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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Geistesgaben. Aufenthalt. Lebensweise. Verschiedenheit der Nahrung. Fortpflanzung. Familien.

Nur sehr wenige Raubsängethiere führen ein wirkliches Eheleben, kein einziges ein solches auf
Lebenszeit. Bei einigen Katzen, den Jgeln und den Maulwürfen leben während und nach der
Paarungszeit beide Geschlechter enger zusammen, als im Verlaufe des übrigen Jahres; hier stehen
sich die Gatten eines Paares auch wohl gegenseitig bei, um die Kinder zu ernähren oder zu beschützen
und zu vertheidigen: bei den übrigen und zwar bei der größeren Anzahl, pflegt der Vater seine eigenen
Sprößlinge als gute Beute zu betrachten und muß von der Mutter zurückgetrieben werden, wenn er
das Lager seiner Nachkommenschaft zufällig aufgefunden hat. Unter derartigen Umständen ist die
Mutter natürlich die einzige Pflegerin. -- Die Zahl der Jungen eines Wurfes schwankt erheblich, sinkt
aber niemals (oder blos ausnahmsweise) bis auf Eins herab. Die Jungen werden regelmäßig blind
geboren und sind längere Zeit sehr hilflos, entwickeln sich dann aber verhältnißmäßig rasch. Jhre
Mutter unterrichtet sie ziemlich ausführlich in ihrem Gewerbe und begleitet und schützt sie jedenfalls
so lange, als sie noch unfähig sind, selbstständig für sich zu sorgen. Bei Gefahr tragen einige, aber sehr
wenige Mütter die Brut in den Armen oder auf dem Rücken fort; die übrigen schleppen sie mit
dem Maule weg. --

Der Mensch lebt mit fast allen Raubthieren in offener Fehde. Nur höchst wenige von ihnen hat
er sich durch Zähmung nutzbar zu machen gesucht, -- eine Gruppe (oder wenn man lieber will: ein
Wesen) freilich in einem Grade, wie kein anderes Thier überhaupt. Die größere Anzahl wird mit mehr
oder weniger Recht als schädlich angesehen und leidenschaftlich gehaßt, deshalb auch unerbittlich ver-
folgt; ein ganz unverhältnißmäßig kleiner Theil wird geschont. Ziemlich viele Mitglieder der Ordnung
werden getödtet, um benutzt werden zu können. Das Fleisch oder Fett der einen wird gegessen, das
kostbare Fell der andern zu werthvollen Kleiderstoffen verwendet: und hier läßt sich gegen ihre
Tödtung nicht wohl Etwas einwenden; sehr unrecht ist es aber, daß auch die nicht blos unschuldigen,
sondern sogar nützlichen Raubsäuger verkannt werden und der blinden Zerstörungswuth unterliegen
müssen. Schon aus diesem Grunde verdient unsere Ordnung von allen Menschen sorgfältiger studirt
zu werden, als bisher: denn es ist doch wahrhaftig wichtig genug, seine Freunde von seinen Feinden
unterscheiden zu lernen. --

Man kann die Ordnung der Raubthiere in acht Familien eintheilen, -- in dieselben, welche ich
im Eingange nannte. Dann mag man, wenn man will, doch drei Hauptabtheilungen annehmen und
also von Fleisch-, Alles- und Kerbthierfressern reden. Die erstere Abtheilung würde hiernach
die Familien der Katzen, Hunde, Schleichkatzen, Marder und Bären in sich fassen -- doch
ziehen Einige vor, die Letzteren als Vertreter einer besonderen Unterordnung anzusehen und als
"Allesfresser" zu bezeichnen. Alle hierher gehörigen Thiere zeichnen sich aus durch ihre ebenmäßige,
zum Theil sogar sehr schöne Gestalt, ihre Größe, die lebendigen Farben, welche einzelne zieren, ihre
Beweglichkeit, Gewandtheit, Raub- und Mordlust, Entschiedenheit des Charakters und vor Allem
durch große Klugheit, welche bei Einigen nur dem menschlichen Verstande nachsteht. Sie sind Be-
wohner des Festlandes und leben vorzugsweise auf dem Boden, obgleich es auch ebenso vortreffliche
Schwimmer, wie Kletterer und auch Höhlenbewohner unter ihnen giebt. Jm Allgemeinen kennzeichnen
sie folgende Merkmale: der Leib, welcher von der plumpen, kurzen Gestalt des Bären an bis zur
zierlichen, langen Schleichkatzenform alle Zwischenstufen des Baues aufweist, ruht auf mittelhohen
Beinen, deren vier- oder fünfzehige Füße immer scharf bekrallt sind; der Kopf ist rundlich, die Nasen-
spitze nackt, die Augen sind groß und scharfblickend, die Ohren aufrecht gestellt, die Lippen stark be-
schnurrt. Jm Gebiß finden sich überall, oben wie unten, sechs Schneidezähne, zwei sehr starke, kegel-
förmige Eck- oder Fangzähne, hinter ihnen einige scharfgezackte Lückzähne, hierauf die unseren Thieren
eigenthümlichen Fleischzähne, deren Kronen scharfe Zacken und stumpfhöckerige Anfätze zeigen, und
endlich ein oder mehrere stumpfhöckerige Mahlzähne. -- Diese Raubthiere sind über alle Theile der
Erde verbreitet und waren schon in der Tertiärzeit auf ihr heimisch. Jhr unmittelbar uns zugefügter
Schaden übersteigt den Nutzen, welchen sie, meist nur mittelbar, leisten, bei weitem, und deshalb wird
die große Menge der hierher zu zählenden Thiere mit Recht kräftig verfolgt.

Geiſtesgaben. Aufenthalt. Lebensweiſe. Verſchiedenheit der Nahrung. Fortpflanzung. Familien.

Nur ſehr wenige Raubſängethiere führen ein wirkliches Eheleben, kein einziges ein ſolches auf
Lebenszeit. Bei einigen Katzen, den Jgeln und den Maulwürfen leben während und nach der
Paarungszeit beide Geſchlechter enger zuſammen, als im Verlaufe des übrigen Jahres; hier ſtehen
ſich die Gatten eines Paares auch wohl gegenſeitig bei, um die Kinder zu ernähren oder zu beſchützen
und zu vertheidigen: bei den übrigen und zwar bei der größeren Anzahl, pflegt der Vater ſeine eigenen
Sprößlinge als gute Beute zu betrachten und muß von der Mutter zurückgetrieben werden, wenn er
das Lager ſeiner Nachkommenſchaft zufällig aufgefunden hat. Unter derartigen Umſtänden iſt die
Mutter natürlich die einzige Pflegerin. — Die Zahl der Jungen eines Wurfes ſchwankt erheblich, ſinkt
aber niemals (oder blos ausnahmsweiſe) bis auf Eins herab. Die Jungen werden regelmäßig blind
geboren und ſind längere Zeit ſehr hilflos, entwickeln ſich dann aber verhältnißmäßig raſch. Jhre
Mutter unterrichtet ſie ziemlich ausführlich in ihrem Gewerbe und begleitet und ſchützt ſie jedenfalls
ſo lange, als ſie noch unfähig ſind, ſelbſtſtändig für ſich zu ſorgen. Bei Gefahr tragen einige, aber ſehr
wenige Mütter die Brut in den Armen oder auf dem Rücken fort; die übrigen ſchleppen ſie mit
dem Maule weg. —

Der Menſch lebt mit faſt allen Raubthieren in offener Fehde. Nur höchſt wenige von ihnen hat
er ſich durch Zähmung nutzbar zu machen geſucht, — eine Gruppe (oder wenn man lieber will: ein
Weſen) freilich in einem Grade, wie kein anderes Thier überhaupt. Die größere Anzahl wird mit mehr
oder weniger Recht als ſchädlich angeſehen und leidenſchaftlich gehaßt, deshalb auch unerbittlich ver-
folgt; ein ganz unverhältnißmäßig kleiner Theil wird geſchont. Ziemlich viele Mitglieder der Ordnung
werden getödtet, um benutzt werden zu können. Das Fleiſch oder Fett der einen wird gegeſſen, das
koſtbare Fell der andern zu werthvollen Kleiderſtoffen verwendet: und hier läßt ſich gegen ihre
Tödtung nicht wohl Etwas einwenden; ſehr unrecht iſt es aber, daß auch die nicht blos unſchuldigen,
ſondern ſogar nützlichen Raubſäuger verkannt werden und der blinden Zerſtörungswuth unterliegen
müſſen. Schon aus dieſem Grunde verdient unſere Ordnung von allen Menſchen ſorgfältiger ſtudirt
zu werden, als bisher: denn es iſt doch wahrhaftig wichtig genug, ſeine Freunde von ſeinen Feinden
unterſcheiden zu lernen. —

Man kann die Ordnung der Raubthiere in acht Familien eintheilen, — in dieſelben, welche ich
im Eingange nannte. Dann mag man, wenn man will, doch drei Hauptabtheilungen annehmen und
alſo von Fleiſch-, Alles- und Kerbthierfreſſern reden. Die erſtere Abtheilung würde hiernach
die Familien der Katzen, Hunde, Schleichkatzen, Marder und Bären in ſich faſſen — doch
ziehen Einige vor, die Letzteren als Vertreter einer beſonderen Unterordnung anzuſehen und als
„Allesfreſſer‟ zu bezeichnen. Alle hierher gehörigen Thiere zeichnen ſich aus durch ihre ebenmäßige,
zum Theil ſogar ſehr ſchöne Geſtalt, ihre Größe, die lebendigen Farben, welche einzelne zieren, ihre
Beweglichkeit, Gewandtheit, Raub- und Mordluſt, Entſchiedenheit des Charakters und vor Allem
durch große Klugheit, welche bei Einigen nur dem menſchlichen Verſtande nachſteht. Sie ſind Be-
wohner des Feſtlandes und leben vorzugsweiſe auf dem Boden, obgleich es auch ebenſo vortreffliche
Schwimmer, wie Kletterer und auch Höhlenbewohner unter ihnen giebt. Jm Allgemeinen kennzeichnen
ſie folgende Merkmale: der Leib, welcher von der plumpen, kurzen Geſtalt des Bären an bis zur
zierlichen, langen Schleichkatzenform alle Zwiſchenſtufen des Baues aufweiſt, ruht auf mittelhohen
Beinen, deren vier- oder fünfzehige Füße immer ſcharf bekrallt ſind; der Kopf iſt rundlich, die Naſen-
ſpitze nackt, die Augen ſind groß und ſcharfblickend, die Ohren aufrecht geſtellt, die Lippen ſtark be-
ſchnurrt. Jm Gebiß finden ſich überall, oben wie unten, ſechs Schneidezähne, zwei ſehr ſtarke, kegel-
förmige Eck- oder Fangzähne, hinter ihnen einige ſcharfgezackte Lückzähne, hierauf die unſeren Thieren
eigenthümlichen Fleiſchzähne, deren Kronen ſcharfe Zacken und ſtumpfhöckerige Anfätze zeigen, und
endlich ein oder mehrere ſtumpfhöckerige Mahlzähne. — Dieſe Raubthiere ſind über alle Theile der
Erde verbreitet und waren ſchon in der Tertiärzeit auf ihr heimiſch. Jhr unmittelbar uns zugefügter
Schaden überſteigt den Nutzen, welchen ſie, meiſt nur mittelbar, leiſten, bei weitem, und deshalb wird
die große Menge der hierher zu zählenden Thiere mit Recht kräftig verfolgt.

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[183/0241] Geiſtesgaben. Aufenthalt. Lebensweiſe. Verſchiedenheit der Nahrung. Fortpflanzung. Familien. Nur ſehr wenige Raubſängethiere führen ein wirkliches Eheleben, kein einziges ein ſolches auf Lebenszeit. Bei einigen Katzen, den Jgeln und den Maulwürfen leben während und nach der Paarungszeit beide Geſchlechter enger zuſammen, als im Verlaufe des übrigen Jahres; hier ſtehen ſich die Gatten eines Paares auch wohl gegenſeitig bei, um die Kinder zu ernähren oder zu beſchützen und zu vertheidigen: bei den übrigen und zwar bei der größeren Anzahl, pflegt der Vater ſeine eigenen Sprößlinge als gute Beute zu betrachten und muß von der Mutter zurückgetrieben werden, wenn er das Lager ſeiner Nachkommenſchaft zufällig aufgefunden hat. Unter derartigen Umſtänden iſt die Mutter natürlich die einzige Pflegerin. — Die Zahl der Jungen eines Wurfes ſchwankt erheblich, ſinkt aber niemals (oder blos ausnahmsweiſe) bis auf Eins herab. Die Jungen werden regelmäßig blind geboren und ſind längere Zeit ſehr hilflos, entwickeln ſich dann aber verhältnißmäßig raſch. Jhre Mutter unterrichtet ſie ziemlich ausführlich in ihrem Gewerbe und begleitet und ſchützt ſie jedenfalls ſo lange, als ſie noch unfähig ſind, ſelbſtſtändig für ſich zu ſorgen. Bei Gefahr tragen einige, aber ſehr wenige Mütter die Brut in den Armen oder auf dem Rücken fort; die übrigen ſchleppen ſie mit dem Maule weg. — Der Menſch lebt mit faſt allen Raubthieren in offener Fehde. Nur höchſt wenige von ihnen hat er ſich durch Zähmung nutzbar zu machen geſucht, — eine Gruppe (oder wenn man lieber will: ein Weſen) freilich in einem Grade, wie kein anderes Thier überhaupt. Die größere Anzahl wird mit mehr oder weniger Recht als ſchädlich angeſehen und leidenſchaftlich gehaßt, deshalb auch unerbittlich ver- folgt; ein ganz unverhältnißmäßig kleiner Theil wird geſchont. Ziemlich viele Mitglieder der Ordnung werden getödtet, um benutzt werden zu können. Das Fleiſch oder Fett der einen wird gegeſſen, das koſtbare Fell der andern zu werthvollen Kleiderſtoffen verwendet: und hier läßt ſich gegen ihre Tödtung nicht wohl Etwas einwenden; ſehr unrecht iſt es aber, daß auch die nicht blos unſchuldigen, ſondern ſogar nützlichen Raubſäuger verkannt werden und der blinden Zerſtörungswuth unterliegen müſſen. Schon aus dieſem Grunde verdient unſere Ordnung von allen Menſchen ſorgfältiger ſtudirt zu werden, als bisher: denn es iſt doch wahrhaftig wichtig genug, ſeine Freunde von ſeinen Feinden unterſcheiden zu lernen. — Man kann die Ordnung der Raubthiere in acht Familien eintheilen, — in dieſelben, welche ich im Eingange nannte. Dann mag man, wenn man will, doch drei Hauptabtheilungen annehmen und alſo von Fleiſch-, Alles- und Kerbthierfreſſern reden. Die erſtere Abtheilung würde hiernach die Familien der Katzen, Hunde, Schleichkatzen, Marder und Bären in ſich faſſen — doch ziehen Einige vor, die Letzteren als Vertreter einer beſonderen Unterordnung anzuſehen und als „Allesfreſſer‟ zu bezeichnen. Alle hierher gehörigen Thiere zeichnen ſich aus durch ihre ebenmäßige, zum Theil ſogar ſehr ſchöne Geſtalt, ihre Größe, die lebendigen Farben, welche einzelne zieren, ihre Beweglichkeit, Gewandtheit, Raub- und Mordluſt, Entſchiedenheit des Charakters und vor Allem durch große Klugheit, welche bei Einigen nur dem menſchlichen Verſtande nachſteht. Sie ſind Be- wohner des Feſtlandes und leben vorzugsweiſe auf dem Boden, obgleich es auch ebenſo vortreffliche Schwimmer, wie Kletterer und auch Höhlenbewohner unter ihnen giebt. Jm Allgemeinen kennzeichnen ſie folgende Merkmale: der Leib, welcher von der plumpen, kurzen Geſtalt des Bären an bis zur zierlichen, langen Schleichkatzenform alle Zwiſchenſtufen des Baues aufweiſt, ruht auf mittelhohen Beinen, deren vier- oder fünfzehige Füße immer ſcharf bekrallt ſind; der Kopf iſt rundlich, die Naſen- ſpitze nackt, die Augen ſind groß und ſcharfblickend, die Ohren aufrecht geſtellt, die Lippen ſtark be- ſchnurrt. Jm Gebiß finden ſich überall, oben wie unten, ſechs Schneidezähne, zwei ſehr ſtarke, kegel- förmige Eck- oder Fangzähne, hinter ihnen einige ſcharfgezackte Lückzähne, hierauf die unſeren Thieren eigenthümlichen Fleiſchzähne, deren Kronen ſcharfe Zacken und ſtumpfhöckerige Anfätze zeigen, und endlich ein oder mehrere ſtumpfhöckerige Mahlzähne. — Dieſe Raubthiere ſind über alle Theile der Erde verbreitet und waren ſchon in der Tertiärzeit auf ihr heimiſch. Jhr unmittelbar uns zugefügter Schaden überſteigt den Nutzen, welchen ſie, meiſt nur mittelbar, leiſten, bei weitem, und deshalb wird die große Menge der hierher zu zählenden Thiere mit Recht kräftig verfolgt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/241>, abgerufen am 23.11.2024.