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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Luchs.
wie ein Dachshund hat, von den Einwohnern gemästet und gegessen wird und, wie ich oben berichtete,
dieselbe ist, welche als Tauschwaare zu den Kiliaken geht u. s. w. Es ist höchst wahrscheinlich, daß
viele dieser letztgenaunten Abarten Blendlinge sind, von welchen Arten weiß man freilich nicht. Daß
sich die Hauskatze ziemlich leicht mit anderen Katzen paart, ist erwiesen. Geachtete Naturforscher haben
sogar behauptet, daß sie sich mit einem Hausmarder paare und Junge erzeuge, welche diesem in
Farbe und Zeichnung auffallend gleichen sollen.



Auch unser kleines Europa besitzt Katzenarten, welche denen der heißen Erdstriche an Raubsucht
und Blutdurst vollkommen ebenbürtig sind und vielen von ihnen in der Größe nicht eben nachstehen.
Es sind Dies die Luchse, von denen man in den übrigen Erdtheilen ebenfalls mehrere Arten kennen
lernte. Jn der neueren Thierkunde vereinigt man sie unter eine besondere Sippe, welche sich haupt-
sächlich durch folgende Merkmale von den eigentlichen Katzen unterscheiden:

Der letzte Unterbackenzahn ist dreispitzig, bei den Katzen, wie wir sahen, nur zweispitzig. An der
Ohrspitze steht ein Büschel vereinigter Haare. Der Schwanz erreicht nur etwas mehr, als Kopflänge
und noch nicht ganz den vierten Theil der Leibeslänge. Letztere beiden Merkmale sind diejenigen,
welche auch den Laien sofort ins Auge fallen, und namentlich der Haarpinsel am Ohre ist der Sippe
ganz eigenthümlich.

Die Luchse waren früher über ganz Europa verbreitet, sind aber jetzt, zum Heil unserer Jagden
und Herden, recht dünn geworden und finden sich blos an den äußersten Grenzen und auf den Hoch-
gebirgen unseres Erdtheils und zwar nirgends mehr häufig. Wir beschreiben so ziemlich das Leben
aller bekannten Arten, wenn wir das unseres Luchses schildern.

Der europäische Luchs, wie er seiner weiten Verbreitung wegen gewöhnlich genannt wird.
(Lynx vulgaris) ist ein weit größeres Thier, als man gewöhnlich annimmt. Jch selbst bin erst durch
das Museum von Christiania über die Größe belehrt worden, welche ein Luchs wirklich erreichen
kann; denn in unseren deutschen Sammlungen findet man gewöhnlich nur mittelgroße Thiere. Ein
vollkommen ausgewachsener Luchs ist mindestens ebenso groß wie die Leoparden, welche wir in
unseren Thierschaubuden zu sehen bekommen, nur ist er etwas kürzer und hochbeiniger. Die Länge
seines Leibes beträgt reichlich drei Fuß und kann wohl auch bis zu vier Fuß steigen, der Schwanz ist
sechs bis neun Zoll lang, die Höhe am Widerrist beträgt zwei Fuß. An Gewicht kann der Luchskater
bis sechzig, ja wie man mir in Norwegen sagte, sogar bis neunzig Pfund erreichen, und selten erlegt
man einen, welcher unter vierzig Pfund schwer ist. Das Thier hat einen außerordentlich kräftigen,
gedrungenen Leibesbau und verräth auf den ersten Blick seine große Kraft und Stärke. Auch seine
Gliedmaßen sind sehr kräftig, und der Schwanz steht insofern mit ihnen im Einklange, als er gleich
dick und ziemlich stark ist. Besonders kraftvoll erscheinen die großen Pranken; sie erinnern lebhaft an
die des Löwen oder Tigers. Die Ohren sind ziemlich lang und zugespitzt und enden in einen pinsel-
förmigen Büschel von fast zwei Zoll langen, schwarzen, dicht gestellten und aufgerichteten Haaren. Auf
der dicken Oberlippe stehen mehrere Reihen steifer und langer Schnurren. Ein dichter, weicher Pelz
umhüllt den Leib und verlängert sich im Gesicht zu einem langen und starken Barte, welcher zweispitzig
zu beiden Seiten herabhängt und im Verein mit den Ohrbüscheln dem Luchsgesichte ein ganz seltenes
Gepräge giebt. Die Färbung des Pelzes ist oben röthlichgrau und weißlich gemischt, auf Kopf, Hals
und Rücken und an den Seiten dicht mit rothbraunen oder graubraunen Flecken gezeichnet. Die Unter-
seite des Körpers, die Junenseite der Beine, der Vorderhals, die Lippen und die Augenkreise sind weiß.
Das Gesicht ist röthlich, daß Ohr ist inwendig weiß, auf der Rückseite braun und schwarz behaart.
Der Schwanz, welcher überall gleichmäßig und gleichdick behaart ist, hat eine breite, schwarze Spitze,
welche fast die Hälfte der ganzen Länge einnimmt; die andere Hälfte ist undeutlich geringelt, mit ver-
wischten Binden, welche unten aber nicht durchgehen. Jm Sommer ist der Balg kurzhaarig und mehr

Die Raubthiere. Katzen. — Luchs.
wie ein Dachshund hat, von den Einwohnern gemäſtet und gegeſſen wird und, wie ich oben berichtete,
dieſelbe iſt, welche als Tauſchwaare zu den Kiliaken geht u. ſ. w. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß
viele dieſer letztgenaunten Abarten Blendlinge ſind, von welchen Arten weiß man freilich nicht. Daß
ſich die Hauskatze ziemlich leicht mit anderen Katzen paart, iſt erwieſen. Geachtete Naturforſcher haben
ſogar behauptet, daß ſie ſich mit einem Hausmarder paare und Junge erzeuge, welche dieſem in
Farbe und Zeichnung auffallend gleichen ſollen.



Auch unſer kleines Europa beſitzt Katzenarten, welche denen der heißen Erdſtriche an Raubſucht
und Blutdurſt vollkommen ebenbürtig ſind und vielen von ihnen in der Größe nicht eben nachſtehen.
Es ſind Dies die Luchſe, von denen man in den übrigen Erdtheilen ebenfalls mehrere Arten kennen
lernte. Jn der neueren Thierkunde vereinigt man ſie unter eine beſondere Sippe, welche ſich haupt-
ſächlich durch folgende Merkmale von den eigentlichen Katzen unterſcheiden:

Der letzte Unterbackenzahn iſt dreiſpitzig, bei den Katzen, wie wir ſahen, nur zweiſpitzig. An der
Ohrſpitze ſteht ein Büſchel vereinigter Haare. Der Schwanz erreicht nur etwas mehr, als Kopflänge
und noch nicht ganz den vierten Theil der Leibeslänge. Letztere beiden Merkmale ſind diejenigen,
welche auch den Laien ſofort ins Auge fallen, und namentlich der Haarpinſel am Ohre iſt der Sippe
ganz eigenthümlich.

Die Luchſe waren früher über ganz Europa verbreitet, ſind aber jetzt, zum Heil unſerer Jagden
und Herden, recht dünn geworden und finden ſich blos an den äußerſten Grenzen und auf den Hoch-
gebirgen unſeres Erdtheils und zwar nirgends mehr häufig. Wir beſchreiben ſo ziemlich das Leben
aller bekannten Arten, wenn wir das unſeres Luchſes ſchildern.

Der europäiſche Luchs, wie er ſeiner weiten Verbreitung wegen gewöhnlich genannt wird.
(Lynx vulgaris) iſt ein weit größeres Thier, als man gewöhnlich annimmt. Jch ſelbſt bin erſt durch
das Muſeum von Chriſtiania über die Größe belehrt worden, welche ein Luchs wirklich erreichen
kann; denn in unſeren deutſchen Sammlungen findet man gewöhnlich nur mittelgroße Thiere. Ein
vollkommen ausgewachſener Luchs iſt mindeſtens ebenſo groß wie die Leoparden, welche wir in
unſeren Thierſchaubuden zu ſehen bekommen, nur iſt er etwas kürzer und hochbeiniger. Die Länge
ſeines Leibes beträgt reichlich drei Fuß und kann wohl auch bis zu vier Fuß ſteigen, der Schwanz iſt
ſechs bis neun Zoll lang, die Höhe am Widerriſt beträgt zwei Fuß. An Gewicht kann der Luchskater
bis ſechzig, ja wie man mir in Norwegen ſagte, ſogar bis neunzig Pfund erreichen, und ſelten erlegt
man einen, welcher unter vierzig Pfund ſchwer iſt. Das Thier hat einen außerordentlich kräftigen,
gedrungenen Leibesbau und verräth auf den erſten Blick ſeine große Kraft und Stärke. Auch ſeine
Gliedmaßen ſind ſehr kräftig, und der Schwanz ſteht inſofern mit ihnen im Einklange, als er gleich
dick und ziemlich ſtark iſt. Beſonders kraftvoll erſcheinen die großen Pranken; ſie erinnern lebhaft an
die des Löwen oder Tigers. Die Ohren ſind ziemlich lang und zugeſpitzt und enden in einen pinſel-
förmigen Büſchel von faſt zwei Zoll langen, ſchwarzen, dicht geſtellten und aufgerichteten Haaren. Auf
der dicken Oberlippe ſtehen mehrere Reihen ſteifer und langer Schnurren. Ein dichter, weicher Pelz
umhüllt den Leib und verlängert ſich im Geſicht zu einem langen und ſtarken Barte, welcher zweiſpitzig
zu beiden Seiten herabhängt und im Verein mit den Ohrbüſcheln dem Luchsgeſichte ein ganz ſeltenes
Gepräge giebt. Die Färbung des Pelzes iſt oben röthlichgrau und weißlich gemiſcht, auf Kopf, Hals
und Rücken und an den Seiten dicht mit rothbraunen oder graubraunen Flecken gezeichnet. Die Unter-
ſeite des Körpers, die Junenſeite der Beine, der Vorderhals, die Lippen und die Augenkreiſe ſind weiß.
Das Geſicht iſt röthlich, daß Ohr iſt inwendig weiß, auf der Rückſeite braun und ſchwarz behaart.
Der Schwanz, welcher überall gleichmäßig und gleichdick behaart iſt, hat eine breite, ſchwarze Spitze,
welche faſt die Hälfte der ganzen Länge einnimmt; die andere Hälfte iſt undeutlich geringelt, mit ver-
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[294/0358] Die Raubthiere. Katzen. — Luchs. wie ein Dachshund hat, von den Einwohnern gemäſtet und gegeſſen wird und, wie ich oben berichtete, dieſelbe iſt, welche als Tauſchwaare zu den Kiliaken geht u. ſ. w. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß viele dieſer letztgenaunten Abarten Blendlinge ſind, von welchen Arten weiß man freilich nicht. Daß ſich die Hauskatze ziemlich leicht mit anderen Katzen paart, iſt erwieſen. Geachtete Naturforſcher haben ſogar behauptet, daß ſie ſich mit einem Hausmarder paare und Junge erzeuge, welche dieſem in Farbe und Zeichnung auffallend gleichen ſollen. Auch unſer kleines Europa beſitzt Katzenarten, welche denen der heißen Erdſtriche an Raubſucht und Blutdurſt vollkommen ebenbürtig ſind und vielen von ihnen in der Größe nicht eben nachſtehen. Es ſind Dies die Luchſe, von denen man in den übrigen Erdtheilen ebenfalls mehrere Arten kennen lernte. Jn der neueren Thierkunde vereinigt man ſie unter eine beſondere Sippe, welche ſich haupt- ſächlich durch folgende Merkmale von den eigentlichen Katzen unterſcheiden: Der letzte Unterbackenzahn iſt dreiſpitzig, bei den Katzen, wie wir ſahen, nur zweiſpitzig. An der Ohrſpitze ſteht ein Büſchel vereinigter Haare. Der Schwanz erreicht nur etwas mehr, als Kopflänge und noch nicht ganz den vierten Theil der Leibeslänge. Letztere beiden Merkmale ſind diejenigen, welche auch den Laien ſofort ins Auge fallen, und namentlich der Haarpinſel am Ohre iſt der Sippe ganz eigenthümlich. Die Luchſe waren früher über ganz Europa verbreitet, ſind aber jetzt, zum Heil unſerer Jagden und Herden, recht dünn geworden und finden ſich blos an den äußerſten Grenzen und auf den Hoch- gebirgen unſeres Erdtheils und zwar nirgends mehr häufig. Wir beſchreiben ſo ziemlich das Leben aller bekannten Arten, wenn wir das unſeres Luchſes ſchildern. Der europäiſche Luchs, wie er ſeiner weiten Verbreitung wegen gewöhnlich genannt wird. (Lynx vulgaris) iſt ein weit größeres Thier, als man gewöhnlich annimmt. Jch ſelbſt bin erſt durch das Muſeum von Chriſtiania über die Größe belehrt worden, welche ein Luchs wirklich erreichen kann; denn in unſeren deutſchen Sammlungen findet man gewöhnlich nur mittelgroße Thiere. Ein vollkommen ausgewachſener Luchs iſt mindeſtens ebenſo groß wie die Leoparden, welche wir in unſeren Thierſchaubuden zu ſehen bekommen, nur iſt er etwas kürzer und hochbeiniger. Die Länge ſeines Leibes beträgt reichlich drei Fuß und kann wohl auch bis zu vier Fuß ſteigen, der Schwanz iſt ſechs bis neun Zoll lang, die Höhe am Widerriſt beträgt zwei Fuß. An Gewicht kann der Luchskater bis ſechzig, ja wie man mir in Norwegen ſagte, ſogar bis neunzig Pfund erreichen, und ſelten erlegt man einen, welcher unter vierzig Pfund ſchwer iſt. Das Thier hat einen außerordentlich kräftigen, gedrungenen Leibesbau und verräth auf den erſten Blick ſeine große Kraft und Stärke. Auch ſeine Gliedmaßen ſind ſehr kräftig, und der Schwanz ſteht inſofern mit ihnen im Einklange, als er gleich dick und ziemlich ſtark iſt. Beſonders kraftvoll erſcheinen die großen Pranken; ſie erinnern lebhaft an die des Löwen oder Tigers. Die Ohren ſind ziemlich lang und zugeſpitzt und enden in einen pinſel- förmigen Büſchel von faſt zwei Zoll langen, ſchwarzen, dicht geſtellten und aufgerichteten Haaren. Auf der dicken Oberlippe ſtehen mehrere Reihen ſteifer und langer Schnurren. Ein dichter, weicher Pelz umhüllt den Leib und verlängert ſich im Geſicht zu einem langen und ſtarken Barte, welcher zweiſpitzig zu beiden Seiten herabhängt und im Verein mit den Ohrbüſcheln dem Luchsgeſichte ein ganz ſeltenes Gepräge giebt. Die Färbung des Pelzes iſt oben röthlichgrau und weißlich gemiſcht, auf Kopf, Hals und Rücken und an den Seiten dicht mit rothbraunen oder graubraunen Flecken gezeichnet. Die Unter- ſeite des Körpers, die Junenſeite der Beine, der Vorderhals, die Lippen und die Augenkreiſe ſind weiß. Das Geſicht iſt röthlich, daß Ohr iſt inwendig weiß, auf der Rückſeite braun und ſchwarz behaart. Der Schwanz, welcher überall gleichmäßig und gleichdick behaart iſt, hat eine breite, ſchwarze Spitze, welche faſt die Hälfte der ganzen Länge einnimmt; die andere Hälfte iſt undeutlich geringelt, mit ver- wiſchten Binden, welche unten aber nicht durchgehen. Jm Sommer iſt der Balg kurzhaarig und mehr

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/358>, abgerufen am 23.11.2024.