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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Jagd. Der letzte Luchs in Deutschland. Balg und Wilpret.
zwanzig Fuß bergabwärts Gelegenheit, in dem Augenblicke, als es wieder einmal auf den Boden
sprang, zweimal zu feuern. Es stürzte in die vorhandenen Büsche und verendete dort nach wenigen
Schritten. Jetzt erkannte ich freilich, mit welchem Feinde meiner Schutzbefohlenen ich es zu thun gehabt
hatte. Es war ein starker männlicher Luchs von der Größe eines mittlern Hühnerhundes und sehr
schöner Farbe, prachtvoll getigert an den Vorderläufen, dem Gebiß nach höchstens vier bis fünf Jahre;
sein Gewicht betrug 48 Pfund. Mein Schuß war ihm durchs Herz gegangen."

Erst später konnte ich im Schnee noch ausspüren, daß der Luchs auf der nordwestlichen Ecke der
Ruine in einer kleinen Felsenhöhle sein Lager hatte. Dasselbe war vortrefflich gewählt; denn das
Thier war versteckt und lag ganz trocken." --

Der Balg des Luchses gehört zu den schönsten und theuersten Pelzwerken; leider aber sind die
Haare spröde und springen deshalb nach längerm Gebrauch. Ein Balg kostet zwanzig bis dreißig

[Abbildung] Der Pardelluchs (Lynx pardinus).
Gulden, und die schönsten, nämlich die, welche aus Sibirien kommen, werden selbst an Ort und
Stelle mit sechs bis sechzehn Rubeln bezahlt, weil die reichen Jakuten sehr gern damit ihr Kleid
verzieren. Dabei sind die Häute der Vorderläufe noch nicht einmal mitgerechnet; denn diese werden
abgenommen und mit 41/2 bis 31/2 Rubel das Paar bezahlt. Ein Fell des Luchses wird dort drei
Zobelfellen (ohne Schnauze) oder sechs Wolfs-, zwölf Fuchs- und hundert Eichhornfellen im Werthe
gleichgestellt. Die Jakuten halten auch das Fleisch des Fuchses für einen vorzüglichen Leckerbissen und
stellen es gleich neben das von ihnen hochgeachtete Roßfleisch. Dies nimmt uns vielleicht Wunder,
allein weit merkwürdiger noch ist es, daß auch die Schweizer, wie uns Tschudi berichtet, Luchs-
fleisch essen und für sehr wohlschmeckend halten. Kobell erzählt, daß bei der Fürstenversammlung in
Wien mehrmals Luchsbraten auf die Tafel gekommen sein soll, und fügt Dem hinzu, daß noch im
Jahre 1819 in Ettal Auftrag gegeben wurde, Luchswilpret zu liefern, weil dasselbe dem Könige von
Baiern als Arznei gegen den Schwindel angerathen worden war.

Jagd. Der letzte Luchs in Deutſchland. Balg und Wilpret.
zwanzig Fuß bergabwärts Gelegenheit, in dem Augenblicke, als es wieder einmal auf den Boden
ſprang, zweimal zu feuern. Es ſtürzte in die vorhandenen Büſche und verendete dort nach wenigen
Schritten. Jetzt erkannte ich freilich, mit welchem Feinde meiner Schutzbefohlenen ich es zu thun gehabt
hatte. Es war ein ſtarker männlicher Luchs von der Größe eines mittlern Hühnerhundes und ſehr
ſchöner Farbe, prachtvoll getigert an den Vorderläufen, dem Gebiß nach höchſtens vier bis fünf Jahre;
ſein Gewicht betrug 48 Pfund. Mein Schuß war ihm durchs Herz gegangen.‟

Erſt ſpäter konnte ich im Schnee noch ausſpüren, daß der Luchs auf der nordweſtlichen Ecke der
Ruine in einer kleinen Felſenhöhle ſein Lager hatte. Daſſelbe war vortrefflich gewählt; denn das
Thier war verſteckt und lag ganz trocken.‟ —

Der Balg des Luchſes gehört zu den ſchönſten und theuerſten Pelzwerken; leider aber ſind die
Haare ſpröde und ſpringen deshalb nach längerm Gebrauch. Ein Balg koſtet zwanzig bis dreißig

[Abbildung] Der Pardelluchs (Lynx pardinus).
Gulden, und die ſchönſten, nämlich die, welche aus Sibirien kommen, werden ſelbſt an Ort und
Stelle mit ſechs bis ſechzehn Rubeln bezahlt, weil die reichen Jakuten ſehr gern damit ihr Kleid
verzieren. Dabei ſind die Häute der Vorderläufe noch nicht einmal mitgerechnet; denn dieſe werden
abgenommen und mit 4½ bis 3½ Rubel das Paar bezahlt. Ein Fell des Luchſes wird dort drei
Zobelfellen (ohne Schnauze) oder ſechs Wolfs-, zwölf Fuchs- und hundert Eichhornfellen im Werthe
gleichgeſtellt. Die Jakuten halten auch das Fleiſch des Fuchſes für einen vorzüglichen Leckerbiſſen und
ſtellen es gleich neben das von ihnen hochgeachtete Roßfleiſch. Dies nimmt uns vielleicht Wunder,
allein weit merkwürdiger noch iſt es, daß auch die Schweizer, wie uns Tſchudi berichtet, Luchs-
fleiſch eſſen und für ſehr wohlſchmeckend halten. Kobell erzählt, daß bei der Fürſtenverſammlung in
Wien mehrmals Luchsbraten auf die Tafel gekommen ſein ſoll, und fügt Dem hinzu, daß noch im
Jahre 1819 in Ettal Auftrag gegeben wurde, Luchswilpret zu liefern, weil daſſelbe dem Könige von
Baiern als Arznei gegen den Schwindel angerathen worden war.

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[299/0363] Jagd. Der letzte Luchs in Deutſchland. Balg und Wilpret. zwanzig Fuß bergabwärts Gelegenheit, in dem Augenblicke, als es wieder einmal auf den Boden ſprang, zweimal zu feuern. Es ſtürzte in die vorhandenen Büſche und verendete dort nach wenigen Schritten. Jetzt erkannte ich freilich, mit welchem Feinde meiner Schutzbefohlenen ich es zu thun gehabt hatte. Es war ein ſtarker männlicher Luchs von der Größe eines mittlern Hühnerhundes und ſehr ſchöner Farbe, prachtvoll getigert an den Vorderläufen, dem Gebiß nach höchſtens vier bis fünf Jahre; ſein Gewicht betrug 48 Pfund. Mein Schuß war ihm durchs Herz gegangen.‟ Erſt ſpäter konnte ich im Schnee noch ausſpüren, daß der Luchs auf der nordweſtlichen Ecke der Ruine in einer kleinen Felſenhöhle ſein Lager hatte. Daſſelbe war vortrefflich gewählt; denn das Thier war verſteckt und lag ganz trocken.‟ — Der Balg des Luchſes gehört zu den ſchönſten und theuerſten Pelzwerken; leider aber ſind die Haare ſpröde und ſpringen deshalb nach längerm Gebrauch. Ein Balg koſtet zwanzig bis dreißig [Abbildung Der Pardelluchs (Lynx pardinus).] Gulden, und die ſchönſten, nämlich die, welche aus Sibirien kommen, werden ſelbſt an Ort und Stelle mit ſechs bis ſechzehn Rubeln bezahlt, weil die reichen Jakuten ſehr gern damit ihr Kleid verzieren. Dabei ſind die Häute der Vorderläufe noch nicht einmal mitgerechnet; denn dieſe werden abgenommen und mit 4½ bis 3½ Rubel das Paar bezahlt. Ein Fell des Luchſes wird dort drei Zobelfellen (ohne Schnauze) oder ſechs Wolfs-, zwölf Fuchs- und hundert Eichhornfellen im Werthe gleichgeſtellt. Die Jakuten halten auch das Fleiſch des Fuchſes für einen vorzüglichen Leckerbiſſen und ſtellen es gleich neben das von ihnen hochgeachtete Roßfleiſch. Dies nimmt uns vielleicht Wunder, allein weit merkwürdiger noch iſt es, daß auch die Schweizer, wie uns Tſchudi berichtet, Luchs- fleiſch eſſen und für ſehr wohlſchmeckend halten. Kobell erzählt, daß bei der Fürſtenverſammlung in Wien mehrmals Luchsbraten auf die Tafel gekommen ſein ſoll, und fügt Dem hinzu, daß noch im Jahre 1819 in Ettal Auftrag gegeben wurde, Luchswilpret zu liefern, weil daſſelbe dem Könige von Baiern als Arznei gegen den Schwindel angerathen worden war.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/363>, abgerufen am 24.11.2024.