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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Vollendeter Bau. Uebereinstimmung unter den Gruppen. Fußbau. Stärke. Sinne.
gewöhnlichem Gange erhalten zwei dehnbare Bänder, von denen das eine oben und das andere seit-
lich befestigt ist, das Glied in seiner aufrechten Stellung; bei Zorn und im Augenblick der Benutzung
zieht es der starke, tiefe Beugemuskel, dessen Sehne sich unten ansetzt, gewaltsam nach unten und
vorn, streckt dadurch den Fuß und verwandelt ihn in die fürchterlichste Tatze, welche es überhaupt
geben kann. Der Ausstreckmuskel bewirkt dann die Wiederaufrichtung des Krallengliedes. Dieser
Fußbau ist die Ursache, daß die gehenden Katzen niemals eine Fährte hinterlassen, in welcher Abdrücke
der Krallen bemerklich sind. -- Die Unhörbarkeit des Ganges hat ihren Grund in den weichen, oft
dichtbehaarten Ballen an den Sohlen. --

Mit den angegebenen Merkmalen habe ich die größten Eigenthümlichkeiten des Katzenleibes
hervorgehoben. Um jedoch wo möglich allen Lesern gerecht zu werden, will ich noch folgende Kenn-
zeichen der Katzen angeben: Die Wirbelsäule zählt 20 Brust- und Lendenwirbel, zwei bis drei Kreuz-
bein- und 15 bis 29 Schwanzwirbel; das Gebiß besteht aus 30 Zähnen und zwar sechs Vorder-
zähnen, oben und unten, je zwei Lück- und je vier Backzähnen im Oberkiefer und je drei Backzähnen
im Unterkiefer; die Knochen der Gliedmaßen sind durchgehends sehr kräftig, die Schulterbeine aber
verkümmert; die Vorderfüße haben fünf, die hinteren vier Zehen. Der Darm erreicht die drei- bis
fünffache Leibeslänge. Beim Weibchen stehen vier Zitzen am Bauche oder noch vier an der Brust. --
Alle übrigen unwesentlicheren Merkmale des Katzenleibes sindet man in den strengwissenschaftlichen
Lehrbüchern angegeben; ich will deshalb auf sie verwiesen haben.

Die Katzen sind starke und äußerst gewandte Thiere. Jede ihrer Bewegungen zeigt von eben-
soviel Kraft, wie anmuthiger Behendigkeit. Fast alle Arten der Familie ähneln sich in ihren leiblichen,
wie in ihren geistigen Eigenschaften, wenn auch diese oder jene Art Etwas vor der anderen voraus zu
haben oder hinter ihr im Nachtheile zu stehen scheint. Alle Katzen gehen gut, aber langsam, vorsichtig
und ganz geräuschlos; sie laufen schnell und sind fähig, wagrechte Sprünge zu machen, welche die
Länge ihres Leibes verhältnißmäßig um zehn bis funfzehn Mal übertreffen. Nur höchst wenige der
größeren Arten sind nicht im Stande, zu klettern, während diese Kunst von der Mehrzahl mit viel
Geschick betrieben wird. Obgleich von Haus aus große Feinde des Wassers, schwimmen sie doch
recht gut, wenn es sein muß; wenigstens kommt keine einzige Katze leicht im Wasser um. Zudem ver-
stehen alle ihren schmucken Leib zusammenzudrücken oder zusammenzurollen, gebrauchen ihre Pfoten mit
großer Fertigkeit und wissen mit unfehlbarer Sicherheit vermittelst derselben ein Thier selbst in seinem
Laufe oder Fluge zu erfassen. Hierzu kommt noch die verhältnißmäßige Stärke ihrer Glieder und ihre
Ausdauer. Die größten Arten strecken mit einem einzigen Schlage ihrer furchtbaren Pranken ein
Thier zu Boden, welches größer ist, als sie selbst, und schleppen ohne Mühe unglaubliche Lasten
meilenweit fort.

Unter den Sinnen der Katzen stehen wohl Gehör und Gesicht obenan. Ersteres ist unzweifelhaft
das Werkzeug, welches sie bei ihren Raub- und Streifzügen leitet. Sie vermögen Geräusch auf große
Entfernungen hin wahrzunehmen und ganz richtig zu beurtheilen. Sie vernehmen den leisesten Fußtritt,
das schwächste Rascheln im Saude und finden durch ihr Gehör selbst nicht gesehene Beute auf. Diese
Sinnesschärfe scheint schon äußerlich angedeutet zu sein; denn obschon die Ohrmuscheln fast nirgends
besonders groß zu sein pflegen, zeigen sie doch hier und da besondere Verzierungen oder Anhängsel
durch steife Haare u. s. w., welche zwar weniger zur Auffangung des Schalles dienen, aber doch den
hervorragendsten Sinn kennzeichnen dürften. -- Das Gesicht ist weniger begünstigt, obwohl keines-
wegs schwach zu nennen. Jhr Auge reicht wahrscheinlich nicht in große Fernen, ist aber für die Nähe
ganz vortrefflich. Der Stern, welcher bei den größeren Arten rund ist und sich im Zorn kreisförmig
erweitert, nimmt bei den kleineren Arten die Gestalt einer Ellipse an und zeigt sich hier einer großen
Ausdehnung fähig. Bei Tage zieht er sich unter Einwirkung des zu grellen Lichtes bis auf einen
ganz feinen Spalt zusammen, in der Aufregung oder in der Dunkelheit aber rundet er sich fast bis zu
einem vollen Kreise aus. Jn letzterm Falle wird auch das schwächste Licht derartig gesammelt, daß
seine Strahlen von dem Tapetum lucidum, welches in der Tiefe des Auges einen Hohlspiegel dar-

Vollendeter Bau. Uebereinſtimmung unter den Gruppen. Fußbau. Stärke. Sinne.
gewöhnlichem Gange erhalten zwei dehnbare Bänder, von denen das eine oben und das andere ſeit-
lich befeſtigt iſt, das Glied in ſeiner aufrechten Stellung; bei Zorn und im Augenblick der Benutzung
zieht es der ſtarke, tiefe Beugemuskel, deſſen Sehne ſich unten anſetzt, gewaltſam nach unten und
vorn, ſtreckt dadurch den Fuß und verwandelt ihn in die fürchterlichſte Tatze, welche es überhaupt
geben kann. Der Ausſtreckmuskel bewirkt dann die Wiederaufrichtung des Krallengliedes. Dieſer
Fußbau iſt die Urſache, daß die gehenden Katzen niemals eine Fährte hinterlaſſen, in welcher Abdrücke
der Krallen bemerklich ſind. — Die Unhörbarkeit des Ganges hat ihren Grund in den weichen, oft
dichtbehaarten Ballen an den Sohlen. —

Mit den angegebenen Merkmalen habe ich die größten Eigenthümlichkeiten des Katzenleibes
hervorgehoben. Um jedoch wo möglich allen Leſern gerecht zu werden, will ich noch folgende Kenn-
zeichen der Katzen angeben: Die Wirbelſäule zählt 20 Bruſt- und Lendenwirbel, zwei bis drei Kreuz-
bein- und 15 bis 29 Schwanzwirbel; das Gebiß beſteht aus 30 Zähnen und zwar ſechs Vorder-
zähnen, oben und unten, je zwei Lück- und je vier Backzähnen im Oberkiefer und je drei Backzähnen
im Unterkiefer; die Knochen der Gliedmaßen ſind durchgehends ſehr kräftig, die Schulterbeine aber
verkümmert; die Vorderfüße haben fünf, die hinteren vier Zehen. Der Darm erreicht die drei- bis
fünffache Leibeslänge. Beim Weibchen ſtehen vier Zitzen am Bauche oder noch vier an der Bruſt. —
Alle übrigen unweſentlicheren Merkmale des Katzenleibes ſindet man in den ſtrengwiſſenſchaftlichen
Lehrbüchern angegeben; ich will deshalb auf ſie verwieſen haben.

Die Katzen ſind ſtarke und äußerſt gewandte Thiere. Jede ihrer Bewegungen zeigt von eben-
ſoviel Kraft, wie anmuthiger Behendigkeit. Faſt alle Arten der Familie ähneln ſich in ihren leiblichen,
wie in ihren geiſtigen Eigenſchaften, wenn auch dieſe oder jene Art Etwas vor der anderen voraus zu
haben oder hinter ihr im Nachtheile zu ſtehen ſcheint. Alle Katzen gehen gut, aber langſam, vorſichtig
und ganz geräuſchlos; ſie laufen ſchnell und ſind fähig, wagrechte Sprünge zu machen, welche die
Länge ihres Leibes verhältnißmäßig um zehn bis funfzehn Mal übertreffen. Nur höchſt wenige der
größeren Arten ſind nicht im Stande, zu klettern, während dieſe Kunſt von der Mehrzahl mit viel
Geſchick betrieben wird. Obgleich von Haus aus große Feinde des Waſſers, ſchwimmen ſie doch
recht gut, wenn es ſein muß; wenigſtens kommt keine einzige Katze leicht im Waſſer um. Zudem ver-
ſtehen alle ihren ſchmucken Leib zuſammenzudrücken oder zuſammenzurollen, gebrauchen ihre Pfoten mit
großer Fertigkeit und wiſſen mit unfehlbarer Sicherheit vermittelſt derſelben ein Thier ſelbſt in ſeinem
Laufe oder Fluge zu erfaſſen. Hierzu kommt noch die verhältnißmäßige Stärke ihrer Glieder und ihre
Ausdauer. Die größten Arten ſtrecken mit einem einzigen Schlage ihrer furchtbaren Pranken ein
Thier zu Boden, welches größer iſt, als ſie ſelbſt, und ſchleppen ohne Mühe unglaubliche Laſten
meilenweit fort.

Unter den Sinnen der Katzen ſtehen wohl Gehör und Geſicht obenan. Erſteres iſt unzweifelhaft
das Werkzeug, welches ſie bei ihren Raub- und Streifzügen leitet. Sie vermögen Geräuſch auf große
Entfernungen hin wahrzunehmen und ganz richtig zu beurtheilen. Sie vernehmen den leiſeſten Fußtritt,
das ſchwächſte Raſcheln im Saude und finden durch ihr Gehör ſelbſt nicht geſehene Beute auf. Dieſe
Sinnesſchärfe ſcheint ſchon äußerlich angedeutet zu ſein; denn obſchon die Ohrmuſcheln faſt nirgends
beſonders groß zu ſein pflegen, zeigen ſie doch hier und da beſondere Verzierungen oder Anhängſel
durch ſteife Haare u. ſ. w., welche zwar weniger zur Auffangung des Schalles dienen, aber doch den
hervorragendſten Sinn kennzeichnen dürften. — Das Geſicht iſt weniger begünſtigt, obwohl keines-
wegs ſchwach zu nennen. Jhr Auge reicht wahrſcheinlich nicht in große Fernen, iſt aber für die Nähe
ganz vortrefflich. Der Stern, welcher bei den größeren Arten rund iſt und ſich im Zorn kreisförmig
erweitert, nimmt bei den kleineren Arten die Geſtalt einer Ellipſe an und zeigt ſich hier einer großen
Ausdehnung fähig. Bei Tage zieht er ſich unter Einwirkung des zu grellen Lichtes bis auf einen
ganz feinen Spalt zuſammen, in der Aufregung oder in der Dunkelheit aber rundet er ſich faſt bis zu
einem vollen Kreiſe aus. Jn letzterm Falle wird auch das ſchwächſte Licht derartig geſammelt, daß
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[185/0243] Vollendeter Bau. Uebereinſtimmung unter den Gruppen. Fußbau. Stärke. Sinne. gewöhnlichem Gange erhalten zwei dehnbare Bänder, von denen das eine oben und das andere ſeit- lich befeſtigt iſt, das Glied in ſeiner aufrechten Stellung; bei Zorn und im Augenblick der Benutzung zieht es der ſtarke, tiefe Beugemuskel, deſſen Sehne ſich unten anſetzt, gewaltſam nach unten und vorn, ſtreckt dadurch den Fuß und verwandelt ihn in die fürchterlichſte Tatze, welche es überhaupt geben kann. Der Ausſtreckmuskel bewirkt dann die Wiederaufrichtung des Krallengliedes. Dieſer Fußbau iſt die Urſache, daß die gehenden Katzen niemals eine Fährte hinterlaſſen, in welcher Abdrücke der Krallen bemerklich ſind. — Die Unhörbarkeit des Ganges hat ihren Grund in den weichen, oft dichtbehaarten Ballen an den Sohlen. — Mit den angegebenen Merkmalen habe ich die größten Eigenthümlichkeiten des Katzenleibes hervorgehoben. Um jedoch wo möglich allen Leſern gerecht zu werden, will ich noch folgende Kenn- zeichen der Katzen angeben: Die Wirbelſäule zählt 20 Bruſt- und Lendenwirbel, zwei bis drei Kreuz- bein- und 15 bis 29 Schwanzwirbel; das Gebiß beſteht aus 30 Zähnen und zwar ſechs Vorder- zähnen, oben und unten, je zwei Lück- und je vier Backzähnen im Oberkiefer und je drei Backzähnen im Unterkiefer; die Knochen der Gliedmaßen ſind durchgehends ſehr kräftig, die Schulterbeine aber verkümmert; die Vorderfüße haben fünf, die hinteren vier Zehen. Der Darm erreicht die drei- bis fünffache Leibeslänge. Beim Weibchen ſtehen vier Zitzen am Bauche oder noch vier an der Bruſt. — Alle übrigen unweſentlicheren Merkmale des Katzenleibes ſindet man in den ſtrengwiſſenſchaftlichen Lehrbüchern angegeben; ich will deshalb auf ſie verwieſen haben. Die Katzen ſind ſtarke und äußerſt gewandte Thiere. Jede ihrer Bewegungen zeigt von eben- ſoviel Kraft, wie anmuthiger Behendigkeit. Faſt alle Arten der Familie ähneln ſich in ihren leiblichen, wie in ihren geiſtigen Eigenſchaften, wenn auch dieſe oder jene Art Etwas vor der anderen voraus zu haben oder hinter ihr im Nachtheile zu ſtehen ſcheint. Alle Katzen gehen gut, aber langſam, vorſichtig und ganz geräuſchlos; ſie laufen ſchnell und ſind fähig, wagrechte Sprünge zu machen, welche die Länge ihres Leibes verhältnißmäßig um zehn bis funfzehn Mal übertreffen. Nur höchſt wenige der größeren Arten ſind nicht im Stande, zu klettern, während dieſe Kunſt von der Mehrzahl mit viel Geſchick betrieben wird. Obgleich von Haus aus große Feinde des Waſſers, ſchwimmen ſie doch recht gut, wenn es ſein muß; wenigſtens kommt keine einzige Katze leicht im Waſſer um. Zudem ver- ſtehen alle ihren ſchmucken Leib zuſammenzudrücken oder zuſammenzurollen, gebrauchen ihre Pfoten mit großer Fertigkeit und wiſſen mit unfehlbarer Sicherheit vermittelſt derſelben ein Thier ſelbſt in ſeinem Laufe oder Fluge zu erfaſſen. Hierzu kommt noch die verhältnißmäßige Stärke ihrer Glieder und ihre Ausdauer. Die größten Arten ſtrecken mit einem einzigen Schlage ihrer furchtbaren Pranken ein Thier zu Boden, welches größer iſt, als ſie ſelbſt, und ſchleppen ohne Mühe unglaubliche Laſten meilenweit fort. Unter den Sinnen der Katzen ſtehen wohl Gehör und Geſicht obenan. Erſteres iſt unzweifelhaft das Werkzeug, welches ſie bei ihren Raub- und Streifzügen leitet. Sie vermögen Geräuſch auf große Entfernungen hin wahrzunehmen und ganz richtig zu beurtheilen. Sie vernehmen den leiſeſten Fußtritt, das ſchwächſte Raſcheln im Saude und finden durch ihr Gehör ſelbſt nicht geſehene Beute auf. Dieſe Sinnesſchärfe ſcheint ſchon äußerlich angedeutet zu ſein; denn obſchon die Ohrmuſcheln faſt nirgends beſonders groß zu ſein pflegen, zeigen ſie doch hier und da beſondere Verzierungen oder Anhängſel durch ſteife Haare u. ſ. w., welche zwar weniger zur Auffangung des Schalles dienen, aber doch den hervorragendſten Sinn kennzeichnen dürften. — Das Geſicht iſt weniger begünſtigt, obwohl keines- wegs ſchwach zu nennen. Jhr Auge reicht wahrſcheinlich nicht in große Fernen, iſt aber für die Nähe ganz vortrefflich. Der Stern, welcher bei den größeren Arten rund iſt und ſich im Zorn kreisförmig erweitert, nimmt bei den kleineren Arten die Geſtalt einer Ellipſe an und zeigt ſich hier einer großen Ausdehnung fähig. Bei Tage zieht er ſich unter Einwirkung des zu grellen Lichtes bis auf einen ganz feinen Spalt zuſammen, in der Aufregung oder in der Dunkelheit aber rundet er ſich faſt bis zu einem vollen Kreiſe aus. Jn letzterm Falle wird auch das ſchwächſte Licht derartig geſammelt, daß ſeine Strahlen von dem Tapetum lucidum, welches in der Tiefe des Auges einen Hohlſpiegel dar-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/243>, abgerufen am 23.11.2024.