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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Gemeinsames an Leib und Seele. Leibesbau. Sinne.
Graben, Klettern, Schwimmen, Ergreifen ohne erhebliche Aenderung ihres Baues ebenso geeignet,
als zum Gange, ihrer eigentlichen Bestimmung. Alle Sinneswerkzeuge sind scharf und in einem
gewissen Grade ebenfalls gleichmäßig entwickelt. Das Gebiß ist noch aus allen Zahnarten zusammen-
gesetzt und zeigt nur kräftige, scharfzackige und spitze Formen, wie sie zur Fleischnahrung allein
zweckmäßig sind. Entsprechend sind die Kiefern und Kaumuskeln gebaut, welche die Thätigkeit des
Gebisses bedingen oder stützen, und demgemäß besonders kräftig sein müssen." Der Magen ist stets
einfach, der Darm gewöhnlich kurz oder mäßig lang, der Blinddarm ist immer kurz: Fleisch verdaut
sich auch viel leichter, als rohe Pflanzenstoffe. Ganz eigenthümlich sind die Afterdrüsen, welche hier
und da vorkommen und stark riechende Flüssigkeiten absondern, und ebensowohl zur Vertheidigung
gegen stärkere, wie zum Herbeilocken schwächerer Geschöpfe dienen können oder endlich eine Fettmasse
zum Einreiben des Felles liefern müssen.

Zergliedern wir die Thiere genauer, so finden wir noch folgende mehr oder weniger allgemeine
Eigenthümlichkeiten im Baue der Raubsänger. Das Geripp ist bei aller Leichtigkeit und Zierlichkeit
der Formen verhältnißmäßig kräftig. Der Schädel ist gestreckt; sein Hirntheil steht mit dem Schnauzen-
theil ziemlich in gleichem Verhältniß, d. h. keiner überwiegt den andern besonders auffällig. Die
starken Kämme und Leisten, sowie die gewölbten und ziemlich weit vom Schädel abstehenden Joch-
bögen deuten auf kräftige Muskeln hin, welche hier vergrößerte Ansatzflächen finden; die Augenhöhlen
sind groß, die Gehörblasen aufgetrieben und die Nasenknochen und Knorpel ausgedehnt; die betreffen-
den Sinneswerkzeuge haben deshalb Raum zu vollkommener Entwickelung. An den Wirbeln finden
sich starke Dornen und lange Fortsätze; die Lendenwirbel verwachsen oft fast vollständig. Die Zahl
der Schwanzwirbel schwankt ziemlich bedeutend, und die Glieder ändern im Einklange mit der ver-
schiedenartigen Lebensweise manchfaltig ab; immer aber deutet ihr Bau auf große Kraft und
Beweglichkeit hin.

Bei vielen Raubthieren verlängert sich die Nase rüsselförmig und ist oft noch mit besonderen
Knorpeln und Knöchelchen versehen: dann dient der Rüssel zum Wühlen. Die Gliedmaßen verkürzen
und verdicken sich, und die betreffenden Thiere werden hierdurch geschickt, zu graben und eine unter-
irdische Lebensweise zu führen; sie verlängern sich und gestatten einen eiligen Lauf; sie verbreitern sich
durch Schwimmhäute und befähigen zum Aufenthalt im Wasser. Die Krallen sind ebenfalls außer-
ordeutlich verschieden gebaut. Sie sind einziehbar, werden hierdurch beim Gehen vor dem Abnutzen
geschützt und können dann, wenn sie vorgestreckt werden, als vortreffliche Waffen und Greifwerkzeuge
benutzt werden; bei anderen Raubsäugern sind sie stumpf und unbeweglich: sie können deshalb auch
blos zum Schutze des Fußes oder höchstens -- jedoch nur, wenn sie sehr gebogen sind -- zum An-
klammern dienen; bei noch anderen Mitgliedern der Ordnung endlich sind sie unverhältnißmäßig stark,
breit und scharf: dann sind sie zum Wühlen und Graben geeignet. Das Gebiß ist durch die sehr
starken Eck- oder Reißzähne ebenso ausgezeichnet, wie durch die zackigen oder mehrspitzigen Kauzähne
und ermöglicht einen wirksamen Gebrauch zum Kämpfen, wie zum Festhalten und Zerfleischen der
Beute. Kräftige Muskeln und Sehnen verleihen Stärke und Ausdauer, während ihre Anlage um-
fassende und gewandte Bewegungen zuläßt.

Hierzu kommen nun noch die ausgezeichneten Sinne. Blos ausnahmsweise zeigt sich einer von
ihnen verkümmert: dann aber wird er gewiß durch die übrigen genügend ersetzt. Jm Allgemeinen
kann nicht behauptet werden, daß ein Sinn besonders und überall bevorzugt sei; denn bei den Einen
ist der Geruch, bei den Anderen das Gesicht, bei noch Anderen das Gehör bewunderungswürdig aus-
gebildet; bei Einigen spielt auch der Tastsinn eine große Rolle. Zwei Sinne sind regelmäßig sehr
scharf, und zwar sind Dies in den meisten Fällen Geruch und Gehör, in seltneren Gehör und
Gesicht. Jedenfalls aber finden sich in keiner andern Ordnung scharfsinnigere Thiere, als in der
unserer Räuber.

Die geistigen Fähigkeiten widersprechen den leiblichen Anlagen nicht. Wir finden unter den Raub-
thieren bewunderungswürdig kluge Geschöpfe und dürfen uns somit nicht wundern, daß sie sich bald alle

Gemeinſames an Leib und Seele. Leibesbau. Sinne.
Graben, Klettern, Schwimmen, Ergreifen ohne erhebliche Aenderung ihres Baues ebenſo geeignet,
als zum Gange, ihrer eigentlichen Beſtimmung. Alle Sinneswerkzeuge ſind ſcharf und in einem
gewiſſen Grade ebenfalls gleichmäßig entwickelt. Das Gebiß iſt noch aus allen Zahnarten zuſammen-
geſetzt und zeigt nur kräftige, ſcharfzackige und ſpitze Formen, wie ſie zur Fleiſchnahrung allein
zweckmäßig ſind. Entſprechend ſind die Kiefern und Kaumuskeln gebaut, welche die Thätigkeit des
Gebiſſes bedingen oder ſtützen, und demgemäß beſonders kräftig ſein müſſen.‟ Der Magen iſt ſtets
einfach, der Darm gewöhnlich kurz oder mäßig lang, der Blinddarm iſt immer kurz: Fleiſch verdaut
ſich auch viel leichter, als rohe Pflanzenſtoffe. Ganz eigenthümlich ſind die Afterdrüſen, welche hier
und da vorkommen und ſtark riechende Flüſſigkeiten abſondern, und ebenſowohl zur Vertheidigung
gegen ſtärkere, wie zum Herbeilocken ſchwächerer Geſchöpfe dienen können oder endlich eine Fettmaſſe
zum Einreiben des Felles liefern müſſen.

Zergliedern wir die Thiere genauer, ſo finden wir noch folgende mehr oder weniger allgemeine
Eigenthümlichkeiten im Baue der Raubſänger. Das Geripp iſt bei aller Leichtigkeit und Zierlichkeit
der Formen verhältnißmäßig kräftig. Der Schädel iſt geſtreckt; ſein Hirntheil ſteht mit dem Schnauzen-
theil ziemlich in gleichem Verhältniß, d. h. keiner überwiegt den andern beſonders auffällig. Die
ſtarken Kämme und Leiſten, ſowie die gewölbten und ziemlich weit vom Schädel abſtehenden Joch-
bögen deuten auf kräftige Muskeln hin, welche hier vergrößerte Anſatzflächen finden; die Augenhöhlen
ſind groß, die Gehörblaſen aufgetrieben und die Naſenknochen und Knorpel ausgedehnt; die betreffen-
den Sinneswerkzeuge haben deshalb Raum zu vollkommener Entwickelung. An den Wirbeln finden
ſich ſtarke Dornen und lange Fortſätze; die Lendenwirbel verwachſen oft faſt vollſtändig. Die Zahl
der Schwanzwirbel ſchwankt ziemlich bedeutend, und die Glieder ändern im Einklange mit der ver-
ſchiedenartigen Lebensweiſe manchfaltig ab; immer aber deutet ihr Bau auf große Kraft und
Beweglichkeit hin.

Bei vielen Raubthieren verlängert ſich die Naſe rüſſelförmig und iſt oft noch mit beſonderen
Knorpeln und Knöchelchen verſehen: dann dient der Rüſſel zum Wühlen. Die Gliedmaßen verkürzen
und verdicken ſich, und die betreffenden Thiere werden hierdurch geſchickt, zu graben und eine unter-
irdiſche Lebensweiſe zu führen; ſie verlängern ſich und geſtatten einen eiligen Lauf; ſie verbreitern ſich
durch Schwimmhäute und befähigen zum Aufenthalt im Waſſer. Die Krallen ſind ebenfalls außer-
ordeutlich verſchieden gebaut. Sie ſind einziehbar, werden hierdurch beim Gehen vor dem Abnutzen
geſchützt und können dann, wenn ſie vorgeſtreckt werden, als vortreffliche Waffen und Greifwerkzeuge
benutzt werden; bei anderen Raubſäugern ſind ſie ſtumpf und unbeweglich: ſie können deshalb auch
blos zum Schutze des Fußes oder höchſtens — jedoch nur, wenn ſie ſehr gebogen ſind — zum An-
klammern dienen; bei noch anderen Mitgliedern der Ordnung endlich ſind ſie unverhältnißmäßig ſtark,
breit und ſcharf: dann ſind ſie zum Wühlen und Graben geeignet. Das Gebiß iſt durch die ſehr
ſtarken Eck- oder Reißzähne ebenſo ausgezeichnet, wie durch die zackigen oder mehrſpitzigen Kauzähne
und ermöglicht einen wirkſamen Gebrauch zum Kämpfen, wie zum Feſthalten und Zerfleiſchen der
Beute. Kräftige Muskeln und Sehnen verleihen Stärke und Ausdauer, während ihre Anlage um-
faſſende und gewandte Bewegungen zuläßt.

Hierzu kommen nun noch die ausgezeichneten Sinne. Blos ausnahmsweiſe zeigt ſich einer von
ihnen verkümmert: dann aber wird er gewiß durch die übrigen genügend erſetzt. Jm Allgemeinen
kann nicht behauptet werden, daß ein Sinn beſonders und überall bevorzugt ſei; denn bei den Einen
iſt der Geruch, bei den Anderen das Geſicht, bei noch Anderen das Gehör bewunderungswürdig aus-
gebildet; bei Einigen ſpielt auch der Taſtſinn eine große Rolle. Zwei Sinne ſind regelmäßig ſehr
ſcharf, und zwar ſind Dies in den meiſten Fällen Geruch und Gehör, in ſeltneren Gehör und
Geſicht. Jedenfalls aber finden ſich in keiner andern Ordnung ſcharfſinnigere Thiere, als in der
unſerer Räuber.

Die geiſtigen Fähigkeiten widerſprechen den leiblichen Anlagen nicht. Wir finden unter den Raub-
thieren bewunderungswürdig kluge Geſchöpfe und dürfen uns ſomit nicht wundern, daß ſie ſich bald alle

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[181/0239] Gemeinſames an Leib und Seele. Leibesbau. Sinne. Graben, Klettern, Schwimmen, Ergreifen ohne erhebliche Aenderung ihres Baues ebenſo geeignet, als zum Gange, ihrer eigentlichen Beſtimmung. Alle Sinneswerkzeuge ſind ſcharf und in einem gewiſſen Grade ebenfalls gleichmäßig entwickelt. Das Gebiß iſt noch aus allen Zahnarten zuſammen- geſetzt und zeigt nur kräftige, ſcharfzackige und ſpitze Formen, wie ſie zur Fleiſchnahrung allein zweckmäßig ſind. Entſprechend ſind die Kiefern und Kaumuskeln gebaut, welche die Thätigkeit des Gebiſſes bedingen oder ſtützen, und demgemäß beſonders kräftig ſein müſſen.‟ Der Magen iſt ſtets einfach, der Darm gewöhnlich kurz oder mäßig lang, der Blinddarm iſt immer kurz: Fleiſch verdaut ſich auch viel leichter, als rohe Pflanzenſtoffe. Ganz eigenthümlich ſind die Afterdrüſen, welche hier und da vorkommen und ſtark riechende Flüſſigkeiten abſondern, und ebenſowohl zur Vertheidigung gegen ſtärkere, wie zum Herbeilocken ſchwächerer Geſchöpfe dienen können oder endlich eine Fettmaſſe zum Einreiben des Felles liefern müſſen. Zergliedern wir die Thiere genauer, ſo finden wir noch folgende mehr oder weniger allgemeine Eigenthümlichkeiten im Baue der Raubſänger. Das Geripp iſt bei aller Leichtigkeit und Zierlichkeit der Formen verhältnißmäßig kräftig. Der Schädel iſt geſtreckt; ſein Hirntheil ſteht mit dem Schnauzen- theil ziemlich in gleichem Verhältniß, d. h. keiner überwiegt den andern beſonders auffällig. Die ſtarken Kämme und Leiſten, ſowie die gewölbten und ziemlich weit vom Schädel abſtehenden Joch- bögen deuten auf kräftige Muskeln hin, welche hier vergrößerte Anſatzflächen finden; die Augenhöhlen ſind groß, die Gehörblaſen aufgetrieben und die Naſenknochen und Knorpel ausgedehnt; die betreffen- den Sinneswerkzeuge haben deshalb Raum zu vollkommener Entwickelung. An den Wirbeln finden ſich ſtarke Dornen und lange Fortſätze; die Lendenwirbel verwachſen oft faſt vollſtändig. Die Zahl der Schwanzwirbel ſchwankt ziemlich bedeutend, und die Glieder ändern im Einklange mit der ver- ſchiedenartigen Lebensweiſe manchfaltig ab; immer aber deutet ihr Bau auf große Kraft und Beweglichkeit hin. Bei vielen Raubthieren verlängert ſich die Naſe rüſſelförmig und iſt oft noch mit beſonderen Knorpeln und Knöchelchen verſehen: dann dient der Rüſſel zum Wühlen. Die Gliedmaßen verkürzen und verdicken ſich, und die betreffenden Thiere werden hierdurch geſchickt, zu graben und eine unter- irdiſche Lebensweiſe zu führen; ſie verlängern ſich und geſtatten einen eiligen Lauf; ſie verbreitern ſich durch Schwimmhäute und befähigen zum Aufenthalt im Waſſer. Die Krallen ſind ebenfalls außer- ordeutlich verſchieden gebaut. Sie ſind einziehbar, werden hierdurch beim Gehen vor dem Abnutzen geſchützt und können dann, wenn ſie vorgeſtreckt werden, als vortreffliche Waffen und Greifwerkzeuge benutzt werden; bei anderen Raubſäugern ſind ſie ſtumpf und unbeweglich: ſie können deshalb auch blos zum Schutze des Fußes oder höchſtens — jedoch nur, wenn ſie ſehr gebogen ſind — zum An- klammern dienen; bei noch anderen Mitgliedern der Ordnung endlich ſind ſie unverhältnißmäßig ſtark, breit und ſcharf: dann ſind ſie zum Wühlen und Graben geeignet. Das Gebiß iſt durch die ſehr ſtarken Eck- oder Reißzähne ebenſo ausgezeichnet, wie durch die zackigen oder mehrſpitzigen Kauzähne und ermöglicht einen wirkſamen Gebrauch zum Kämpfen, wie zum Feſthalten und Zerfleiſchen der Beute. Kräftige Muskeln und Sehnen verleihen Stärke und Ausdauer, während ihre Anlage um- faſſende und gewandte Bewegungen zuläßt. Hierzu kommen nun noch die ausgezeichneten Sinne. Blos ausnahmsweiſe zeigt ſich einer von ihnen verkümmert: dann aber wird er gewiß durch die übrigen genügend erſetzt. Jm Allgemeinen kann nicht behauptet werden, daß ein Sinn beſonders und überall bevorzugt ſei; denn bei den Einen iſt der Geruch, bei den Anderen das Geſicht, bei noch Anderen das Gehör bewunderungswürdig aus- gebildet; bei Einigen ſpielt auch der Taſtſinn eine große Rolle. Zwei Sinne ſind regelmäßig ſehr ſcharf, und zwar ſind Dies in den meiſten Fällen Geruch und Gehör, in ſeltneren Gehör und Geſicht. Jedenfalls aber finden ſich in keiner andern Ordnung ſcharfſinnigere Thiere, als in der unſerer Räuber. Die geiſtigen Fähigkeiten widerſprechen den leiblichen Anlagen nicht. Wir finden unter den Raub- thieren bewunderungswürdig kluge Geſchöpfe und dürfen uns ſomit nicht wundern, daß ſie ſich bald alle

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/239>, abgerufen am 24.11.2024.