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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aufenthalt und Lebensweise.
ein ziemlich ausgewachsenes Männchen erlegt hatte. Von nun an wurde ich aufmerksam und bemerkte
deshalb unser Raubthier auch öfter. Einen großen Luchs fand ich ruhig sich sonnend in einem Rohr-
gebüsche liegen. Er entkam mir aber trotz einer starken Verwundung, welche ich ihm beigebracht hatte.
Die übrigen, welche ich bemerkte, entflohen regelmäßig, noch ehe ich in Schußweite an sie heran-
gekommen war. Aus meinen Beobachtungen geht Folgendes hervor.

Der Sumpfluchs schleicht an den beschriebenen Orten ebensowohl bei Tag als bei Nacht umher,
um Beute zu machen. Dabei kommt er dreist bis dicht an die Dörfer heran, und die größeren Gärten
in der Nähe derselben scheinen ihm sogar besondere Lieblingsplätze zu sein. Um ihn oder wenigstens
seine Spuren zu bemerken, braucht man eben nicht lange auf der Jagd herumzustreifen. Wenn man
an den Rändern von Getreidefeldern, auf Rainen und Wegen, welche durch dieselben führen, Acht
haben will, gewahrt man ihn häufig genug. Er schleicht nach echter Katzenart leise und unhörbar
zwischen den Pflanzen dahin, welche ihn gewöhnlich zum größten Theile verstecken. Von Zeit zu Zeit
bleibt er stehen und lauscht. Dabei bewegt er, wie unsere Hauskatzen, die Ohren nach allen Rich-
tungen hin, beschreibt mit dem Schwanze die verschiedenen Biegungen und Windungen, welche die
Seeleuruhe einer gemüthlich jagenden Katze bezeichnen, und äugt mit jenem ruhigen, fast starren Blick,
welcher unserm Hinz eigen ist, fast träumerisch gerade vor sich hin. Der Gehörsinn scheint ihm bei
Tage jedenfalls mehr zu leiten, als sein Gesicht; denn die Lauscher sind auch bei der größten Ruhe in
beständiger Bewegung. Das geringste Geräusch ändert dieses träumerische Dahinschleichen: er erhebt
den Kopf, die Lauscher richten sich nach kurzer, schneller Bewegung der bezeichneten Stelle zu, der
ganze Leib duckt sich, verschwindet vollkommen im Grase, und schlangenartig schleicht das Thier auf
dem Bauche an seine Beute heran, welche wohl auch in den meisten Fällen in seine Gewalt fällt. Bis-
weilen sieht man auch wohl aus dem scheinbar ganz unbelebten Riedgrase heraus mit einem gewaltigen
Satz ein Thier in die Höhe springen und im nächsten Augenblicke wieder verschwinden. Der Sumpfluchs
hat einen Luftsprung nach irgend einem Vogel gemacht, welchen es aufgejagt hatte. Seine Beute besteht
zumeist aus Mäusen und Ratten, sodann aber aus kleinen Erd- und Schilfvögeln aller Art, namentlich
Wüstenhühnern, Lerchen, Regenpfeifern, Schilf- oder Riedgrasfängern (Cisticola) etc.
Jn den Gärten stiehlt er den Bauern ihre Hühner und Tauben, in den Fruchtfeldern schleicht er
den Hafen und an den Wüstenrändern den Springmäusen nach. An größere Thiere wagt er sich
niemals, wenigstens hat mir davon kein einziger Fellah Etwas erzählt; auch einem Menschen weicht
er immer furchtsam aus, sobald er ihn bemerkt, und selbst derjenige, welchen ich verwundete, wagte
nicht, mich anzuspringen. Gleichwohl wird er von den Arabern als ein sehr böses Thier gefürchtet,
und diese Furcht hat sich, was das Lächerlichste ist, auch auf die Europäer übertragen. Mein Diener
erdreistete sich nicht, auf einen sehr schönen Sumpfluchs zu schießen, den er im Getreide auftrieb,
und ein nadelkundiger Reisegefährte des bekannten Schriftstellers Bogumil Goltz glaubte nun gar
einen jungen Löwen in unserm "Tschaus" zu erblicken, als er ihm auf der Jagd einmal begegnete.
Ungeachtet dieser Meinung des kühnen Jägers meine ich, nicht zuviel zu sagen, wenn ich behaupte,
daß der Sumpfluchs ein durchaus ungefährlicher und ziemlich harmloser Räuber ist. Ja ich glaube
sogar behaupten zu können, daß er ebensoviel Nutzen stiftet, als Schaden anrichtet. -- Jn der Ge-
fangenschaft hat man ihn noch so gut als gar nicht beobachtet. Ein eingesperrter fraß zwölf Tage
lang Nichts, sondern zerbiß seinen Stock und seine eignen Vorderfüße, welche ihm von dem Eisen
zerschlagen worden waren. Ein anderer dagegen lebte drei Monate, fraß viel Fische, schäumte aber
immer vor Zorn. Das ist Alles, was wir wissen.

Am Ende der reichen Familie, welche wir im Vorstehenden überblickten, steht ein eigenthümliches
Bindeglied zwischen ihr und der nächstfolgenden, die Sippe der Jagdleoparden oder Gepards.
Sie enthält, soviel man weiß, blos zwei Arten, welche sich jedoch in ihrer Gestalt und in ihrer
Lebensweise so ähneln, daß ihre Unterscheidung nur für den strengen Forscher irgendwelche Wichtig-
keit hat. Die Gepards tragen ihren Sippennamen Cynailurus -- Hundekatze -- mit vollem

Brehm, Thierleben. 20

Aufenthalt und Lebensweiſe.
ein ziemlich ausgewachſenes Männchen erlegt hatte. Von nun an wurde ich aufmerkſam und bemerkte
deshalb unſer Raubthier auch öfter. Einen großen Luchs fand ich ruhig ſich ſonnend in einem Rohr-
gebüſche liegen. Er entkam mir aber trotz einer ſtarken Verwundung, welche ich ihm beigebracht hatte.
Die übrigen, welche ich bemerkte, entflohen regelmäßig, noch ehe ich in Schußweite an ſie heran-
gekommen war. Aus meinen Beobachtungen geht Folgendes hervor.

Der Sumpfluchs ſchleicht an den beſchriebenen Orten ebenſowohl bei Tag als bei Nacht umher,
um Beute zu machen. Dabei kommt er dreiſt bis dicht an die Dörfer heran, und die größeren Gärten
in der Nähe derſelben ſcheinen ihm ſogar beſondere Lieblingsplätze zu ſein. Um ihn oder wenigſtens
ſeine Spuren zu bemerken, braucht man eben nicht lange auf der Jagd herumzuſtreifen. Wenn man
an den Rändern von Getreidefeldern, auf Rainen und Wegen, welche durch dieſelben führen, Acht
haben will, gewahrt man ihn häufig genug. Er ſchleicht nach echter Katzenart leiſe und unhörbar
zwiſchen den Pflanzen dahin, welche ihn gewöhnlich zum größten Theile verſtecken. Von Zeit zu Zeit
bleibt er ſtehen und lauſcht. Dabei bewegt er, wie unſere Hauskatzen, die Ohren nach allen Rich-
tungen hin, beſchreibt mit dem Schwanze die verſchiedenen Biegungen und Windungen, welche die
Seeleuruhe einer gemüthlich jagenden Katze bezeichnen, und äugt mit jenem ruhigen, faſt ſtarren Blick,
welcher unſerm Hinz eigen iſt, faſt träumeriſch gerade vor ſich hin. Der Gehörſinn ſcheint ihm bei
Tage jedenfalls mehr zu leiten, als ſein Geſicht; denn die Lauſcher ſind auch bei der größten Ruhe in
beſtändiger Bewegung. Das geringſte Geräuſch ändert dieſes träumeriſche Dahinſchleichen: er erhebt
den Kopf, die Lauſcher richten ſich nach kurzer, ſchneller Bewegung der bezeichneten Stelle zu, der
ganze Leib duckt ſich, verſchwindet vollkommen im Graſe, und ſchlangenartig ſchleicht das Thier auf
dem Bauche an ſeine Beute heran, welche wohl auch in den meiſten Fällen in ſeine Gewalt fällt. Bis-
weilen ſieht man auch wohl aus dem ſcheinbar ganz unbelebten Riedgraſe heraus mit einem gewaltigen
Satz ein Thier in die Höhe ſpringen und im nächſten Augenblicke wieder verſchwinden. Der Sumpfluchs
hat einen Luftſprung nach irgend einem Vogel gemacht, welchen es aufgejagt hatte. Seine Beute beſteht
zumeiſt aus Mäuſen und Ratten, ſodann aber aus kleinen Erd- und Schilfvögeln aller Art, namentlich
Wüſtenhühnern, Lerchen, Regenpfeifern, Schilf- oder Riedgrasfängern (Cisticola) ꝛc.
Jn den Gärten ſtiehlt er den Bauern ihre Hühner und Tauben, in den Fruchtfeldern ſchleicht er
den Hafen und an den Wüſtenrändern den Springmäuſen nach. An größere Thiere wagt er ſich
niemals, wenigſtens hat mir davon kein einziger Fellah Etwas erzählt; auch einem Menſchen weicht
er immer furchtſam aus, ſobald er ihn bemerkt, und ſelbſt derjenige, welchen ich verwundete, wagte
nicht, mich anzuſpringen. Gleichwohl wird er von den Arabern als ein ſehr böſes Thier gefürchtet,
und dieſe Furcht hat ſich, was das Lächerlichſte iſt, auch auf die Europäer übertragen. Mein Diener
erdreiſtete ſich nicht, auf einen ſehr ſchönen Sumpfluchs zu ſchießen, den er im Getreide auftrieb,
und ein nadelkundiger Reiſegefährte des bekannten Schriftſtellers Bogumil Goltz glaubte nun gar
einen jungen Löwen in unſerm „Tſchaus‟ zu erblicken, als er ihm auf der Jagd einmal begegnete.
Ungeachtet dieſer Meinung des kühnen Jägers meine ich, nicht zuviel zu ſagen, wenn ich behaupte,
daß der Sumpfluchs ein durchaus ungefährlicher und ziemlich harmloſer Räuber iſt. Ja ich glaube
ſogar behaupten zu können, daß er ebenſoviel Nutzen ſtiftet, als Schaden anrichtet. — Jn der Ge-
fangenſchaft hat man ihn noch ſo gut als gar nicht beobachtet. Ein eingeſperrter fraß zwölf Tage
lang Nichts, ſondern zerbiß ſeinen Stock und ſeine eignen Vorderfüße, welche ihm von dem Eiſen
zerſchlagen worden waren. Ein anderer dagegen lebte drei Monate, fraß viel Fiſche, ſchäumte aber
immer vor Zorn. Das iſt Alles, was wir wiſſen.

Am Ende der reichen Familie, welche wir im Vorſtehenden überblickten, ſteht ein eigenthümliches
Bindeglied zwiſchen ihr und der nächſtfolgenden, die Sippe der Jagdleoparden oder Gepards.
Sie enthält, ſoviel man weiß, blos zwei Arten, welche ſich jedoch in ihrer Geſtalt und in ihrer
Lebensweiſe ſo ähneln, daß ihre Unterſcheidung nur für den ſtrengen Forſcher irgendwelche Wichtig-
keit hat. Die Gepards tragen ihren Sippennamen Cynailurus — Hundekatze — mit vollem

Brehm, Thierleben. 20
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[305/0371] Aufenthalt und Lebensweiſe. ein ziemlich ausgewachſenes Männchen erlegt hatte. Von nun an wurde ich aufmerkſam und bemerkte deshalb unſer Raubthier auch öfter. Einen großen Luchs fand ich ruhig ſich ſonnend in einem Rohr- gebüſche liegen. Er entkam mir aber trotz einer ſtarken Verwundung, welche ich ihm beigebracht hatte. Die übrigen, welche ich bemerkte, entflohen regelmäßig, noch ehe ich in Schußweite an ſie heran- gekommen war. Aus meinen Beobachtungen geht Folgendes hervor. Der Sumpfluchs ſchleicht an den beſchriebenen Orten ebenſowohl bei Tag als bei Nacht umher, um Beute zu machen. Dabei kommt er dreiſt bis dicht an die Dörfer heran, und die größeren Gärten in der Nähe derſelben ſcheinen ihm ſogar beſondere Lieblingsplätze zu ſein. Um ihn oder wenigſtens ſeine Spuren zu bemerken, braucht man eben nicht lange auf der Jagd herumzuſtreifen. Wenn man an den Rändern von Getreidefeldern, auf Rainen und Wegen, welche durch dieſelben führen, Acht haben will, gewahrt man ihn häufig genug. Er ſchleicht nach echter Katzenart leiſe und unhörbar zwiſchen den Pflanzen dahin, welche ihn gewöhnlich zum größten Theile verſtecken. Von Zeit zu Zeit bleibt er ſtehen und lauſcht. Dabei bewegt er, wie unſere Hauskatzen, die Ohren nach allen Rich- tungen hin, beſchreibt mit dem Schwanze die verſchiedenen Biegungen und Windungen, welche die Seeleuruhe einer gemüthlich jagenden Katze bezeichnen, und äugt mit jenem ruhigen, faſt ſtarren Blick, welcher unſerm Hinz eigen iſt, faſt träumeriſch gerade vor ſich hin. Der Gehörſinn ſcheint ihm bei Tage jedenfalls mehr zu leiten, als ſein Geſicht; denn die Lauſcher ſind auch bei der größten Ruhe in beſtändiger Bewegung. Das geringſte Geräuſch ändert dieſes träumeriſche Dahinſchleichen: er erhebt den Kopf, die Lauſcher richten ſich nach kurzer, ſchneller Bewegung der bezeichneten Stelle zu, der ganze Leib duckt ſich, verſchwindet vollkommen im Graſe, und ſchlangenartig ſchleicht das Thier auf dem Bauche an ſeine Beute heran, welche wohl auch in den meiſten Fällen in ſeine Gewalt fällt. Bis- weilen ſieht man auch wohl aus dem ſcheinbar ganz unbelebten Riedgraſe heraus mit einem gewaltigen Satz ein Thier in die Höhe ſpringen und im nächſten Augenblicke wieder verſchwinden. Der Sumpfluchs hat einen Luftſprung nach irgend einem Vogel gemacht, welchen es aufgejagt hatte. Seine Beute beſteht zumeiſt aus Mäuſen und Ratten, ſodann aber aus kleinen Erd- und Schilfvögeln aller Art, namentlich Wüſtenhühnern, Lerchen, Regenpfeifern, Schilf- oder Riedgrasfängern (Cisticola) ꝛc. Jn den Gärten ſtiehlt er den Bauern ihre Hühner und Tauben, in den Fruchtfeldern ſchleicht er den Hafen und an den Wüſtenrändern den Springmäuſen nach. An größere Thiere wagt er ſich niemals, wenigſtens hat mir davon kein einziger Fellah Etwas erzählt; auch einem Menſchen weicht er immer furchtſam aus, ſobald er ihn bemerkt, und ſelbſt derjenige, welchen ich verwundete, wagte nicht, mich anzuſpringen. Gleichwohl wird er von den Arabern als ein ſehr böſes Thier gefürchtet, und dieſe Furcht hat ſich, was das Lächerlichſte iſt, auch auf die Europäer übertragen. Mein Diener erdreiſtete ſich nicht, auf einen ſehr ſchönen Sumpfluchs zu ſchießen, den er im Getreide auftrieb, und ein nadelkundiger Reiſegefährte des bekannten Schriftſtellers Bogumil Goltz glaubte nun gar einen jungen Löwen in unſerm „Tſchaus‟ zu erblicken, als er ihm auf der Jagd einmal begegnete. Ungeachtet dieſer Meinung des kühnen Jägers meine ich, nicht zuviel zu ſagen, wenn ich behaupte, daß der Sumpfluchs ein durchaus ungefährlicher und ziemlich harmloſer Räuber iſt. Ja ich glaube ſogar behaupten zu können, daß er ebenſoviel Nutzen ſtiftet, als Schaden anrichtet. — Jn der Ge- fangenſchaft hat man ihn noch ſo gut als gar nicht beobachtet. Ein eingeſperrter fraß zwölf Tage lang Nichts, ſondern zerbiß ſeinen Stock und ſeine eignen Vorderfüße, welche ihm von dem Eiſen zerſchlagen worden waren. Ein anderer dagegen lebte drei Monate, fraß viel Fiſche, ſchäumte aber immer vor Zorn. Das iſt Alles, was wir wiſſen. Am Ende der reichen Familie, welche wir im Vorſtehenden überblickten, ſteht ein eigenthümliches Bindeglied zwiſchen ihr und der nächſtfolgenden, die Sippe der Jagdleoparden oder Gepards. Sie enthält, ſoviel man weiß, blos zwei Arten, welche ſich jedoch in ihrer Geſtalt und in ihrer Lebensweiſe ſo ähneln, daß ihre Unterſcheidung nur für den ſtrengen Forſcher irgendwelche Wichtig- keit hat. Die Gepards tragen ihren Sippennamen Cynailurus — Hundekatze — mit vollem Brehm, Thierleben. 20

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/371>, abgerufen am 24.11.2024.