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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Fortpflanzung und Erziehung. Schaden. Nutzen.
käuer und Nager hindernd in den Weg treten, und daß somit auch sie uns mittelbar nützlich werden.
Bei den kleineren Arten überwiegt der Nutzen, welchen sie leisten, den von ihnen angerichteten Schaden
bei weitem. Jhre Jagd beschränkt sich auf kleinere Säugethiere und Vögel, und namentlich die dem
menschlichen Haushalte so überaus lästigen und schädlichen kleinen Rager finden in ihnen das wirk-
samste Gegengewicht und die gefährlichsten Feinde. Unser Hinz ist uns ja geradezu unentbehrlich
geworden. Auch die wildlebenden kleineren Katzenarten bringen viel mehr Nutzen. als Schaden. Außer-
dem verwerthet der Mensch das Fell und hier und da auch das Fleisch unserer Thiere. Jn China
dient das Katzenfell geradezu als Standeszeichen. Die übrigen Völker schätzen es mehr seiner Farben-
schönheit, als seiner wirklichen Güte wegen; denn diese ist nicht eben hoch anzuschlagen.

Jagd und Fang der schädlichen Arten werden überall mit großem Eifer betrieben, und es giebt
Leute, welche gerade in der Gefährlichkeit dieser Jagd das erste Vergnügen der Erde finden. --

Zur Sonderung der verschiedenen Katzenarten in kleinere Gruppen oder Sippen sind, wie be-
merkt, ziemlich nebensächliche Merkmale maßgebend. Man ordnet die Thiere schon nach ihrer Färbung
oder nach äußeren Haarwucherungen. Einzelne Arten bieten durch ihren ziemlich abweichenden Leibes-
bau, durch die stumpfkralligen Zehen oder den kurzen Schwanz z. B., bessere Anhaltspunkte zur Unter-
scheidung dar: aber auch diese Unterschiede berechtigen kaum zur Trennung von den übrigen Arten.
Gleichwohl folgen wir auch hier der hergebrachten Eintheilung und stellen dem Löwen die einfar-
bigen Katzen
Amerikas, dem Tiger die Pardelkatzen, den Luchsen die Buschkatzen und Hinze
gegenüber, räumen dem Bindeglied zwischen Katze und Hund, dem Jagdleoparden oder Gepard,
eine gewisse Selbstständigkeit ein und geben allen diesen Unterscheidungsformen etwa den Werth der
Sippen aus anderen Familien. Die nachstehenden Blätter werden aber durch Wort und Bild be-
weisen, daß das ganze künstliche Gebäude der Systematik bei den Katzen auf sehr schwachem Grunde
fußt, und jeden Lefer überzeugen, daß alle Katzen der Erde Geschwisterkinder sind.



Ein einziger Blick auf den Leib des Löwen, auf den Ausdruck seines Gesichts genügt, um der
uralten Auffassung aller Völker, welche das königliche Thier kennen lernten, von Grund des Herzens
beizustimmen. Der Löwe ist der König der Raubthiere, ist der Herrscher im ganzen Reiche der Säuge-
thiere. Und wenn auch der ordnende Thierkundige diese königliche Würde eben nicht achten will und
den Löwen nur für eine Katze von besonders kräftigem Bau erkennen muß: der Gesammteindruck,
welchen das herrliche Thier macht, wird auch den Forscher zwingen, ihm unter allen seinen Ver-
wandten die höchste Stelle einzuräumen.

Die Löwen (Leo) sind leicht von sämmtlichen übrigen Katzen zu unterscheiden. Jhre Haupt-
kennzeichen liegen in dem stark gebauten, kräftigen Leibe mit der kurzen, glatt anliegenden, einfarbigen
Behaarung, in dem breiten, kleinäugigen Gesicht, in dem Herrschermantel, welcher sich um ihre Schultern
schlägt, und in der Quaste, welche ihre Schwanzspitze ziert. Jm Vergleich zu den anderen Katzen ist
der Rumpf der Löwen kurz, der Bauch eingezogen, und der ganze Körper erscheint deshalb sehr kräftig,
nicht aber plump. An der Spitze des Schwanzes, in der Quaste verborgen, steckt ein horniger Nagel,
den schon Aristoteles beachtete, aber viele der neueren Naturforscher leugneten. Die Augen sind klein
und haben runde Sterne, die Schnurren sind in sechs bis acht Reihen geordnet. Vor Allem ist es die
Mähne, welche die männlichen Löwen auszeichnet und ihnen das stolze, königliche Ansehen verleiht.

"Ein Königsmantel, dicht und schön,
Umwallt des Löwen Brust und Mähn',
Eine Königskrone, wunderbar,
Sträubt sich der Stirne straffes Haar."

Diese Mähne bekleidet in vollster Ausbildung den Hals und die Vorderbrust, ändert aber so
verschieden ab, daß man aus ihr allein die Heimat des Löwen erkennen kann, daß man nach ihr und,
wie ich glaube, mit Recht, mehrere Arten des Thieres unterschieden hat. So ist sie beim persischen

Fortpflanzung und Erziehung. Schaden. Nutzen.
käuer und Nager hindernd in den Weg treten, und daß ſomit auch ſie uns mittelbar nützlich werden.
Bei den kleineren Arten überwiegt der Nutzen, welchen ſie leiſten, den von ihnen angerichteten Schaden
bei weitem. Jhre Jagd beſchränkt ſich auf kleinere Säugethiere und Vögel, und namentlich die dem
menſchlichen Haushalte ſo überaus läſtigen und ſchädlichen kleinen Rager finden in ihnen das wirk-
ſamſte Gegengewicht und die gefährlichſten Feinde. Unſer Hinz iſt uns ja geradezu unentbehrlich
geworden. Auch die wildlebenden kleineren Katzenarten bringen viel mehr Nutzen. als Schaden. Außer-
dem verwerthet der Menſch das Fell und hier und da auch das Fleiſch unſerer Thiere. Jn China
dient das Katzenfell geradezu als Standeszeichen. Die übrigen Völker ſchätzen es mehr ſeiner Farben-
ſchönheit, als ſeiner wirklichen Güte wegen; denn dieſe iſt nicht eben hoch anzuſchlagen.

Jagd und Fang der ſchädlichen Arten werden überall mit großem Eifer betrieben, und es giebt
Leute, welche gerade in der Gefährlichkeit dieſer Jagd das erſte Vergnügen der Erde finden. —

Zur Sonderung der verſchiedenen Katzenarten in kleinere Gruppen oder Sippen ſind, wie be-
merkt, ziemlich nebenſächliche Merkmale maßgebend. Man ordnet die Thiere ſchon nach ihrer Färbung
oder nach äußeren Haarwucherungen. Einzelne Arten bieten durch ihren ziemlich abweichenden Leibes-
bau, durch die ſtumpfkralligen Zehen oder den kurzen Schwanz z. B., beſſere Anhaltspunkte zur Unter-
ſcheidung dar: aber auch dieſe Unterſchiede berechtigen kaum zur Trennung von den übrigen Arten.
Gleichwohl folgen wir auch hier der hergebrachten Eintheilung und ſtellen dem Löwen die einfar-
bigen Katzen
Amerikas, dem Tiger die Pardelkatzen, den Luchſen die Buſchkatzen und Hinze
gegenüber, räumen dem Bindeglied zwiſchen Katze und Hund, dem Jagdleoparden oder Gepard,
eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit ein und geben allen dieſen Unterſcheidungsformen etwa den Werth der
Sippen aus anderen Familien. Die nachſtehenden Blätter werden aber durch Wort und Bild be-
weiſen, daß das ganze künſtliche Gebäude der Syſtematik bei den Katzen auf ſehr ſchwachem Grunde
fußt, und jeden Lefer überzeugen, daß alle Katzen der Erde Geſchwiſterkinder ſind.



Ein einziger Blick auf den Leib des Löwen, auf den Ausdruck ſeines Geſichts genügt, um der
uralten Auffaſſung aller Völker, welche das königliche Thier kennen lernten, von Grund des Herzens
beizuſtimmen. Der Löwe iſt der König der Raubthiere, iſt der Herrſcher im ganzen Reiche der Säuge-
thiere. Und wenn auch der ordnende Thierkundige dieſe königliche Würde eben nicht achten will und
den Löwen nur für eine Katze von beſonders kräftigem Bau erkennen muß: der Geſammteindruck,
welchen das herrliche Thier macht, wird auch den Forſcher zwingen, ihm unter allen ſeinen Ver-
wandten die höchſte Stelle einzuräumen.

Die Löwen (Leo) ſind leicht von ſämmtlichen übrigen Katzen zu unterſcheiden. Jhre Haupt-
kennzeichen liegen in dem ſtark gebauten, kräftigen Leibe mit der kurzen, glatt anliegenden, einfarbigen
Behaarung, in dem breiten, kleinäugigen Geſicht, in dem Herrſchermantel, welcher ſich um ihre Schultern
ſchlägt, und in der Quaſte, welche ihre Schwanzſpitze ziert. Jm Vergleich zu den anderen Katzen iſt
der Rumpf der Löwen kurz, der Bauch eingezogen, und der ganze Körper erſcheint deshalb ſehr kräftig,
nicht aber plump. An der Spitze des Schwanzes, in der Quaſte verborgen, ſteckt ein horniger Nagel,
den ſchon Ariſtoteles beachtete, aber viele der neueren Naturforſcher leugneten. Die Augen ſind klein
und haben runde Sterne, die Schnurren ſind in ſechs bis acht Reihen geordnet. Vor Allem iſt es die
Mähne, welche die männlichen Löwen auszeichnet und ihnen das ſtolze, königliche Anſehen verleiht.

„Ein Königsmantel, dicht und ſchön,
Umwallt des Löwen Bruſt und Mähn’,
Eine Königskrone, wunderbar,
Sträubt ſich der Stirne ſtraffes Haar.‟

Dieſe Mähne bekleidet in vollſter Ausbildung den Hals und die Vorderbruſt, ändert aber ſo
verſchieden ab, daß man aus ihr allein die Heimat des Löwen erkennen kann, daß man nach ihr und,
wie ich glaube, mit Recht, mehrere Arten des Thieres unterſchieden hat. So iſt ſie beim perſiſchen

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[189/0247] Fortpflanzung und Erziehung. Schaden. Nutzen. käuer und Nager hindernd in den Weg treten, und daß ſomit auch ſie uns mittelbar nützlich werden. Bei den kleineren Arten überwiegt der Nutzen, welchen ſie leiſten, den von ihnen angerichteten Schaden bei weitem. Jhre Jagd beſchränkt ſich auf kleinere Säugethiere und Vögel, und namentlich die dem menſchlichen Haushalte ſo überaus läſtigen und ſchädlichen kleinen Rager finden in ihnen das wirk- ſamſte Gegengewicht und die gefährlichſten Feinde. Unſer Hinz iſt uns ja geradezu unentbehrlich geworden. Auch die wildlebenden kleineren Katzenarten bringen viel mehr Nutzen. als Schaden. Außer- dem verwerthet der Menſch das Fell und hier und da auch das Fleiſch unſerer Thiere. Jn China dient das Katzenfell geradezu als Standeszeichen. Die übrigen Völker ſchätzen es mehr ſeiner Farben- ſchönheit, als ſeiner wirklichen Güte wegen; denn dieſe iſt nicht eben hoch anzuſchlagen. Jagd und Fang der ſchädlichen Arten werden überall mit großem Eifer betrieben, und es giebt Leute, welche gerade in der Gefährlichkeit dieſer Jagd das erſte Vergnügen der Erde finden. — Zur Sonderung der verſchiedenen Katzenarten in kleinere Gruppen oder Sippen ſind, wie be- merkt, ziemlich nebenſächliche Merkmale maßgebend. Man ordnet die Thiere ſchon nach ihrer Färbung oder nach äußeren Haarwucherungen. Einzelne Arten bieten durch ihren ziemlich abweichenden Leibes- bau, durch die ſtumpfkralligen Zehen oder den kurzen Schwanz z. B., beſſere Anhaltspunkte zur Unter- ſcheidung dar: aber auch dieſe Unterſchiede berechtigen kaum zur Trennung von den übrigen Arten. Gleichwohl folgen wir auch hier der hergebrachten Eintheilung und ſtellen dem Löwen die einfar- bigen Katzen Amerikas, dem Tiger die Pardelkatzen, den Luchſen die Buſchkatzen und Hinze gegenüber, räumen dem Bindeglied zwiſchen Katze und Hund, dem Jagdleoparden oder Gepard, eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit ein und geben allen dieſen Unterſcheidungsformen etwa den Werth der Sippen aus anderen Familien. Die nachſtehenden Blätter werden aber durch Wort und Bild be- weiſen, daß das ganze künſtliche Gebäude der Syſtematik bei den Katzen auf ſehr ſchwachem Grunde fußt, und jeden Lefer überzeugen, daß alle Katzen der Erde Geſchwiſterkinder ſind. Ein einziger Blick auf den Leib des Löwen, auf den Ausdruck ſeines Geſichts genügt, um der uralten Auffaſſung aller Völker, welche das königliche Thier kennen lernten, von Grund des Herzens beizuſtimmen. Der Löwe iſt der König der Raubthiere, iſt der Herrſcher im ganzen Reiche der Säuge- thiere. Und wenn auch der ordnende Thierkundige dieſe königliche Würde eben nicht achten will und den Löwen nur für eine Katze von beſonders kräftigem Bau erkennen muß: der Geſammteindruck, welchen das herrliche Thier macht, wird auch den Forſcher zwingen, ihm unter allen ſeinen Ver- wandten die höchſte Stelle einzuräumen. Die Löwen (Leo) ſind leicht von ſämmtlichen übrigen Katzen zu unterſcheiden. Jhre Haupt- kennzeichen liegen in dem ſtark gebauten, kräftigen Leibe mit der kurzen, glatt anliegenden, einfarbigen Behaarung, in dem breiten, kleinäugigen Geſicht, in dem Herrſchermantel, welcher ſich um ihre Schultern ſchlägt, und in der Quaſte, welche ihre Schwanzſpitze ziert. Jm Vergleich zu den anderen Katzen iſt der Rumpf der Löwen kurz, der Bauch eingezogen, und der ganze Körper erſcheint deshalb ſehr kräftig, nicht aber plump. An der Spitze des Schwanzes, in der Quaſte verborgen, ſteckt ein horniger Nagel, den ſchon Ariſtoteles beachtete, aber viele der neueren Naturforſcher leugneten. Die Augen ſind klein und haben runde Sterne, die Schnurren ſind in ſechs bis acht Reihen geordnet. Vor Allem iſt es die Mähne, welche die männlichen Löwen auszeichnet und ihnen das ſtolze, königliche Anſehen verleiht. „Ein Königsmantel, dicht und ſchön, Umwallt des Löwen Bruſt und Mähn’, Eine Königskrone, wunderbar, Sträubt ſich der Stirne ſtraffes Haar.‟ Dieſe Mähne bekleidet in vollſter Ausbildung den Hals und die Vorderbruſt, ändert aber ſo verſchieden ab, daß man aus ihr allein die Heimat des Löwen erkennen kann, daß man nach ihr und, wie ich glaube, mit Recht, mehrere Arten des Thieres unterſchieden hat. So iſt ſie beim perſiſchen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/247>, abgerufen am 23.11.2024.