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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Sumpfluchs. Gepard.
Abissinien bewohnt und auch in seiner Lebensweise weit mehr Katze, als Luchs ist. Er ist, wie der
Karakal, schlank gebaut und hochbeinig. Der Schwanz ist aber länger, die Ohrpinsel sind viel
kleiner. Der Pelz ist reichlich behaart, im allgemeinen von gelblichgraulich oder grünlichgelbgrau-
licher Färbung, auf welcher verwaschene, dunklere Streifen sich zeigen. Von der Nase bis zu den
Augen läuft ein schwarzer Streif; die Lippenränder sind schwarz, über und unter den Augen befindet
sich ein weißer Fleck. Die Ohren sind oben graubraun mit schwarzer Spitze, die Unterseite ist hell-
ockergelb und selbst weißlich. Die Körperlänge beträgt zwei Fuß und die des Schwanzes acht Zoll.

Jch bin dem Sumpfluchs im Nilthale mehrere Male begegnet. Er ist in Egypten eben keine
seltene Erscheinung, man bemerkt ihn nur nicht oft. Jn jenem Lande fehlen größere Waldungen, in
welchen sich ein Raubthier verbergen könnte, fast gänzlich, und dies ist deshalb auf andere Schlupf-
winkel angewiesen. Wie die Hiäne, welche eigentlich zwischen dem Geklüft der Wüste ihre Höhle hat,
oft lange Zeit im Röhricht lebt; wie der Schakal und Fuchs das Riedgras und das Getreide be-

[Abbildung] Der Sumpfluchs (Lynx Chaus).
wohnen, so lebt auch der Sumpfluchs ruhig an ähnlichen Orten, ohne befürchten zu müssen, leicht
aufgestört zu werden. Auf Bäume klettert er, nach meinen Beobachtungen wenigstens, niemals. Die
ausgedehnten Getreidefelder, welche auf dem vom überwogenden Nile getränkten Erdreiche angelegt
wurden und also nicht zeitweilig künstlich überrieselt werden, sind vorzugsweise sein Aufenthalt. Außer-
dem aber bewohnt er die großen Flächen, welche dichter oder dünner mit einem ziemlich hohen, scharf-
schneidigen Riedgrase, der Halfa (Poa eynosuroides), bedeckt sind, und endlich bieten ihm die trockenen
Stellen im Röhricht, ja auch schon die Rohrdickichte, welche sich an den Ufern der Kanäle hinziehen
oder manche Felder umzäunen, erwünschte Aufenthaltsorte. Als ich einmal ganz nahe bei der Stadt
Esneh durch einen Garten schlenderte, fiel mir eine in dem dichten Grase dahinschleichende Katze nur
ihres großen Kopfes wegen auf. Der übrige Körper war ganz in dem schossenden Getreide versteckt.
Mehr, um zu untersuchen, als in der Meinung, eine wilde Katz vor mir zu haben, schoß ich auf das
Thier, welches mich eben keiner großen Beachtung würdig hielt. Es verendete nach wenigen, ver-
zweiflungsvollen Sätzen, und ich fand zu meiner Ueberraschung, daß ich unsern Sumpfluchs und zwar

Die Raubthiere. Katzen. — Sumpfluchs. Gepard.
Abiſſinien bewohnt und auch in ſeiner Lebensweiſe weit mehr Katze, als Luchs iſt. Er iſt, wie der
Karakal, ſchlank gebaut und hochbeinig. Der Schwanz iſt aber länger, die Ohrpinſel ſind viel
kleiner. Der Pelz iſt reichlich behaart, im allgemeinen von gelblichgraulich oder grünlichgelbgrau-
licher Färbung, auf welcher verwaſchene, dunklere Streifen ſich zeigen. Von der Naſe bis zu den
Augen läuft ein ſchwarzer Streif; die Lippenränder ſind ſchwarz, über und unter den Augen befindet
ſich ein weißer Fleck. Die Ohren ſind oben graubraun mit ſchwarzer Spitze, die Unterſeite iſt hell-
ockergelb und ſelbſt weißlich. Die Körperlänge beträgt zwei Fuß und die des Schwanzes acht Zoll.

Jch bin dem Sumpfluchs im Nilthale mehrere Male begegnet. Er iſt in Egypten eben keine
ſeltene Erſcheinung, man bemerkt ihn nur nicht oft. Jn jenem Lande fehlen größere Waldungen, in
welchen ſich ein Raubthier verbergen könnte, faſt gänzlich, und dies iſt deshalb auf andere Schlupf-
winkel angewieſen. Wie die Hiäne, welche eigentlich zwiſchen dem Geklüft der Wüſte ihre Höhle hat,
oft lange Zeit im Röhricht lebt; wie der Schakal und Fuchs das Riedgras und das Getreide be-

[Abbildung] Der Sumpfluchs (Lynx Chaus).
wohnen, ſo lebt auch der Sumpfluchs ruhig an ähnlichen Orten, ohne befürchten zu müſſen, leicht
aufgeſtört zu werden. Auf Bäume klettert er, nach meinen Beobachtungen wenigſtens, niemals. Die
ausgedehnten Getreidefelder, welche auf dem vom überwogenden Nile getränkten Erdreiche angelegt
wurden und alſo nicht zeitweilig künſtlich überrieſelt werden, ſind vorzugsweiſe ſein Aufenthalt. Außer-
dem aber bewohnt er die großen Flächen, welche dichter oder dünner mit einem ziemlich hohen, ſcharf-
ſchneidigen Riedgraſe, der Halfa (Poa eynosuroides), bedeckt ſind, und endlich bieten ihm die trockenen
Stellen im Röhricht, ja auch ſchon die Rohrdickichte, welche ſich an den Ufern der Kanäle hinziehen
oder manche Felder umzäunen, erwünſchte Aufenthaltsorte. Als ich einmal ganz nahe bei der Stadt
Esneh durch einen Garten ſchlenderte, fiel mir eine in dem dichten Graſe dahinſchleichende Katze nur
ihres großen Kopfes wegen auf. Der übrige Körper war ganz in dem ſchoſſenden Getreide verſteckt.
Mehr, um zu unterſuchen, als in der Meinung, eine wilde Katz vor mir zu haben, ſchoß ich auf das
Thier, welches mich eben keiner großen Beachtung würdig hielt. Es verendete nach wenigen, ver-
zweiflungsvollen Sätzen, und ich fand zu meiner Ueberraſchung, daß ich unſern Sumpfluchs und zwar

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[304/0370] Die Raubthiere. Katzen. — Sumpfluchs. Gepard. Abiſſinien bewohnt und auch in ſeiner Lebensweiſe weit mehr Katze, als Luchs iſt. Er iſt, wie der Karakal, ſchlank gebaut und hochbeinig. Der Schwanz iſt aber länger, die Ohrpinſel ſind viel kleiner. Der Pelz iſt reichlich behaart, im allgemeinen von gelblichgraulich oder grünlichgelbgrau- licher Färbung, auf welcher verwaſchene, dunklere Streifen ſich zeigen. Von der Naſe bis zu den Augen läuft ein ſchwarzer Streif; die Lippenränder ſind ſchwarz, über und unter den Augen befindet ſich ein weißer Fleck. Die Ohren ſind oben graubraun mit ſchwarzer Spitze, die Unterſeite iſt hell- ockergelb und ſelbſt weißlich. Die Körperlänge beträgt zwei Fuß und die des Schwanzes acht Zoll. Jch bin dem Sumpfluchs im Nilthale mehrere Male begegnet. Er iſt in Egypten eben keine ſeltene Erſcheinung, man bemerkt ihn nur nicht oft. Jn jenem Lande fehlen größere Waldungen, in welchen ſich ein Raubthier verbergen könnte, faſt gänzlich, und dies iſt deshalb auf andere Schlupf- winkel angewieſen. Wie die Hiäne, welche eigentlich zwiſchen dem Geklüft der Wüſte ihre Höhle hat, oft lange Zeit im Röhricht lebt; wie der Schakal und Fuchs das Riedgras und das Getreide be- [Abbildung Der Sumpfluchs (Lynx Chaus).] wohnen, ſo lebt auch der Sumpfluchs ruhig an ähnlichen Orten, ohne befürchten zu müſſen, leicht aufgeſtört zu werden. Auf Bäume klettert er, nach meinen Beobachtungen wenigſtens, niemals. Die ausgedehnten Getreidefelder, welche auf dem vom überwogenden Nile getränkten Erdreiche angelegt wurden und alſo nicht zeitweilig künſtlich überrieſelt werden, ſind vorzugsweiſe ſein Aufenthalt. Außer- dem aber bewohnt er die großen Flächen, welche dichter oder dünner mit einem ziemlich hohen, ſcharf- ſchneidigen Riedgraſe, der Halfa (Poa eynosuroides), bedeckt ſind, und endlich bieten ihm die trockenen Stellen im Röhricht, ja auch ſchon die Rohrdickichte, welche ſich an den Ufern der Kanäle hinziehen oder manche Felder umzäunen, erwünſchte Aufenthaltsorte. Als ich einmal ganz nahe bei der Stadt Esneh durch einen Garten ſchlenderte, fiel mir eine in dem dichten Graſe dahinſchleichende Katze nur ihres großen Kopfes wegen auf. Der übrige Körper war ganz in dem ſchoſſenden Getreide verſteckt. Mehr, um zu unterſuchen, als in der Meinung, eine wilde Katz vor mir zu haben, ſchoß ich auf das Thier, welches mich eben keiner großen Beachtung würdig hielt. Es verendete nach wenigen, ver- zweiflungsvollen Sätzen, und ich fand zu meiner Ueberraſchung, daß ich unſern Sumpfluchs und zwar

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/370>, abgerufen am 24.11.2024.