Seite des Eisenstäubchens weder die eine noch die andre Polarität erlangt.
Diese ungleiche Stärke des Magnetismus oder die ungleiche Vertheilung der magnetischen Kräfte am Ende und gegen die Mitte des magnetisirten Stabes kann man mit Coulombs Drehwaage auf folgende Weise genauer untersuchen. Es sei (Fig. 133.) AB eine an dem Faden LM der Drehwaage horizontal aufgehängte Magnetnadel, A ihr Nordpol; man lasse diese in ihrer natür- lichen Stellung so zur Ruhe kommen, daß der Faden ungedreht ist, und bringe nun in senkrechter Richtung gegen sie den Magnet SN an, dessen Nordpol den Nordpol jener Nadel berührt. Da die gleichnamigen Pole sich abstoßen, so nimmt der Drath LM eine Drehung an und man muß durch Zurückdrehen die Nadel AB zwingen, sich dennoch an N anzulegen; die Größe dieser Zurück- drehung, welche nämlich erforderlich ist, um die Abstoßung zu hin- dern, giebt das Maaß der abstoßenden Kraft der beiden auf ein- ander wirkenden Pole. Stellt man nun den Versuch zuerst am äußersten Ende des Magnets, dann immer weiter gegen die Mitte zu an, so findet man, daß die Kraft in einer geringen Entfernung vom Ende am stärksten ist, dann aber gegen die Mitte sehr schnell abnimmt. Durch dieses Mittel erhält man zwar nicht im streng- sten Sinne die Kraft jedes einzelnen Punctes, sondern die ver- einigte Kraft auch der benachbarten Puncte, indeß läßt sich doch das Gesetz der Austheilung der magnetischen Kräfte gar wohl aus diesen Versuchen herleiten, zumal da die Einwirkung der nur etwas bedeutend weiter entfernten Puncte schon bald geringe wird. Ein zweites Mittel, um diese Kenntniß der Kräfte der einzelnen Puncte zu erhalten, besteht darin, daß man kleine Magnetnadeln in der Nähe der einzelnen Puncte eines größern Magnetes oscilliren läßt, und aus der Schnelligkeit der Oscillationen die Kraft der Anziehung bestimmt.
Bei dieser Untersuchung findet man, daß die stärksten Puncte oder die eigentlichen Pole nicht ganz am äußersten Ende des Ma- gnetes liegen, und auf diesen Umstand muß man bei manchen Un- tersuchungen Rücksicht nehmen. Christie stellte zu anderm Zwecke den Versuch an, daß er einen magnetisirten Stab, in wel- chem diese Pole gleich entfernt von beiden Enden lagen, dadurch
Seite des Eiſenſtaͤubchens weder die eine noch die andre Polaritaͤt erlangt.
Dieſe ungleiche Staͤrke des Magnetismus oder die ungleiche Vertheilung der magnetiſchen Kraͤfte am Ende und gegen die Mitte des magnetiſirten Stabes kann man mit Coulombs Drehwaage auf folgende Weiſe genauer unterſuchen. Es ſei (Fig. 133.) AB eine an dem Faden LM der Drehwaage horizontal aufgehaͤngte Magnetnadel, A ihr Nordpol; man laſſe dieſe in ihrer natuͤr- lichen Stellung ſo zur Ruhe kommen, daß der Faden ungedreht iſt, und bringe nun in ſenkrechter Richtung gegen ſie den Magnet SN an, deſſen Nordpol den Nordpol jener Nadel beruͤhrt. Da die gleichnamigen Pole ſich abſtoßen, ſo nimmt der Drath LM eine Drehung an und man muß durch Zuruͤckdrehen die Nadel AB zwingen, ſich dennoch an N anzulegen; die Groͤße dieſer Zuruͤck- drehung, welche naͤmlich erforderlich iſt, um die Abſtoßung zu hin- dern, giebt das Maaß der abſtoßenden Kraft der beiden auf ein- ander wirkenden Pole. Stellt man nun den Verſuch zuerſt am aͤußerſten Ende des Magnets, dann immer weiter gegen die Mitte zu an, ſo findet man, daß die Kraft in einer geringen Entfernung vom Ende am ſtaͤrkſten iſt, dann aber gegen die Mitte ſehr ſchnell abnimmt. Durch dieſes Mittel erhaͤlt man zwar nicht im ſtreng- ſten Sinne die Kraft jedes einzelnen Punctes, ſondern die ver- einigte Kraft auch der benachbarten Puncte, indeß laͤßt ſich doch das Geſetz der Austheilung der magnetiſchen Kraͤfte gar wohl aus dieſen Verſuchen herleiten, zumal da die Einwirkung der nur etwas bedeutend weiter entfernten Puncte ſchon bald geringe wird. Ein zweites Mittel, um dieſe Kenntniß der Kraͤfte der einzelnen Puncte zu erhalten, beſteht darin, daß man kleine Magnetnadeln in der Naͤhe der einzelnen Puncte eines groͤßern Magnetes oſcilliren laͤßt, und aus der Schnelligkeit der Oſcillationen die Kraft der Anziehung beſtimmt.
Bei dieſer Unterſuchung findet man, daß die ſtaͤrkſten Puncte oder die eigentlichen Pole nicht ganz am aͤußerſten Ende des Ma- gnetes liegen, und auf dieſen Umſtand muß man bei manchen Un- terſuchungen Ruͤckſicht nehmen. Chriſtie ſtellte zu anderm Zwecke den Verſuch an, daß er einen magnetiſirten Stab, in wel- chem dieſe Pole gleich entfernt von beiden Enden lagen, dadurch
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Seite des Eiſenſtaͤubchens weder die eine noch die andre Polaritaͤt
erlangt.
Dieſe ungleiche Staͤrke des Magnetismus oder die ungleiche
Vertheilung der magnetiſchen Kraͤfte am Ende und gegen die Mitte
des magnetiſirten Stabes kann man mit Coulombs Drehwaage
auf folgende Weiſe genauer unterſuchen. Es ſei (Fig. 133.) AB
eine an dem Faden LM der Drehwaage horizontal aufgehaͤngte
Magnetnadel, A ihr Nordpol; man laſſe dieſe in ihrer natuͤr-
lichen Stellung ſo zur Ruhe kommen, daß der Faden ungedreht iſt,
und bringe nun in ſenkrechter Richtung gegen ſie den Magnet SN
an, deſſen Nordpol den Nordpol jener Nadel beruͤhrt. Da die
gleichnamigen Pole ſich abſtoßen, ſo nimmt der Drath LM eine
Drehung an und man muß durch Zuruͤckdrehen die Nadel AB
zwingen, ſich dennoch an N anzulegen; die Groͤße dieſer Zuruͤck-
drehung, welche naͤmlich erforderlich iſt, um die Abſtoßung zu hin-
dern, giebt das Maaß der abſtoßenden Kraft der beiden auf ein-
ander wirkenden Pole. Stellt man nun den Verſuch zuerſt am
aͤußerſten Ende des Magnets, dann immer weiter gegen die Mitte
zu an, ſo findet man, daß die Kraft in einer geringen Entfernung
vom Ende am ſtaͤrkſten iſt, dann aber gegen die Mitte ſehr ſchnell
abnimmt. Durch dieſes Mittel erhaͤlt man zwar nicht im ſtreng-
ſten Sinne die Kraft jedes einzelnen Punctes, ſondern die ver-
einigte Kraft auch der benachbarten Puncte, indeß laͤßt ſich doch
das Geſetz der Austheilung der magnetiſchen Kraͤfte gar wohl aus
dieſen Verſuchen herleiten, zumal da die Einwirkung der nur etwas
bedeutend weiter entfernten Puncte ſchon bald geringe wird. Ein
zweites Mittel, um dieſe Kenntniß der Kraͤfte der einzelnen Puncte
zu erhalten, beſteht darin, daß man kleine Magnetnadeln in der
Naͤhe der einzelnen Puncte eines groͤßern Magnetes oſcilliren laͤßt,
und aus der Schnelligkeit der Oſcillationen die Kraft der Anziehung
beſtimmt.
Bei dieſer Unterſuchung findet man, daß die ſtaͤrkſten Puncte
oder die eigentlichen Pole nicht ganz am aͤußerſten Ende des Ma-
gnetes liegen, und auf dieſen Umſtand muß man bei manchen Un-
terſuchungen Ruͤckſicht nehmen. Chriſtie ſtellte zu anderm
Zwecke den Verſuch an, daß er einen magnetiſirten Stab, in wel-
chem dieſe Pole gleich entfernt von beiden Enden lagen, dadurch
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/437>, abgerufen am 25.11.2024.
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