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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen.
stellt, aufgefangen und zurückgeworfen werden, wodurch das Leuchten des Katzenauges entsteht. --
Auf das Gesicht dürfen wir wohl das Gefühl folgen lassen, welches sich ebensowohl als ausgebildete
Tastfähigkeit, wie als Empfindungsvermögen kund giebt. Zu Tastwerkzeugen dienen hauptsächlich die
Bartschnurren zu beiden Seiten des Maules und über den Augen, vielleicht auch die Ohrpinsel am
Ohre der Luchse. Schneidet man einer Katze ihre Bartschnurren weg, so versetzt man sie in eine
höchst ungemüthliche Lage; sie wird förmlich rath- und thatlos oder zeigt zum mindesten eine ziemliche
Unruhe und Ungewißheit, welche später, aber blos nach dem Wiederwachsen jener Borsten, sich verliert.
Aber auch die Pfoten sind zum Tasten ganz geeignet. Die Empfindlichkeit ist über den ganzen Körper
verbreitet. Alle Katzen sind höchst empfänglich für Einflüsse von außen und zeigen eine unverkennbare
Mißstimmung bei unangenehmen oder große Behaglichkeit bei angenehmen Reizen. Wenn man ihnen
ihr seidenweiches Haar streichelt, wird man sie stets in eine fast freudige Aufregung versetzen, während
sie, wenn dies Haar befeuchtet wird oder sie sonstigen widerwärtigen Einflüssen ausgesetzt sind, großen
Mißmuth an den Tag legen. -- Geruch und Geschmack dürften so ziemlich auf gleicher Stufe stehen.
Vielleicht ist der Geschmack noch besser, als der Geruch. Die meisten Katzen sind trotz ihrer rauhen
Zunge für Gaumenkitzel sehr empfänglich und erfreuen sich besonders an schwach gesalzenen und süß-
lichen Speisen, vor allem an thierischen Flüssigkeiten, wie an Blut und an Milch, während dem
Geruchswerkzeuge schon sehr starkriechende Dinge geboten werden müssen, wenn es sich befriedigt zeigen
soll. Die merkwürdige Vorliebe gewisser Katzen für stark duftende Pflanzen, wie für Baldrian
und Katzengamander läßt jedenfalls die Schlußfolgerung zu, daß ihr Geruch nur ein sehr unter-
geordneter sein kann; denn alle feinriechenden Thiere würden sich mit Abscheu von derartigen Gegen-
ständen abwenden: die Katzen aber wälzen sich wie sinnlos, gleichsam im höchsten Rausche, auf jenen
Pflanzen herum.

Hinsichtlich ihrer geistigen Fähigkeiten stehen die Katzen ziemlich weit hinter den Hunden zurück,
jedoch nicht soweit, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Bei der Mehrzahl der Arten zeigen sich
allerdings die höheren oder edlen Geisteskräfte weit weniger, als die niederen; doch liefert uns
unser Hinz, wenn er gut behandelt wird, den Beweis, daß auch die Katzen einer Erziehung und
Geistesveredelung fähig sind. Die Hauskatze giebt uns oft genug Beispiele von treuer Anhänglichkeit
an den Menschen und von großem Verstande. Der Mensch nimmt sich gewöhnlich gar nicht die
Mühe, ihre Fähigkeiten genauer zu erforschen, sondern läßt sich von dem einmal feststehenden
Urtheile über sie einnehmen und von selbstständiger Prüfung zurückschrecken. Der Charakter der
meisten Arten ist allerdings ein Gemisch von ruhiger Besonnenheit, ausdauernder List, Blutgier und
Tollkühnheit; doch giebt es auch sehr edelstolze, muthige Katzen, wie den Löwen, oder sauste, wie
den Jagdleoparden. Jn Gesellschaft des Menschen zeigen sie sich bald durchaus anders, als in der
Freiheit; sie erkennen die menschliche Herrschaft an, fühlen Dankbarkeit für ihren Herrn, wollen, daß
er ihnen schmeichele, sie liebkose; kurz, sie werden oft rückhaltslos zahm, wenn auch zuweilen ihre tief
eingewurzelten natürlichen Begabungen plötzlich wieder durchbrechen. Hierin beruht hauptsächlich der
Grund, daß man die Katzen falsch und tückisch nennt; denn nicht einmal derjenige Mensch, welcher
Thiere zu quälen oder zu mißhandeln pflegt, will ihnen das Recht zugestehen, einmal auf Augenblicke
das ihnen auferlegte Joch der Sklaverei abzuschütteln.

Die Katzen sind gegenwärtig in allen Theilen der alten Welt und in Amerika zu finden. Sie
bewohnen die Ebenen, wie die Gebirge, dürre, sandige Stellen, wie seuchte Niederungen, den Wald,
wie das Feld. Einige steigen selbst in das Hochgebirge hinauf und werden dort in beträchtlichen
Höhen getroffen; andere treiben sich auf freien, offenen, mit Gesträuch bewachsenen Steppen oder in
Wüsten herum; noch andere ziehen die schilfreichen Ufer von Flüssen, Bächen und Sümpfen vor: bei
weitem der größte Theil aber gehört dem Walde an. Die Bäume bieten ihnen alles Erforderliche.
Sie liefern vortreffliche Verstecke, in denen sie sich leicht verbergen können, ebensowohl, um über ihre
Beute herzufallen, als auch, um sich den Blicken ihrer Feinde zu entziehen. Zu solchen Verstecken
dienen den kleineren Arten Felsspalten, hohle Bäume, verlassene Baue von anderen Säugethieren

Die Raubthiere. Katzen.
ſtellt, aufgefangen und zurückgeworfen werden, wodurch das Leuchten des Katzenauges entſteht. —
Auf das Geſicht dürfen wir wohl das Gefühl folgen laſſen, welches ſich ebenſowohl als ausgebildete
Taſtfähigkeit, wie als Empfindungsvermögen kund giebt. Zu Taſtwerkzeugen dienen hauptſächlich die
Bartſchnurren zu beiden Seiten des Maules und über den Augen, vielleicht auch die Ohrpinſel am
Ohre der Luchſe. Schneidet man einer Katze ihre Bartſchnurren weg, ſo verſetzt man ſie in eine
höchſt ungemüthliche Lage; ſie wird förmlich rath- und thatlos oder zeigt zum mindeſten eine ziemliche
Unruhe und Ungewißheit, welche ſpäter, aber blos nach dem Wiederwachſen jener Borſten, ſich verliert.
Aber auch die Pfoten ſind zum Taſten ganz geeignet. Die Empfindlichkeit iſt über den ganzen Körper
verbreitet. Alle Katzen ſind höchſt empfänglich für Einflüſſe von außen und zeigen eine unverkennbare
Mißſtimmung bei unangenehmen oder große Behaglichkeit bei angenehmen Reizen. Wenn man ihnen
ihr ſeidenweiches Haar ſtreichelt, wird man ſie ſtets in eine faſt freudige Aufregung verſetzen, während
ſie, wenn dies Haar befeuchtet wird oder ſie ſonſtigen widerwärtigen Einflüſſen ausgeſetzt ſind, großen
Mißmuth an den Tag legen. — Geruch und Geſchmack dürften ſo ziemlich auf gleicher Stufe ſtehen.
Vielleicht iſt der Geſchmack noch beſſer, als der Geruch. Die meiſten Katzen ſind trotz ihrer rauhen
Zunge für Gaumenkitzel ſehr empfänglich und erfreuen ſich beſonders an ſchwach geſalzenen und ſüß-
lichen Speiſen, vor allem an thieriſchen Flüſſigkeiten, wie an Blut und an Milch, während dem
Geruchswerkzeuge ſchon ſehr ſtarkriechende Dinge geboten werden müſſen, wenn es ſich befriedigt zeigen
ſoll. Die merkwürdige Vorliebe gewiſſer Katzen für ſtark duftende Pflanzen, wie für Baldrian
und Katzengamander läßt jedenfalls die Schlußfolgerung zu, daß ihr Geruch nur ein ſehr unter-
geordneter ſein kann; denn alle feinriechenden Thiere würden ſich mit Abſcheu von derartigen Gegen-
ſtänden abwenden: die Katzen aber wälzen ſich wie ſinnlos, gleichſam im höchſten Rauſche, auf jenen
Pflanzen herum.

Hinſichtlich ihrer geiſtigen Fähigkeiten ſtehen die Katzen ziemlich weit hinter den Hunden zurück,
jedoch nicht ſoweit, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Bei der Mehrzahl der Arten zeigen ſich
allerdings die höheren oder edlen Geiſteskräfte weit weniger, als die niederen; doch liefert uns
unſer Hinz, wenn er gut behandelt wird, den Beweis, daß auch die Katzen einer Erziehung und
Geiſtesveredelung fähig ſind. Die Hauskatze giebt uns oft genug Beiſpiele von treuer Anhänglichkeit
an den Menſchen und von großem Verſtande. Der Menſch nimmt ſich gewöhnlich gar nicht die
Mühe, ihre Fähigkeiten genauer zu erforſchen, ſondern läßt ſich von dem einmal feſtſtehenden
Urtheile über ſie einnehmen und von ſelbſtſtändiger Prüfung zurückſchrecken. Der Charakter der
meiſten Arten iſt allerdings ein Gemiſch von ruhiger Beſonnenheit, ausdauernder Liſt, Blutgier und
Tollkühnheit; doch giebt es auch ſehr edelſtolze, muthige Katzen, wie den Löwen, oder ſauſte, wie
den Jagdleoparden. Jn Geſellſchaft des Menſchen zeigen ſie ſich bald durchaus anders, als in der
Freiheit; ſie erkennen die menſchliche Herrſchaft an, fühlen Dankbarkeit für ihren Herrn, wollen, daß
er ihnen ſchmeichele, ſie liebkoſe; kurz, ſie werden oft rückhaltslos zahm, wenn auch zuweilen ihre tief
eingewurzelten natürlichen Begabungen plötzlich wieder durchbrechen. Hierin beruht hauptſächlich der
Grund, daß man die Katzen falſch und tückiſch nennt; denn nicht einmal derjenige Menſch, welcher
Thiere zu quälen oder zu mißhandeln pflegt, will ihnen das Recht zugeſtehen, einmal auf Augenblicke
das ihnen auferlegte Joch der Sklaverei abzuſchütteln.

Die Katzen ſind gegenwärtig in allen Theilen der alten Welt und in Amerika zu finden. Sie
bewohnen die Ebenen, wie die Gebirge, dürre, ſandige Stellen, wie ſeuchte Niederungen, den Wald,
wie das Feld. Einige ſteigen ſelbſt in das Hochgebirge hinauf und werden dort in beträchtlichen
Höhen getroffen; andere treiben ſich auf freien, offenen, mit Geſträuch bewachſenen Steppen oder in
Wüſten herum; noch andere ziehen die ſchilfreichen Ufer von Flüſſen, Bächen und Sümpfen vor: bei
weitem der größte Theil aber gehört dem Walde an. Die Bäume bieten ihnen alles Erforderliche.
Sie liefern vortreffliche Verſtecke, in denen ſie ſich leicht verbergen können, ebenſowohl, um über ihre
Beute herzufallen, als auch, um ſich den Blicken ihrer Feinde zu entziehen. Zu ſolchen Verſtecken
dienen den kleineren Arten Felsſpalten, hohle Bäume, verlaſſene Baue von anderen Säugethieren

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[186/0244] Die Raubthiere. Katzen. ſtellt, aufgefangen und zurückgeworfen werden, wodurch das Leuchten des Katzenauges entſteht. — Auf das Geſicht dürfen wir wohl das Gefühl folgen laſſen, welches ſich ebenſowohl als ausgebildete Taſtfähigkeit, wie als Empfindungsvermögen kund giebt. Zu Taſtwerkzeugen dienen hauptſächlich die Bartſchnurren zu beiden Seiten des Maules und über den Augen, vielleicht auch die Ohrpinſel am Ohre der Luchſe. Schneidet man einer Katze ihre Bartſchnurren weg, ſo verſetzt man ſie in eine höchſt ungemüthliche Lage; ſie wird förmlich rath- und thatlos oder zeigt zum mindeſten eine ziemliche Unruhe und Ungewißheit, welche ſpäter, aber blos nach dem Wiederwachſen jener Borſten, ſich verliert. Aber auch die Pfoten ſind zum Taſten ganz geeignet. Die Empfindlichkeit iſt über den ganzen Körper verbreitet. Alle Katzen ſind höchſt empfänglich für Einflüſſe von außen und zeigen eine unverkennbare Mißſtimmung bei unangenehmen oder große Behaglichkeit bei angenehmen Reizen. Wenn man ihnen ihr ſeidenweiches Haar ſtreichelt, wird man ſie ſtets in eine faſt freudige Aufregung verſetzen, während ſie, wenn dies Haar befeuchtet wird oder ſie ſonſtigen widerwärtigen Einflüſſen ausgeſetzt ſind, großen Mißmuth an den Tag legen. — Geruch und Geſchmack dürften ſo ziemlich auf gleicher Stufe ſtehen. Vielleicht iſt der Geſchmack noch beſſer, als der Geruch. Die meiſten Katzen ſind trotz ihrer rauhen Zunge für Gaumenkitzel ſehr empfänglich und erfreuen ſich beſonders an ſchwach geſalzenen und ſüß- lichen Speiſen, vor allem an thieriſchen Flüſſigkeiten, wie an Blut und an Milch, während dem Geruchswerkzeuge ſchon ſehr ſtarkriechende Dinge geboten werden müſſen, wenn es ſich befriedigt zeigen ſoll. Die merkwürdige Vorliebe gewiſſer Katzen für ſtark duftende Pflanzen, wie für Baldrian und Katzengamander läßt jedenfalls die Schlußfolgerung zu, daß ihr Geruch nur ein ſehr unter- geordneter ſein kann; denn alle feinriechenden Thiere würden ſich mit Abſcheu von derartigen Gegen- ſtänden abwenden: die Katzen aber wälzen ſich wie ſinnlos, gleichſam im höchſten Rauſche, auf jenen Pflanzen herum. Hinſichtlich ihrer geiſtigen Fähigkeiten ſtehen die Katzen ziemlich weit hinter den Hunden zurück, jedoch nicht ſoweit, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Bei der Mehrzahl der Arten zeigen ſich allerdings die höheren oder edlen Geiſteskräfte weit weniger, als die niederen; doch liefert uns unſer Hinz, wenn er gut behandelt wird, den Beweis, daß auch die Katzen einer Erziehung und Geiſtesveredelung fähig ſind. Die Hauskatze giebt uns oft genug Beiſpiele von treuer Anhänglichkeit an den Menſchen und von großem Verſtande. Der Menſch nimmt ſich gewöhnlich gar nicht die Mühe, ihre Fähigkeiten genauer zu erforſchen, ſondern läßt ſich von dem einmal feſtſtehenden Urtheile über ſie einnehmen und von ſelbſtſtändiger Prüfung zurückſchrecken. Der Charakter der meiſten Arten iſt allerdings ein Gemiſch von ruhiger Beſonnenheit, ausdauernder Liſt, Blutgier und Tollkühnheit; doch giebt es auch ſehr edelſtolze, muthige Katzen, wie den Löwen, oder ſauſte, wie den Jagdleoparden. Jn Geſellſchaft des Menſchen zeigen ſie ſich bald durchaus anders, als in der Freiheit; ſie erkennen die menſchliche Herrſchaft an, fühlen Dankbarkeit für ihren Herrn, wollen, daß er ihnen ſchmeichele, ſie liebkoſe; kurz, ſie werden oft rückhaltslos zahm, wenn auch zuweilen ihre tief eingewurzelten natürlichen Begabungen plötzlich wieder durchbrechen. Hierin beruht hauptſächlich der Grund, daß man die Katzen falſch und tückiſch nennt; denn nicht einmal derjenige Menſch, welcher Thiere zu quälen oder zu mißhandeln pflegt, will ihnen das Recht zugeſtehen, einmal auf Augenblicke das ihnen auferlegte Joch der Sklaverei abzuſchütteln. Die Katzen ſind gegenwärtig in allen Theilen der alten Welt und in Amerika zu finden. Sie bewohnen die Ebenen, wie die Gebirge, dürre, ſandige Stellen, wie ſeuchte Niederungen, den Wald, wie das Feld. Einige ſteigen ſelbſt in das Hochgebirge hinauf und werden dort in beträchtlichen Höhen getroffen; andere treiben ſich auf freien, offenen, mit Geſträuch bewachſenen Steppen oder in Wüſten herum; noch andere ziehen die ſchilfreichen Ufer von Flüſſen, Bächen und Sümpfen vor: bei weitem der größte Theil aber gehört dem Walde an. Die Bäume bieten ihnen alles Erforderliche. Sie liefern vortreffliche Verſtecke, in denen ſie ſich leicht verbergen können, ebenſowohl, um über ihre Beute herzufallen, als auch, um ſich den Blicken ihrer Feinde zu entziehen. Zu ſolchen Verſtecken dienen den kleineren Arten Felsſpalten, hohle Bäume, verlaſſene Baue von anderen Säugethieren

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/244>, abgerufen am 23.11.2024.