Affen, welche niemals mißhandelt worden sind, zeigen auch gern Zutrauen, besonders gegen die Neger, denen sie überhaupt mehr zugethan sind, als den Weißen.
Der Cay schließt sich nicht allein den Menschen an, sondern auch den Hausthieren, mit denen er aufgezogen wird. Es geschieht nicht selten in Paraguay, daß man ihn mit einem jungen Hunde aufzieht, welcher ihm als Reitpferd dienen muß. Wird er von diesem getrennt, so bricht er in ein Ge- schrei aus; beim Wiedersehen überhäuft er ihn mit Liebkosungen. Und dabei ist seine Liebe auch der Auf- opferung fähig, denn bei Balgereien mit anderen Hunden vertheidigt er seinen Freund mit großem Muthe.
Aber ganz anders zeigt sich das Thier, sobald es Mißhandlungen erleben muß. Wenn es sich stark genug fühlt, sucht es, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und beißt den Menschen derb, sobald er es beleidigt. Wenn es aber seinen Gegner fürchtet, nimmt es seine Zuflucht zur Verstellung und versucht sich dann an ihm zu rächen, wenn es ihn unvermuthet überfallen kann. Renggers Cay biß Leute, die ihn vorher geneckt hatten, auf die heimtückischste Weise und kletterte dann immer schnell auf einen hohen Balken, wo man ihm nicht beikommen konnte. Alle Affen, welche man früher neckte, sind gegen Jedermann äußerst mißtrauisch, und man muß sich vor ihnen in Acht nehmen. Sie selbst necken aber gern und lassen kein Thier unangefochten vorübergehen. Hunde und Katzen zerren sie am Schwanze, Hühnern und Enten reißen sie Federn aus; selbst Pferde, welche in ihrer Nähe an- gebunden sind, ziehen sie am Zaume, und ihre Freude ist um so größer, je mehr sie ein Thier ge- ärgert oder geängstigt haben.
Auch der Cay ist höchst naschhaft und lernt bald, wenn er dabei ertappt wird, heimlich stehlen, wobei er alle Kniffe und Pfiffe anwendet. Ertappt man ihn bei der That, so schreit er aus Furcht vor der Strafe schon im voraus laut auf, wird er aber nicht entdeckt, dann thut er so unschuldig und furchtlos, als ob Nichts geschehen wäre. Kleinere Gegenstände versteckt er, wenn er gestört wird, im Munde und frißt sie erst später. Seine Habsucht ist sehr groß. Was er einmal besitzt, läßt er sich so leicht nicht wieder nehmen, höchstens von seinem Herrn, wenn er diesen sehr lieb hat. Diese Habsucht ist schuld, daß man ihn in ausgehöhlten Kürbissen (Seite 6) fangen kann. Außer diesen Eigenschaften zeigt er noch Neugierde und Zerstörungssucht im hohen Grade.
Das Thier ist sehr selbstständig und unterwirft sich nicht gern dem Willen des Menschen. Man kann ihn wohl von Etwas abhalten, nicht aber zu Etwas zwingen. Dagegen sucht er, andere Ge- schöpfe seinem eigenen Willen zu unterwerfen und auch den Menschen, bald durch Liebkosungen, bald durch Drohungen. Diejenigen Thiere, denen er an Kraft und Gewandtheit überlegen ist, müssen sich in seinen Willen fügen. Dies thut seiner Gelehrsamkeit bedeutenden Abbruch. Er lernt blos Das, was ihm Nutzen bringt, z. B. Schachteln öffnen, Taschen seines Herrn untersuchen u. s. w. Mit den Jahren nimmt er an Erfahrung zu und weiß diese wohl zu benutzen. Giebt man ihm zum ersten Mal ein Ei, so zerbricht er es mit solchem Ungeschick, daß er den größten Theil des Jnhaltes verliert; später öffnet er es blos an der Spitze und läßt Nichts mehr verloren gehen. Selten läßt er sich mehr als ein Mal durch Etwas täuschen. Schon nach kurzer Zeit lernt er den Ausdruck der Gesichtszüge und die verschiedenen Betonungen der Stimme seines Herrn verstehen und zeigt Furcht oder Freude, je nachdem er rauh oder sanft angeredet oder angesehen wird. Auslachen läßt er sich nicht, wahrscheinlich weil ihn das Gelächter an frühere unangenehme Lagen erinnert. Seine ge- machten Erfahrungen wendet er auch bei verschiedenen Gegenständen geschickt an, d. h. er versteht Das, was er einmal gelernt hat, in der ausgedehntesten Weise zu benutzen. So lernt er den Hammer zum Zertrümmern, den Hebel zum Aufbrechen brauchen. Entfernungen schätzt er auf das genaueste und richtet hiernach seine Bewegung ein. Sein treues Gedächtniß und seine Urtheilsfähigkeit machen sich oft bemerklich. Diese beiden Geisteskräfte sind wohl bei allen gleichmäßig ausgebildet, bei älteren aber entschiedener, als bei jüngeren.
Nur die Jndianer benutzen das Fell und Fleisch des Thieres und stellen ihm deshalb mit Pfeil und Bogen nach. Die Weißen halten den Affen höchstens in der Gefangenschaft. Außer den Menschen sind ihm noch die schon bei den früheren amerikanischen Affen genannten Katzen gefährlich.
Die Affen. Rollaffen. — Cay.
Affen, welche niemals mißhandelt worden ſind, zeigen auch gern Zutrauen, beſonders gegen die Neger, denen ſie überhaupt mehr zugethan ſind, als den Weißen.
Der Cay ſchließt ſich nicht allein den Menſchen an, ſondern auch den Hausthieren, mit denen er aufgezogen wird. Es geſchieht nicht ſelten in Paraguay, daß man ihn mit einem jungen Hunde aufzieht, welcher ihm als Reitpferd dienen muß. Wird er von dieſem getrennt, ſo bricht er in ein Ge- ſchrei aus; beim Wiederſehen überhäuft er ihn mit Liebkoſungen. Und dabei iſt ſeine Liebe auch der Auf- opferung fähig, denn bei Balgereien mit anderen Hunden vertheidigt er ſeinen Freund mit großem Muthe.
Aber ganz anders zeigt ſich das Thier, ſobald es Mißhandlungen erleben muß. Wenn es ſich ſtark genug fühlt, ſucht es, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und beißt den Menſchen derb, ſobald er es beleidigt. Wenn es aber ſeinen Gegner fürchtet, nimmt es ſeine Zuflucht zur Verſtellung und verſucht ſich dann an ihm zu rächen, wenn es ihn unvermuthet überfallen kann. Renggers Cay biß Leute, die ihn vorher geneckt hatten, auf die heimtückiſchſte Weiſe und kletterte dann immer ſchnell auf einen hohen Balken, wo man ihm nicht beikommen konnte. Alle Affen, welche man früher neckte, ſind gegen Jedermann äußerſt mißtrauiſch, und man muß ſich vor ihnen in Acht nehmen. Sie ſelbſt necken aber gern und laſſen kein Thier unangefochten vorübergehen. Hunde und Katzen zerren ſie am Schwanze, Hühnern und Enten reißen ſie Federn aus; ſelbſt Pferde, welche in ihrer Nähe an- gebunden ſind, ziehen ſie am Zaume, und ihre Freude iſt um ſo größer, je mehr ſie ein Thier ge- ärgert oder geängſtigt haben.
Auch der Cay iſt höchſt naſchhaft und lernt bald, wenn er dabei ertappt wird, heimlich ſtehlen, wobei er alle Kniffe und Pfiffe anwendet. Ertappt man ihn bei der That, ſo ſchreit er aus Furcht vor der Strafe ſchon im voraus laut auf, wird er aber nicht entdeckt, dann thut er ſo unſchuldig und furchtlos, als ob Nichts geſchehen wäre. Kleinere Gegenſtände verſteckt er, wenn er geſtört wird, im Munde und frißt ſie erſt ſpäter. Seine Habſucht iſt ſehr groß. Was er einmal beſitzt, läßt er ſich ſo leicht nicht wieder nehmen, höchſtens von ſeinem Herrn, wenn er dieſen ſehr lieb hat. Dieſe Habſucht iſt ſchuld, daß man ihn in ausgehöhlten Kürbiſſen (Seite 6) fangen kann. Außer dieſen Eigenſchaften zeigt er noch Neugierde und Zerſtörungsſucht im hohen Grade.
Das Thier iſt ſehr ſelbſtſtändig und unterwirft ſich nicht gern dem Willen des Menſchen. Man kann ihn wohl von Etwas abhalten, nicht aber zu Etwas zwingen. Dagegen ſucht er, andere Ge- ſchöpfe ſeinem eigenen Willen zu unterwerfen und auch den Menſchen, bald durch Liebkoſungen, bald durch Drohungen. Diejenigen Thiere, denen er an Kraft und Gewandtheit überlegen iſt, müſſen ſich in ſeinen Willen fügen. Dies thut ſeiner Gelehrſamkeit bedeutenden Abbruch. Er lernt blos Das, was ihm Nutzen bringt, z. B. Schachteln öffnen, Taſchen ſeines Herrn unterſuchen u. ſ. w. Mit den Jahren nimmt er an Erfahrung zu und weiß dieſe wohl zu benutzen. Giebt man ihm zum erſten Mal ein Ei, ſo zerbricht er es mit ſolchem Ungeſchick, daß er den größten Theil des Jnhaltes verliert; ſpäter öffnet er es blos an der Spitze und läßt Nichts mehr verloren gehen. Selten läßt er ſich mehr als ein Mal durch Etwas täuſchen. Schon nach kurzer Zeit lernt er den Ausdruck der Geſichtszüge und die verſchiedenen Betonungen der Stimme ſeines Herrn verſtehen und zeigt Furcht oder Freude, je nachdem er rauh oder ſanft angeredet oder angeſehen wird. Auslachen läßt er ſich nicht, wahrſcheinlich weil ihn das Gelächter an frühere unangenehme Lagen erinnert. Seine ge- machten Erfahrungen wendet er auch bei verſchiedenen Gegenſtänden geſchickt an, d. h. er verſteht Das, was er einmal gelernt hat, in der ausgedehnteſten Weiſe zu benutzen. So lernt er den Hammer zum Zertrümmern, den Hebel zum Aufbrechen brauchen. Entfernungen ſchätzt er auf das genaueſte und richtet hiernach ſeine Bewegung ein. Sein treues Gedächtniß und ſeine Urtheilsfähigkeit machen ſich oft bemerklich. Dieſe beiden Geiſteskräfte ſind wohl bei allen gleichmäßig ausgebildet, bei älteren aber entſchiedener, als bei jüngeren.
Nur die Jndianer benutzen das Fell und Fleiſch des Thieres und ſtellen ihm deshalb mit Pfeil und Bogen nach. Die Weißen halten den Affen höchſtens in der Gefangenſchaft. Außer den Menſchen ſind ihm noch die ſchon bei den früheren amerikaniſchen Affen genannten Katzen gefährlich.
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[112/0170]
Die Affen. Rollaffen. — Cay.
Affen, welche niemals mißhandelt worden ſind, zeigen auch gern Zutrauen, beſonders gegen die
Neger, denen ſie überhaupt mehr zugethan ſind, als den Weißen.
Der Cay ſchließt ſich nicht allein den Menſchen an, ſondern auch den Hausthieren, mit denen
er aufgezogen wird. Es geſchieht nicht ſelten in Paraguay, daß man ihn mit einem jungen Hunde
aufzieht, welcher ihm als Reitpferd dienen muß. Wird er von dieſem getrennt, ſo bricht er in ein Ge-
ſchrei aus; beim Wiederſehen überhäuft er ihn mit Liebkoſungen. Und dabei iſt ſeine Liebe auch der Auf-
opferung fähig, denn bei Balgereien mit anderen Hunden vertheidigt er ſeinen Freund mit großem Muthe.
Aber ganz anders zeigt ſich das Thier, ſobald es Mißhandlungen erleben muß. Wenn es ſich
ſtark genug fühlt, ſucht es, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und beißt den Menſchen derb, ſobald er
es beleidigt. Wenn es aber ſeinen Gegner fürchtet, nimmt es ſeine Zuflucht zur Verſtellung und
verſucht ſich dann an ihm zu rächen, wenn es ihn unvermuthet überfallen kann. Renggers Cay biß
Leute, die ihn vorher geneckt hatten, auf die heimtückiſchſte Weiſe und kletterte dann immer ſchnell auf
einen hohen Balken, wo man ihm nicht beikommen konnte. Alle Affen, welche man früher neckte, ſind
gegen Jedermann äußerſt mißtrauiſch, und man muß ſich vor ihnen in Acht nehmen. Sie ſelbſt necken
aber gern und laſſen kein Thier unangefochten vorübergehen. Hunde und Katzen zerren ſie am
Schwanze, Hühnern und Enten reißen ſie Federn aus; ſelbſt Pferde, welche in ihrer Nähe an-
gebunden ſind, ziehen ſie am Zaume, und ihre Freude iſt um ſo größer, je mehr ſie ein Thier ge-
ärgert oder geängſtigt haben.
Auch der Cay iſt höchſt naſchhaft und lernt bald, wenn er dabei ertappt wird, heimlich ſtehlen,
wobei er alle Kniffe und Pfiffe anwendet. Ertappt man ihn bei der That, ſo ſchreit er aus Furcht
vor der Strafe ſchon im voraus laut auf, wird er aber nicht entdeckt, dann thut er ſo unſchuldig
und furchtlos, als ob Nichts geſchehen wäre. Kleinere Gegenſtände verſteckt er, wenn er geſtört wird,
im Munde und frißt ſie erſt ſpäter. Seine Habſucht iſt ſehr groß. Was er einmal beſitzt, läßt er
ſich ſo leicht nicht wieder nehmen, höchſtens von ſeinem Herrn, wenn er dieſen ſehr lieb hat. Dieſe
Habſucht iſt ſchuld, daß man ihn in ausgehöhlten Kürbiſſen (Seite 6) fangen kann. Außer dieſen
Eigenſchaften zeigt er noch Neugierde und Zerſtörungsſucht im hohen Grade.
Das Thier iſt ſehr ſelbſtſtändig und unterwirft ſich nicht gern dem Willen des Menſchen. Man
kann ihn wohl von Etwas abhalten, nicht aber zu Etwas zwingen. Dagegen ſucht er, andere Ge-
ſchöpfe ſeinem eigenen Willen zu unterwerfen und auch den Menſchen, bald durch Liebkoſungen, bald
durch Drohungen. Diejenigen Thiere, denen er an Kraft und Gewandtheit überlegen iſt, müſſen
ſich in ſeinen Willen fügen. Dies thut ſeiner Gelehrſamkeit bedeutenden Abbruch. Er lernt blos
Das, was ihm Nutzen bringt, z. B. Schachteln öffnen, Taſchen ſeines Herrn unterſuchen u. ſ. w.
Mit den Jahren nimmt er an Erfahrung zu und weiß dieſe wohl zu benutzen. Giebt man ihm zum
erſten Mal ein Ei, ſo zerbricht er es mit ſolchem Ungeſchick, daß er den größten Theil des Jnhaltes
verliert; ſpäter öffnet er es blos an der Spitze und läßt Nichts mehr verloren gehen. Selten läßt er
ſich mehr als ein Mal durch Etwas täuſchen. Schon nach kurzer Zeit lernt er den Ausdruck der
Geſichtszüge und die verſchiedenen Betonungen der Stimme ſeines Herrn verſtehen und zeigt Furcht
oder Freude, je nachdem er rauh oder ſanft angeredet oder angeſehen wird. Auslachen läßt er ſich
nicht, wahrſcheinlich weil ihn das Gelächter an frühere unangenehme Lagen erinnert. Seine ge-
machten Erfahrungen wendet er auch bei verſchiedenen Gegenſtänden geſchickt an, d. h. er verſteht
Das, was er einmal gelernt hat, in der ausgedehnteſten Weiſe zu benutzen. So lernt er den Hammer
zum Zertrümmern, den Hebel zum Aufbrechen brauchen. Entfernungen ſchätzt er auf das genaueſte
und richtet hiernach ſeine Bewegung ein. Sein treues Gedächtniß und ſeine Urtheilsfähigkeit machen
ſich oft bemerklich. Dieſe beiden Geiſteskräfte ſind wohl bei allen gleichmäßig ausgebildet, bei älteren
aber entſchiedener, als bei jüngeren.
Nur die Jndianer benutzen das Fell und Fleiſch des Thieres und ſtellen ihm deshalb mit Pfeil
und Bogen nach. Die Weißen halten den Affen höchſtens in der Gefangenſchaft. Außer den
Menſchen ſind ihm noch die ſchon bei den früheren amerikaniſchen Affen genannten Katzen gefährlich.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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