Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Geistesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung.
und dergleichen, während sich die größeren im Gebüsch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-
lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebsten sind, in welchen der Mensch noch nicht zur vollen
Herrschaft gelangen konnte, kommen sie doch oft in unverschämt dreister Weise zu den Wohnungen des
Menschen heran, um hier über ihn selbst herzufallen oder seinen Viehstand zu berauben. Zu diesem
Behufe verlassen sie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und streifen nun entweder ziemlich weit umher,
oder legen sich an belebten Paßstraßen der Menschen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur
höchst wenige auf Beute, und ebenso ziehen sie sich zu dieser Zeit feig zurück, wenn sie angegriffen
werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weist sie ihre Aus-
rüstung auch vollständig an. Besonders gut gelegene Versteckplätze werden ziemlich regelmäßig be-
wohnt; die Mehrzahl hat aber kein bestimmtes Lager und wählt sich, sobald der Morgen sie auf dem
Streifzuge überrascht, zum Versteck den ersten besten Ort, welcher Sicherheit verheißt.

Jhre Nahrung nehmen sich die Katzen aus allen vier Klassen der Wirbelthiere, wenn auch die
Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am meisten ausgesetzt sind. Einige Arten stellen mit
Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren auch das Fleisch mancher Lurche, namentlich
der Schildkröten, wieder andere gehen sogar auf den Fischfang aus. Die wirbellosen Thiere werden
im Ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt sich diese oder jene Art einen
Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen fressen vorzugsweise die Beute, welche sie sich selbst
erworben haben, nur sehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch blos auf solches,
welches von selbst gemachter Beute herrührt. Dabei zeichnen sich die meisten durch unersättlichen Blut-
durst aus, und es giebt Arten, welche sich, wenn sie es können, blos von Blut nähren und sich
förmlich in diesem "ganz besonderen Safte" berauschen.

Jn der Art und Weise ihres Angriffs ähneln sich alle Arten mehr oder weniger. Sie schleichen
leisen, unhörbaren Schrittes äußerst aufmerksam durch ihr Jagdgebiet und äugen und lauschen scharf
nach allen Richtungen hin. Das geringste Geräusch erregt ihre Aufmerksamkeit und bewegt sie, der
Ursache desselben nachzugehen. Dabei gleiten sie in geduckter Stellung vorsichtig auf dem Boden hin,
regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn sie sich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder
mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, schlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder
in die Seiten, reißen es zu Boden, erfassen es mit dem Maule und beißen einige Male schnell nach
einander heftig zu. Hierauf öffnen sie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu
lassen, sie beobachten es vielmehr scharf und beißen von neuem, sowie sich noch ein Fünkchen Leben
in ihm regt. Viele stoßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches ebensogut Behaglichkeit,
als Gier oder Zorn ausdrückt. Die meisten haben die abschenliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer
noch lange Zeit zu quälen, indem sie ihnen scheinbar etwas Freiheit gewähren und sie oft auch wirklich
ein Stückchen laufen lassen, jederzeit aber im rechten Augenblick sie wieder erfassen, von neuem
niederdrücken, nochmals laufen lassen u. s. w., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen.
Auch die größten Arten scheuen die Thiere, von denen sie bedeutenden Widerstand erwarten, und
greifen sie blos dann an, wenn sie sich durch Erfahrung überzeugt haben, daß sie trotz der Stärke
ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selbst der Löwe, Tiger und
Jaguar fürchten anfangs den Menschen und gehen ihm fast feig aus dem Wege; nachdem sie aber
gelernt haben, welch schwaches, wehrloses Geschöpf er ist, werden sie seine furchtbarsten Feinde, und
es scheint fast, als ob sie dann das Menschenfleisch dem aller übrigen Säugethiere entschieden vor-
zögen. Obgleich beinah alle Katzen gute Läufer sind, stehen sie doch von weiterer Verfolgung eines
Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffssprung mißlang.

Nur an sehr geschützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und
Stelle; gewöhnlich schleppen sie das erfaßte Thier, nachdem sie es getödtet oder wenigstens wider-
standslos gemacht haben, an einen stillen, versteckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe
und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute ist, zeigen sie sich außerordentlich lecker
und überlassen bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Geschöpfe anderen Thieren, den

Geiſtesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung.
und dergleichen, während ſich die größeren im Gebüſch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-
lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebſten ſind, in welchen der Menſch noch nicht zur vollen
Herrſchaft gelangen konnte, kommen ſie doch oft in unverſchämt dreiſter Weiſe zu den Wohnungen des
Menſchen heran, um hier über ihn ſelbſt herzufallen oder ſeinen Viehſtand zu berauben. Zu dieſem
Behufe verlaſſen ſie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und ſtreifen nun entweder ziemlich weit umher,
oder legen ſich an belebten Paßſtraßen der Menſchen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur
höchſt wenige auf Beute, und ebenſo ziehen ſie ſich zu dieſer Zeit feig zurück, wenn ſie angegriffen
werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weiſt ſie ihre Aus-
rüſtung auch vollſtändig an. Beſonders gut gelegene Verſteckplätze werden ziemlich regelmäßig be-
wohnt; die Mehrzahl hat aber kein beſtimmtes Lager und wählt ſich, ſobald der Morgen ſie auf dem
Streifzuge überraſcht, zum Verſteck den erſten beſten Ort, welcher Sicherheit verheißt.

Jhre Nahrung nehmen ſich die Katzen aus allen vier Klaſſen der Wirbelthiere, wenn auch die
Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am meiſten ausgeſetzt ſind. Einige Arten ſtellen mit
Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren auch das Fleiſch mancher Lurche, namentlich
der Schildkröten, wieder andere gehen ſogar auf den Fiſchfang aus. Die wirbelloſen Thiere werden
im Ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt ſich dieſe oder jene Art einen
Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen freſſen vorzugsweiſe die Beute, welche ſie ſich ſelbſt
erworben haben, nur ſehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch blos auf ſolches,
welches von ſelbſt gemachter Beute herrührt. Dabei zeichnen ſich die meiſten durch unerſättlichen Blut-
durſt aus, und es giebt Arten, welche ſich, wenn ſie es können, blos von Blut nähren und ſich
förmlich in dieſem „ganz beſonderen Safte‟ berauſchen.

Jn der Art und Weiſe ihres Angriffs ähneln ſich alle Arten mehr oder weniger. Sie ſchleichen
leiſen, unhörbaren Schrittes äußerſt aufmerkſam durch ihr Jagdgebiet und äugen und lauſchen ſcharf
nach allen Richtungen hin. Das geringſte Geräuſch erregt ihre Aufmerkſamkeit und bewegt ſie, der
Urſache deſſelben nachzugehen. Dabei gleiten ſie in geduckter Stellung vorſichtig auf dem Boden hin,
regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn ſie ſich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder
mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, ſchlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder
in die Seiten, reißen es zu Boden, erfaſſen es mit dem Maule und beißen einige Male ſchnell nach
einander heftig zu. Hierauf öffnen ſie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu
laſſen, ſie beobachten es vielmehr ſcharf und beißen von neuem, ſowie ſich noch ein Fünkchen Leben
in ihm regt. Viele ſtoßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches ebenſogut Behaglichkeit,
als Gier oder Zorn ausdrückt. Die meiſten haben die abſchenliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer
noch lange Zeit zu quälen, indem ſie ihnen ſcheinbar etwas Freiheit gewähren und ſie oft auch wirklich
ein Stückchen laufen laſſen, jederzeit aber im rechten Augenblick ſie wieder erfaſſen, von neuem
niederdrücken, nochmals laufen laſſen u. ſ. w., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen.
Auch die größten Arten ſcheuen die Thiere, von denen ſie bedeutenden Widerſtand erwarten, und
greifen ſie blos dann an, wenn ſie ſich durch Erfahrung überzeugt haben, daß ſie trotz der Stärke
ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selbſt der Löwe, Tiger und
Jaguar fürchten anfangs den Menſchen und gehen ihm faſt feig aus dem Wege; nachdem ſie aber
gelernt haben, welch ſchwaches, wehrloſes Geſchöpf er iſt, werden ſie ſeine furchtbarſten Feinde, und
es ſcheint faſt, als ob ſie dann das Menſchenfleiſch dem aller übrigen Säugethiere entſchieden vor-
zögen. Obgleich beinah alle Katzen gute Läufer ſind, ſtehen ſie doch von weiterer Verfolgung eines
Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffsſprung mißlang.

Nur an ſehr geſchützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und
Stelle; gewöhnlich ſchleppen ſie das erfaßte Thier, nachdem ſie es getödtet oder wenigſtens wider-
ſtandslos gemacht haben, an einen ſtillen, verſteckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe
und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute iſt, zeigen ſie ſich außerordentlich lecker
und überlaſſen bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Geſchöpfe anderen Thieren, den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0245" n="187"/><fw place="top" type="header">Gei&#x017F;tesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung.</fw><lb/>
und dergleichen, während &#x017F;ich die größeren im Gebü&#x017F;ch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild-<lb/>
lebenden Katzen diejenigen Gegenden am lieb&#x017F;ten &#x017F;ind, in welchen der Men&#x017F;ch noch nicht zur vollen<lb/>
Herr&#x017F;chaft gelangen konnte, kommen &#x017F;ie doch oft in unver&#x017F;chämt drei&#x017F;ter Wei&#x017F;e zu den Wohnungen des<lb/>
Men&#x017F;chen heran, um hier über ihn &#x017F;elb&#x017F;t herzufallen oder &#x017F;einen Vieh&#x017F;tand zu berauben. Zu die&#x017F;em<lb/>
Behufe verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und &#x017F;treifen nun entweder ziemlich weit umher,<lb/>
oder legen &#x017F;ich an belebten Paß&#x017F;traßen der Men&#x017F;chen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur<lb/>
höch&#x017F;t wenige auf Beute, und eben&#x017F;o ziehen &#x017F;ie &#x017F;ich zu die&#x017F;er Zeit feig zurück, wenn &#x017F;ie angegriffen<lb/>
werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu wei&#x017F;t &#x017F;ie ihre Aus-<lb/>&#x017F;tung auch voll&#x017F;tändig an. Be&#x017F;onders gut gelegene Ver&#x017F;teckplätze werden ziemlich regelmäßig be-<lb/>
wohnt; die Mehrzahl hat aber kein be&#x017F;timmtes Lager und wählt &#x017F;ich, &#x017F;obald der Morgen &#x017F;ie auf dem<lb/>
Streifzuge überra&#x017F;cht, zum Ver&#x017F;teck den er&#x017F;ten be&#x017F;ten Ort, welcher Sicherheit verheißt.</p><lb/>
          <p>Jhre Nahrung nehmen &#x017F;ich die Katzen aus allen vier Kla&#x017F;&#x017F;en der Wirbelthiere, wenn auch die<lb/>
Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am mei&#x017F;ten ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind. Einige Arten &#x017F;tellen mit<lb/>
Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren auch das Flei&#x017F;ch mancher Lurche, namentlich<lb/>
der Schildkröten, wieder andere gehen &#x017F;ogar auf den Fi&#x017F;chfang aus. Die wirbello&#x017F;en Thiere werden<lb/>
im Ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt &#x017F;ich die&#x017F;e oder jene Art einen<lb/>
Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen fre&#x017F;&#x017F;en vorzugswei&#x017F;e <hi rendition="#g">die</hi> Beute, welche &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erworben haben, nur &#x017F;ehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch blos auf &#x017F;olches,<lb/>
welches von &#x017F;elb&#x017F;t gemachter Beute herrührt. Dabei zeichnen &#x017F;ich die mei&#x017F;ten durch uner&#x017F;ättlichen Blut-<lb/>
dur&#x017F;t aus, und es giebt Arten, welche &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie es können, blos von Blut nähren und &#x017F;ich<lb/>
förmlich in die&#x017F;em &#x201E;ganz be&#x017F;onderen Safte&#x201F; berau&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Jn der Art und Wei&#x017F;e ihres Angriffs ähneln &#x017F;ich alle Arten mehr oder weniger. Sie &#x017F;chleichen<lb/>
lei&#x017F;en, unhörbaren Schrittes äußer&#x017F;t aufmerk&#x017F;am durch ihr Jagdgebiet und äugen und lau&#x017F;chen &#x017F;charf<lb/>
nach allen Richtungen hin. Das gering&#x017F;te Geräu&#x017F;ch erregt ihre Aufmerk&#x017F;amkeit und bewegt &#x017F;ie, der<lb/>
Ur&#x017F;ache de&#x017F;&#x017F;elben nachzugehen. Dabei gleiten &#x017F;ie in geduckter Stellung vor&#x017F;ichtig auf dem Boden hin,<lb/>
regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder<lb/>
mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, &#x017F;chlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder<lb/>
in die Seiten, reißen es zu Boden, erfa&#x017F;&#x017F;en es mit dem Maule und beißen einige Male &#x017F;chnell nach<lb/>
einander heftig zu. Hierauf öffnen &#x017F;ie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ie beobachten es vielmehr &#x017F;charf und beißen von neuem, &#x017F;owie &#x017F;ich noch ein Fünkchen Leben<lb/>
in ihm regt. Viele &#x017F;toßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches eben&#x017F;ogut Behaglichkeit,<lb/>
als Gier oder Zorn ausdrückt. Die mei&#x017F;ten haben die ab&#x017F;chenliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer<lb/>
noch lange Zeit zu quälen, indem &#x017F;ie ihnen &#x017F;cheinbar etwas Freiheit gewähren und &#x017F;ie oft auch wirklich<lb/>
ein Stückchen laufen la&#x017F;&#x017F;en, jederzeit aber im rechten Augenblick &#x017F;ie wieder erfa&#x017F;&#x017F;en, von neuem<lb/>
niederdrücken, nochmals laufen la&#x017F;&#x017F;en u. &#x017F;. w., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen.<lb/>
Auch die größten Arten &#x017F;cheuen <hi rendition="#g">die</hi> Thiere, von denen &#x017F;ie bedeutenden Wider&#x017F;tand erwarten, und<lb/>
greifen &#x017F;ie blos dann an, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich durch Erfahrung überzeugt haben, daß &#x017F;ie trotz der Stärke<lb/>
ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selb&#x017F;t der <hi rendition="#g">Löwe, Tiger</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Jaguar</hi> fürchten anfangs den Men&#x017F;chen und gehen ihm fa&#x017F;t feig aus dem Wege; nachdem &#x017F;ie aber<lb/>
gelernt haben, welch &#x017F;chwaches, wehrlo&#x017F;es Ge&#x017F;chöpf er i&#x017F;t, werden &#x017F;ie &#x017F;eine furchtbar&#x017F;ten Feinde, und<lb/>
es &#x017F;cheint fa&#x017F;t, als ob &#x017F;ie dann das Men&#x017F;chenflei&#x017F;ch dem aller übrigen Säugethiere ent&#x017F;chieden vor-<lb/>
zögen. Obgleich beinah alle Katzen gute Läufer &#x017F;ind, &#x017F;tehen &#x017F;ie doch von weiterer Verfolgung eines<lb/>
Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffs&#x017F;prung mißlang.</p><lb/>
          <p>Nur an &#x017F;ehr ge&#x017F;chützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und<lb/>
Stelle; gewöhnlich &#x017F;chleppen &#x017F;ie das erfaßte Thier, nachdem &#x017F;ie es getödtet oder wenig&#x017F;tens wider-<lb/>
&#x017F;tandslos gemacht haben, an einen &#x017F;tillen, ver&#x017F;teckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe<lb/>
und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute i&#x017F;t, zeigen &#x017F;ie &#x017F;ich außerordentlich lecker<lb/>
und überla&#x017F;&#x017F;en bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Ge&#x017F;chöpfe anderen Thieren, den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0245] Geiſtesbegabung. Aufenthaltsorte. Jhre Nahrung und deren Erbeutung. und dergleichen, während ſich die größeren im Gebüſch zu verbergen pflegen. Obwohl den wild- lebenden Katzen diejenigen Gegenden am liebſten ſind, in welchen der Menſch noch nicht zur vollen Herrſchaft gelangen konnte, kommen ſie doch oft in unverſchämt dreiſter Weiſe zu den Wohnungen des Menſchen heran, um hier über ihn ſelbſt herzufallen oder ſeinen Viehſtand zu berauben. Zu dieſem Behufe verlaſſen ſie ihr Lager mit Einbruch der Nacht und ſtreifen nun entweder ziemlich weit umher, oder legen ſich an belebten Paßſtraßen der Menſchen oder Thiere auf die Lauer. Bei Tage fallen nur höchſt wenige auf Beute, und ebenſo ziehen ſie ſich zu dieſer Zeit feig zurück, wenn ſie angegriffen werden. Jhr wahres Leben beginnt und endigt mit der Dunkelheit, und hierzu weiſt ſie ihre Aus- rüſtung auch vollſtändig an. Beſonders gut gelegene Verſteckplätze werden ziemlich regelmäßig be- wohnt; die Mehrzahl hat aber kein beſtimmtes Lager und wählt ſich, ſobald der Morgen ſie auf dem Streifzuge überraſcht, zum Verſteck den erſten beſten Ort, welcher Sicherheit verheißt. Jhre Nahrung nehmen ſich die Katzen aus allen vier Klaſſen der Wirbelthiere, wenn auch die Säugethiere unzweifelhaft ihren Verfolgungen am meiſten ausgeſetzt ſind. Einige Arten ſtellen mit Vorliebe Vögeln nach, andere, aber wenige, verzehren auch das Fleiſch mancher Lurche, namentlich der Schildkröten, wieder andere gehen ſogar auf den Fiſchfang aus. Die wirbelloſen Thiere werden im Ganzen wenig von ihnen behelligt, und wohl nur zufällig fängt ſich dieſe oder jene Art einen Krebs oder ein Kerbthier. Sämmtliche Katzen freſſen vorzugsweiſe die Beute, welche ſie ſich ſelbſt erworben haben, nur ſehr wenige fallen auf das Aas und dann gewöhnlich auch blos auf ſolches, welches von ſelbſt gemachter Beute herrührt. Dabei zeichnen ſich die meiſten durch unerſättlichen Blut- durſt aus, und es giebt Arten, welche ſich, wenn ſie es können, blos von Blut nähren und ſich förmlich in dieſem „ganz beſonderen Safte‟ berauſchen. Jn der Art und Weiſe ihres Angriffs ähneln ſich alle Arten mehr oder weniger. Sie ſchleichen leiſen, unhörbaren Schrittes äußerſt aufmerkſam durch ihr Jagdgebiet und äugen und lauſchen ſcharf nach allen Richtungen hin. Das geringſte Geräuſch erregt ihre Aufmerkſamkeit und bewegt ſie, der Urſache deſſelben nachzugehen. Dabei gleiten ſie in geduckter Stellung vorſichtig auf dem Boden hin, regelmäßig unter dem Winde, und fallen, wenn ſie ſich nahe genug glauben, plötzlich mit einem oder mehreren Sätzen über ihr Schlachtopfer her, ſchlagen ihm die furchtbaren Tatzen in das Genick oder in die Seiten, reißen es zu Boden, erfaſſen es mit dem Maule und beißen einige Male ſchnell nach einander heftig zu. Hierauf öffnen ſie das Gebiß ein wenig, ohne jedoch das erfaßte Thier fahren zu laſſen, ſie beobachten es vielmehr ſcharf und beißen von neuem, ſowie ſich noch ein Fünkchen Leben in ihm regt. Viele ſtoßen während dem ein Brüllen oder Knurren aus, welches ebenſogut Behaglichkeit, als Gier oder Zorn ausdrückt. Die meiſten haben die abſchenliche Gewohnheit, ihre Schlachtopfer noch lange Zeit zu quälen, indem ſie ihnen ſcheinbar etwas Freiheit gewähren und ſie oft auch wirklich ein Stückchen laufen laſſen, jederzeit aber im rechten Augenblick ſie wieder erfaſſen, von neuem niederdrücken, nochmals laufen laſſen u. ſ. w., bis die Gepeinigten endlich ihren Wunden erliegen. Auch die größten Arten ſcheuen die Thiere, von denen ſie bedeutenden Widerſtand erwarten, und greifen ſie blos dann an, wenn ſie ſich durch Erfahrung überzeugt haben, daß ſie trotz der Stärke ihrer Gegner als Sieger aus einem etwaigen Kampfe hervorgehen. Selbſt der Löwe, Tiger und Jaguar fürchten anfangs den Menſchen und gehen ihm faſt feig aus dem Wege; nachdem ſie aber gelernt haben, welch ſchwaches, wehrloſes Geſchöpf er iſt, werden ſie ſeine furchtbarſten Feinde, und es ſcheint faſt, als ob ſie dann das Menſchenfleiſch dem aller übrigen Säugethiere entſchieden vor- zögen. Obgleich beinah alle Katzen gute Läufer ſind, ſtehen ſie doch von weiterer Verfolgung eines Schlachtopfers ab, wenn ihnen der Angriffsſprung mißlang. Nur an ſehr geſchützten Orten verzehren die Katzen eine gemachte Beute gleich an Ort und Stelle; gewöhnlich ſchleppen ſie das erfaßte Thier, nachdem ſie es getödtet oder wenigſtens wider- ſtandslos gemacht haben, an einen ſtillen, verſteckten Ort und verzehren es hier in aller Ruhe und Behaglichkeit. Wenn ihre Wohngegend reich an Beute iſt, zeigen ſie ſich außerordentlich lecker und überlaſſen bei weitem den größten Theil der von ihnen erjagten Geſchöpfe anderen Thieren, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/245
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/245>, abgerufen am 23.11.2024.