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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Allgemeines.

Jn ihrer geistigen Begabung stehen sie weit hinter ihren östlichen Verwandten zurück. Sie sind
im Ganzen zwar sanft, gutmüthig und zutraulich, aber auch dumm, ungeschickt, ungelehrig und
schwerfällig. Einzelne sind neugierig, muthwillig und neckisch, andere dagegen grämlich, eigensinnig,
boshaft, tückisch und bissig. Lüstern, genäschig, diebisch und habsüchtig sind sie auch, besitzen also
ebenfalls schlechte Eigenschaften genug -- und die guten Seiten der altweltlichen Affen gehen ihnen
dafür ab. Wenn man zwischen alt- und neuweltlichen Affen zu wählen hat, wird man wohl niemals
lange in Zweifel bleiben, welche uns besser gefallen. Jn der Freiheit sind diese immer scheu und
furchtsam und nicht im Stande, wirkliche Gefahr von eingebildeter zu unterscheiden. Deshalb fliehen
sie bei jeder ungewöhnlichen Erscheinung und suchen sich so rasch wie möglich in dichtem Gezweig zu
verbergen. Angeschossene beißen tüchtig nach Dem, welcher sie fassen will; Gesunde vertheidigen sich
wohl blos gegen schwache Raubthiere. Es sind kraftlose, feige Thiere.

Jn der Gefangenschaft benehmen sie sich bald artig und zutraulich, werden im Alter aber doch
auch böse und bissig, wenngleich nicht immer. Jhre geistige und leibliche Trägheit, ihr schwermüthiges
Aussehen, die kläglichen Töne, welche sie und oft mit merkwürdiger Ansdauer ausstoßen, ihre Un-
reinlichkeit, ihre Weichlichkeit und Hinfälligkeit: -- alle diese Eigenschaften und Sitten sind eben auch
nicht geeignet, sie als Hausgenossen und Zeitvertreib des Menschen zu empfehlen. Einige wenige
Arten machen freilich eine rühmliche Ausnahme und werden deshalb auch häufig zahm gehalten und
mit großer Liebe gepflegt. Manche besitzen einen hohen Grad von Empfänglichkeit für äußere Ein-
drücke; sie drücken ihre Gefühlsbewegungen durch Lachen oder Weinen aus und werden aus diesem
Grunde namentlich weichherzigen Frauen besonders theuer.

Jhre Mutterliebe ist eben so erhaben, wie die der altweltlichen Affen. Sie gebären ein oder
zwei Junge auf einmal und lieben, hätscheln, pflegen und beschützen dieselben mit einer Sorgfalt und
Herzlichkeit, welche ihnen immer Bewunderung und Liebe erwerben muß.

Dem Menschen werden die neuweltlichen Affen nicht oder kaum schädlich. Der weite, große, reiche
Wald ist ihre Heimat, ihr Ernährer und Versorger; sie bedürfen des Herrn der Erde und seiner An-
stalten nicht. Nur wenige Arten fallen zuweilen in waldnahe Felder ein und erheben sich dort einen
geringen Zoll, welcher gar keine Aehnlichkeit hat mit den Erpressungen, die sich die Altweltsaffen erlauben.
Der Mensch dagegen zieht mancherlei Nutzen aus den harmlosen Waldbewohnern Amerikas. Er jagt
sie ihres Fleisches und ihres Pelzes wegen. Mancher Reisende hat längere Zeit die Affen als schätz-
bares Wildpret betrachten und sich aus ihrem Fleische Suppen und Braten bereiten müssen, und
manche feine europäische Frau birgt und wärmt ihre zarten Hände in einer Hülle, welche früher den
Leib eines Affen bekleidete.

Für die Eingebornen Amerikas ist der Affe ein außerordentlich wichtiges Thier; denn sein Fleisch
bildet einen guten Theil ihrer Nahrung. Sie jagen ihm eifrig nach und erlegen deren auf großen
Jagden zu Hunderten. Gewöhnlich bedienen sie sich zu ihrer Jagd des Bogens, nicht selten wenden
sie aber auch das Blasrohr und kleine, jedoch mit dem fürchterlichsten Gifte gedränkte Pfeile an, welche
über hundert Fuß hoch emporgeschleudert werden und unrettbar tödten, auch wenn sie blos die Haut
durchbohrt haben. Zwar versuchen es alle Affen, den kleinen Pfeil so schnell als möglich aus der
Wunde zu ziehen: allein der schlaue Mensch hat das Geschoß halb durchschnitten, und deshalb bricht
fast regelmäßig die Giftspitze ab und bleibt in der Wunde stecken -- furchtbar genug, um auch einem
ganz andern Thiere die Lebenskraft zu rauben. Das Blasrohr, aus dem solche tückisch wirkende
Bolzen abgeschossen werden, bleibt unter allen Umständen das gefährlichste Menschengewehr für die
leichten Kinder der Höhe.

Mit derselben Waffe erbeuten die Jndianer auch die Affen, welche sie für die Gefangenschaft
wünschen. "Wollen die Arekunas," sagt Schomburgk, "einen alten, störrischen Affen zähmen, so
bestreichen sie das Pfeilchen mit geschwächtem Urarigift. Stürzt er betäubt herab, so wird die Wunde
gleich ausgesogen; alsdann begraben sie ihn bis an den Hals in die Erde und flößen ihm eine starke
Auflösung salpeterhaltiger Erde und Zuckerrohrsaft ein. Jst der Patient etwas zu sich gekommen, so

Allgemeines.

Jn ihrer geiſtigen Begabung ſtehen ſie weit hinter ihren öſtlichen Verwandten zurück. Sie ſind
im Ganzen zwar ſanft, gutmüthig und zutraulich, aber auch dumm, ungeſchickt, ungelehrig und
ſchwerfällig. Einzelne ſind neugierig, muthwillig und neckiſch, andere dagegen grämlich, eigenſinnig,
boshaft, tückiſch und biſſig. Lüſtern, genäſchig, diebiſch und habſüchtig ſind ſie auch, beſitzen alſo
ebenfalls ſchlechte Eigenſchaften genug — und die guten Seiten der altweltlichen Affen gehen ihnen
dafür ab. Wenn man zwiſchen alt- und neuweltlichen Affen zu wählen hat, wird man wohl niemals
lange in Zweifel bleiben, welche uns beſſer gefallen. Jn der Freiheit ſind dieſe immer ſcheu und
furchtſam und nicht im Stande, wirkliche Gefahr von eingebildeter zu unterſcheiden. Deshalb fliehen
ſie bei jeder ungewöhnlichen Erſcheinung und ſuchen ſich ſo raſch wie möglich in dichtem Gezweig zu
verbergen. Angeſchoſſene beißen tüchtig nach Dem, welcher ſie faſſen will; Geſunde vertheidigen ſich
wohl blos gegen ſchwache Raubthiere. Es ſind kraftloſe, feige Thiere.

Jn der Gefangenſchaft benehmen ſie ſich bald artig und zutraulich, werden im Alter aber doch
auch böſe und biſſig, wenngleich nicht immer. Jhre geiſtige und leibliche Trägheit, ihr ſchwermüthiges
Ausſehen, die kläglichen Töne, welche ſie und oft mit merkwürdiger Ansdauer ausſtoßen, ihre Un-
reinlichkeit, ihre Weichlichkeit und Hinfälligkeit: — alle dieſe Eigenſchaften und Sitten ſind eben auch
nicht geeignet, ſie als Hausgenoſſen und Zeitvertreib des Menſchen zu empfehlen. Einige wenige
Arten machen freilich eine rühmliche Ausnahme und werden deshalb auch häufig zahm gehalten und
mit großer Liebe gepflegt. Manche beſitzen einen hohen Grad von Empfänglichkeit für äußere Ein-
drücke; ſie drücken ihre Gefühlsbewegungen durch Lachen oder Weinen aus und werden aus dieſem
Grunde namentlich weichherzigen Frauen beſonders theuer.

Jhre Mutterliebe iſt eben ſo erhaben, wie die der altweltlichen Affen. Sie gebären ein oder
zwei Junge auf einmal und lieben, hätſcheln, pflegen und beſchützen dieſelben mit einer Sorgfalt und
Herzlichkeit, welche ihnen immer Bewunderung und Liebe erwerben muß.

Dem Menſchen werden die neuweltlichen Affen nicht oder kaum ſchädlich. Der weite, große, reiche
Wald iſt ihre Heimat, ihr Ernährer und Verſorger; ſie bedürfen des Herrn der Erde und ſeiner An-
ſtalten nicht. Nur wenige Arten fallen zuweilen in waldnahe Felder ein und erheben ſich dort einen
geringen Zoll, welcher gar keine Aehnlichkeit hat mit den Erpreſſungen, die ſich die Altweltsaffen erlauben.
Der Menſch dagegen zieht mancherlei Nutzen aus den harmloſen Waldbewohnern Amerikas. Er jagt
ſie ihres Fleiſches und ihres Pelzes wegen. Mancher Reiſende hat längere Zeit die Affen als ſchätz-
bares Wildpret betrachten und ſich aus ihrem Fleiſche Suppen und Braten bereiten müſſen, und
manche feine europäiſche Frau birgt und wärmt ihre zarten Hände in einer Hülle, welche früher den
Leib eines Affen bekleidete.

Für die Eingebornen Amerikas iſt der Affe ein außerordentlich wichtiges Thier; denn ſein Fleiſch
bildet einen guten Theil ihrer Nahrung. Sie jagen ihm eifrig nach und erlegen deren auf großen
Jagden zu Hunderten. Gewöhnlich bedienen ſie ſich zu ihrer Jagd des Bogens, nicht ſelten wenden
ſie aber auch das Blasrohr und kleine, jedoch mit dem fürchterlichſten Gifte gedränkte Pfeile an, welche
über hundert Fuß hoch emporgeſchleudert werden und unrettbar tödten, auch wenn ſie blos die Haut
durchbohrt haben. Zwar verſuchen es alle Affen, den kleinen Pfeil ſo ſchnell als möglich aus der
Wunde zu ziehen: allein der ſchlaue Menſch hat das Geſchoß halb durchſchnitten, und deshalb bricht
faſt regelmäßig die Giftſpitze ab und bleibt in der Wunde ſtecken — furchtbar genug, um auch einem
ganz andern Thiere die Lebenskraft zu rauben. Das Blasrohr, aus dem ſolche tückiſch wirkende
Bolzen abgeſchoſſen werden, bleibt unter allen Umſtänden das gefährlichſte Menſchengewehr für die
leichten Kinder der Höhe.

Mit derſelben Waffe erbeuten die Jndianer auch die Affen, welche ſie für die Gefangenſchaft
wünſchen. „Wollen die Arekunas,‟ ſagt Schomburgk, „einen alten, ſtörriſchen Affen zähmen, ſo
beſtreichen ſie das Pfeilchen mit geſchwächtem Urarigift. Stürzt er betäubt herab, ſo wird die Wunde
gleich ausgeſogen; alsdann begraben ſie ihn bis an den Hals in die Erde und flößen ihm eine ſtarke
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[95/0151] Allgemeines. Jn ihrer geiſtigen Begabung ſtehen ſie weit hinter ihren öſtlichen Verwandten zurück. Sie ſind im Ganzen zwar ſanft, gutmüthig und zutraulich, aber auch dumm, ungeſchickt, ungelehrig und ſchwerfällig. Einzelne ſind neugierig, muthwillig und neckiſch, andere dagegen grämlich, eigenſinnig, boshaft, tückiſch und biſſig. Lüſtern, genäſchig, diebiſch und habſüchtig ſind ſie auch, beſitzen alſo ebenfalls ſchlechte Eigenſchaften genug — und die guten Seiten der altweltlichen Affen gehen ihnen dafür ab. Wenn man zwiſchen alt- und neuweltlichen Affen zu wählen hat, wird man wohl niemals lange in Zweifel bleiben, welche uns beſſer gefallen. Jn der Freiheit ſind dieſe immer ſcheu und furchtſam und nicht im Stande, wirkliche Gefahr von eingebildeter zu unterſcheiden. Deshalb fliehen ſie bei jeder ungewöhnlichen Erſcheinung und ſuchen ſich ſo raſch wie möglich in dichtem Gezweig zu verbergen. Angeſchoſſene beißen tüchtig nach Dem, welcher ſie faſſen will; Geſunde vertheidigen ſich wohl blos gegen ſchwache Raubthiere. Es ſind kraftloſe, feige Thiere. Jn der Gefangenſchaft benehmen ſie ſich bald artig und zutraulich, werden im Alter aber doch auch böſe und biſſig, wenngleich nicht immer. Jhre geiſtige und leibliche Trägheit, ihr ſchwermüthiges Ausſehen, die kläglichen Töne, welche ſie und oft mit merkwürdiger Ansdauer ausſtoßen, ihre Un- reinlichkeit, ihre Weichlichkeit und Hinfälligkeit: — alle dieſe Eigenſchaften und Sitten ſind eben auch nicht geeignet, ſie als Hausgenoſſen und Zeitvertreib des Menſchen zu empfehlen. Einige wenige Arten machen freilich eine rühmliche Ausnahme und werden deshalb auch häufig zahm gehalten und mit großer Liebe gepflegt. Manche beſitzen einen hohen Grad von Empfänglichkeit für äußere Ein- drücke; ſie drücken ihre Gefühlsbewegungen durch Lachen oder Weinen aus und werden aus dieſem Grunde namentlich weichherzigen Frauen beſonders theuer. Jhre Mutterliebe iſt eben ſo erhaben, wie die der altweltlichen Affen. Sie gebären ein oder zwei Junge auf einmal und lieben, hätſcheln, pflegen und beſchützen dieſelben mit einer Sorgfalt und Herzlichkeit, welche ihnen immer Bewunderung und Liebe erwerben muß. Dem Menſchen werden die neuweltlichen Affen nicht oder kaum ſchädlich. Der weite, große, reiche Wald iſt ihre Heimat, ihr Ernährer und Verſorger; ſie bedürfen des Herrn der Erde und ſeiner An- ſtalten nicht. Nur wenige Arten fallen zuweilen in waldnahe Felder ein und erheben ſich dort einen geringen Zoll, welcher gar keine Aehnlichkeit hat mit den Erpreſſungen, die ſich die Altweltsaffen erlauben. Der Menſch dagegen zieht mancherlei Nutzen aus den harmloſen Waldbewohnern Amerikas. Er jagt ſie ihres Fleiſches und ihres Pelzes wegen. Mancher Reiſende hat längere Zeit die Affen als ſchätz- bares Wildpret betrachten und ſich aus ihrem Fleiſche Suppen und Braten bereiten müſſen, und manche feine europäiſche Frau birgt und wärmt ihre zarten Hände in einer Hülle, welche früher den Leib eines Affen bekleidete. Für die Eingebornen Amerikas iſt der Affe ein außerordentlich wichtiges Thier; denn ſein Fleiſch bildet einen guten Theil ihrer Nahrung. Sie jagen ihm eifrig nach und erlegen deren auf großen Jagden zu Hunderten. Gewöhnlich bedienen ſie ſich zu ihrer Jagd des Bogens, nicht ſelten wenden ſie aber auch das Blasrohr und kleine, jedoch mit dem fürchterlichſten Gifte gedränkte Pfeile an, welche über hundert Fuß hoch emporgeſchleudert werden und unrettbar tödten, auch wenn ſie blos die Haut durchbohrt haben. Zwar verſuchen es alle Affen, den kleinen Pfeil ſo ſchnell als möglich aus der Wunde zu ziehen: allein der ſchlaue Menſch hat das Geſchoß halb durchſchnitten, und deshalb bricht faſt regelmäßig die Giftſpitze ab und bleibt in der Wunde ſtecken — furchtbar genug, um auch einem ganz andern Thiere die Lebenskraft zu rauben. Das Blasrohr, aus dem ſolche tückiſch wirkende Bolzen abgeſchoſſen werden, bleibt unter allen Umſtänden das gefährlichſte Menſchengewehr für die leichten Kinder der Höhe. Mit derſelben Waffe erbeuten die Jndianer auch die Affen, welche ſie für die Gefangenſchaft wünſchen. „Wollen die Arekunas,‟ ſagt Schomburgk, „einen alten, ſtörriſchen Affen zähmen, ſo beſtreichen ſie das Pfeilchen mit geſchwächtem Urarigift. Stürzt er betäubt herab, ſo wird die Wunde gleich ausgeſogen; alsdann begraben ſie ihn bis an den Hals in die Erde und flößen ihm eine ſtarke Auflöſung ſalpeterhaltiger Erde und Zuckerrohrſaft ein. Jſt der Patient etwas zu ſich gekommen, ſo

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/151>, abgerufen am 28.11.2024.