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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
Zeit eine Strecke von 12 englischen Meilen oder beinahe 80,000 Fuß zurücklegen würde. Die Hälfte
dieser Strecke durcheilt er in derselben Zeit ohne Anstrengung.

Die unwillkürlichen Bewegungen des inneren Leibes sind bei den Säugethieren durchschnittlich
langsamer, als bei den Vögeln. Das Herz schlägt seltener und der Lustwechsel ist weniger häufig in
der Brust des Säugethieres, als in der eines gleichgroßen Vogels. Hiermit steht die etwa um
2 Grad geringere Blutwärme der ersteren im Einklange. Den Wassersäugethieren gewährt diese
verhältnißmäßige Trägheit der Athmungs- und Blutumlaufswerkzeuge große Vortheile; sie erlaubt
ihnen, länger unter dem Wasser auszuharren, als es die Vögel vermögen. Ein Wal kommt nach
meinen eigenen, mit der Uhr in der Hand angestellten Beobachtungen durchschnittlich alle Minuten an
die Oberfläche, um Luft zu schöpfen, soll aber, nach Scoresby, wenn er angeworfen wurde, auch
bis vierzig Minuten unter Wasser verweilen können, ehe ihn das Bedürfniß des Athemschöpfens empor
treibt: so lange vermag es kein Vogel unter den Wellen auszuhalten! Wenigstens habe ich immer
bemerkt, daß die Alken, selbst wenn ich sie angeschossen hatte und heftig verfolgte, bereits drei Minuten
nach ihrem Untertauchen wieder an der Oberfläche erschienen und nach Luft schnappten. Die Eider-
gans
soll zwar bis sieben Minuten unter Wasser bleiben können: ich habe Dies aber nie beobachtet. So
viel dürfte feststehen, daß alle Vögel, welche länger als vier Minuten unter Wasser waren, beim
Aufsteigen sehr erschöpft sind und fast augenblicklich ersticken, wenn man sie unter Wasser faßt und
noch einige Zeit dort festhält. -- Zur Vergleichung und vielleicht auch zur Berichtigung möge die Be-
merkung dienen, daß der Mensch höchstens siebzig Sekunden lang unter Wasser verweilen kann.
Diese Angabe gründet sich auf die Beobachtungen, welche von wissenschaftlichen Männern auf beson-
dere Anfragen englischer Gelehrten bei Gelegenheit der Perlenfischerei auf Ceylon angestellt wurden
und stehen nur mit den Aussagen gewisser Schwimmkünstler im Widerspruch, welche behaupten, fünf
und mehr Minuten lang unter Wasser lustwandeln zu können.

Am Eigenthümlichsten und zugleich Auffallendsten zeigt sich die Trägheit der Athmung bei
denjenigen Säugethieren, welche Winterschlaf halten, so lange dieser Todtenschlummer anhält. Ein
Murmelthier z. B., welches nach Mangili's Beobachtungen im wachen Zustande während eines
Zeitraums von zwei Tagen 72,000 Mal athmet, thut Dies während des Winterschlafs in Zeit von
sechs Monaten nur 71,000 Mal, verbraucht also während dieser Zeit höchstens den neunzigsten Theil
der Luft, bezüglich Sauerstoffmenge, welche während des Wachseins zu seinem Leben erforderlich ist.

Mit den Athmungswerkzeugen steht die Stimme in so enger Beziehung, daß wir sie schon
jetzt berücksichtigen können. Wenn wir die Säugethiere auch hierin wieder mit den Vögeln ver-
gleichen, muß uns sogleich die geringe Biegsamkeit der Stimme fast aller Säuger auffallen. Der
Mensch ist das einzige Säugethier, welches eine vollkommenere Stimme besitzt, als die Vögel sie
haben; ja, seine Stimme steht so hoch über der aller Vögel und anderen Thiere, daß man sie mit
als einen Hauptgrund der Erhebung des Menschengeschlechts zu einer eigenen Klasse angesehen
hat. Die Sprache im menschlichen Sinne ist allerdings ein so außerordentlich großer Vorzug des Men-
schen, daß solche einseitige Gedanken wohl kommen können. Er allein ist es, welcher die stimmbegabten,
sangfertigen Vögel übertrifft, welcher im Allgemeinen durch seine Stimme dem Ohre nicht lästig wird,
wie die übrigen Säugethiere. Schwatzhafte oder zornig kreischende Menschen, zumal Menschenweiber,
müssen wir freilich ausnehmen, weil sie sich eben ihrer hohen Stellung entheben und uns das Säuge-
thier im Allgemeinen vor die Seele führen. Dieses ist ein klang- und sangloses Geschöpf, ein Wesen,
welches im Reich der Töne fremd ist und jedes Ohr durch die Verunstaltung des Tones beleidigt.
Schleiden behauptet zwar irgendwo, daß der Esel ein tonverständiges Säugethier sei,
weil sein bekanntes J--A sich in einer Oktave bewege: ich möchte diesen Ausspruch aber doch nur als
einen Scherz betrachten und den Esel vielmehr für meine Behauptung beanspruchen, d. h. ihn zu den
verabscheuungswürdigsten Tonverderbern zählen. Kaum ein einziges Säugethier besitzt eine Stimme,
welche unser Ohr befriedigen oder gar entzücken könnte. Die Stimme der meisten ist in hohem Grade
widerwärtig und wird es um so mehr, je größer die Aufregung und Begeisterung des Thieres ist.
Jch will nur einen einzigen Vergleich zwischen Vögeln und Säugethieren anstellen. Die all-
mächtige Liebe begabt den Mund des Vogels mit Klängen und Tönen, welche unser Herz gewaltsam
an sich reißen: aus dem Maule des Säugethieres aber spricht dieselbe allgewaltige Macht in ohren-
zerreißender Weise. Welch ein Unterschied ist zwischen dem Liebesgesange einer Nachtigall und dem

Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
Zeit eine Strecke von 12 engliſchen Meilen oder beinahe 80,000 Fuß zurücklegen würde. Die Hälfte
dieſer Strecke durcheilt er in derſelben Zeit ohne Anſtrengung.

Die unwillkürlichen Bewegungen des inneren Leibes ſind bei den Säugethieren durchſchnittlich
langſamer, als bei den Vögeln. Das Herz ſchlägt ſeltener und der Luſtwechſel iſt weniger häufig in
der Bruſt des Säugethieres, als in der eines gleichgroßen Vogels. Hiermit ſteht die etwa um
2 Grad geringere Blutwärme der erſteren im Einklange. Den Waſſerſäugethieren gewährt dieſe
verhältnißmäßige Trägheit der Athmungs- und Blutumlaufswerkzeuge große Vortheile; ſie erlaubt
ihnen, länger unter dem Waſſer auszuharren, als es die Vögel vermögen. Ein Wal kommt nach
meinen eigenen, mit der Uhr in der Hand angeſtellten Beobachtungen durchſchnittlich alle Minuten an
die Oberfläche, um Luft zu ſchöpfen, ſoll aber, nach Scoresby, wenn er angeworfen wurde, auch
bis vierzig Minuten unter Waſſer verweilen können, ehe ihn das Bedürfniß des Athemſchöpfens empor
treibt: ſo lange vermag es kein Vogel unter den Wellen auszuhalten! Wenigſtens habe ich immer
bemerkt, daß die Alken, ſelbſt wenn ich ſie angeſchoſſen hatte und heftig verfolgte, bereits drei Minuten
nach ihrem Untertauchen wieder an der Oberfläche erſchienen und nach Luft ſchnappten. Die Eider-
gans
ſoll zwar bis ſieben Minuten unter Waſſer bleiben können: ich habe Dies aber nie beobachtet. So
viel dürfte feſtſtehen, daß alle Vögel, welche länger als vier Minuten unter Waſſer waren, beim
Aufſteigen ſehr erſchöpft ſind und faſt augenblicklich erſticken, wenn man ſie unter Waſſer faßt und
noch einige Zeit dort feſthält. — Zur Vergleichung und vielleicht auch zur Berichtigung möge die Be-
merkung dienen, daß der Menſch höchſtens ſiebzig Sekunden lang unter Waſſer verweilen kann.
Dieſe Angabe gründet ſich auf die Beobachtungen, welche von wiſſenſchaftlichen Männern auf beſon-
dere Anfragen engliſcher Gelehrten bei Gelegenheit der Perlenfiſcherei auf Ceylon angeſtellt wurden
und ſtehen nur mit den Ausſagen gewiſſer Schwimmkünſtler im Widerſpruch, welche behaupten, fünf
und mehr Minuten lang unter Waſſer luſtwandeln zu können.

Am Eigenthümlichſten und zugleich Auffallendſten zeigt ſich die Trägheit der Athmung bei
denjenigen Säugethieren, welche Winterſchlaf halten, ſo lange dieſer Todtenſchlummer anhält. Ein
Murmelthier z. B., welches nach Mangili’s Beobachtungen im wachen Zuſtande während eines
Zeitraums von zwei Tagen 72,000 Mal athmet, thut Dies während des Winterſchlafs in Zeit von
ſechs Monaten nur 71,000 Mal, verbraucht alſo während dieſer Zeit höchſtens den neunzigſten Theil
der Luft, bezüglich Sauerſtoffmenge, welche während des Wachſeins zu ſeinem Leben erforderlich iſt.

Mit den Athmungswerkzeugen ſteht die Stimme in ſo enger Beziehung, daß wir ſie ſchon
jetzt berückſichtigen können. Wenn wir die Säugethiere auch hierin wieder mit den Vögeln ver-
gleichen, muß uns ſogleich die geringe Biegſamkeit der Stimme faſt aller Säuger auffallen. Der
Menſch iſt das einzige Säugethier, welches eine vollkommenere Stimme beſitzt, als die Vögel ſie
haben; ja, ſeine Stimme ſteht ſo hoch über der aller Vögel und anderen Thiere, daß man ſie mit
als einen Hauptgrund der Erhebung des Menſchengeſchlechts zu einer eigenen Klaſſe angeſehen
hat. Die Sprache im menſchlichen Sinne iſt allerdings ein ſo außerordentlich großer Vorzug des Men-
ſchen, daß ſolche einſeitige Gedanken wohl kommen können. Er allein iſt es, welcher die ſtimmbegabten,
ſangfertigen Vögel übertrifft, welcher im Allgemeinen durch ſeine Stimme dem Ohre nicht läſtig wird,
wie die übrigen Säugethiere. Schwatzhafte oder zornig kreiſchende Menſchen, zumal Menſchenweiber,
müſſen wir freilich ausnehmen, weil ſie ſich eben ihrer hohen Stellung entheben und uns das Säuge-
thier im Allgemeinen vor die Seele führen. Dieſes iſt ein klang- und ſangloſes Geſchöpf, ein Weſen,
welches im Reich der Töne fremd iſt und jedes Ohr durch die Verunſtaltung des Tones beleidigt.
Schleiden behauptet zwar irgendwo, daß der Eſel ein tonverſtändiges Säugethier ſei,
weil ſein bekanntes J—A ſich in einer Oktave bewege: ich möchte dieſen Ausſpruch aber doch nur als
einen Scherz betrachten und den Eſel vielmehr für meine Behauptung beanſpruchen, d. h. ihn zu den
verabſcheuungswürdigſten Tonverderbern zählen. Kaum ein einziges Säugethier beſitzt eine Stimme,
welche unſer Ohr befriedigen oder gar entzücken könnte. Die Stimme der meiſten iſt in hohem Grade
widerwärtig und wird es um ſo mehr, je größer die Aufregung und Begeiſterung des Thieres iſt.
Jch will nur einen einzigen Vergleich zwiſchen Vögeln und Säugethieren anſtellen. Die all-
mächtige Liebe begabt den Mund des Vogels mit Klängen und Tönen, welche unſer Herz gewaltſam
an ſich reißen: aus dem Maule des Säugethieres aber ſpricht dieſelbe allgewaltige Macht in ohren-
zerreißender Weiſe. Welch ein Unterſchied iſt zwiſchen dem Liebesgeſange einer Nachtigall und dem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. XX[XX]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/30>, abgerufen am 23.11.2024.