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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Verbreitung der Flatterthiere bei uns und im Süden. Körperbau. Flugfähigkeit.

"Mit der Gestalt der Flughäute hängt die Flugfähigkeit und das Gepräge der Flugbewegung
genau zusammen. Eine größere Verschiedenheit in dieser Beziehung ist kaum unter den Vögeln aus-
gebildet. Die Arten mit langen, schlanken Flügeln haben den raschen und gewandten Flug der
Schwalben, die mit breiten, kurzen Flügeln erinnern im Fluge an die flatternde, unbeholfene Be-
wegung der Hühner. Man kann die Gestalt des Flügels ziemlich genau nach dem Verhältniß der
Länge des fünften Fingers zur Länge des dritten oder zur Länge der ganzen Flughaut beurtheilen.
Die Länge der Flughaut umfaßt außer der des dritten Fingers noch die des Ober- und Unterarms.
Die Breite der Flughaut ist ungefähr durch die Länge des fünften Fingers dargestellt."

"Wer die Fledermäuse in der Natur beobachtet hat, wird eine auffallende Uebereinstimmung in
diesen Verhältnissen mit der Schnelligkeit und Gewandtheit in der Flugbewegung der einzelnen Arten
anerkennen müssen. Die größte Gewandtheit und Schnelligkeit im Fluge hat unter den deutschen
Arten entschieden die frühfliegende Fledermaus. Man sieht sie zuweilen schon vor Sonnen-
untergang thurmhoch und in raschen, kühnen Wendungen mit den Schwalben umher fliegen; und diese
Art hat verhältnißmäßig den schlanksten und längsten Flügel, über dreimal so lang, als breit. Jhr
schließen sich alle diejenigen Arten an, deren Flügel ähnlich gebildet sind. Sie fliegen sämmtlich rasch
und hoch, in den manchfaltigsten, oft plötzlichen Wendungen und sind in ihren Bewegungen so sicher,
daß sie sogar Sturm und Unwetter nicht scheuen. Der Flügel beschreibt im Fluge in der Regel einen
kleinen, spitzen Winkel, und nur bei plötzlichen Wendungen holen sie weiter aus, und so ist der Flug
höchst manchfaltig und rasch bei einer leichten, weniger angestrengten Flügelbewegung."

"Die geringste Flugfertigkeit besitzen die Arten, welche zu den Sippen Vespertilio und Rhino-
lophus
gehören. Sie haben im Verhältniß zu den übrigen die breitesten und kürzesten Flügel, meistens
kaum drittehalbmal so lang, als breit. Die Flügel dieser Arten beschreiben einen großen, meist stumpfen
Winkel. Der Flug ist flatternd, langsam und unsicher. Gewöhnlich fliegen sie niedrig und in gerader
Richtung in Straßen und Alleen hin, ohne rasche Biegungen und Seitenbewegungen, einige sogar
nur wenige Zoll über dem Boden oder der Wasserfläche."

"Es hält nicht schwer, nach der Höhe des Fluges, der Art der Bewegung und der Größe des
Thieres jede Art im Fluge zu unterscheiden; und man kann nicht irre gehen, wenn man aus dem
Bau des Flügels auf die Flugfertigkeit schließt." Jm Allgemeinen aber ist der Flug aller Handflügler
keineswegs ein dauernder, sondern nur ein zeitweiliger. Er wird durch immerwährende Bewegung
der Arme hervorgebracht. Der Vogel kann schweben, die Fledermans nur flattern. Jhr Flattern
oder Schwirren wird durch ihren Körperbau sehr erleichtert. Die starken Brustmuskeln des Vorder-
körpers, der leichte und eingezogene Unterleib, die bis zu dreifacher Körperlänge ausgedehnten Arme
und Hände und die zwischen Armen, Händen und Fingern ausgespannte elastische Haut befördern
diese Bewegung, während das Schweben unmöglich wird, weil keiner der Fledermausknochen luft-
führend ist, die Leibeshöhle nicht die großen Luftsäcke des Vogelleibes enthält und vor Allem, weil
das Flatterthier keine Steuer- und Schwingfedern besitzt. Sein Flug ist ein immerwähreudes Schlagen
auf die Luft, niemals ein längeres Durchgleiten oder Durchschießen derselben ohne Flügelbewegung.

Um leichter ihre Flughaut breiten und aufflattern zu können, befestigen sich alle Handflügler
während ihrer Ruhe mit den Krallen der Hinterbeine an irgend einen erhabenen Gegenstand und
lassen ihren ganzen Körper nach abwärts hängen. Bevor sie aufflattern, ziehen sie den Kopf von der
Brust ab, heben den Arm, breiten die Finger sammt dem Mittelarmknochen aus einander, strecken
den in der Ruhe angezogenen Schwanz sammt den Sporen am Fuße, lassen sich los und beginnen
nun sogleich und ohne Unterbrechung schnell nach einander mit ihren Armen die Luft zu schlagen.
Mit der Schwanzhaut wird gesteuert; aber dieses Steuer ist natürlich bei weitem unvollkommener,
als das der Vögel. Eine solche Bewegung bedingt eine ganz eigenthümliche Fluglinie, welche
Koleuati sehr bezeichnend eine geknitterte nennt.

Vom Boden können sich die Flatterthiere nicht so leicht aufheben; sie helfen sich aber dadurch,
daß sie zuerst die Arme und die Flughaut ausbreiten und ihren Körper durch Unterschieben der Füße

Verbreitung der Flatterthiere bei uns und im Süden. Körperbau. Flugfähigkeit.

„Mit der Geſtalt der Flughäute hängt die Flugfähigkeit und das Gepräge der Flugbewegung
genau zuſammen. Eine größere Verſchiedenheit in dieſer Beziehung iſt kaum unter den Vögeln aus-
gebildet. Die Arten mit langen, ſchlanken Flügeln haben den raſchen und gewandten Flug der
Schwalben, die mit breiten, kurzen Flügeln erinnern im Fluge an die flatternde, unbeholfene Be-
wegung der Hühner. Man kann die Geſtalt des Flügels ziemlich genau nach dem Verhältniß der
Länge des fünften Fingers zur Länge des dritten oder zur Länge der ganzen Flughaut beurtheilen.
Die Länge der Flughaut umfaßt außer der des dritten Fingers noch die des Ober- und Unterarms.
Die Breite der Flughaut iſt ungefähr durch die Länge des fünften Fingers dargeſtellt.‟

„Wer die Fledermäuſe in der Natur beobachtet hat, wird eine auffallende Uebereinſtimmung in
dieſen Verhältniſſen mit der Schnelligkeit und Gewandtheit in der Flugbewegung der einzelnen Arten
anerkennen müſſen. Die größte Gewandtheit und Schnelligkeit im Fluge hat unter den deutſchen
Arten entſchieden die frühfliegende Fledermaus. Man ſieht ſie zuweilen ſchon vor Sonnen-
untergang thurmhoch und in raſchen, kühnen Wendungen mit den Schwalben umher fliegen; und dieſe
Art hat verhältnißmäßig den ſchlankſten und längſten Flügel, über dreimal ſo lang, als breit. Jhr
ſchließen ſich alle diejenigen Arten an, deren Flügel ähnlich gebildet ſind. Sie fliegen ſämmtlich raſch
und hoch, in den manchfaltigſten, oft plötzlichen Wendungen und ſind in ihren Bewegungen ſo ſicher,
daß ſie ſogar Sturm und Unwetter nicht ſcheuen. Der Flügel beſchreibt im Fluge in der Regel einen
kleinen, ſpitzen Winkel, und nur bei plötzlichen Wendungen holen ſie weiter aus, und ſo iſt der Flug
höchſt manchfaltig und raſch bei einer leichten, weniger angeſtrengten Flügelbewegung.‟

„Die geringſte Flugfertigkeit beſitzen die Arten, welche zu den Sippen Vespertilio und Rhino-
lophus
gehören. Sie haben im Verhältniß zu den übrigen die breiteſten und kürzeſten Flügel, meiſtens
kaum drittehalbmal ſo lang, als breit. Die Flügel dieſer Arten beſchreiben einen großen, meiſt ſtumpfen
Winkel. Der Flug iſt flatternd, langſam und unſicher. Gewöhnlich fliegen ſie niedrig und in gerader
Richtung in Straßen und Alleen hin, ohne raſche Biegungen und Seitenbewegungen, einige ſogar
nur wenige Zoll über dem Boden oder der Waſſerfläche.‟

„Es hält nicht ſchwer, nach der Höhe des Fluges, der Art der Bewegung und der Größe des
Thieres jede Art im Fluge zu unterſcheiden; und man kann nicht irre gehen, wenn man aus dem
Bau des Flügels auf die Flugfertigkeit ſchließt.‟ Jm Allgemeinen aber iſt der Flug aller Handflügler
keineswegs ein dauernder, ſondern nur ein zeitweiliger. Er wird durch immerwährende Bewegung
der Arme hervorgebracht. Der Vogel kann ſchweben, die Fledermans nur flattern. Jhr Flattern
oder Schwirren wird durch ihren Körperbau ſehr erleichtert. Die ſtarken Bruſtmuskeln des Vorder-
körpers, der leichte und eingezogene Unterleib, die bis zu dreifacher Körperlänge ausgedehnten Arme
und Hände und die zwiſchen Armen, Händen und Fingern ausgeſpannte elaſtiſche Haut befördern
dieſe Bewegung, während das Schweben unmöglich wird, weil keiner der Fledermausknochen luft-
führend iſt, die Leibeshöhle nicht die großen Luftſäcke des Vogelleibes enthält und vor Allem, weil
das Flatterthier keine Steuer- und Schwingfedern beſitzt. Sein Flug iſt ein immerwähreudes Schlagen
auf die Luft, niemals ein längeres Durchgleiten oder Durchſchießen derſelben ohne Flügelbewegung.

Um leichter ihre Flughaut breiten und aufflattern zu können, befeſtigen ſich alle Handflügler
während ihrer Ruhe mit den Krallen der Hinterbeine an irgend einen erhabenen Gegenſtand und
laſſen ihren ganzen Körper nach abwärts hängen. Bevor ſie aufflattern, ziehen ſie den Kopf von der
Bruſt ab, heben den Arm, breiten die Finger ſammt dem Mittelarmknochen aus einander, ſtrecken
den in der Ruhe angezogenen Schwanz ſammt den Sporen am Fuße, laſſen ſich los und beginnen
nun ſogleich und ohne Unterbrechung ſchnell nach einander mit ihren Armen die Luft zu ſchlagen.
Mit der Schwanzhaut wird geſteuert; aber dieſes Steuer iſt natürlich bei weitem unvollkommener,
als das der Vögel. Eine ſolche Bewegung bedingt eine ganz eigenthümliche Fluglinie, welche
Koleuati ſehr bezeichnend eine geknitterte nennt.

Vom Boden können ſich die Flatterthiere nicht ſo leicht aufheben; ſie helfen ſich aber dadurch,
daß ſie zuerſt die Arme und die Flughaut ausbreiten und ihren Körper durch Unterſchieben der Füße

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[155/0213] Verbreitung der Flatterthiere bei uns und im Süden. Körperbau. Flugfähigkeit. „Mit der Geſtalt der Flughäute hängt die Flugfähigkeit und das Gepräge der Flugbewegung genau zuſammen. Eine größere Verſchiedenheit in dieſer Beziehung iſt kaum unter den Vögeln aus- gebildet. Die Arten mit langen, ſchlanken Flügeln haben den raſchen und gewandten Flug der Schwalben, die mit breiten, kurzen Flügeln erinnern im Fluge an die flatternde, unbeholfene Be- wegung der Hühner. Man kann die Geſtalt des Flügels ziemlich genau nach dem Verhältniß der Länge des fünften Fingers zur Länge des dritten oder zur Länge der ganzen Flughaut beurtheilen. Die Länge der Flughaut umfaßt außer der des dritten Fingers noch die des Ober- und Unterarms. Die Breite der Flughaut iſt ungefähr durch die Länge des fünften Fingers dargeſtellt.‟ „Wer die Fledermäuſe in der Natur beobachtet hat, wird eine auffallende Uebereinſtimmung in dieſen Verhältniſſen mit der Schnelligkeit und Gewandtheit in der Flugbewegung der einzelnen Arten anerkennen müſſen. Die größte Gewandtheit und Schnelligkeit im Fluge hat unter den deutſchen Arten entſchieden die frühfliegende Fledermaus. Man ſieht ſie zuweilen ſchon vor Sonnen- untergang thurmhoch und in raſchen, kühnen Wendungen mit den Schwalben umher fliegen; und dieſe Art hat verhältnißmäßig den ſchlankſten und längſten Flügel, über dreimal ſo lang, als breit. Jhr ſchließen ſich alle diejenigen Arten an, deren Flügel ähnlich gebildet ſind. Sie fliegen ſämmtlich raſch und hoch, in den manchfaltigſten, oft plötzlichen Wendungen und ſind in ihren Bewegungen ſo ſicher, daß ſie ſogar Sturm und Unwetter nicht ſcheuen. Der Flügel beſchreibt im Fluge in der Regel einen kleinen, ſpitzen Winkel, und nur bei plötzlichen Wendungen holen ſie weiter aus, und ſo iſt der Flug höchſt manchfaltig und raſch bei einer leichten, weniger angeſtrengten Flügelbewegung.‟ „Die geringſte Flugfertigkeit beſitzen die Arten, welche zu den Sippen Vespertilio und Rhino- lophus gehören. Sie haben im Verhältniß zu den übrigen die breiteſten und kürzeſten Flügel, meiſtens kaum drittehalbmal ſo lang, als breit. Die Flügel dieſer Arten beſchreiben einen großen, meiſt ſtumpfen Winkel. Der Flug iſt flatternd, langſam und unſicher. Gewöhnlich fliegen ſie niedrig und in gerader Richtung in Straßen und Alleen hin, ohne raſche Biegungen und Seitenbewegungen, einige ſogar nur wenige Zoll über dem Boden oder der Waſſerfläche.‟ „Es hält nicht ſchwer, nach der Höhe des Fluges, der Art der Bewegung und der Größe des Thieres jede Art im Fluge zu unterſcheiden; und man kann nicht irre gehen, wenn man aus dem Bau des Flügels auf die Flugfertigkeit ſchließt.‟ Jm Allgemeinen aber iſt der Flug aller Handflügler keineswegs ein dauernder, ſondern nur ein zeitweiliger. Er wird durch immerwährende Bewegung der Arme hervorgebracht. Der Vogel kann ſchweben, die Fledermans nur flattern. Jhr Flattern oder Schwirren wird durch ihren Körperbau ſehr erleichtert. Die ſtarken Bruſtmuskeln des Vorder- körpers, der leichte und eingezogene Unterleib, die bis zu dreifacher Körperlänge ausgedehnten Arme und Hände und die zwiſchen Armen, Händen und Fingern ausgeſpannte elaſtiſche Haut befördern dieſe Bewegung, während das Schweben unmöglich wird, weil keiner der Fledermausknochen luft- führend iſt, die Leibeshöhle nicht die großen Luftſäcke des Vogelleibes enthält und vor Allem, weil das Flatterthier keine Steuer- und Schwingfedern beſitzt. Sein Flug iſt ein immerwähreudes Schlagen auf die Luft, niemals ein längeres Durchgleiten oder Durchſchießen derſelben ohne Flügelbewegung. Um leichter ihre Flughaut breiten und aufflattern zu können, befeſtigen ſich alle Handflügler während ihrer Ruhe mit den Krallen der Hinterbeine an irgend einen erhabenen Gegenſtand und laſſen ihren ganzen Körper nach abwärts hängen. Bevor ſie aufflattern, ziehen ſie den Kopf von der Bruſt ab, heben den Arm, breiten die Finger ſammt dem Mittelarmknochen aus einander, ſtrecken den in der Ruhe angezogenen Schwanz ſammt den Sporen am Fuße, laſſen ſich los und beginnen nun ſogleich und ohne Unterbrechung ſchnell nach einander mit ihren Armen die Luft zu ſchlagen. Mit der Schwanzhaut wird geſteuert; aber dieſes Steuer iſt natürlich bei weitem unvollkommener, als das der Vögel. Eine ſolche Bewegung bedingt eine ganz eigenthümliche Fluglinie, welche Koleuati ſehr bezeichnend eine geknitterte nennt. Vom Boden können ſich die Flatterthiere nicht ſo leicht aufheben; ſie helfen ſich aber dadurch, daß ſie zuerſt die Arme und die Flughaut ausbreiten und ihren Körper durch Unterſchieben der Füße

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/213>, abgerufen am 24.11.2024.