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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Katze als Pflegemutter. Jhre Bildungsfähigkeit.
zwischen ihnen bekannten und fremden Personen und lassen sich von ersteren, zumal von Kindern, un-
glaublich viel gefallen, freilich nicht soviel, wie alle Hunde, aber doch ebensoviel, wie manche. Andere
Katzen begleiten ihre Herrschaft in sehr artiger Weise bei Spaziergängen durch Hof und Garten, Feld
und Wald, und ich selbst kannte zwei Kater, welche sogar den Gästen ihrer Gebieterin in höchst liebens-
würdiger Weise das Geleit gaben, 10 bis 15 Minuten weit, dann aber mit Schmeicheln und wohl-
wollendem Schnurren Abschied nahmen und zurückkehrten. -- Die Katzen befreunden sich aber auch
mit Thieren. Man kennt genug Beispiele von den innigsten Freundschaften zwischen Hunden und
Katzen, welche dem lieben Sprichwort oder der Redensart gänzlich widersprechen. Von einer Katze
wird sogar erzählt, daß sie es gern gehabt habe, wenn sie ihr Freund, der Hund, im Maule in der
Stube hin und her getragen. Von anderen weiß man, daß sie bei Beißereien unter Hunden ihren
Freunden nach Kräften beistanden, und ebenso auch, daß sie von den Hunden bei Katzenbalgereien ge-
schützt wurden. Manche liefern außerordentliche Beweise ihrer Klugheit: die Katzen von echten Vogel-
liebhabern werden nicht selten soweit gebracht, daß sie den gesiederten Freunden ihres Herrn nicht das
Geringste zu Leide thun. Giebel selbst beobachtete, daß sein schöner Kater, Peter genannt, eine graue
Bachstelze,
welche genannter Naturforscher im Zimmer hielt, wiederholt mit dem Maule aus dem
Hofe zurückbrachte, wenn der Vogel seine Freiheit gesucht hatte, -- natürlich, ohne ihm irgendwie zu
schaden. Und ein ganz gleiches Beispiel ist mir aus meinem Heimatdorfe bekannt geworden. Dort
brachte die Katze eines Vogelfreundes zur größten Freude ihres Herrn diesem ein seit mehreren Tagen
schmerzlich vermißtes Rothkehlchen zurück, welches sie also nicht nur erkannt, sondern auch gleich in
der Absicht gefangen hatte, ihrem Gebieter dadurch eine Freude zu bereiten! -- Gestützt auf diese
Thatsachen, glaube ich, daß auch folgende Geschichte buchstäblich wahr ist: Eine Katze lebte mit dem
Kanarienvogel ihres Herrn in sehr vertrauten Verhältnissen und ließ sich ruhig gefallen, daß dieser
sich auf ihren Rücken setzte und förmlich mit ihr spielte. Eines Tages bemerkt ihr Gebieter, daß
sie plötzlich mit großer Hast und scheinbarer Wuth auf den Kanarienvogel losstürzt, ihn mit den
Zähnen faßt und knurrend und brummend ein Pult erklettert, den Kanarienvogel dabei immer fest in
den Zähnen haltend. Man schreit auf, um den Vogel zu befreien; dabei bemerkt man plötzlich eine
fremde Katze, welche zufällig in das Zimmer gekommen ist und erkennt erst jetzt Miezchens gutes Herz.
Sie hatte ihren Freund vor ihrer Schwester, welcher sie doch nicht recht trauen mochte, schützen wollen.

Es giebt noch genug Belege für den Verstand dieses vortrefflichen Thieres. Unsere Hauskatze
hatte in dem schönen Mai des Jahres 1859 vier allerliebste Junge auf dem Heuboden geworfen und
dort sorgfältig vor aller Augen verborgen. Trotz der größten Mühe konnte das Wochenbett erst nach
10 bis 12 Tagen entdeckt werden. Als Dies aber einmal geschehen war, gab sich Miez auch weiter
gar keine Mühe ihre Kinder zu verstecken. So mochten ungefähr drei oder vier Wochen hingegangen
sein, da erscheint sie plötzlich bei meiner Mutter, schmeichelt und bittet, ruft und läuft nach der Thür,
als wolle sie den Weg weisen. Meine Eltern folgen ihr nach, sie springt erfreut über den Hof weg,
verschwindet auf dem Heuboden, erscheint über der Treppe, wirft von oben herab ein junges Kätzchen
auf ein Heubündel, welches unten liegt, springt ihm nach und trägt es bis zu meiner Mutter hin, zu
deren Füßen sie es niederlegt. Das Kätzchen wird natürlich freundlich auf- und angenommen und
geliebkost. Mittlerweile ist die Katze wieder auf dem Heuboden angelangt, wirft ein zweites ihrer
Kinder in gleicher Weise herab, trägt es aber blos einige Schritte weit und ruft und schreit, als ver-
lange sie, daß man es von dort abhole. Diese Bitte wird gewährt, und jetzt wirft die faule Mutter
ihre beiden anderen Kinder noch herab, ohne sich aber nur im geringsten mit deren Fortschaffung zu
befassen; und erst, als ihr ganz entschieden bedeutet wird, daß man die Kleinen liegen lasse, entschließt
sie sich, dieselben fortzuschleppen. Wie sich ergab, hatte die Katze fast gar keine Milch mehr und klug
genug, wie sie ist, sann sie deshalb darauf, diesem Uebelstande so gut als möglich abzuhelfen, und
brachte ihr ganzes Kindernest jetzt zu ihrem Brodherrn.

Auch Lenz erzählt mehrere allerliebste Geschichten, welche die Klugheit der Katze beweisen. Ein
Herr in Waltershausen besaß einen Kater, welcher gewöhnt war, nie Etwas vom Tische zu

Brehm, Thierleben. 49

Die Katze als Pflegemutter. Jhre Bildungsfähigkeit.
zwiſchen ihnen bekannten und fremden Perſonen und laſſen ſich von erſteren, zumal von Kindern, un-
glaublich viel gefallen, freilich nicht ſoviel, wie alle Hunde, aber doch ebenſoviel, wie manche. Andere
Katzen begleiten ihre Herrſchaft in ſehr artiger Weiſe bei Spaziergängen durch Hof und Garten, Feld
und Wald, und ich ſelbſt kannte zwei Kater, welche ſogar den Gäſten ihrer Gebieterin in höchſt liebens-
würdiger Weiſe das Geleit gaben, 10 bis 15 Minuten weit, dann aber mit Schmeicheln und wohl-
wollendem Schnurren Abſchied nahmen und zurückkehrten. — Die Katzen befreunden ſich aber auch
mit Thieren. Man kennt genug Beiſpiele von den innigſten Freundſchaften zwiſchen Hunden und
Katzen, welche dem lieben Sprichwort oder der Redensart gänzlich widerſprechen. Von einer Katze
wird ſogar erzählt, daß ſie es gern gehabt habe, wenn ſie ihr Freund, der Hund, im Maule in der
Stube hin und her getragen. Von anderen weiß man, daß ſie bei Beißereien unter Hunden ihren
Freunden nach Kräften beiſtanden, und ebenſo auch, daß ſie von den Hunden bei Katzenbalgereien ge-
ſchützt wurden. Manche liefern außerordentliche Beweiſe ihrer Klugheit: die Katzen von echten Vogel-
liebhabern werden nicht ſelten ſoweit gebracht, daß ſie den geſiederten Freunden ihres Herrn nicht das
Geringſte zu Leide thun. Giebel ſelbſt beobachtete, daß ſein ſchöner Kater, Peter genannt, eine graue
Bachſtelze,
welche genannter Naturforſcher im Zimmer hielt, wiederholt mit dem Maule aus dem
Hofe zurückbrachte, wenn der Vogel ſeine Freiheit geſucht hatte, — natürlich, ohne ihm irgendwie zu
ſchaden. Und ein ganz gleiches Beiſpiel iſt mir aus meinem Heimatdorfe bekannt geworden. Dort
brachte die Katze eines Vogelfreundes zur größten Freude ihres Herrn dieſem ein ſeit mehreren Tagen
ſchmerzlich vermißtes Rothkehlchen zurück, welches ſie alſo nicht nur erkannt, ſondern auch gleich in
der Abſicht gefangen hatte, ihrem Gebieter dadurch eine Freude zu bereiten! — Geſtützt auf dieſe
Thatſachen, glaube ich, daß auch folgende Geſchichte buchſtäblich wahr iſt: Eine Katze lebte mit dem
Kanarienvogel ihres Herrn in ſehr vertrauten Verhältniſſen und ließ ſich ruhig gefallen, daß dieſer
ſich auf ihren Rücken ſetzte und förmlich mit ihr ſpielte. Eines Tages bemerkt ihr Gebieter, daß
ſie plötzlich mit großer Haſt und ſcheinbarer Wuth auf den Kanarienvogel losſtürzt, ihn mit den
Zähnen faßt und knurrend und brummend ein Pult erklettert, den Kanarienvogel dabei immer feſt in
den Zähnen haltend. Man ſchreit auf, um den Vogel zu befreien; dabei bemerkt man plötzlich eine
fremde Katze, welche zufällig in das Zimmer gekommen iſt und erkennt erſt jetzt Miezchens gutes Herz.
Sie hatte ihren Freund vor ihrer Schweſter, welcher ſie doch nicht recht trauen mochte, ſchützen wollen.

Es giebt noch genug Belege für den Verſtand dieſes vortrefflichen Thieres. Unſere Hauskatze
hatte in dem ſchönen Mai des Jahres 1859 vier allerliebſte Junge auf dem Heuboden geworfen und
dort ſorgfältig vor aller Augen verborgen. Trotz der größten Mühe konnte das Wochenbett erſt nach
10 bis 12 Tagen entdeckt werden. Als Dies aber einmal geſchehen war, gab ſich Miez auch weiter
gar keine Mühe ihre Kinder zu verſtecken. So mochten ungefähr drei oder vier Wochen hingegangen
ſein, da erſcheint ſie plötzlich bei meiner Mutter, ſchmeichelt und bittet, ruft und läuft nach der Thür,
als wolle ſie den Weg weiſen. Meine Eltern folgen ihr nach, ſie ſpringt erfreut über den Hof weg,
verſchwindet auf dem Heuboden, erſcheint über der Treppe, wirft von oben herab ein junges Kätzchen
auf ein Heubündel, welches unten liegt, ſpringt ihm nach und trägt es bis zu meiner Mutter hin, zu
deren Füßen ſie es niederlegt. Das Kätzchen wird natürlich freundlich auf- und angenommen und
geliebkoſt. Mittlerweile iſt die Katze wieder auf dem Heuboden angelangt, wirft ein zweites ihrer
Kinder in gleicher Weiſe herab, trägt es aber blos einige Schritte weit und ruft und ſchreit, als ver-
lange ſie, daß man es von dort abhole. Dieſe Bitte wird gewährt, und jetzt wirft die faule Mutter
ihre beiden anderen Kinder noch herab, ohne ſich aber nur im geringſten mit deren Fortſchaffung zu
befaſſen; und erſt, als ihr ganz entſchieden bedeutet wird, daß man die Kleinen liegen laſſe, entſchließt
ſie ſich, dieſelben fortzuſchleppen. Wie ſich ergab, hatte die Katze faſt gar keine Milch mehr und klug
genug, wie ſie iſt, ſann ſie deshalb darauf, dieſem Uebelſtande ſo gut als möglich abzuhelfen, und
brachte ihr ganzes Kinderneſt jetzt zu ihrem Brodherrn.

Auch Lenz erzählt mehrere allerliebſte Geſchichten, welche die Klugheit der Katze beweiſen. Ein
Herr in Waltershauſen beſaß einen Kater, welcher gewöhnt war, nie Etwas vom Tiſche zu

Brehm, Thierleben. 49
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[289/0353] Die Katze als Pflegemutter. Jhre Bildungsfähigkeit. zwiſchen ihnen bekannten und fremden Perſonen und laſſen ſich von erſteren, zumal von Kindern, un- glaublich viel gefallen, freilich nicht ſoviel, wie alle Hunde, aber doch ebenſoviel, wie manche. Andere Katzen begleiten ihre Herrſchaft in ſehr artiger Weiſe bei Spaziergängen durch Hof und Garten, Feld und Wald, und ich ſelbſt kannte zwei Kater, welche ſogar den Gäſten ihrer Gebieterin in höchſt liebens- würdiger Weiſe das Geleit gaben, 10 bis 15 Minuten weit, dann aber mit Schmeicheln und wohl- wollendem Schnurren Abſchied nahmen und zurückkehrten. — Die Katzen befreunden ſich aber auch mit Thieren. Man kennt genug Beiſpiele von den innigſten Freundſchaften zwiſchen Hunden und Katzen, welche dem lieben Sprichwort oder der Redensart gänzlich widerſprechen. Von einer Katze wird ſogar erzählt, daß ſie es gern gehabt habe, wenn ſie ihr Freund, der Hund, im Maule in der Stube hin und her getragen. Von anderen weiß man, daß ſie bei Beißereien unter Hunden ihren Freunden nach Kräften beiſtanden, und ebenſo auch, daß ſie von den Hunden bei Katzenbalgereien ge- ſchützt wurden. Manche liefern außerordentliche Beweiſe ihrer Klugheit: die Katzen von echten Vogel- liebhabern werden nicht ſelten ſoweit gebracht, daß ſie den geſiederten Freunden ihres Herrn nicht das Geringſte zu Leide thun. Giebel ſelbſt beobachtete, daß ſein ſchöner Kater, Peter genannt, eine graue Bachſtelze, welche genannter Naturforſcher im Zimmer hielt, wiederholt mit dem Maule aus dem Hofe zurückbrachte, wenn der Vogel ſeine Freiheit geſucht hatte, — natürlich, ohne ihm irgendwie zu ſchaden. Und ein ganz gleiches Beiſpiel iſt mir aus meinem Heimatdorfe bekannt geworden. Dort brachte die Katze eines Vogelfreundes zur größten Freude ihres Herrn dieſem ein ſeit mehreren Tagen ſchmerzlich vermißtes Rothkehlchen zurück, welches ſie alſo nicht nur erkannt, ſondern auch gleich in der Abſicht gefangen hatte, ihrem Gebieter dadurch eine Freude zu bereiten! — Geſtützt auf dieſe Thatſachen, glaube ich, daß auch folgende Geſchichte buchſtäblich wahr iſt: Eine Katze lebte mit dem Kanarienvogel ihres Herrn in ſehr vertrauten Verhältniſſen und ließ ſich ruhig gefallen, daß dieſer ſich auf ihren Rücken ſetzte und förmlich mit ihr ſpielte. Eines Tages bemerkt ihr Gebieter, daß ſie plötzlich mit großer Haſt und ſcheinbarer Wuth auf den Kanarienvogel losſtürzt, ihn mit den Zähnen faßt und knurrend und brummend ein Pult erklettert, den Kanarienvogel dabei immer feſt in den Zähnen haltend. Man ſchreit auf, um den Vogel zu befreien; dabei bemerkt man plötzlich eine fremde Katze, welche zufällig in das Zimmer gekommen iſt und erkennt erſt jetzt Miezchens gutes Herz. Sie hatte ihren Freund vor ihrer Schweſter, welcher ſie doch nicht recht trauen mochte, ſchützen wollen. Es giebt noch genug Belege für den Verſtand dieſes vortrefflichen Thieres. Unſere Hauskatze hatte in dem ſchönen Mai des Jahres 1859 vier allerliebſte Junge auf dem Heuboden geworfen und dort ſorgfältig vor aller Augen verborgen. Trotz der größten Mühe konnte das Wochenbett erſt nach 10 bis 12 Tagen entdeckt werden. Als Dies aber einmal geſchehen war, gab ſich Miez auch weiter gar keine Mühe ihre Kinder zu verſtecken. So mochten ungefähr drei oder vier Wochen hingegangen ſein, da erſcheint ſie plötzlich bei meiner Mutter, ſchmeichelt und bittet, ruft und läuft nach der Thür, als wolle ſie den Weg weiſen. Meine Eltern folgen ihr nach, ſie ſpringt erfreut über den Hof weg, verſchwindet auf dem Heuboden, erſcheint über der Treppe, wirft von oben herab ein junges Kätzchen auf ein Heubündel, welches unten liegt, ſpringt ihm nach und trägt es bis zu meiner Mutter hin, zu deren Füßen ſie es niederlegt. Das Kätzchen wird natürlich freundlich auf- und angenommen und geliebkoſt. Mittlerweile iſt die Katze wieder auf dem Heuboden angelangt, wirft ein zweites ihrer Kinder in gleicher Weiſe herab, trägt es aber blos einige Schritte weit und ruft und ſchreit, als ver- lange ſie, daß man es von dort abhole. Dieſe Bitte wird gewährt, und jetzt wirft die faule Mutter ihre beiden anderen Kinder noch herab, ohne ſich aber nur im geringſten mit deren Fortſchaffung zu befaſſen; und erſt, als ihr ganz entſchieden bedeutet wird, daß man die Kleinen liegen laſſe, entſchließt ſie ſich, dieſelben fortzuſchleppen. Wie ſich ergab, hatte die Katze faſt gar keine Milch mehr und klug genug, wie ſie iſt, ſann ſie deshalb darauf, dieſem Uebelſtande ſo gut als möglich abzuhelfen, und brachte ihr ganzes Kinderneſt jetzt zu ihrem Brodherrn. Auch Lenz erzählt mehrere allerliebſte Geſchichten, welche die Klugheit der Katze beweiſen. Ein Herr in Waltershauſen beſaß einen Kater, welcher gewöhnt war, nie Etwas vom Tiſche zu Brehm, Thierleben. 49

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/353>, abgerufen am 23.11.2024.