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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Flatterthiere. Flughunde.
beobachtet, welche ich in den Urwäldern Afrikas an Bäumen aufgehängt fand. -- Jn etwa fünf bis
sechs Wochen haben die Jungen ihre volle Größe erreicht.

Es ist sehr möglich, daß die freilebenden Fledermäuse, welche während ihrer Schwangerschaft
zusammenwohnen, auch ihre Jungen in einer Höhlung zur Welt bringen; vielleicht schon deshalb,
um sich gemeinschaftlich zu versorgen und zu erwärmen. Wenn die Jungen flugbar sind, ändert sich
die Sache; dann haben nicht nur diese, sondern auch die Männchen im Frauengemache Zutritt.

Eine noch ungeborne Fledermans hat ein sehr merkwürdiges Ansehn. Wenn sie soweit aus-
gebildet ist, daß man ihre Glieder erkennt, die Flughaut aber noch nicht wahrnehmen kann, hat sie
mit einem ungebornen Menschenkinde viel Aehnlichkeit. Die Hinterfüße sind nämlich noch viel kleiner,
als die vorderen, und die vortretende Schnauze zeigt das Thierische; aber der Bau des Leibes, der
kurze, auf dem Brustkorbe sitzende Hals, die breite Brust, die ganze Gestalt der Schulterblätter und
besonders die Beschaffenheit der Vorderfüße, welche mit ihren noch kurzen Fingern halbe Hände
bilden: alles Dies erinnert an den menschlichen Keim im ersten Zustande seiner Entwickelung.

Die Sinne der Flatterthiere sind vortrefflich, aber bei den verschiedenen Arten sehr ungleich-
förmig entwickelt. Einzelne Sinneswerkzeuge zeichnen sich, wie ich bereits in der Einleitung andeutete,
durch höchst sonderbare Anhängsel und eigenthümliche Vergrößerungen aus.

Wahrscheinlich steht der Geschmackssinn auf der tiefsten Stufe, doch ist auch er keineswegs
stumpf zu nennen, wie die Beschaffenheit der Zunge, die Weichheit der Lippen und der Nervenreich-
thum beider schon im voraus schließen läßt. Außerdem hat man auch Versuche gemacht, welche die
Schärfe des Sinnes beweisen. Wenn man nämlich schlafenden, selbst halb erstarrten Fledermäusen
einen Tropfen Wasser in die geöffnete Schnauze giebt, nehmen sie denselben ohne weiteres an und
schlucken ihn hinter. Giebt mun ihnen dagegen Branntwein, Tinte oder sonst eine übelschmeckende
Flüssigkeit, so wird Alles regelmäßig zurückgewiesen. Nicht minder ausgebildet ist das Auge. Jm
Verhältniß zur Größe des Körpers muß man es groß nennen, namentlich der Stern ist einer be-
deutenden Erweiterung fähig. Allein das Auge kann manchen Arten ganz fehlen, ohne daß sie eine
bemerkliche Beeinträchtigung dadurch erleiden. Der Gesichtssinn wird überhaupt durch Geruch, Gehör
und Gefühl wesentlich unterstützt. Man hat mehrfach den Versuch gemacht, Fledermäuse zu blenden,
indem man ihnen einfach ein Stückchen englisches Pflaster über die Augen klebte. Sie flogen aber
trotz ihrer Blindheit noch genau ebenso geschickt im Zimmer umher, als sehend, und verstanden es
meisterhaft, allen möglichen Hindernissen, z. B. vielen, in verschiedenen Richtungen durch das Zimmer
gezogenen Faden, auszuweichen. Der Sinn des Gefühls mag wohl größtentheils in der Flatterhaut
liegen; wenigstens scheint Dies aus allen Beobachtungen hervorzugehen. Weit ausgebildeter aber
als dieser Sinn sind Geruch und Gehör. Die Nase ist bei allen echten Fledermäusen in hohem
Grade vollkommen. Nicht blos, daß sich die Nasenlöcher weit und breit öffnen und durch eigenthüm-
liche Muskeln bald geöffnet, bald geschlossen werden können, besitzen die Thiere auch noch große, blätter-
artige, ausgedehnte Anhängsel, welche jedenfalls nur dazu dienen können, den Geruch zu steigern. Jn
ähnlicher Weise ist auch das Ohr gebaut. Es besteht aus einer sehr großen Ohrmuschel, welche oft
bis gegen den Mundwinkel ausgezogen, mit besonderen Lappen und Ausschnitten versehen ist und
außerordentlich leicht bewegt werden kann. Zudem ist noch eine große, bewegliche, verschiedenartig
geformte Klappe, der Ohrdeckel, vorhanden, welcher dazu dient, bei stärkeren Geräuschen oder Tönen,
als sie die Fledermaus vertragen kann, das Ohr zu schließen und somit dem Thiere eine Qual zu
ersparen, während dasselbe Anhängsel, wenn es gilt, ein sehr leises Geräusch zu vernehmen, gerade
auch dazu dient, den schwachen Schall noch aufzufangen. Es ist unzweifelhaft, daß die Fledermaus
vorbeifliegende Kerbthiere schon in ziemlicher Entfernung hört und durch ihr scharfes Gehör wesentlich
in ihrem Fluge geleitet wird. Schneidet man die blattartigen Ansätze oder die Ohrlappen und Ohr-
deckel ab, so werden alle Flatterthiere in ihrem Fluge ganz irre und stoßen überall an.

Die geistigen Fähigkeiten der Flatterthiere sind keineswegs so gering, als man gern annehmen
möchte, und strafen den auf ziemliche Geistesarmuth hindeutenden Gesichtsausdruck Lügen. Jhr Gehirn

Die Flatterthiere. Flughunde.
beobachtet, welche ich in den Urwäldern Afrikas an Bäumen aufgehängt fand. — Jn etwa fünf bis
ſechs Wochen haben die Jungen ihre volle Größe erreicht.

Es iſt ſehr möglich, daß die freilebenden Fledermäuſe, welche während ihrer Schwangerſchaft
zuſammenwohnen, auch ihre Jungen in einer Höhlung zur Welt bringen; vielleicht ſchon deshalb,
um ſich gemeinſchaftlich zu verſorgen und zu erwärmen. Wenn die Jungen flugbar ſind, ändert ſich
die Sache; dann haben nicht nur dieſe, ſondern auch die Männchen im Frauengemache Zutritt.

Eine noch ungeborne Fledermans hat ein ſehr merkwürdiges Anſehn. Wenn ſie ſoweit aus-
gebildet iſt, daß man ihre Glieder erkennt, die Flughaut aber noch nicht wahrnehmen kann, hat ſie
mit einem ungebornen Menſchenkinde viel Aehnlichkeit. Die Hinterfüße ſind nämlich noch viel kleiner,
als die vorderen, und die vortretende Schnauze zeigt das Thieriſche; aber der Bau des Leibes, der
kurze, auf dem Bruſtkorbe ſitzende Hals, die breite Bruſt, die ganze Geſtalt der Schulterblätter und
beſonders die Beſchaffenheit der Vorderfüße, welche mit ihren noch kurzen Fingern halbe Hände
bilden: alles Dies erinnert an den menſchlichen Keim im erſten Zuſtande ſeiner Entwickelung.

Die Sinne der Flatterthiere ſind vortrefflich, aber bei den verſchiedenen Arten ſehr ungleich-
förmig entwickelt. Einzelne Sinneswerkzeuge zeichnen ſich, wie ich bereits in der Einleitung andeutete,
durch höchſt ſonderbare Anhängſel und eigenthümliche Vergrößerungen aus.

Wahrſcheinlich ſteht der Geſchmacksſinn auf der tiefſten Stufe, doch iſt auch er keineswegs
ſtumpf zu nennen, wie die Beſchaffenheit der Zunge, die Weichheit der Lippen und der Nervenreich-
thum beider ſchon im voraus ſchließen läßt. Außerdem hat man auch Verſuche gemacht, welche die
Schärfe des Sinnes beweiſen. Wenn man nämlich ſchlafenden, ſelbſt halb erſtarrten Fledermäuſen
einen Tropfen Waſſer in die geöffnete Schnauze giebt, nehmen ſie denſelben ohne weiteres an und
ſchlucken ihn hinter. Giebt mun ihnen dagegen Branntwein, Tinte oder ſonſt eine übelſchmeckende
Flüſſigkeit, ſo wird Alles regelmäßig zurückgewieſen. Nicht minder ausgebildet iſt das Auge. Jm
Verhältniß zur Größe des Körpers muß man es groß nennen, namentlich der Stern iſt einer be-
deutenden Erweiterung fähig. Allein das Auge kann manchen Arten ganz fehlen, ohne daß ſie eine
bemerkliche Beeinträchtigung dadurch erleiden. Der Geſichtsſinn wird überhaupt durch Geruch, Gehör
und Gefühl weſentlich unterſtützt. Man hat mehrfach den Verſuch gemacht, Fledermäuſe zu blenden,
indem man ihnen einfach ein Stückchen engliſches Pflaſter über die Augen klebte. Sie flogen aber
trotz ihrer Blindheit noch genau ebenſo geſchickt im Zimmer umher, als ſehend, und verſtanden es
meiſterhaft, allen möglichen Hinderniſſen, z. B. vielen, in verſchiedenen Richtungen durch das Zimmer
gezogenen Faden, auszuweichen. Der Sinn des Gefühls mag wohl größtentheils in der Flatterhaut
liegen; wenigſtens ſcheint Dies aus allen Beobachtungen hervorzugehen. Weit ausgebildeter aber
als dieſer Sinn ſind Geruch und Gehör. Die Naſe iſt bei allen echten Fledermäuſen in hohem
Grade vollkommen. Nicht blos, daß ſich die Naſenlöcher weit und breit öffnen und durch eigenthüm-
liche Muskeln bald geöffnet, bald geſchloſſen werden können, beſitzen die Thiere auch noch große, blätter-
artige, ausgedehnte Anhängſel, welche jedenfalls nur dazu dienen können, den Geruch zu ſteigern. Jn
ähnlicher Weiſe iſt auch das Ohr gebaut. Es beſteht aus einer ſehr großen Ohrmuſchel, welche oft
bis gegen den Mundwinkel ausgezogen, mit beſonderen Lappen und Ausſchnitten verſehen iſt und
außerordentlich leicht bewegt werden kann. Zudem iſt noch eine große, bewegliche, verſchiedenartig
geformte Klappe, der Ohrdeckel, vorhanden, welcher dazu dient, bei ſtärkeren Geräuſchen oder Tönen,
als ſie die Fledermaus vertragen kann, das Ohr zu ſchließen und ſomit dem Thiere eine Qual zu
erſparen, während daſſelbe Anhängſel, wenn es gilt, ein ſehr leiſes Geräuſch zu vernehmen, gerade
auch dazu dient, den ſchwachen Schall noch aufzufangen. Es iſt unzweifelhaft, daß die Fledermaus
vorbeifliegende Kerbthiere ſchon in ziemlicher Entfernung hört und durch ihr ſcharfes Gehör weſentlich
in ihrem Fluge geleitet wird. Schneidet man die blattartigen Anſätze oder die Ohrlappen und Ohr-
deckel ab, ſo werden alle Flatterthiere in ihrem Fluge ganz irre und ſtoßen überall an.

Die geiſtigen Fähigkeiten der Flatterthiere ſind keineswegs ſo gering, als man gern annehmen
möchte, und ſtrafen den auf ziemliche Geiſtesarmuth hindeutenden Geſichtsausdruck Lügen. Jhr Gehirn

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[160/0218] Die Flatterthiere. Flughunde. beobachtet, welche ich in den Urwäldern Afrikas an Bäumen aufgehängt fand. — Jn etwa fünf bis ſechs Wochen haben die Jungen ihre volle Größe erreicht. Es iſt ſehr möglich, daß die freilebenden Fledermäuſe, welche während ihrer Schwangerſchaft zuſammenwohnen, auch ihre Jungen in einer Höhlung zur Welt bringen; vielleicht ſchon deshalb, um ſich gemeinſchaftlich zu verſorgen und zu erwärmen. Wenn die Jungen flugbar ſind, ändert ſich die Sache; dann haben nicht nur dieſe, ſondern auch die Männchen im Frauengemache Zutritt. Eine noch ungeborne Fledermans hat ein ſehr merkwürdiges Anſehn. Wenn ſie ſoweit aus- gebildet iſt, daß man ihre Glieder erkennt, die Flughaut aber noch nicht wahrnehmen kann, hat ſie mit einem ungebornen Menſchenkinde viel Aehnlichkeit. Die Hinterfüße ſind nämlich noch viel kleiner, als die vorderen, und die vortretende Schnauze zeigt das Thieriſche; aber der Bau des Leibes, der kurze, auf dem Bruſtkorbe ſitzende Hals, die breite Bruſt, die ganze Geſtalt der Schulterblätter und beſonders die Beſchaffenheit der Vorderfüße, welche mit ihren noch kurzen Fingern halbe Hände bilden: alles Dies erinnert an den menſchlichen Keim im erſten Zuſtande ſeiner Entwickelung. Die Sinne der Flatterthiere ſind vortrefflich, aber bei den verſchiedenen Arten ſehr ungleich- förmig entwickelt. Einzelne Sinneswerkzeuge zeichnen ſich, wie ich bereits in der Einleitung andeutete, durch höchſt ſonderbare Anhängſel und eigenthümliche Vergrößerungen aus. Wahrſcheinlich ſteht der Geſchmacksſinn auf der tiefſten Stufe, doch iſt auch er keineswegs ſtumpf zu nennen, wie die Beſchaffenheit der Zunge, die Weichheit der Lippen und der Nervenreich- thum beider ſchon im voraus ſchließen läßt. Außerdem hat man auch Verſuche gemacht, welche die Schärfe des Sinnes beweiſen. Wenn man nämlich ſchlafenden, ſelbſt halb erſtarrten Fledermäuſen einen Tropfen Waſſer in die geöffnete Schnauze giebt, nehmen ſie denſelben ohne weiteres an und ſchlucken ihn hinter. Giebt mun ihnen dagegen Branntwein, Tinte oder ſonſt eine übelſchmeckende Flüſſigkeit, ſo wird Alles regelmäßig zurückgewieſen. Nicht minder ausgebildet iſt das Auge. Jm Verhältniß zur Größe des Körpers muß man es groß nennen, namentlich der Stern iſt einer be- deutenden Erweiterung fähig. Allein das Auge kann manchen Arten ganz fehlen, ohne daß ſie eine bemerkliche Beeinträchtigung dadurch erleiden. Der Geſichtsſinn wird überhaupt durch Geruch, Gehör und Gefühl weſentlich unterſtützt. Man hat mehrfach den Verſuch gemacht, Fledermäuſe zu blenden, indem man ihnen einfach ein Stückchen engliſches Pflaſter über die Augen klebte. Sie flogen aber trotz ihrer Blindheit noch genau ebenſo geſchickt im Zimmer umher, als ſehend, und verſtanden es meiſterhaft, allen möglichen Hinderniſſen, z. B. vielen, in verſchiedenen Richtungen durch das Zimmer gezogenen Faden, auszuweichen. Der Sinn des Gefühls mag wohl größtentheils in der Flatterhaut liegen; wenigſtens ſcheint Dies aus allen Beobachtungen hervorzugehen. Weit ausgebildeter aber als dieſer Sinn ſind Geruch und Gehör. Die Naſe iſt bei allen echten Fledermäuſen in hohem Grade vollkommen. Nicht blos, daß ſich die Naſenlöcher weit und breit öffnen und durch eigenthüm- liche Muskeln bald geöffnet, bald geſchloſſen werden können, beſitzen die Thiere auch noch große, blätter- artige, ausgedehnte Anhängſel, welche jedenfalls nur dazu dienen können, den Geruch zu ſteigern. Jn ähnlicher Weiſe iſt auch das Ohr gebaut. Es beſteht aus einer ſehr großen Ohrmuſchel, welche oft bis gegen den Mundwinkel ausgezogen, mit beſonderen Lappen und Ausſchnitten verſehen iſt und außerordentlich leicht bewegt werden kann. Zudem iſt noch eine große, bewegliche, verſchiedenartig geformte Klappe, der Ohrdeckel, vorhanden, welcher dazu dient, bei ſtärkeren Geräuſchen oder Tönen, als ſie die Fledermaus vertragen kann, das Ohr zu ſchließen und ſomit dem Thiere eine Qual zu erſparen, während daſſelbe Anhängſel, wenn es gilt, ein ſehr leiſes Geräuſch zu vernehmen, gerade auch dazu dient, den ſchwachen Schall noch aufzufangen. Es iſt unzweifelhaft, daß die Fledermaus vorbeifliegende Kerbthiere ſchon in ziemlicher Entfernung hört und durch ihr ſcharfes Gehör weſentlich in ihrem Fluge geleitet wird. Schneidet man die blattartigen Anſätze oder die Ohrlappen und Ohr- deckel ab, ſo werden alle Flatterthiere in ihrem Fluge ganz irre und ſtoßen überall an. Die geiſtigen Fähigkeiten der Flatterthiere ſind keineswegs ſo gering, als man gern annehmen möchte, und ſtrafen den auf ziemliche Geiſtesarmuth hindeutenden Geſichtsausdruck Lügen. Jhr Gehirn

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/218>, abgerufen am 28.11.2024.