Einzelne Kater werden unter besonders günstigen Umständen auch drei Fuß lang. Der Pelz ist dicht und lang, beim Männchen grau, bisweilen sogar schwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen gelblich. Von der Stirn ziehen sich vier gleichlaufende, schwarze Streifen zwischen den Ohren hindurch, von denen die beiden mittleren sich auf dem Rücken fortsetzen und, nachdem sie sich vereinigt haben, einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberseite des Schwanzes läuft. Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaschene Querstreifen aus, welche etwas dunkler, als die anderen, sind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer ist gelblich, mit einigen schwarzen Flecken betüpfelt, die Beine sind mit wenigen schwarzen Querstreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber, an der Jnnenseite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz ist gleichmäßig geringelt, die Ringe selbst von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Gesicht ist rothgelb, das Ohr auf der Rückseite rostgran, inwendig gelblichweiß.
Noch heutzutage ist die Wildkatze über fast ganz Europa verbreitet; sie konnte bis jetzt nicht einmal in dem so raubthierarmen Großbritannien ausgerottet werden. Gegenwärtig bewohnt sie übrigens blos noch waldreiche Gegenden, namentlich Gebirge, und streift von da aus nur selten in das Tief- land herab. Jn ausgedehnten Waldungen wird sie jedes Jahr wenigstens gespürt, wenn auch nicht erlegt. Jn dem Thüringer Walde hat man aber in den letzten Jahren immer noch zwölf Stück erwachsene und eine vierteljährige Waldkatze erlegt, außerdem noch eine angeschossen und drei aus dem Neste genommen, im Ganzen also sechzehn Stück getödtet. Soweit bis jetzt mit Sicherheit festgestellt ist, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenze Europas hinaus. Südlich vom Kaukasus ist sie noch in Grusien vorgekommen; aus anderen asiatischen Ländern erhielt man sie nicht. Merk- würdig ist, daß sie in Norwegen, Schweden und Rußland nicht vorkommt; dort wird sie aber freilich durch den Vetter Luchs mehr als hinreichend ersetzt. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; und je einsamer ihr Gebiet ist, um so ständiger ist sie in ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht sie allen übrigen vor, weil die Felsen ihr die sichersten Schlupf- winkel gewähren. Außerdem bezieht sie auch Dachs- und Fuchsbauten und große Höhlungen in starken Bäumen.
Sie lebt einzeln oder höchstens paarweise und scheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be- haupten. Jhre Lebensweise ist eine durchaus nächtliche; sie ähnelt der des Luchses ebenso sehr, wie der unserer Hauskatze. Die Wildkatze ist geschickt im Klettern und ersteigt mit Leichtigkeit Bäume, auf deren stärkeren Aesten sie ausruht, wenn sie sich nicht in einer Höhle verbergen kann. Hier drückt sie sich fest auf den ihrem Pelze gleichgefärbten Ast und kann dann leicht übersehen werden. Erst mit Einbruch der Nacht beginnt sie ihre Jagdzüge, ganz nach Art ihrer zahmen Schwester. Mit der allen Katzen eignen List beschleicht sie den Vogel in seinem Neste, den Hasen in seinem Lager und das Kaninchen in seinem Baue, vielleicht auch das Eichhörnchen auf dem Baume. Größeren Thieren springt sie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halses. Nach einem Fehlsprunge verfolgt sie das Thier nicht weiter, sondern sucht sich lieber eine neue Beute auf: kurz, sie ist in jeder Hinsicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd besteht ihre gewöhnliche Nahrung in Mäusen aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht sie sich an größere Thiere; aber sie über- fällt wirklich sogar Reh- und Hirschkälber und ist für diese noch immer stark genug. An den Seen und Wildbächen lauert sie auch Fischen und Wasservögeln auf und weiß dieselben mit großer Schlauheit zu erbeuten. Sehr schädlich wird sie in allen Gehegen, am schädlichsten aber in Fasanerien. Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, alle Fasanen eines ganzen Geheges zu vernichten. Jm Verhältniß zu ihrer Größe ist sie überhaupt ein gefährliches Raubthier, welches leider den Blutdurst der meisten seiner Gattungsverwandten theilt und weit mehr Thiere tödtet, als es verzehren kann. Aus diesem Grunde wird die Wildkatze von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt -- denn kein Waidmann rechnet den Nutzen, welchen sie durch Vertilgung von Mäusen bringt, ihr zu Gute. Wie viele von diesen schädlichen Thieren sie vernichten kann, geht aus einer Angabe Tschudi's hervor, welcher berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreste von 26 Mäusen gefunden hat. Jm
Die Raubthiere. Katzen. — Wildkatze.
Einzelne Kater werden unter beſonders günſtigen Umſtänden auch drei Fuß lang. Der Pelz iſt dicht und lang, beim Männchen grau, bisweilen ſogar ſchwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen gelblich. Von der Stirn ziehen ſich vier gleichlaufende, ſchwarze Streifen zwiſchen den Ohren hindurch, von denen die beiden mittleren ſich auf dem Rücken fortſetzen und, nachdem ſie ſich vereinigt haben, einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberſeite des Schwanzes läuft. Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaſchene Querſtreifen aus, welche etwas dunkler, als die anderen, ſind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer iſt gelblich, mit einigen ſchwarzen Flecken betüpfelt, die Beine ſind mit wenigen ſchwarzen Querſtreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber, an der Jnnenſeite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz iſt gleichmäßig geringelt, die Ringe ſelbſt von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Geſicht iſt rothgelb, das Ohr auf der Rückſeite roſtgran, inwendig gelblichweiß.
Noch heutzutage iſt die Wildkatze über faſt ganz Europa verbreitet; ſie konnte bis jetzt nicht einmal in dem ſo raubthierarmen Großbritannien ausgerottet werden. Gegenwärtig bewohnt ſie übrigens blos noch waldreiche Gegenden, namentlich Gebirge, und ſtreift von da aus nur ſelten in das Tief- land herab. Jn ausgedehnten Waldungen wird ſie jedes Jahr wenigſtens geſpürt, wenn auch nicht erlegt. Jn dem Thüringer Walde hat man aber in den letzten Jahren immer noch zwölf Stück erwachſene und eine vierteljährige Waldkatze erlegt, außerdem noch eine angeſchoſſen und drei aus dem Neſte genommen, im Ganzen alſo ſechzehn Stück getödtet. Soweit bis jetzt mit Sicherheit feſtgeſtellt iſt, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenze Europas hinaus. Südlich vom Kaukaſus iſt ſie noch in Gruſien vorgekommen; aus anderen aſiatiſchen Ländern erhielt man ſie nicht. Merk- würdig iſt, daß ſie in Norwegen, Schweden und Rußland nicht vorkommt; dort wird ſie aber freilich durch den Vetter Luchs mehr als hinreichend erſetzt. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; und je einſamer ihr Gebiet iſt, um ſo ſtändiger iſt ſie in ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht ſie allen übrigen vor, weil die Felſen ihr die ſicherſten Schlupf- winkel gewähren. Außerdem bezieht ſie auch Dachs- und Fuchsbauten und große Höhlungen in ſtarken Bäumen.
Sie lebt einzeln oder höchſtens paarweiſe und ſcheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be- haupten. Jhre Lebensweiſe iſt eine durchaus nächtliche; ſie ähnelt der des Luchſes ebenſo ſehr, wie der unſerer Hauskatze. Die Wildkatze iſt geſchickt im Klettern und erſteigt mit Leichtigkeit Bäume, auf deren ſtärkeren Aeſten ſie ausruht, wenn ſie ſich nicht in einer Höhle verbergen kann. Hier drückt ſie ſich feſt auf den ihrem Pelze gleichgefärbten Aſt und kann dann leicht überſehen werden. Erſt mit Einbruch der Nacht beginnt ſie ihre Jagdzüge, ganz nach Art ihrer zahmen Schweſter. Mit der allen Katzen eignen Liſt beſchleicht ſie den Vogel in ſeinem Neſte, den Haſen in ſeinem Lager und das Kaninchen in ſeinem Baue, vielleicht auch das Eichhörnchen auf dem Baume. Größeren Thieren ſpringt ſie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halſes. Nach einem Fehlſprunge verfolgt ſie das Thier nicht weiter, ſondern ſucht ſich lieber eine neue Beute auf: kurz, ſie iſt in jeder Hinſicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd beſteht ihre gewöhnliche Nahrung in Mäuſen aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht ſie ſich an größere Thiere; aber ſie über- fällt wirklich ſogar Reh- und Hirſchkälber und iſt für dieſe noch immer ſtark genug. An den Seen und Wildbächen lauert ſie auch Fiſchen und Waſſervögeln auf und weiß dieſelben mit großer Schlauheit zu erbeuten. Sehr ſchädlich wird ſie in allen Gehegen, am ſchädlichſten aber in Faſanerien. Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, alle Faſanen eines ganzen Geheges zu vernichten. Jm Verhältniß zu ihrer Größe iſt ſie überhaupt ein gefährliches Raubthier, welches leider den Blutdurſt der meiſten ſeiner Gattungsverwandten theilt und weit mehr Thiere tödtet, als es verzehren kann. Aus dieſem Grunde wird die Wildkatze von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt — denn kein Waidmann rechnet den Nutzen, welchen ſie durch Vertilgung von Mäuſen bringt, ihr zu Gute. Wie viele von dieſen ſchädlichen Thieren ſie vernichten kann, geht aus einer Angabe Tſchudi’s hervor, welcher berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreſte von 26 Mäuſen gefunden hat. Jm
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0340"n="276"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Katzen. —<hirendition="#g">Wildkatze.</hi></fw><lb/>
Einzelne Kater werden unter beſonders günſtigen Umſtänden auch drei Fuß lang. Der Pelz iſt dicht<lb/>
und lang, beim Männchen grau, bisweilen ſogar ſchwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen<lb/>
gelblich. Von der Stirn ziehen ſich vier gleichlaufende, ſchwarze Streifen zwiſchen den Ohren hindurch,<lb/>
von denen die beiden mittleren ſich auf dem Rücken fortſetzen und, nachdem ſie ſich vereinigt haben,<lb/>
einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberſeite des Schwanzes läuft.<lb/>
Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaſchene Querſtreifen aus, welche etwas dunkler, als<lb/>
die anderen, ſind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer iſt gelblich, mit einigen ſchwarzen Flecken<lb/>
betüpfelt, die Beine ſind mit wenigen ſchwarzen Querſtreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber,<lb/>
an der Jnnenſeite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz iſt gleichmäßig geringelt, die<lb/>
Ringe ſelbſt von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Geſicht iſt rothgelb, das Ohr<lb/>
auf der Rückſeite roſtgran, inwendig gelblichweiß.</p><lb/><p>Noch heutzutage iſt die Wildkatze über faſt ganz Europa verbreitet; ſie konnte bis jetzt nicht einmal<lb/>
in dem ſo raubthierarmen Großbritannien ausgerottet werden. Gegenwärtig bewohnt ſie übrigens<lb/>
blos noch waldreiche Gegenden, namentlich Gebirge, und ſtreift von da aus nur ſelten in das Tief-<lb/>
land herab. Jn ausgedehnten Waldungen wird ſie jedes Jahr wenigſtens geſpürt, wenn auch nicht<lb/>
erlegt. Jn dem Thüringer Walde hat man aber in den letzten Jahren immer noch zwölf Stück<lb/>
erwachſene und eine vierteljährige Waldkatze erlegt, außerdem noch eine angeſchoſſen und drei aus dem<lb/>
Neſte genommen, im Ganzen alſo ſechzehn Stück getödtet. Soweit bis jetzt mit Sicherheit feſtgeſtellt<lb/>
iſt, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenze Europas hinaus. Südlich vom Kaukaſus<lb/>
iſt ſie noch in Gruſien vorgekommen; aus anderen aſiatiſchen Ländern erhielt man ſie nicht. Merk-<lb/>
würdig iſt, daß ſie in Norwegen, Schweden und Rußland nicht vorkommt; dort wird ſie aber freilich<lb/>
durch den Vetter <hirendition="#g">Luchs</hi> mehr als hinreichend erſetzt. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich<lb/>
dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; und je einſamer ihr Gebiet iſt, um ſo ſtändiger iſt ſie in<lb/>
ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht ſie allen übrigen vor, weil die Felſen ihr die ſicherſten Schlupf-<lb/>
winkel gewähren. Außerdem bezieht ſie auch Dachs- und Fuchsbauten und große Höhlungen in<lb/>ſtarken Bäumen.</p><lb/><p>Sie lebt einzeln oder höchſtens paarweiſe und ſcheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be-<lb/>
haupten. Jhre Lebensweiſe iſt eine durchaus nächtliche; ſie ähnelt der des Luchſes ebenſo ſehr, wie<lb/>
der unſerer Hauskatze. Die Wildkatze iſt geſchickt im Klettern und erſteigt mit Leichtigkeit Bäume, auf<lb/>
deren ſtärkeren Aeſten ſie ausruht, wenn ſie ſich nicht in einer Höhle verbergen kann. Hier drückt<lb/>ſie ſich feſt auf den ihrem Pelze gleichgefärbten Aſt und kann dann leicht überſehen werden. Erſt<lb/>
mit Einbruch der Nacht beginnt ſie ihre Jagdzüge, ganz nach Art ihrer zahmen Schweſter. Mit der<lb/>
allen Katzen eignen Liſt beſchleicht ſie den Vogel in ſeinem Neſte, den <hirendition="#g">Haſen</hi> in ſeinem Lager und das<lb/><hirendition="#g">Kaninchen</hi> in ſeinem Baue, vielleicht auch das <hirendition="#g">Eichhörnchen</hi> auf dem Baume. Größeren Thieren<lb/>ſpringt ſie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halſes. Nach einem Fehlſprunge<lb/>
verfolgt ſie das Thier nicht weiter, ſondern ſucht ſich lieber eine neue Beute auf: kurz, ſie iſt in jeder<lb/>
Hinſicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd beſteht ihre gewöhnliche Nahrung in <hirendition="#g">Mäuſen</hi><lb/>
aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht ſie ſich an größere Thiere; aber ſie über-<lb/>
fällt wirklich ſogar <hirendition="#g">Reh-</hi> und <hirendition="#g">Hirſchkälber</hi> und iſt für dieſe noch immer ſtark genug. An den<lb/>
Seen und Wildbächen lauert ſie auch Fiſchen und Waſſervögeln auf und weiß dieſelben mit großer<lb/>
Schlauheit zu erbeuten. Sehr ſchädlich wird ſie in allen Gehegen, am ſchädlichſten aber in Faſanerien.<lb/>
Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, alle <hirendition="#g">Faſanen</hi> eines ganzen Geheges zu vernichten. Jm Verhältniß<lb/>
zu ihrer Größe iſt ſie überhaupt ein gefährliches Raubthier, welches leider den Blutdurſt der meiſten<lb/>ſeiner Gattungsverwandten theilt und weit mehr Thiere tödtet, als es verzehren kann. Aus dieſem<lb/>
Grunde wird die Wildkatze von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt — denn kein<lb/>
Waidmann rechnet den Nutzen, welchen ſie durch Vertilgung von Mäuſen bringt, ihr zu Gute. Wie viele<lb/>
von dieſen ſchädlichen Thieren ſie vernichten kann, geht aus einer Angabe <hirendition="#g">Tſchudi’s</hi> hervor, welcher<lb/>
berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreſte von 26 Mäuſen gefunden hat. Jm<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[276/0340]
Die Raubthiere. Katzen. — Wildkatze.
Einzelne Kater werden unter beſonders günſtigen Umſtänden auch drei Fuß lang. Der Pelz iſt dicht
und lang, beim Männchen grau, bisweilen ſogar ſchwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen
gelblich. Von der Stirn ziehen ſich vier gleichlaufende, ſchwarze Streifen zwiſchen den Ohren hindurch,
von denen die beiden mittleren ſich auf dem Rücken fortſetzen und, nachdem ſie ſich vereinigt haben,
einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberſeite des Schwanzes läuft.
Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaſchene Querſtreifen aus, welche etwas dunkler, als
die anderen, ſind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer iſt gelblich, mit einigen ſchwarzen Flecken
betüpfelt, die Beine ſind mit wenigen ſchwarzen Querſtreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber,
an der Jnnenſeite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz iſt gleichmäßig geringelt, die
Ringe ſelbſt von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Geſicht iſt rothgelb, das Ohr
auf der Rückſeite roſtgran, inwendig gelblichweiß.
Noch heutzutage iſt die Wildkatze über faſt ganz Europa verbreitet; ſie konnte bis jetzt nicht einmal
in dem ſo raubthierarmen Großbritannien ausgerottet werden. Gegenwärtig bewohnt ſie übrigens
blos noch waldreiche Gegenden, namentlich Gebirge, und ſtreift von da aus nur ſelten in das Tief-
land herab. Jn ausgedehnten Waldungen wird ſie jedes Jahr wenigſtens geſpürt, wenn auch nicht
erlegt. Jn dem Thüringer Walde hat man aber in den letzten Jahren immer noch zwölf Stück
erwachſene und eine vierteljährige Waldkatze erlegt, außerdem noch eine angeſchoſſen und drei aus dem
Neſte genommen, im Ganzen alſo ſechzehn Stück getödtet. Soweit bis jetzt mit Sicherheit feſtgeſtellt
iſt, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenze Europas hinaus. Südlich vom Kaukaſus
iſt ſie noch in Gruſien vorgekommen; aus anderen aſiatiſchen Ländern erhielt man ſie nicht. Merk-
würdig iſt, daß ſie in Norwegen, Schweden und Rußland nicht vorkommt; dort wird ſie aber freilich
durch den Vetter Luchs mehr als hinreichend erſetzt. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich
dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; und je einſamer ihr Gebiet iſt, um ſo ſtändiger iſt ſie in
ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht ſie allen übrigen vor, weil die Felſen ihr die ſicherſten Schlupf-
winkel gewähren. Außerdem bezieht ſie auch Dachs- und Fuchsbauten und große Höhlungen in
ſtarken Bäumen.
Sie lebt einzeln oder höchſtens paarweiſe und ſcheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be-
haupten. Jhre Lebensweiſe iſt eine durchaus nächtliche; ſie ähnelt der des Luchſes ebenſo ſehr, wie
der unſerer Hauskatze. Die Wildkatze iſt geſchickt im Klettern und erſteigt mit Leichtigkeit Bäume, auf
deren ſtärkeren Aeſten ſie ausruht, wenn ſie ſich nicht in einer Höhle verbergen kann. Hier drückt
ſie ſich feſt auf den ihrem Pelze gleichgefärbten Aſt und kann dann leicht überſehen werden. Erſt
mit Einbruch der Nacht beginnt ſie ihre Jagdzüge, ganz nach Art ihrer zahmen Schweſter. Mit der
allen Katzen eignen Liſt beſchleicht ſie den Vogel in ſeinem Neſte, den Haſen in ſeinem Lager und das
Kaninchen in ſeinem Baue, vielleicht auch das Eichhörnchen auf dem Baume. Größeren Thieren
ſpringt ſie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halſes. Nach einem Fehlſprunge
verfolgt ſie das Thier nicht weiter, ſondern ſucht ſich lieber eine neue Beute auf: kurz, ſie iſt in jeder
Hinſicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd beſteht ihre gewöhnliche Nahrung in Mäuſen
aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht ſie ſich an größere Thiere; aber ſie über-
fällt wirklich ſogar Reh- und Hirſchkälber und iſt für dieſe noch immer ſtark genug. An den
Seen und Wildbächen lauert ſie auch Fiſchen und Waſſervögeln auf und weiß dieſelben mit großer
Schlauheit zu erbeuten. Sehr ſchädlich wird ſie in allen Gehegen, am ſchädlichſten aber in Faſanerien.
Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, alle Faſanen eines ganzen Geheges zu vernichten. Jm Verhältniß
zu ihrer Größe iſt ſie überhaupt ein gefährliches Raubthier, welches leider den Blutdurſt der meiſten
ſeiner Gattungsverwandten theilt und weit mehr Thiere tödtet, als es verzehren kann. Aus dieſem
Grunde wird die Wildkatze von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt — denn kein
Waidmann rechnet den Nutzen, welchen ſie durch Vertilgung von Mäuſen bringt, ihr zu Gute. Wie viele
von dieſen ſchädlichen Thieren ſie vernichten kann, geht aus einer Angabe Tſchudi’s hervor, welcher
berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreſte von 26 Mäuſen gefunden hat. Jm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/340>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.