Ich muß in Beziehung auf die Ausdehnung fester Körper doch noch einen merkwürdigen Umstand erwähnen. Einige Beob- achter haben gefunden, daß bei stetigem Zunehmen oder Abnehmen der Temperatur sich das Volumen fester Körper nicht immer ebenso stetig, sondern in kleinen Unterbrechungen, stoßweise, ändert. Eine sehr bekannte Erfahrung scheint mir eben dahin zu gehören. Wenn wir eine sehr erhitzte Ofenthür öffnen, und sie dadurch einer schnel- len Abkühlung aussetzen, so giebt sie sehr oft ein beinahe in bestimm- ten Tacte sich wiederholendes Geräusch, welches man durch einen leichten Stoß kann aufhören machen; dieses sind, so viel ich ein- sehe, die stoßweise erfolgenden Aenderungen des Volumens, die bei der Schnelligkeit der Abkühlung stark genug sind, um ein Geräusch zu bewirken; bringt man durch einen Stoß die ganze Masse in zitternde Bewegung, so erleichtert man den Theilchen des festen Körpers die Rückkehr zu dem Ausdehnungszustande, welcher der Wärme gemäß ist, und dieser wird für die nächsten Augenblicke nach jenem Stoße in einem mehr stetigen Uebergange, nicht mehr stoßweise, erreicht *). Diese Erscheinung ist nicht so besonders auf- fallend oder merkwürdig, da man sich leicht vorstellen kann, daß die Ungleichheit in der Structur fester Körper Hindernisse darbieten mag, die sich der in jedem Augenblicke angemessenen Herstellung der Ausdehnung widersetzen, und die erst plötzlich überwunden wer- den, wenn bei fortgehender Abkühlung die zusammenziehende Kraft einen gewissen Grad erreicht hat; aber da neulich ein Beobachter hierin einen Beweis für die undulatorische Bewegung des Wärme- stoffs selbst hat finden wollen, so verdient sie doch wohl erwähnt zu werden, indem diese Erscheinung gewiß einen ganz andern Grund hat.
Wärme des Wassers in tiefen Seen und im Meere.
Ich gehe zu einigen in die physische Geographie und in die Meteorologie gehörigen Erscheinungen über, die von der ungleichen Ausdehnung flüssiger Körper bei verschiedener Wärme abhängen.
*)Laplace expos. du syst. du monde. 1. 123.
Unregelmaͤßigkeit in der Ausdehnung feſter Koͤrper.
Ich muß in Beziehung auf die Ausdehnung feſter Koͤrper doch noch einen merkwuͤrdigen Umſtand erwaͤhnen. Einige Beob- achter haben gefunden, daß bei ſtetigem Zunehmen oder Abnehmen der Temperatur ſich das Volumen feſter Koͤrper nicht immer ebenſo ſtetig, ſondern in kleinen Unterbrechungen, ſtoßweiſe, aͤndert. Eine ſehr bekannte Erfahrung ſcheint mir eben dahin zu gehoͤren. Wenn wir eine ſehr erhitzte Ofenthuͤr oͤffnen, und ſie dadurch einer ſchnel- len Abkuͤhlung ausſetzen, ſo giebt ſie ſehr oft ein beinahe in beſtimm- ten Tacte ſich wiederholendes Geraͤuſch, welches man durch einen leichten Stoß kann aufhoͤren machen; dieſes ſind, ſo viel ich ein- ſehe, die ſtoßweiſe erfolgenden Aenderungen des Volumens, die bei der Schnelligkeit der Abkuͤhlung ſtark genug ſind, um ein Geraͤuſch zu bewirken; bringt man durch einen Stoß die ganze Maſſe in zitternde Bewegung, ſo erleichtert man den Theilchen des feſten Koͤrpers die Ruͤckkehr zu dem Ausdehnungszuſtande, welcher der Waͤrme gemaͤß iſt, und dieſer wird fuͤr die naͤchſten Augenblicke nach jenem Stoße in einem mehr ſtetigen Uebergange, nicht mehr ſtoßweiſe, erreicht *). Dieſe Erſcheinung iſt nicht ſo beſonders auf- fallend oder merkwuͤrdig, da man ſich leicht vorſtellen kann, daß die Ungleichheit in der Structur feſter Koͤrper Hinderniſſe darbieten mag, die ſich der in jedem Augenblicke angemeſſenen Herſtellung der Ausdehnung widerſetzen, und die erſt ploͤtzlich uͤberwunden wer- den, wenn bei fortgehender Abkuͤhlung die zuſammenziehende Kraft einen gewiſſen Grad erreicht hat; aber da neulich ein Beobachter hierin einen Beweis fuͤr die undulatoriſche Bewegung des Waͤrme- ſtoffs ſelbſt hat finden wollen, ſo verdient ſie doch wohl erwaͤhnt zu werden, indem dieſe Erſcheinung gewiß einen ganz andern Grund hat.
Waͤrme des Waſſers in tiefen Seen und im Meere.
Ich gehe zu einigen in die phyſiſche Geographie und in die Meteorologie gehoͤrigen Erſcheinungen uͤber, die von der ungleichen Ausdehnung fluͤſſiger Koͤrper bei verſchiedener Waͤrme abhaͤngen.
*)Laplace expos. du syst. du monde. 1. 123.
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[29/0043]
Unregelmaͤßigkeit in der Ausdehnung feſter Koͤrper.
Ich muß in Beziehung auf die Ausdehnung feſter Koͤrper
doch noch einen merkwuͤrdigen Umſtand erwaͤhnen. Einige Beob-
achter haben gefunden, daß bei ſtetigem Zunehmen oder Abnehmen
der Temperatur ſich das Volumen feſter Koͤrper nicht immer ebenſo
ſtetig, ſondern in kleinen Unterbrechungen, ſtoßweiſe, aͤndert. Eine
ſehr bekannte Erfahrung ſcheint mir eben dahin zu gehoͤren. Wenn
wir eine ſehr erhitzte Ofenthuͤr oͤffnen, und ſie dadurch einer ſchnel-
len Abkuͤhlung ausſetzen, ſo giebt ſie ſehr oft ein beinahe in beſtimm-
ten Tacte ſich wiederholendes Geraͤuſch, welches man durch einen
leichten Stoß kann aufhoͤren machen; dieſes ſind, ſo viel ich ein-
ſehe, die ſtoßweiſe erfolgenden Aenderungen des Volumens, die bei
der Schnelligkeit der Abkuͤhlung ſtark genug ſind, um ein Geraͤuſch
zu bewirken; bringt man durch einen Stoß die ganze Maſſe in
zitternde Bewegung, ſo erleichtert man den Theilchen des feſten
Koͤrpers die Ruͤckkehr zu dem Ausdehnungszuſtande, welcher der
Waͤrme gemaͤß iſt, und dieſer wird fuͤr die naͤchſten Augenblicke
nach jenem Stoße in einem mehr ſtetigen Uebergange, nicht mehr
ſtoßweiſe, erreicht *). Dieſe Erſcheinung iſt nicht ſo beſonders auf-
fallend oder merkwuͤrdig, da man ſich leicht vorſtellen kann, daß
die Ungleichheit in der Structur feſter Koͤrper Hinderniſſe darbieten
mag, die ſich der in jedem Augenblicke angemeſſenen Herſtellung
der Ausdehnung widerſetzen, und die erſt ploͤtzlich uͤberwunden wer-
den, wenn bei fortgehender Abkuͤhlung die zuſammenziehende Kraft
einen gewiſſen Grad erreicht hat; aber da neulich ein Beobachter
hierin einen Beweis fuͤr die undulatoriſche Bewegung des Waͤrme-
ſtoffs ſelbſt hat finden wollen, ſo verdient ſie doch wohl erwaͤhnt
zu werden, indem dieſe Erſcheinung gewiß einen ganz andern
Grund hat.
Waͤrme des Waſſers in tiefen Seen und im Meere.
Ich gehe zu einigen in die phyſiſche Geographie und in die
Meteorologie gehoͤrigen Erſcheinungen uͤber, die von der ungleichen
Ausdehnung fluͤſſiger Koͤrper bei verſchiedener Waͤrme abhaͤngen.
*) Laplace expos. du syst. du monde. 1. 123.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/43>, abgerufen am 13.11.2024.
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