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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Aus dem Gefangenleben des Babuin.
Angreiferin. Sein muthiger Kampf gewann ihm die Bewunderung der Araber in so hohem Grade,
daß keiner derselben ihm sein geraubtes Pflegekind abnahm; sie jagten schließlich lieber die Hündin
weg. Unbehelligt brachte er den jungen Hund mit sich in unsere Behausung, hätschelte, pflegte und
wartete ihn sorgfältig, sprang mit dem armen Thiere, welches gar keinen Gefallen an solchen Tänzer-
künsten zu haben schien, auf Mauern und Balken, ließ es dort in der gefährlichsten Lage los und er-
laubte sich andere Uebergriffe, die wohl an einem Affen, nicht aber an einem Hunde gerechtfertigt sein
mochten. Seine Freundschaft zu dem Kleinen war groß, Dies hinderte ihn jedoch nicht, alles Futter,
welches wir dem jungen Hunde brachten, selbst an dessen Stelle zu fressen und das arme hungrige
[Abbildung] Der Babuin (Cynocephalus Babuin).
Thier auch noch sorgfältig mit dem Arme
wegzuhalten, während er, der räuberische
Vormund, das unschuldige Mündel beein-
trächtigte. Jch ließ ihm noch an demselben
Abend das Junge abnehmen und es zu
seiner rechtmäßigen Mutter zurückbringen.
Der Verlust ärgerte ihn dergestalt, daß er
mehrere Tage sehr mürrisch war und ver-
schiedene dumme Streiche verübte.

Während meines zweiten Aufenthaltes
in Ost Sudahn hatte ich oft viele Paviane
derselben Art zu gleicher Zeit in meinem
Gehöft. Sie gehörten theils mir, theils
einem meiner Freunde an. Jeder Pavian
kannte seinen Herrn genau und ebensogut
den ihm verliehenen Namen. Es war eine
Kleinigkeit, einen frischgekauften Affen
beides kennen zu lernen. Wir brachten
das Thier in das Jnnere unserer Woh-
nung und sorgten durch aufgestellte Wachen
dafür, daß er den Raum nicht verlassen
konnte. Dann nahm Einer von uns die
Peitsche und bedrohte den betreffenden
Affen, der Andere geberdete sich in aus-
drucksvollster Weise als Schutzherr des
Verfolgten. Nur selten wurde es wirklich
nöthig, einen Pavian zu schlagen; er be-
griff schon die Drohung und dem ihn in
Aussicht gestellten Schutz vollkommen und
erwies sich stets sehr dankbar für die ihm
in so schwerer Bedrängniß gewordene
Hilfe. Ebenso leicht wurde es, einem Paviane begreiflich zu machen, daß er mit dem oder jenem
Namen getauft worden sei. Wir riefen den Namen und prügelten alle diejenigen, welche falsch
antworteten. Hierin bestand das ganze Kunststück. Es war keineswegs nöthig, harte Züchtigungen
zu verhängen. Die Drohung, zu schlagen, bewirkte oft mehr, als die Schläge selbst, und versetzte
jeden Pavian stets in die größte Aufregung.

Während der Regenzeit waren wir oft an unsere Behausung gebannt. Das Fieber schüttelte wohl
auch den Einen oder den Andern von uns; ich war damals arm, hatte schwere Verluste erlitten und
befand mich in einer sehr traurigen Lage. Da waren es die Affen vor Allem, welche mich erheiterten,
und ich kann wohl sagen, daß sie uns geradezu unumgänglich nothwendig wurden. Wir trieben tolle

Aus dem Gefangenleben des Babuin.
Angreiferin. Sein muthiger Kampf gewann ihm die Bewunderung der Araber in ſo hohem Grade,
daß keiner derſelben ihm ſein geraubtes Pflegekind abnahm; ſie jagten ſchließlich lieber die Hündin
weg. Unbehelligt brachte er den jungen Hund mit ſich in unſere Behauſung, hätſchelte, pflegte und
wartete ihn ſorgfältig, ſprang mit dem armen Thiere, welches gar keinen Gefallen an ſolchen Tänzer-
künſten zu haben ſchien, auf Mauern und Balken, ließ es dort in der gefährlichſten Lage los und er-
laubte ſich andere Uebergriffe, die wohl an einem Affen, nicht aber an einem Hunde gerechtfertigt ſein
mochten. Seine Freundſchaft zu dem Kleinen war groß, Dies hinderte ihn jedoch nicht, alles Futter,
welches wir dem jungen Hunde brachten, ſelbſt an deſſen Stelle zu freſſen und das arme hungrige
[Abbildung] Der Babuin (Cynocephalus Babuin).
Thier auch noch ſorgfältig mit dem Arme
wegzuhalten, während er, der räuberiſche
Vormund, das unſchuldige Mündel beein-
trächtigte. Jch ließ ihm noch an demſelben
Abend das Junge abnehmen und es zu
ſeiner rechtmäßigen Mutter zurückbringen.
Der Verluſt ärgerte ihn dergeſtalt, daß er
mehrere Tage ſehr mürriſch war und ver-
ſchiedene dumme Streiche verübte.

Während meines zweiten Aufenthaltes
in Oſt Sudahn hatte ich oft viele Paviane
derſelben Art zu gleicher Zeit in meinem
Gehöft. Sie gehörten theils mir, theils
einem meiner Freunde an. Jeder Pavian
kannte ſeinen Herrn genau und ebenſogut
den ihm verliehenen Namen. Es war eine
Kleinigkeit, einen friſchgekauften Affen
beides kennen zu lernen. Wir brachten
das Thier in das Jnnere unſerer Woh-
nung und ſorgten durch aufgeſtellte Wachen
dafür, daß er den Raum nicht verlaſſen
konnte. Dann nahm Einer von uns die
Peitſche und bedrohte den betreffenden
Affen, der Andere geberdete ſich in aus-
drucksvollſter Weiſe als Schutzherr des
Verfolgten. Nur ſelten wurde es wirklich
nöthig, einen Pavian zu ſchlagen; er be-
griff ſchon die Drohung und dem ihn in
Ausſicht geſtellten Schutz vollkommen und
erwies ſich ſtets ſehr dankbar für die ihm
in ſo ſchwerer Bedrängniß gewordene
Hilfe. Ebenſo leicht wurde es, einem Paviane begreiflich zu machen, daß er mit dem oder jenem
Namen getauft worden ſei. Wir riefen den Namen und prügelten alle diejenigen, welche falſch
antworteten. Hierin beſtand das ganze Kunſtſtück. Es war keineswegs nöthig, harte Züchtigungen
zu verhängen. Die Drohung, zu ſchlagen, bewirkte oft mehr, als die Schläge ſelbſt, und verſetzte
jeden Pavian ſtets in die größte Aufregung.

Während der Regenzeit waren wir oft an unſere Behauſung gebannt. Das Fieber ſchüttelte wohl
auch den Einen oder den Andern von uns; ich war damals arm, hatte ſchwere Verluſte erlitten und
befand mich in einer ſehr traurigen Lage. Da waren es die Affen vor Allem, welche mich erheiterten,
und ich kann wohl ſagen, daß ſie uns geradezu unumgänglich nothwendig wurden. Wir trieben tolle

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[85/0141] Aus dem Gefangenleben des Babuin. Angreiferin. Sein muthiger Kampf gewann ihm die Bewunderung der Araber in ſo hohem Grade, daß keiner derſelben ihm ſein geraubtes Pflegekind abnahm; ſie jagten ſchließlich lieber die Hündin weg. Unbehelligt brachte er den jungen Hund mit ſich in unſere Behauſung, hätſchelte, pflegte und wartete ihn ſorgfältig, ſprang mit dem armen Thiere, welches gar keinen Gefallen an ſolchen Tänzer- künſten zu haben ſchien, auf Mauern und Balken, ließ es dort in der gefährlichſten Lage los und er- laubte ſich andere Uebergriffe, die wohl an einem Affen, nicht aber an einem Hunde gerechtfertigt ſein mochten. Seine Freundſchaft zu dem Kleinen war groß, Dies hinderte ihn jedoch nicht, alles Futter, welches wir dem jungen Hunde brachten, ſelbſt an deſſen Stelle zu freſſen und das arme hungrige [Abbildung Der Babuin (Cynocephalus Babuin).] Thier auch noch ſorgfältig mit dem Arme wegzuhalten, während er, der räuberiſche Vormund, das unſchuldige Mündel beein- trächtigte. Jch ließ ihm noch an demſelben Abend das Junge abnehmen und es zu ſeiner rechtmäßigen Mutter zurückbringen. Der Verluſt ärgerte ihn dergeſtalt, daß er mehrere Tage ſehr mürriſch war und ver- ſchiedene dumme Streiche verübte. Während meines zweiten Aufenthaltes in Oſt Sudahn hatte ich oft viele Paviane derſelben Art zu gleicher Zeit in meinem Gehöft. Sie gehörten theils mir, theils einem meiner Freunde an. Jeder Pavian kannte ſeinen Herrn genau und ebenſogut den ihm verliehenen Namen. Es war eine Kleinigkeit, einen friſchgekauften Affen beides kennen zu lernen. Wir brachten das Thier in das Jnnere unſerer Woh- nung und ſorgten durch aufgeſtellte Wachen dafür, daß er den Raum nicht verlaſſen konnte. Dann nahm Einer von uns die Peitſche und bedrohte den betreffenden Affen, der Andere geberdete ſich in aus- drucksvollſter Weiſe als Schutzherr des Verfolgten. Nur ſelten wurde es wirklich nöthig, einen Pavian zu ſchlagen; er be- griff ſchon die Drohung und dem ihn in Ausſicht geſtellten Schutz vollkommen und erwies ſich ſtets ſehr dankbar für die ihm in ſo ſchwerer Bedrängniß gewordene Hilfe. Ebenſo leicht wurde es, einem Paviane begreiflich zu machen, daß er mit dem oder jenem Namen getauft worden ſei. Wir riefen den Namen und prügelten alle diejenigen, welche falſch antworteten. Hierin beſtand das ganze Kunſtſtück. Es war keineswegs nöthig, harte Züchtigungen zu verhängen. Die Drohung, zu ſchlagen, bewirkte oft mehr, als die Schläge ſelbſt, und verſetzte jeden Pavian ſtets in die größte Aufregung. Während der Regenzeit waren wir oft an unſere Behauſung gebannt. Das Fieber ſchüttelte wohl auch den Einen oder den Andern von uns; ich war damals arm, hatte ſchwere Verluſte erlitten und befand mich in einer ſehr traurigen Lage. Da waren es die Affen vor Allem, welche mich erheiterten, und ich kann wohl ſagen, daß ſie uns geradezu unumgänglich nothwendig wurden. Wir trieben tolle

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/141>, abgerufen am 25.11.2024.