie die Aufſtellung verſchiedener Menſchenarten, würde es bleiben, mehrere Hunde-
arten unterſcheiden zu wollen. Es liegt offenbar hier eine Thatſache vor, die mit den ſonſt in der
Natur und Kultur beobachteten nicht gleichlaufend iſt.‟
„Daß in dem Sinne, wie beim Pferde und bei der Ziege, von einer Stammart des Hundes
nicht die Rede ſein kann, wird aus Allem wohl klar. Nach folgerichtigem Schluß iſt kein Thier im
wilden Zuſtand wahrſcheinlich, welches gezähmt eine ſolche Manchfaltigkeit der Formen hervorbringen
könnte. Aber auch von allem Unweſentlichen, der Kultur Unterworfenen abgeſehen, giebt es in der
Natur kein Thier, welches ganz mit dem Hunde übereinſtimmte. Und doch iſt es nicht wahrſcheinlich,
daß der Stamm eines ſolchen Thieres über die ganze Erdoberfläche hätte ausſterben können. Es wird
jetzt nicht einmal möglich ſein, die in verſchiedenen Gegenden der Erdoberfläche verwildert vorkommen-
den Hunde auszurotten. Es würde in früheren Zeiten noch viel ſchwerer geworden ſein, die urſprüng-
lich wilden Stämme an allen Orten auszurotten. Es iſt ebenſo nicht wahrſcheinlich, daß eine ſolche
Stammart bis jetzt unbeachtet und unentdeckt geblieben wäre.‟
„Und ſo bleibt darin, ſolange man dieſe Fragpunkte auf dem Gebiete der Naturforſcher erhalten
will, kaum ein anderer Ausweg, als ſich zu der Anſicht bekennen, welcher Pallas huldigt: daß in
Zähmung und Vermiſchung der in verſchiedenen Ländern urſprünglichen Wolfs-
arten der Urſprung des Haushundes zu ſuchen ſei. Dieſe Anſicht iſt natürlich, wie jede
andere über dieſen Punkt, nur eine Annahme, aber es wird, wenn ſie in der Natur begründet iſt,
möglich ſein, ſie durch unmittelbare Vergleichung der Hunde- und Wolfsſchädel bis zur vollen Ueber-
zeugung zu erheben. Man hat keine Veranlaſſung mehr, ſich in ſolcher Auffaſſung durch die Lehren
und Annahmen von Buffon beirren zu laſſen. Da ſich gleichzeitig die unbeſchränkte Kreuzung der
Hundearten unter ſich und des Hundes mit Wolf und Schakal am beſten mit dieſer Anſicht verträgt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/381>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.