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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aufenthalt. Nahrung und Jagdweise.
welche sich auf dem Kreuze entzweitheilten, zusammen; an den Seiten des Körpers bilden sie Reihen,
welche mehr oder minder gleichlaufend sind. Etwas Genaueres läßt sich nicht sagen: denn man
findet kaum zwei oder drei Felle, welche durchaus gleichmäßig gezeichnet sind. Der weibliche Jaguar
ist im allgemeinen von etwas blässerer Farbe, als der männliche, und hat auch weniger ringförmige
Flecken am Halse und auf den Schultern, dafür aber mehr und deshalb natürlich kleinere an den
Seiten des Leibes.

Der Name Jaguar stammt aus der Sprache der Guaraner, welche das Thier "Jaguarette"
d. h. "Körper des Hundes" nennen. Die Spanier nennen ihn Tiger und die Portugiesen ge-
malte Onze
oder Unze; und unter diesem Namen wird er auch oft von den Reisebeschreibern erwähnt.
Seine Heimat besitzt eine große Ausdehnung; denn sie reicht von Buenos-Ayres und Paraguay
durch ganz Südamerika bis nach Mejiko und in den südwestlichen Theil der Vereinigten Staaten von
Nordamerika. Am häufigsten findet er sich in den gemäßigten Theilen von Südamerika, längs der
Ströme Panama, Paraguay und Uruguay, am seltensten in den Vereinigten Staaten, wo ihn der
vordringende Weiße mehr und mehr verdrängt. Gegenwärtig ist er überall weit seltener, als er es
früher war, auch schon weit seltener, als zu Ende des vorigen Jahrhunderts, um welche Zeit, wie
Humboldt angiebt, alljährlich noch zweitausend Jaguarfelle nach Europa gesandt wurden. Er
bewohnt die bewaldeten Ufer der Ströme, Flüsse und Bäche, den Saum der Waldungen, welche nahe
an Sümpfen liegen, und das Moorland, wo über sechs Fuß hohe Gras- und Schilfarten wachsen.
Auf offenem Feld und im Jnnern der großen Wälder zeigt er sich selten und nur, wenn er aus einer
Gegend in die andere zieht. Er hat kein bestimmtes Lager und gräbt sich keine Höhlen. Wo ihn die
Sonne überrascht, legt er sich nieder, im Dickicht des Waldes oder im hohen Grase, und verweilt dort
den Tag über. Jn den größeren Steppen, zumal in den Pampas von Buenos-Ayres, wo ihm die
Wälder mangeln, verbirgt er sich, wie Azara sagt, im hohen Grafe oder in den unterirdischen Höhlen,
welche die dort sich herumtreibenden wilden oder verwilderten Hunde anlegen; wo er Wälder hat,
zieht er diese jedem andern Aufenthaltsorte vor. Jn der Morgen- und Abenddämmerung, oder auch
bei hellem Mond- und Sternenschein geht er auf Raub aus, nie aber in der Mitte des Tages oder
bei sehr dunkler Nacht.

Alle größeren Wirbelthiere, deren er habhaft werden kann, bilden die Nahrung des Jaguars.
Er ist ein in jeder Hinsicht furchtbarer Räuber. So plump sein Gang auch erscheint, so leicht und
geschwind weiß er sich im Falle der Noth zu bewegen. Seine Kraft ist für ein Thier von seinem
Wuchse außerordentlich groß; sie kann nur mit der des Tigers und des Löwen verglichen werden. Die
Sinne sind scharf und gleichmäßig ausgebildet; das unstäte Auge, welches in der Nacht oft leuchtet,
ist lebendig und wild und sieht sehr scharf in der Dämmerung: es wird nur vom hellen Sonnenschein
geblendet; das Gehör ist vortrefflich, der Geruch aber, wie bei allen Katzen, nicht eben besonders:
doch vermag er immerhin noch eine Beute auf gewisse Entfernung zu wittern. So ist er leiblich voll-
kommen ausgerüstet, um als äußerst gefährliches Raubthier auftreten zu können. Er verschmäht blos
das Fleisch seiner eigenen Art; Dies glaubt man wenigstens annehmen zu dürfen, weil Jaguare, die
in der Gefangenschaft gehalten wurden und weder Katzen- noch Hundefleisch liegen ließen, niemals
das Fleisch eines getödteten Jaguars verzehren wollten. Das ist aber auch die einzige Ausnahme,
welche er macht! Azara fand im Kothe des Thieres die Stacheln eines Stachelschweins; Rengger
im Magen Theile von Ratten und Agutis, woraus hervorgeht, daß er auch auf kleinere Thiere
Jagd machen muß. Ebenso beschleicht er im Schilfe Sumpfvögel und weiß Fische sehr gewandt
aus dem Wasser zu ziehen. Ja, es ist wiederholt behauptet worden, daß er sogar den Kaiman nicht
verschone, wenn auch Hamiltons Erzählung von diesen beiden Thieren als ein albernes Märchen
angesehen werden muß. Dieser Reisende nämlich berichtet Folgendes: "Der Jaguar und Alligator
sind Todfeinde und leben im beständigen Kriege mit einander. Wenn der Jaguar den Alligator auf
den heißen Sandbänken schlafend antrifft, packt er ihn unterhalb des Schwanzes, wo er weiche und
verwundbare Theile hat. Die Bestürzung des Alligators ist dann so groß, daß er nicht leicht an

Aufenthalt. Nahrung und Jagdweiſe.
welche ſich auf dem Kreuze entzweitheilten, zuſammen; an den Seiten des Körpers bilden ſie Reihen,
welche mehr oder minder gleichlaufend ſind. Etwas Genaueres läßt ſich nicht ſagen: denn man
findet kaum zwei oder drei Felle, welche durchaus gleichmäßig gezeichnet ſind. Der weibliche Jaguar
iſt im allgemeinen von etwas bläſſerer Farbe, als der männliche, und hat auch weniger ringförmige
Flecken am Halſe und auf den Schultern, dafür aber mehr und deshalb natürlich kleinere an den
Seiten des Leibes.

Der Name Jaguar ſtammt aus der Sprache der Guaraner, welche das Thier „Jaguarette
d. h. „Körper des Hundes‟ nennen. Die Spanier nennen ihn Tiger und die Portugieſen ge-
malte Onze
oder Unze; und unter dieſem Namen wird er auch oft von den Reiſebeſchreibern erwähnt.
Seine Heimat beſitzt eine große Ausdehnung; denn ſie reicht von Buenos-Ayres und Paraguay
durch ganz Südamerika bis nach Mejiko und in den ſüdweſtlichen Theil der Vereinigten Staaten von
Nordamerika. Am häufigſten findet er ſich in den gemäßigten Theilen von Südamerika, längs der
Ströme Panama, Paraguay und Uruguay, am ſeltenſten in den Vereinigten Staaten, wo ihn der
vordringende Weiße mehr und mehr verdrängt. Gegenwärtig iſt er überall weit ſeltener, als er es
früher war, auch ſchon weit ſeltener, als zu Ende des vorigen Jahrhunderts, um welche Zeit, wie
Humboldt angiebt, alljährlich noch zweitauſend Jaguarfelle nach Europa geſandt wurden. Er
bewohnt die bewaldeten Ufer der Ströme, Flüſſe und Bäche, den Saum der Waldungen, welche nahe
an Sümpfen liegen, und das Moorland, wo über ſechs Fuß hohe Gras- und Schilfarten wachſen.
Auf offenem Feld und im Jnnern der großen Wälder zeigt er ſich ſelten und nur, wenn er aus einer
Gegend in die andere zieht. Er hat kein beſtimmtes Lager und gräbt ſich keine Höhlen. Wo ihn die
Sonne überraſcht, legt er ſich nieder, im Dickicht des Waldes oder im hohen Graſe, und verweilt dort
den Tag über. Jn den größeren Steppen, zumal in den Pampas von Buenos-Ayres, wo ihm die
Wälder mangeln, verbirgt er ſich, wie Azara ſagt, im hohen Grafe oder in den unterirdiſchen Höhlen,
welche die dort ſich herumtreibenden wilden oder verwilderten Hunde anlegen; wo er Wälder hat,
zieht er dieſe jedem andern Aufenthaltsorte vor. Jn der Morgen- und Abenddämmerung, oder auch
bei hellem Mond- und Sternenſchein geht er auf Raub aus, nie aber in der Mitte des Tages oder
bei ſehr dunkler Nacht.

Alle größeren Wirbelthiere, deren er habhaft werden kann, bilden die Nahrung des Jaguars.
Er iſt ein in jeder Hinſicht furchtbarer Räuber. So plump ſein Gang auch erſcheint, ſo leicht und
geſchwind weiß er ſich im Falle der Noth zu bewegen. Seine Kraft iſt für ein Thier von ſeinem
Wuchſe außerordentlich groß; ſie kann nur mit der des Tigers und des Löwen verglichen werden. Die
Sinne ſind ſcharf und gleichmäßig ausgebildet; das unſtäte Auge, welches in der Nacht oft leuchtet,
iſt lebendig und wild und ſieht ſehr ſcharf in der Dämmerung: es wird nur vom hellen Sonnenſchein
geblendet; das Gehör iſt vortrefflich, der Geruch aber, wie bei allen Katzen, nicht eben beſonders:
doch vermag er immerhin noch eine Beute auf gewiſſe Entfernung zu wittern. So iſt er leiblich voll-
kommen ausgerüſtet, um als äußerſt gefährliches Raubthier auftreten zu können. Er verſchmäht blos
das Fleiſch ſeiner eigenen Art; Dies glaubt man wenigſtens annehmen zu dürfen, weil Jaguare, die
in der Gefangenſchaft gehalten wurden und weder Katzen- noch Hundefleiſch liegen ließen, niemals
das Fleiſch eines getödteten Jaguars verzehren wollten. Das iſt aber auch die einzige Ausnahme,
welche er macht! Azara fand im Kothe des Thieres die Stacheln eines Stachelſchweins; Rengger
im Magen Theile von Ratten und Agutis, woraus hervorgeht, daß er auch auf kleinere Thiere
Jagd machen muß. Ebenſo beſchleicht er im Schilfe Sumpfvögel und weiß Fiſche ſehr gewandt
aus dem Waſſer zu ziehen. Ja, es iſt wiederholt behauptet worden, daß er ſogar den Kaiman nicht
verſchone, wenn auch Hamiltons Erzählung von dieſen beiden Thieren als ein albernes Märchen
angeſehen werden muß. Dieſer Reiſende nämlich berichtet Folgendes: „Der Jaguar und Alligator
ſind Todfeinde und leben im beſtändigen Kriege mit einander. Wenn der Jaguar den Alligator auf
den heißen Sandbänken ſchlafend antrifft, packt er ihn unterhalb des Schwanzes, wo er weiche und
verwundbare Theile hat. Die Beſtürzung des Alligators iſt dann ſo groß, daß er nicht leicht an

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[239/0303] Aufenthalt. Nahrung und Jagdweiſe. welche ſich auf dem Kreuze entzweitheilten, zuſammen; an den Seiten des Körpers bilden ſie Reihen, welche mehr oder minder gleichlaufend ſind. Etwas Genaueres läßt ſich nicht ſagen: denn man findet kaum zwei oder drei Felle, welche durchaus gleichmäßig gezeichnet ſind. Der weibliche Jaguar iſt im allgemeinen von etwas bläſſerer Farbe, als der männliche, und hat auch weniger ringförmige Flecken am Halſe und auf den Schultern, dafür aber mehr und deshalb natürlich kleinere an den Seiten des Leibes. Der Name Jaguar ſtammt aus der Sprache der Guaraner, welche das Thier „Jaguarette‟ d. h. „Körper des Hundes‟ nennen. Die Spanier nennen ihn Tiger und die Portugieſen ge- malte Onze oder Unze; und unter dieſem Namen wird er auch oft von den Reiſebeſchreibern erwähnt. Seine Heimat beſitzt eine große Ausdehnung; denn ſie reicht von Buenos-Ayres und Paraguay durch ganz Südamerika bis nach Mejiko und in den ſüdweſtlichen Theil der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Am häufigſten findet er ſich in den gemäßigten Theilen von Südamerika, längs der Ströme Panama, Paraguay und Uruguay, am ſeltenſten in den Vereinigten Staaten, wo ihn der vordringende Weiße mehr und mehr verdrängt. Gegenwärtig iſt er überall weit ſeltener, als er es früher war, auch ſchon weit ſeltener, als zu Ende des vorigen Jahrhunderts, um welche Zeit, wie Humboldt angiebt, alljährlich noch zweitauſend Jaguarfelle nach Europa geſandt wurden. Er bewohnt die bewaldeten Ufer der Ströme, Flüſſe und Bäche, den Saum der Waldungen, welche nahe an Sümpfen liegen, und das Moorland, wo über ſechs Fuß hohe Gras- und Schilfarten wachſen. Auf offenem Feld und im Jnnern der großen Wälder zeigt er ſich ſelten und nur, wenn er aus einer Gegend in die andere zieht. Er hat kein beſtimmtes Lager und gräbt ſich keine Höhlen. Wo ihn die Sonne überraſcht, legt er ſich nieder, im Dickicht des Waldes oder im hohen Graſe, und verweilt dort den Tag über. Jn den größeren Steppen, zumal in den Pampas von Buenos-Ayres, wo ihm die Wälder mangeln, verbirgt er ſich, wie Azara ſagt, im hohen Grafe oder in den unterirdiſchen Höhlen, welche die dort ſich herumtreibenden wilden oder verwilderten Hunde anlegen; wo er Wälder hat, zieht er dieſe jedem andern Aufenthaltsorte vor. Jn der Morgen- und Abenddämmerung, oder auch bei hellem Mond- und Sternenſchein geht er auf Raub aus, nie aber in der Mitte des Tages oder bei ſehr dunkler Nacht. Alle größeren Wirbelthiere, deren er habhaft werden kann, bilden die Nahrung des Jaguars. Er iſt ein in jeder Hinſicht furchtbarer Räuber. So plump ſein Gang auch erſcheint, ſo leicht und geſchwind weiß er ſich im Falle der Noth zu bewegen. Seine Kraft iſt für ein Thier von ſeinem Wuchſe außerordentlich groß; ſie kann nur mit der des Tigers und des Löwen verglichen werden. Die Sinne ſind ſcharf und gleichmäßig ausgebildet; das unſtäte Auge, welches in der Nacht oft leuchtet, iſt lebendig und wild und ſieht ſehr ſcharf in der Dämmerung: es wird nur vom hellen Sonnenſchein geblendet; das Gehör iſt vortrefflich, der Geruch aber, wie bei allen Katzen, nicht eben beſonders: doch vermag er immerhin noch eine Beute auf gewiſſe Entfernung zu wittern. So iſt er leiblich voll- kommen ausgerüſtet, um als äußerſt gefährliches Raubthier auftreten zu können. Er verſchmäht blos das Fleiſch ſeiner eigenen Art; Dies glaubt man wenigſtens annehmen zu dürfen, weil Jaguare, die in der Gefangenſchaft gehalten wurden und weder Katzen- noch Hundefleiſch liegen ließen, niemals das Fleiſch eines getödteten Jaguars verzehren wollten. Das iſt aber auch die einzige Ausnahme, welche er macht! Azara fand im Kothe des Thieres die Stacheln eines Stachelſchweins; Rengger im Magen Theile von Ratten und Agutis, woraus hervorgeht, daß er auch auf kleinere Thiere Jagd machen muß. Ebenſo beſchleicht er im Schilfe Sumpfvögel und weiß Fiſche ſehr gewandt aus dem Waſſer zu ziehen. Ja, es iſt wiederholt behauptet worden, daß er ſogar den Kaiman nicht verſchone, wenn auch Hamiltons Erzählung von dieſen beiden Thieren als ein albernes Märchen angeſehen werden muß. Dieſer Reiſende nämlich berichtet Folgendes: „Der Jaguar und Alligator ſind Todfeinde und leben im beſtändigen Kriege mit einander. Wenn der Jaguar den Alligator auf den heißen Sandbänken ſchlafend antrifft, packt er ihn unterhalb des Schwanzes, wo er weiche und verwundbare Theile hat. Die Beſtürzung des Alligators iſt dann ſo groß, daß er nicht leicht an

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/303>, abgerufen am 25.11.2024.